Krankenhäuser sind auch nach Beendigung der stationären Behandlung eines Versicherten gem. § 301 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V auf Verlangen der Krankenkasse verpflichtet, bei Überschreiten der gemeldeten voraussichtlichen Verweildauer eine medizinische Begründung hierfür an die Krankenkasse zu übermitteln. Damit, dass in der Schlussrechnung und im Entlassdatensatz die Diagnosen und Prozeduren aufgeführt sind, erfüllt das Krankenhaus die Pflicht zur medizinischne Begründung nicht. Kommt das Krankenhaus dem Verlangen der Krankenkasse nicht nach, ist die Vergütungsforderung nicht fällig. Dies berechtigt die Krankenkasse die Forderung nicht zu erfüllen.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 20.06.2023 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 1.362,55 € endgültig festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Vergütung einer Krankenhausbehandlung (Zuschlag zur oberen Grenzverweildauer <OGVD>).
Die Klägerin ist Trägerin eines zugelassenen Krankenhauses (im Folgenden Krankenhaus). Der bei der beklagten Krankenkasse versicherte B1, geboren1943 (im Folgenden: Versicherter) wurde am 18.12.2019 im Krankenhaus der Klägerin mit einer Schenkelhalsfraktur als Notfall aufgenommen und, nachdem die Klägerin der Beklagten im Wege des elektronischen Datenaustausches zunächst in der Aufnahmeanzeige eine geplante Entlassung am 28.12.2019 mitgeteilt hatte, bis 03.01.2020 vollstationär behandelt.
Mit Rechnung vom 13.02.2020 forderte die Klägerin für die stationäre Behandlung des Versicherten auf der Grundlage der DRG I08G (And. Eingriff Hüftgel. mit kompl. Proz. od. Eingriff in Komb. Hüftgel. und ob. Extremität od. WS od. kompl. Faktoren und mehr als 1 BT od. best. Kniegelenkschaden mit best. Eingriff Femur und Becken od. kompl. Diag. od. beids. Eingriff und mehr als 1 BT) eine Vergütung i.H.v. insgesamt 6.641,11 €.
Am 20.02.2020 bat die Beklagte die Klägerin bis zum 06.03.2020 um eine medizinische Begründung nach § 301 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) für die Überschreitung des angegebenen voraussichtlichen Entlassdatums und wies darauf hin, dass bei fehlender Begründung der Zuschlag zur OGVD nicht fällig werde. Die Klägerin legte eine medizinische Begründung nicht vor. Am 16.03.2020 zahlte die Beklagte ohne Einschaltung des Medizinischen Dienstes (MD) an die Klägerin einen Betrag i.H.v. 5.278,56 €. Den OGVD-Zuschlag i.H.v. 1.362,55 € zahlte sie nicht.
Am 23.11.2021 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die Beklagte habe nach Übermittlung der Entlassanzeige und der Rechnung zur Übersendung einer medizinischen Begründung aufgefordert. Zum Zeitpunkt der Anfrage der Beklagten am 20.02.2022 (gemeint wohl 2020) sei der Versicherte bereits seit Wochen entlassen gewesen. Die Schlussrechnung mit dem Entlassdatensatz habe der KK bereits seit dem 13.02.2020 vorgelegen. Wenn die Beklagte an der Notwendigkeit der vollstationären Behandlung bzw. an der Überschreitung der OGVD Zweifel gehabt hätte, hätte es ihr freigestanden gem. § 275 Abs. 1c SGB V a.F. i.Vm. der Prüfverfahrensordnung (PrüfvV), den MD mit der Überprüfung des Behandlungsfalls zu beauftragen. Da eine Beauftragung des MD nicht erfolgt sei, sei die Beklagte nunmehr mit möglichen Einwänden ausgeschlossen. Ein Zurückbehaltungsrecht stehe der Beklagten weder nach dem SGB V noch nach Landesvertrag oder PrüfvV zu. Rein vorsorglich hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 08.06.2022 darauf hingewiesen, dass sowohl in der Schlussrechnung als auch im Entlassdatensatz die Diagnosen und Prozeduren festgehalten worden seien. Aus diesen ergebe sich bereits die Komplexität des stationären Aufenthalts und in der Folge die Notwendigkeit der Versorgung bis zum Entlassungsdatum. So könne man den Daten entnehmen, dass der Versicherte kurz vor den weihnachtlichen Feiertagen mit einer rechtsseitigen Schenkelhalsfraktur aufgenommen worden sei. Des Weiteren gehe aus der Kodierung der Nebendiagnose hervor, dass hier eine Demenz (die Pflegebedürftigkeit Grad 3 sei der Krankenkasse ohnehin bekannt), ein Selbstpflegedefizit, eine behandlungsbedürftige Obstipation, eine Harnwegsinfektion sowie die operative Versorgung mittels Schraubenosteosynthese vorgelegen habe. Weiter gehe aus den der Beklagten vorliegenden Daten hervor, dass dem Versicherten am 27.12.2019 ein Rollator, ein Duschhocker sowie ein Toilettenstuhl rezeptiert worden seien, um eine sichere häusliche Versorgung zu ermöglichen. Erst als der Zustand des Versicherten eine sichere Versorgung im häuslichen Umfeld durch die Ehefrau unter Einsatz der genannten Hilfsmittel erlaubt habe, sei der Versicherte entlassen worden. Aus diesen der Beklagten vorliegenden Informationen ergebe sich die Notwendigkeit für die stationäre Versorgung bis zum Entlassdatum und damit auch, weshalb der Versicherte länger als voraussichtlich geplant behandelt worden sei. Die Rechnung sei also von Anfang an fällig gewesen. Es handele sich hier um eine allgemeine Vorgehensweise der Beklagten, pauschal bei der Überschreitung der OGVD medizinische Begründungen anzufordern. Offenkundig wolle man auf diese Weise die Zahlung von Aufwandspauschalen vermeiden bzw. die Prüfquote schonen. Im Übrigen regele die von der Beklagten benannte Norm § 301 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V gerade eine Mitteilungspflicht eines Krankenhauses gegenüber der Beklagten im Bereich der Überprüfung nach § 275 SGB V. Somit sei die Beklagte für die über die Angaben nach Absatz 1 Satz 1 hinausgehende sachlich-rechnerische Überprüfung einer Krankenhausabrechnung insoweit auf ein Tätigwerden des MD angewiesen. Ein Sachbearbeiter einer Krankenkasse als medizinischer Laie könne nach Einholung eines Kurzberichts keine endgültige – negative – Beurteilung über die Notwendigkeit einer stationären Krankenhausbehandlung abgeben.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Die abgerechnete DRG I08G habe eine OGVD von 11 Behandlungstagen. Die Klageforderung betreffe Zuschläge für die Überschreitung der OGVD um fünf Tage zu jeweils 272,51 €. Ein Anspruch auf Vergütung dieses OGVD-Zuschlags bestehe nicht. Die Pflicht der Krankenhäuser, bei Überschreitung der voraussichtlichen Dauer der Behandlung eine medizinische Begründung anzugeben, sei in § 301 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V geregelt. Bereits in seiner grundlegenden Entscheidung vom 16.05.2012 (B 3 KR 14/11 R) habe das Bundessozialgericht (BSG) unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass die medizinische Begründung für eine Verlängerung der Verweildauer der ersten Stufe der Sachverhaltserhebung zuzuordnen sei. Genüge die Anzeige des Krankenhauses diesen (Mindest-) Anforderungen nicht, fehle es nach inzwischen ständiger Rechtsprechung des BSG bereits an der Fälligkeit der Vergütungsforderung. Das Krankenhaus sei ohne Wenn und Aber verpflichtet, auf Verlangen der Krankenkasse eine medizinische Begründung zu liefern. Das gelte unabhängig vom zeitlichen Ablauf. Die übermittelten Diagnosen könnten eine medizinische Begründung nicht ersetzen. In § 301 Abs. 1 Nr. 3 SGB V sei die Verpflichtung zur Übermittlung der Diagnosen getrennt von der medizinischen Begründung für ein Überschreiten der voraussichtlichen Verweildauer aufgeführt. Von ihren medizinisch nicht besonders geschulten Mitarbeitern könne, so die Beklagte weiter, auch nicht verlangt werden, aus den übermittelten Diagnosen selbstständig eine Begründung für ein Überschreiten der voraussichtlichen Verweildauer herzuleiten. Hierzu bedürfe es der medizinischen Begründung. Sinn und Zweck derselben sei, der Krankenkasse die Überschreitung einer vom Krankenhaus angegebenen voraussichtlichen Verweildauer des Patienten in medizinischer Hinsicht plausibel zu machen. Es gehe gerade darum, eine Einschaltung des MD durch eine entsprechende Erklärung gegenüber der Krankenkasse zu verhindern. Eine Krankenkasse sei nicht verpflichtet, Krankenhausrechnungen auch dann in voller Höhe zu begleichen, wenn sie schon innerhalb der vertraglich vereinbarten Zahlungsfrist substantiierte und der Höhe nach bezifferte Einwendungen gegen die Abrechnung geltend mache. Dies sei unter anderem dann der Fall, wenn wie hier die Klägerin entgegen eigener Angaben die voraussichtliche Verweildauer ohne weitere Begründung überschreite. In diesem Fall sei es ihr gesetzlich gestattet, detaillierte medizinische Begründungen (und aussagekräftige Unterlagen) anzufordern, um überhaupt Einwendungen erheben zu können, denn andernfalls könne sie ihren Prüfaufträgen aus § 275 Abs. 1 SGB V und § 17c Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) gar nicht nachkommen. Im Übrigen bestehe entgegen der Auffassung der Klägerin kein Zusammenhang zwischen § 275 und § 301 SGB V. Die Normen entstammten völlig unterschiedlichen Kapiteln des SGB V. Die Übermittlungspflichten seien eindeutig geregelt in § 301 Abs. 1 Nr. 3 SGB V und in § 10 Abs. 1 des Baden-Württembergischen Landesvertrags nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V.
Mit Urteil vom 20.06.2023 hat das SG die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 1.362,55 € zzgl. Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basissatz seit dem 16.03.2020 zu bezahlen. Die Beklagte habe zu Unrecht eine Kürzung des Zuschlages der OGVD vorgenommen. Der Zuschlag der OGVD sei nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Klägerin keine medizinische Begründung nach § 301 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V an die Beklagte übermittelt habe. Der stationäre Aufenthalt des Versicherten habe am 03.01.2020 geendet. Die Abrechnung der Klägerin gegenüber der Beklagten über den stationären Aufenthalt sei am 13.02.2020 erfolgt. Die Anforderung der medizinischen Begründung der Beklagten sei am 20.02.2020 und somit erst nach Abschluss der Behandlung des Versicherten und nach Übermittlung der Rechnung erfolgt. Die Anforderung einer medizinischen Begründung i.S.d. § 301 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V nach Abschluss der Behandlung des Versicherten sei nicht mehr möglich. Der Beklagten wäre es ohne Weiteres möglich gewesen, anhand der nach § 301 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 SGB V mitgeteilten Entlassungsdaten eine gewöhnliche MD-Prüfung einzuleiten. Zwischen den Daten der Aufnahme und den Daten der Entlassung werde differenziert. § 301 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V betreffe die Daten der Aufnahme sowie die voraussichtliche Dauer der Krankenhausbehandlung. § 301 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 SGB V betreffe die Daten der Entlassung. Nachdem die Behandlung des Versicherten bereits am 03.01.2020 abgeschlossen und die Rechnung an die Beklagte übermittelt gewesen sei, sei der zeitliche Anwendungsbereich von § 301 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V bzgl. der Mitteilung der „voraussichtlichen“ Dauer der Krankenhausbehandlung bereits abgelaufen gewesen, denn das endgültige Entlassdatum habe schon festgestanden. Eine Mitteilung der Überschreitung der „voraussichtlichen“ Dauer der Krankenhausbehandlung sei zu diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich gewesen, da die Dauer der Behandlung schon abgeschlossen gewesen sei. In solchen Fällen stehe der Beklagten die Einleitung eines Prüfverfahrens durch den MD zur Verfügung. Es entspreche nicht Sinn und Zweck der Regelung, wenn die Beklagte durch ein Berufen auf die voraussichtliche Dauer eines Krankenhausaufenthalts die Einleitung eines MD-Prüfverfahrens umgehe. Die Einleitung eines MD-Prüfverfahrens sei nunmehr nicht mehr möglich, da die Fristen des § 275c SGB V n.F. hierfür abgelaufen seien. Auch aus § 275 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 1c SGB V bzw. aus § 17c KHG i.V.m § 4 und § 6 PrüfvV 2016 ergebe sich nach neuester Rechtsprechung des BSG (unter Verweis auf Urteil vom 22.06.2022 - B 1 KR 19/21 R -) keine Verpflichtung zur Einleitung eines neuen Prüfverfahrens i.S.d. § 275 Abs. 1c Satz 4 SGB V. Allerdings bestehe eine auf die Einwände der Krankenkasse beschränkte Ermittlungspflicht des Gerichts, an der das Krankenhaus nicht mitwirken müsse. Die Erhebung und Verwertung derjenigen Daten, die nur im Rahmen des Prüfverfahrens durch den MD beim Krankenhaus hätten erhoben werden können, sei dem Gericht verwehrt. Das Gericht dürfe seiner Überzeugungsbildung nur die von dem Beweiserhebungs- und verwertungsverbot nicht umfassten Daten zugrunde legen. Verwertbar seien auch die vom Krankenhaus freiwillig zur Verfügung gestellten Daten. Der Verzicht der Krankenkasse auf ein Prüfverfahren sei darüber hinaus auch im Rahmen der Beweiswürdigung zu berücksichtigen. Er bewirke eine Beweiserleichterung bis hin zur Umkehr der Beweislast zugunsten des Krankenhauses. Dieses solle nicht unter dem Druck der Beweislast letztlich doch gezwungen sein, Behandlungsunterlagen zu offenbaren, deren Anforderungen dem Gericht verwehrt seien. Die Prüfung beschränke sich daher auf den Sachverhalt, wie er sich aus den vom Krankenhaus übermittelten Daten entnehmen lasse. Diesen lasse sich hier lediglich entnehmen, dass eine vollstationäre Behandlung vom 18.12.2019 bis 03.01.2020 durchgeführt worden und die Aufnahme als Notfall erfolgt sei. Dabei sei die DRG I08G abgerechnet worden. Anhaltspunkte, warum diese Behandlung nicht erforderlich gewesen sein solle, ließen sich den Angaben nicht entnehmen. Von einer Erforderlichkeit der stationären Behandlung – auch über das zunächst angegebene Entlassdatum am 28.12.2020 (richtig: 2019) hinaus – sei daher auszugehen. Der Zinsanspruch der Klägerin folge bezüglich der Vergütung aus § 19 Abs. 1, 3 des in Baden-Württemberg geltenden Vertrages nach § 112 Abs. 2 Satz 1 KHBV (sic).
Gegen das ihr am 21.06.2023 zugestellte Urteil richtet sich die am 26.06.2023 zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegte Berufung der Beklagten. Das Urteil des SG sei rechtsfehlerhaft. Das BSG habe in der Entscheidung vom 07.03.2023 (B 1 KR 11/22 R) zur Abrechenbarkeit einer Aufwandspauschale bei fehlender medizinischer Begründung für die Überschreitung des voraussichtlichen Entlassdatums ausgeführt, dass ein Krankenhaus verpflichtet sei, eine inhaltliche Begründung dafür zu liefern, welche konkreten medizinischen Sachverhaltsumstände zum längeren Behandlungsverlauf geführt hätten. Nach dem Urteil seien Krankenkassen nach § 301 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V berechtigt, bei Überschreiten der voraussichtlichen Verweildauer eine medizinische Begründung zur Verweildauer zu verlangen. Das BSG gehe davon aus, dass es sich bei den in § 301 Abs. 1 SGB V geregelten Informationspflichten, hier konkret der medizinischen Begründung, um fälligkeitsbegründende Pflichten handele. Dementsprechend fehle es auch im vorliegenden Fall mangels medizinischer Begründung für die Überschreitung der OGVD zweifelsfrei an der Fälligkeit der streitigen Forderung. Mangels fälliger Rechnung sei sie nicht zur Einschaltung des MD verpflichtet gewesen, sondern vielmehr berechtigt zuvor eine medizinische Begründung des Krankenhauses für die Überschreitung der voraussichtlichen Verweildauer zu verlangen. Mit der Übermittlung des Entlass- und Rechnungsdatensatzes sei die Klägerin ihren Informationspflichten nicht nachgekommen. Die Datensätze zur medizinischen Begründung sowie der Rechnungs- und Entlassdatensatz hätten völlig unterschiedliche Inhalte. Die Begründung des SG, nach Abschluss der Behandlung sei die Anforderung einer medizinischen Begründung nicht mehr möglich, sei völlig unverständlich. Die Anforderung einer medizinischen Begründung vor Abschluss der Behandlung sei den Krankenkassen unmöglich. Denn von der Überschreitung der geplanten Verweildauer erhalte die Krankenkasse stets erst im Rahmen der Entlass- und Rechnungsdaten Kenntnis, also nach Entlassung. Im laufenden Aufenthalt werde die Krankenkasse nicht darüber informiert, dass eine geplante Verweildauer überschritten werde. Wäre die Argumentation des SG zutreffend, dürften Krankenkassen in normalen somatischen Fällen niemals eine medizinische Begründung anfordern, sondern wären stets direkt zur Einschaltung des MD gezwungen. Das mit dem Prüfverfahren verbundene Kostenrisiko würde einseitig den Krankenkassen aufgebürdet.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 20.06.2023 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin ist der Berufung entgegengetreten. Der eingeklagte Anspruch sei fällig gewesen. Der Beklagten habe nicht deshalb ein Zurückbehaltungsrecht zugestanden, weil auf deren Bitten keine weitere medizinische Begründung für die Überschreitung der voraussichtlichen Verweildauer abgegeben worden sei. Das SG habe zutreffend darauf hingewiesen, dass der zeitliche Anwendungsbereich von § 301 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V sich auf die Zeit ab der Aufnahme bis zur Entlassung erstrecke. Die nach der Entlassung zu übermittelnden Daten ergäben sich dagegen aus § 301 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 SGB V. Die Verpflichtung, eine Begründung für die Überschreitung des voraussichtlichen Entlassdatums anzugeben, finde sich nur in § 301 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V. Dies mache auch Sinn. Wenn der Patient bereits entlassen sei, so könne man fragen, weshalb er bis zum Entlassdatum versorgt worden sei. Solange der Patient noch im Krankenhaus sei, könne ein berechtigtes Interesse daran bestehen, eine Begründung zu verlangen, weshalb das voraussichtliche Entlassdatum überschritten worden sei. Vorliegend sei die Aufforderung der Beklagten, eine medizinische Begründung für die Überschreitung anzugeben, erst nach Zugang des Entlass- und Rechnungsdatensatzes erfolgt. Die Beklagte habe also das Datum der Entlassung gekannt. Es hätte ihr daher offen gestanden, gem. § 301 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 SGB V den Grund für die Entlassung am 03.01.2020 anzufragen. Die Frage nach der Überschreitung des voraussichtlichen Entlassdatums habe sich mit der Entlassung aber erledigt. Die Differenzierung zwischen den zu übermittelnden Daten ab Aufnahme bis zur Entlassung und für die Zeit nach Entlassung werde auch durch § 301 Abs. 1 Satz 2 SGB V untermauert. Danach dürfe die Übermittlung der medizinischen Begründung von Verlängerungen der Verweildauer nach § 301 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V auch in nicht maschinenlesbarer Form erfolgen. Hiermit sei die bereits oben skizzierte Fallgestaltung angesprochen, in welcher eine Krankenkasse zunächst eine zeitlich befristete Kostenübernahmeerklärung abgegeben habe und dann bei Überschreitung des voraussichtlichen Entlassdatums, welches ihrer Kostenübernahmeerklärung zugrunde liege, eine medizinische Begründung fordere. Diese Forderung mache nur Sinn, wenn der Patient zu diesem Zeitpunkt noch im Krankenhaus sei, nicht jedoch wenn er entlassen worden sei, der Entlassdatensatz sowie der Rechnungsdatensatz bei der Beklagten vorliege. Mit dieser Differenzierung befasse sich das Urteil des BSG vom 07.03.2023 nicht. Es betreffe auch nicht die Frage des Vergütungsanspruchs, sondern des Anspruchs auf Zahlung einer Aufwandspauschale. Letztlich habe sie aber auch ihre Informationspflicht durch Übermittlung des Entlass- und Rechnungsdatensatzes erfüllt. Gehe man, dem Vortrag der Beklagten folgend davon aus, dass die Beklagte kein medizinisch besonders geschultes Personal beschäftige – wovon sie, die Klägerin, aber nicht ausgehe –, erschließe sich auch nicht deren Forderung, man hätte eine zusätzliche medizinische Begründung abgeben müssen. Auch damit hätte ungeschultes Personal nichts anfangen können. Im Übrigen habe die Beklagte erstinstanzlich nicht streitig gestellt, dass die übermittelten Daten eine medizinische Begründung für die Überschreitung des voraussichtlichen Entlassdatums darstellten, sie habe nur auf nicht hinreichend geschultes Personal hingewiesen. Jedenfalls habe sie ihre Verpflichtung zur Abgabe einer medizinischen Begründung für die Überschreitung mit Schriftsatz vom 08.06.2022 erfüllt. Bis zum Entlassdatum habe stationäre Behandlungsbedürftigkeit bestanden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des SG und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Beklagten ist gemäß §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft. Streitgegenstand ist der (von der Klägerin statthaft mit der allgemeinen Leistungsklage < § 54 Abs. 5 SGG > geltend gemachte, vgl. etwa BSG, Urteil 19.04.2016 - B 1 KR 28/15 R -, in juris) Zuschlag zur OGVD i.H.v. 1.362,55 €; der Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG (750 €) ist überschritten. Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt worden und daher auch im Übrigen gemäß § 151 SGG zulässig.
Die Berufung der Beklagten ist auch begründet. Der Klägerin steht wegen der stationären Behandlung des Versicherten neben dem von der Beklagten bereits gezahlten Betrag i.H.v. 5.278,56 € kein weitergehender Vergütungsanspruch i.H. der darüber hinaus geforderten 1.362,55 € und auch kein Zinsanspruch zu. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf den Zuschlag für die Überschreitung der oberen Grenzverweildauer. Das SG hat der Klage zu Unrecht stattgegeben.
Rechtsgrundlage des geltend gemachten Vergütungsanspruchs ist § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V i.V.m. § 7 Satz 1 Nr. 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG), die Vereinbarung zum Fallpauschalensystem für Krankenhäuser für das Jahr 2019 und deren Anlage 1 Teil a i.V.m. § 17b Satz 1 KHG sowie der Krankenhausbehandlungsvertrag nach § 112 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V für das Land Baden-Württemberg (KHBW). Die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse entsteht – unabhängig von einer Kostenzusage – unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten, wenn die Versorgung – wie hier – in einem zugelassenen Krankenhaus erfolgt und im Sinne von § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V erforderlich und wirtschaftlich ist (stRspr; BSG, Urteil vom 16.12.2008 - B 1 KN 1/07 KR R -, in juris).
Ob und ggf. mit welcher Dauer hier Krankenhausbehandlung erforderlich war, was nach der Rechtsprechung des BSG von der Krankenkasse und im Streitfall von den Gerichten selbstständig zu prüfen und zu entscheiden ist, ohne dass dabei den Krankenhausärzten eine Einschätzungsprärogative zukommt (BSG, Urteil vom 22.04.2009 - B 3 KR 24/07 R -, in juris) muss hier nicht entschieden werden. Denn der Klägerin steht der Zuschlag für die OGVD bereits deshalb nicht zu, weil sie den Anspruch nicht formal ordnungsgemäß abgerechnet hat. Der Vergütungsanspruch der Klägerin für den Zuschlag zur OGVD war bei Rechnungsstellung nicht fällig.
Grundvoraussetzung der Fälligkeit eines entstandenen Anspruchs auf Vergütung von Krankenhausbehandlung eines Versicherten ist eine formal ordnungsgemäße Abrechnung. In diesem Sinne regelt § 19 des KHBW in der vom 01.01.2006 bis 31.12.2022 geltenden Fassung, dass die Krankenkasse die Rechnung innerhalb von 30 Tagen nach Übermittlung des Rechnungssatzes zu bezahlen hat. Eine formal ordnungsgemäße Abrechnung setzt eine ordnungsgemäße Information der Krankenkasse über die vom Krankenhaus abgerechnete Versorgung nach Maßgabe der Informationsobliegenheiten und ggf. -pflichten voraus, insbesondere aus § 301 SGB V sowie ggf. ergänzenden landesvertraglichen Bestimmungen. Fehlt es an einer dieser Angaben, so tritt mangels formal ordnungsgemäßer Abrechnung bereits die Fälligkeit der abgerechneten Forderung nicht ein (BSG, Urteil vom 17.09.2013 - B 1 KR 51/12 R -, in juris Rn. 26; BSG, Urteil vom 16.05.2012 - B 3 KR 14/11 R -, in juris Rn. 32; BSG, Urteil vom 22.04.2009 - B 3 KR 24/07 R -, in juris 16). Die Vergütungsforderung wird in diesem Falle erst fällig, wenn das Krankenhaus seine Informationsobliegenheiten und ggf. -pflichten gegenüber der Krankenkasse erfüllt hat (BSG, Urteil vom 21.04.2015 - B 1 KR 10/15 R -, in juris Rn. 10)
Gegen die sich aus § 301 SGB V ergebende Informationspflicht hat die Klägerin hier verstoßen. Sie hat die Anfrage der Beklagten vom 20.02.2020 bzgl. der Überschreitung des voraussichtlichen Entlassdatums nicht beantwortet. Sie hat keine medizinische Begründung zur Verweildauer gegeben.
Krankenkassen sind nach § 301 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V berechtigt, bei Überschreiten der gemeldeten voraussichtlichen Verweildauer vom Krankenhaus eine medizinische Begründung zu verlangen. Die Nachfragemöglichkeit der Krankenkassen wurde gesetzlich geregelt, da die Angabe der voraussichtlichen Verweildauer sowie die medizinische Begründung bei einer Verlängerung Voraussetzung für die Prüfung der Kostenübernahme durch die Krankenkassen sind (vgl. BT-Drucks 12/3608 S. 124; BSG, Urteil vom 07.03.2023 - B 1 KR 11/22 R -, in juris).
Von dieser Anfragemöglichkeit hat die Beklagte wegen der längeren als zunächst prognostizierten Behandlungsdauer hier Gebrauch gemacht. Dass die Beklagte das Verlangen ohne erläuternde Ausführungen äußerte, genügt (BSG, Urteil vom 07.03.2023 - B 1 KR 11/22 R -, in juris)
Hieraus ergab sich die in § 301 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGB V ausdrücklich angeordnete Pflicht der Klägerin („Krankenhäuser … sind verpflichtet“), eine medizinische Begründung an die Beklagte zu übermitteln (BSG, Urteil vom 07.03.2023 - B 1 KR 11/22 R -, BSG, Urteil vom 23.05.2017 - B 1 KR 28/16 R -; beide in juris). Nach dem Wortlaut des Gesetzes schuldet das Krankenhaus auf Verlangen der Krankenkasse nicht lediglich eine Bestätigung der abgerechneten Verweildauer oder eine Bestätigung, dass medizinische Umstände die Behandlungsdauer verursacht haben. Das Krankenhaus ist vielmehr verpflichtet, eine inhaltliche Begründung zu liefern, welche konkreten medizinischen Sachverhaltsumstände zum längeren Behandlungsverlauf geführt haben. Erst eine solche Begründung ermöglicht der Krankenkasse über die Notwendigkeit der Beauftragung des MD zu entscheiden (BSG, Urteil vom 07.03.2023 - B 1 KR 11/22 R -, in juris). Die Klägerin hat hier keine solche medizinische Begründung abgegeben; sie hat sich auf Nachfrage der Beklagten überhaupt nicht geäußert.
Damit, dass die Klägerin in der Schlussrechnung und im Entlassdatensatz die Diagnosen und Prozeduren angeführt hat, hat sie die ihr obliegende Informationspflicht nicht erfüllt. Hierbei handelt es sich um voneinander zu trennende Angaben. Beide Verpflichtungen, die Verpflichtung zur Übermittlung der Diagnosen und die Verpflichtung zur Übermittlung der medizinischen Begründung für das Überschreiten der voraussichtlichen Verweildauer ergeben sich aus § 301 Abs. 1 Nr. 3 SGB V. Danach sind zum einen die Diagnosen und zum anderen die voraussichtliche Dauer der Krankenhausbehandlung sowie, falls diese überschritten wird, auf Verlangen der Krankenkasse die medizinische Begründung im Wege elektronischer Datenübertragung der Beklagten zu melden. Aus dem Wortlaut des § 301 Abs. 1 Nr. 3 SGB V ergibt sich insoweit eindeutig, dass es sich hier um getrennte Meldungen handelt. Die Übermittlung der Diagnosen ersetzt nicht die medizinische Begründung für die Überschreitung der voraussichtlichen Dauer der Krankenhausbehandlung. Allein eine Diagnose rechtfertigt nicht per se die Überschreitung der zunächst gemeldeten geplanten Entlassung.
Auch die Ausführungen im Schriftsatz der Klägerin vom 08.06.2022 vermögen eine medizinische Begründung für die Überschreitung der voraussichtlichen Verweildauer nicht zu liefern. Die Angaben betreffen keine mit der Behandlung des Versicherten zusammenhängenden Gründe für das Verbleiben im Krankenhaus, sondern die Sicherstellung seiner Versorgung im häuslichen Umfeld, die per se keine längere Verweildauer in der vollstationären Krankenhausbehandlung rechtfertigen kann. Die Notwendigkeit von vollstationärer Krankenhausbehandlung richtet sich allein nach medizinischen Erfordernissen (BSG, Beschluss vom 25.09.2007 - GS 1/06 -, in juris). Zudem sind ambulante Maßnahmen einschließlich häuslicher Krankenpflege vorrangig gegenüber (weiterer) vollstationärer Krankenhausbehandlung (s. § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V). In der Anführung von Gründen, die allein die Versorgung des Versicherten im häuslichen Umfeld betreffen, ist deshalb keine „medizinische“ Begründung für die Überschreitung der voraussichtlichen Verweildauer im Sinne des § 301 Abs. 1 Nr. 3 SGB V zu sehen.
Verletzt ein Krankenhaus – wie hier – fälligkeitsbegründende Informationspflichten ist die Vergütungsforderung nicht fällig. Dies berechtigt die Beklagte dazu, die Forderung nicht zu erfüllen (BSG, Urteil vom 07.03.2023 - B 1 KR 11/22 R -, in juris Rn. 26 und 27).
Hiervon ist auch nicht deshalb abzuweichen, weil die Beklagte die medizinische Begründung wegen Überschreitung der zuvor mitgeteilten Verweildauer nach Beendigung der stationären Behandlung und nach Erstellung der Abrechnung der Klägerin verlangte. Das BSG hat in seiner Entscheidung vom 07.03.2023 (B 1 KR 11/22 R, in juris) ohne weiteres angenommen, dass auch in einem solchen Fall eine medizinische Begründung angefordert werden kann und dass – falls eine medizinische Begründung seitens des Krankenhauses nicht geliefert wird – die Vergütungsforderung des Krankenhauses nicht fällig wird (so auch LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 18.04.2024 - L 11 KR 2348/22 NZB -, n.v.).
Etwas anderes lässt sich insoweit auch nicht auf § 301 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 SGB V stützen. Darin ist normiert, welche Angaben das Krankenhaus im Zusammenhang mit der Entlassung aus dem Krankenhaus der Krankenkasse zu übermitteln hat. § 301 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V verpflichtet das Krankenhaus Angaben zur voraussichtlichen Dauer der Krankenhausbehandlung, sowie, falls diese überschritten wird, eine medizinische Begründung zu übermitteln. Die Verpflichtung zur Übermittlung einer medizinischen Begründung steht im Zusammenhang mit den zunächst gemachten Angaben zur voraussichtlichen Dauer der Krankenhausbehandlung. Die medizinische Begründung ist zusätzlich („sowie“) abzugeben, wenn die voraussichtliche Dauer der Krankenhausbehandlung überschritten wird. Wegen einer bereits erfolgten Entlassung wird die sich aus § 301 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V ergebende Übermittlungspflicht nicht obsolet oder ersetzt. Der Wortlaut der Norm lässt keinen Schluss darauf zu, dass im Fall einer bereits erfolgten Entlassung § 301 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V nicht mehr zur Anwendung kommt.
Schließlich war die Beklagte auch nicht verpflichtet, zunächst den MD zu beauftragen. Die Beklagte handelt nicht pflichtwidrig, wenn sie nach dem gescheiterten Verlangen einer medizinischen Begründung die Forderung nicht erfüllt, anstatt den MD einzuschalten (vgl. BSG, Urteil vom 07.03.2023 - B 1 KR 11/22 R -, in juris Rn. 27 zur Konstellation den MD einzuschalten anstatt die Forderung nicht zu erfüllen oder nach Zahlung aufzurechnen).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.