1. Gewährt das Jobcenter Bürgergeld nach § 19 Abs. 1 Satz 2 SGB II (früher „Sozialgeld“), weil es den in einer Bedarfsgemeinschaft mit einem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen lebenden Leistungsberechtigten als erwerbsunfähig auf Zeit ansieht, so kann sich der Leistungsberechtigte nicht mit Erfolg auf eine Fiktion seiner Erwerbsfähigkeit nach § 44a Abs. 1 Satz 7 SGB II berufen, um durch den Bürgergeldbezug nach § 19 Abs. 1 Satz 1 SGB II dem Pflichtversicherungstatbestand des § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V zu unterfallen. 2. Einer Abstimmung des Jobcenters mit dem Sozialhilfeträger im Wege des § 44a Abs. 1 SGB II bedarf es nicht, wenn kein Zuständigkeitsstreit besteht und – sei es auch „nur“ über § 19 Abs. 1 Satz 2 SGB II – Leistungen nach dem SGB II erbracht werden; im Sinne einer teleologischen Reduktion der Norm ist das Jobcenter dann alleine befugt, über die Erwerbsfähigkeit zu entscheiden (Anschluss an BSG v. 7.11.2006 – B 7b AS 10/06 R, RdNr 21).
GSW Sozialgericht Berlin |
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Beschluss
In dem Antragsverfahren
…,
vertreten durch
…,
- Antragsteller -
Proz.-Bev.:
Rechtsanwalt …
gegen
Jobcenter Berlin Spandau,
Altonaer Str. 70/72, 13581 Berlin,
- Antragsgegner -
hat die 142. Kammer des Sozialgerichts Berlin am 4. September 2024 durch ihren Vorsitzenden, den Richter am Sozialgericht …, beschlossen:
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Dem Antragsteller wird für das Verfahren vor dem Sozialgericht Prozesskostenhilfe mit Wirkung vom 9.8.2024 bewilligt und Rechtsanwalt … beigeordnet.
G r ü n d e
Der am 6.8.2024 beim Sozialgericht Berlin gestellte Hauptantrag und der am 18.8.2024 darüber hinaus gestellte Hilfsantrag des Antragstellers,
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, für ihn vorläufig ab dem 6.8.2024 Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung an die DAK abzuführen,
hilfsweise den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, zumindest festzustellen, dass zu Beginn des Leistungsbezugs nach SGB II Bürgergeld bezogen wurde und dies der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung (DAK) anzuzeigen, damit die Mitgliedschaft des Antragstellers in der gesetzlichen Kranken-
und Pflegeversicherung entsteht,
waren abzulehnen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung nicht erfüllt sind.
Nach § 86b Abs. 2 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die danach zu treffende Eilentscheidung kann, wie das Bundesverfassungsgericht in einer Entscheidung in Zusammenhang mit Leistungen nach dem SGB II bzw. Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) betont hat (3. Kammer des Ersten Senats, Beschluss vom 12. Mai 2005, 1 BvR 569/05), sowohl auf eine Folgenabwägung (Folgen einer Stattgabe gegenüber den Folgen bei Ablehnung des Eilantrages) als auch alternativ auf eine Überprüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gestützt werden.
Die Kammer nimmt im vorliegenden Fall eine Entscheidung am Maßstab der Erfolgsaussichten der Hauptsache vor. Denn eine Folgenabwägung kommt nur in Betracht, wenn eine abschließende Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht möglich ist (vgl. BVerfG v. 8.7.2020 – 1 BvR 932/20, RdNr. 11; juris). Auch wenn irreparable Grundrechtsverletzungen von erheblichem Gewicht drohen, ist das Gericht nicht von vornherein daran gehindert, auch zu solchen Rechtsfragen eine „abschließende“ rechtliche Prüfung vorzunehmen, die schwierig und ungeklärt sind oder die im entscheidungserheblichen Zeitpunkt als hoch streitig eingestuft werden müssen (so ausdrücklich BVerfG, aaO, RdNr. 12; juris); die sich daraus indes ergebenen Anforderungen an die Begründungstiefe der Entscheidung führen dazu, dass die „abschließende“ Entscheidung eine zumindest knappe Auseinandersetzung mit dem Meinungsstand erfordert (BVerfG, aaO).
Bei Abstellen auf die Erfolgsaussichten der Hauptsache setzt die Gewährung einstweiligen Rechtschutzes einen Anordnungsanspruch, also einen materiell-rechtlichen Anspruch auf die Leistung, zu der der Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet werden soll, sowie einen Anordnungsgrund, nämlich einen Sachverhalt, der die Eilbedürftigkeit der Anordnung begründet, voraus. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 S. 4 SGG iVm § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung –ZPO–).
Der Antragsteller hat das Vorliegen eines Anordnungsgrundes nicht glaubhaft gemacht.
Für die mit dem Hauptantrag (wörtlich) beantragte einstweilige Verpflichtung des Antragsgegners zur Abführung von Beiträgen an die Krankenkasse fehlt ein diesbezügliches subjektives Recht, denn nicht die Meldung oder Betragsabführung führt zur Pflichtversicherung, sondern allein die Gewährung von Leistungen nach § 19 Abs. 1 S. 1 SGB II (vgl. dazu etwa BSG v. 13.8.1996 – 12 RK 15/96; zuletzt auch LSG Nordrhein-Westfalen v. 24.9.2014 – L 19 AS 1680/14 B ER, Rn. 12; SG Berlin v. 10.7.2014 – S 81 KR 1172/14 ER; LSG Berlin-Brandenburg v. 3.8.2007 – L 14 B 1168/07 AS ER, RdNr. 3, juris). Eine materiell-rechtliche Anspruchsgrundlage, aufgrund derer vom SGB II-Leistungsträger die Abführung von Beiträgen an die Krankenkasse verlangt werden könnte, existiert nicht.
Die Kammer legt den Hauptantrag daher sachgerecht dahingehend aus, dass begehrt wird, den Antragsgegner einstweilen zu verpflichten, die Leistungen in der bewilligten Höhe ab dem 6.8.2024 anstatt nach § 19 Abs. 1 S. 2 SGB II nach § 19 Abs. 1 S. 1 SGB II zu erbringen; dadurch würde von Gesetzes wegen der Pflichtversicherungstatbestand des § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB II erfüllt werden und der Antragsteller den begehrten Krankenversicherungsschutz erhalten. Indes hat auch dieses Antragsbegehren zur Überzeugung der Kammer keinen Erfolg, weil es am notwendigen Anordnungsanspruch fehlt. Denn die Gewährung von Leistungen nach § 19 Abs. 1 S. 1 SGB II setzt voraus, dass der Leistungsberechtigte erwerbsfähig ist; die Erwerbsfähigkeit des Antragsstellers ist indes nicht glaubhaft gemacht, sie wird insbesondere nicht durch § 44a Abs. 1 S. 7 SGB II fingiert.
Die vom Antragsteller selbst eingereichten Unterlagen legen nahe, dass der Antragsteller nicht erwerbsfähig ist. So ist er pflegebedürftig nach dem Pflegegrad 4 und schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 100. Nach einer vom Antragsgegner vorgebrachten sozialmedizinischen gutachterlichen Stellungnahme des Ärztlichen Dienstes der Agentur für Arbeit vom 2.11.2022 ist der der Antragsteller voraussichtlich länger als sechs Monate, aber nicht auf Dauer erwerbsunfähig. Auf dieser rein tatsächlichen Grundlage ist insbesondere auch in Anbetracht der vom Antragsteller selbst eingereichten Arztbriefe und der eidesstattlichen Versicherung seines Betreuers eine derzeitige Erwerbsfähigkeit nicht glaubhaft gemacht.
Entgegen der Auffassung des Antragstellers folgt seine Erwerbsfähigkeit auch nicht aus der Fiktion der Erwerbsfähigkeit des § 44a Abs. 1 S. 7 SGB II.
Die Kammer lässt dahingestellt, ob sich dies bereits aus dem Vorbringen des Antragsgegners ergibt, dass das Feststellungsverfahren nach § 44a SGB II bereits abgeschlossen worden sei. Zutreffend ist insoweit zumindest der Einwand, dass der Rentenversicherungsträger im Sinne des § 44a Abs. 1 S. 5 SGB II nur einzuschalten ist, wenn ein „Widerspruchsfall“ nach § 44a Abs. 1 S. 4 SGB II vorliegt; dass ein solcher gegeben ist, ist weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich. Aufgrund der Tatsache, dass der Antragsgegner „nur“ von einer Erwerbsminderung auf Zeit ausgeht und damit – zu Recht – Leistungen nach § 19 Abs. 1 S. 2 SGB II erbringt, besteht derzeit für die Widerspruchsberechtigten nach § 44a Abs. 1 S. 2 SGB II, also für den Träger, der bei voller Erwerbsminderung zuständig wäre und die Krankenkasse, die bei Erwerbsfähigkeit Leistungen der Krankenversicherung zu erbringen hätte, auch gar kein Grund für die Erhebung eines Widerspruchs. Ob man in einem solchen Fall indes von einem „Abschluss“ des Verfahrens nach § 44a Abs. 1 SGB II sprechen kann, also die Vorwirkungen der Fiktion der Erwerbsfähigkeit vor der Durchführung eines solches Verfahrens (vgl. dazu BSG v. 2.4.2014 – B 4 AS 26/13 R, RdNr. 49; juris) durch die bloße Einholung einer gutachterlichen Stellungnahme des Ärztlichen Dienstes der Agentur für Arbeit mit dem Ergebnis der bloßen Erwerbsminderung auf Zeit ausgeschlossen werden, sieht die Kammer nicht als zwingend an und lässt dies daher offen. Es erscheint zumindest zweifelhaft, ob die bloße Einholung der gutachterlichen Stellungnahme der Bundesagentur für Arbeit und die Negativvoraussetzung des Fehlens eines Widerspruchs gegen deren Entscheidung als ein Abschluss des Verfahrens nach § 44a Abs. 1 SGB II angesehen werden kann.
Nur ergänzend weist die Kammer daher auch darauf hin, dass zumindest für den Fall, dass der Antragsgegner künftig von einer dauerhaften Erwerbsunfähigkeit des Antragstellers ausgehen sollte (bisher erbringt er die Leistungen nach § 19 Abs. 1 S. 2 SGB II auf der Grundlage der von ihm angenommenen befristeten Erwerbsminderung auf Zeit, weshalb er von der Aufforderung des Antragstellers zur Beantragung vorrangiger Leistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII [Bescheid vom 21.12.2023] Abstand genommen hat [Schreiben vom 5.6.2024]), ein Verfahren nach § 44a SGB II durchzuführen sein wird; sollte das Verfahren dann eine dauerhafte Erwerbsunfähigkeit zum Ergebnis haben und auch die sonstigen Leistungsvoraussetzungen des § 41 SGB XII vorliegen, hätte der Antragsteller Anspruch auf Leistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII, was insoweit zu einem Ausschluss der Leistungen nach § 19 Abs. 1 S. 2 SGB II führen würde.
Davon unabhängig greift die Fiktion der Erwerbsfähigkeit nach § 44a Abs. 1 S. 7 SGB II im vorliegenden Fall nicht ein. Diese Vorschrift enthält eine Nahtlosigkeitsregelung nach dem Vorbild des § 125 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III in der bis 31.3.2012 geltenden Fassung entspricht § 145 SGB III aktuelle Fassung) (vgl. BSG v. 2.4.2014 – B 4 AS 26/13 R, RdNr. 49; juris). Danach sind bis zu einer Entscheidung über den Widerspruch im Rahmen des Feststellungsverfahrens Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende zu erbringen. Der Leistungsberechtigte ist auf diese Weise nicht nur bei einem schon bestehenden Streit zwischen den Leistungsträgern bis zu einer entsprechenden Entscheidung, sondern bereits im Vorfeld so zu stellen, als wäre er erwerbsfähig (so grundlegend BSG v. 7.11.2006 – B 7b AS 10/06 R, RdNr. 19f.; juris).
Das Bundessozialgericht hat insoweit bei der Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen im Hinblick auf die Frage der Erwerbsfähigkeit mehrmals auf diese Regelung – pauschal –zurückgegriffen und die Erwerbsfähigkeit mangels Einleitung eines Einigungsverfahrens angenommen (vgl. etwa BSG v. 27.1.2021 – B 14 AS 25/20 R, RdNr. 13; BSG v. 13.7.2017 – B 4 AS 17/16 R, RdNr 15; BSG v. 5.8.2015 – B 4 AS 9/15 R, RdNr. 14; juris). Den zuvor zitierten Verfahren ist indes gemein, dass in den dortigen Fallkonstellationen die jeweiligen Kläger nicht mit einem erwerbsfähigen Leistungsberechtigen in einer Bedarfsgemeinschaft lebten, so dass die Annahme der Erwerbsfähigkeit eine zwingende Voraussetzung der Leistungsberechtigung nach dem SGB II war.
In Fällen wie dem vorliegenden, in dem der Hilfebedürftige, bei dem die Erwerbsfähigkeit nicht endgültig geklärt ist, mit einem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einer Bedarfsgemeinschaft lebt, kommt zur Überzeugung der Kammer eine Fiktion der Hilfebedürftigkeit auf der Grundlage des § 44a Abs. 1 SGB II nicht in Betracht. Denn § 44a Abs. 1 S. 7 SGB II soll verhindern, dass Leistungsempfänger „zwischen zwei Stühlen sitzen“, bis ihre Erwerbsfähigkeit geklärt ist, und einen Zuständigkeitsstreit zu Lasten des Leistungsempfängers vermeiden (so BSG v. 26.11.2020 – B 14 AS 13/19 R, RdNr. 12 unter Bezugnahme auf BSG v. 7.11.2006 – B 7b AS 10/06 R, RdNr 19f.; juris). Einer Abstimmung mit dem Sozialhilfeträger bedarf es indes dann nicht, wenn kein Zuständigkeitsstreit besteht und ohnehin – sei es auch „nur“ über § 19 Abs. 1 S. 2 SGB II – Leistungen nach dem SGB II erbracht werden. Im Sinne einer teleologischen Reduktion der Norm ist der SGB II-Leistungsträger dann alleine befugt, über die Erwerbsfähigkeit zu entscheiden (so grundlegend BSG v. 7.11.2006 – B 7b AS 10/06 R, RdNr 21; ebenso zuletzt BSG v. 11.11.2021 – B 14 AS 89/20 R, RdNr. 13; juris). Vor diesem Hintergrund durfte der Beklagte im vorliegenden Fall alleine durch die Einholung gutachterlichen Stellungnahme des Ärztlichen Dienstes der Agentur für Arbeit mit dem Ergebnis der bloßen Erwerbsminderung auf Zeit zu dem Ergebnis kommen, dass dem Antragsgegner Leistungen nach § 19 Abs. 1 S. 2 SGB II zu erbringen sind.
Für dieses Ergebnis spricht im Übrigen nicht zuletzt auch der Wortlaut des § 44a Abs. 1 S. 7 SGB II. Denn danach erbringen bis zu der Entscheidung über den Widerspruch die Agentur für Arbeit und der kommunale Träger bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Die Regelung des § 44a Abs. 1 SGB II führt nach ihrem Wortlaut folglich überhaupt nicht zu einer Fiktion der Erwerbsfähigkeit, sondern zur Erbringung von „Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende“, also durch den SGB II-Leistungsträger ohne abschließende Prüfung der Erwerbsfähigkeit. Ziel ist mithin alleine die Leistungserbringung durch den SGB II-Leistungsträger trotz bestehenden Zuständigkeitskonflikts. In Konstellationen wie der vorliegenden erbringt der SGB II-Leistungsträger indes – wie auch der Antragsgegner – bereits „Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende“, denn auch die Leistungen des Bürgergelds nach § 19 Abs. 1 S. 2 SGB II sind Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende. Eine derartige Rechtsfolge, dass Leistungen des Bürgergelds nach § 19 Abs. 1 S. 1 SGB II zu erbringen sind, enthält § 44a Abs. 1 S. 7 SGB II nicht.
Soweit der Antragsteller vorbringt, dass die Beteiligung der Rentenversicherung „als Hüterin der Sozialversicherungen“ nicht entbehrlich, sondern im Hinblick auf die durch das Feststellungsverfahren bezweckte engere Verzahnung mit Leistungen nach anderen Büchern des Sozialgesetzbuchs gerade geboten sei, so entspricht diese Auffassung nicht der höchstrichterlichen Rechtsprechung, von der abzuweichen die Kammer keinen Anlass hat. Denn das BSG hat ausdrücklich entschieden, dass in einer Konstellation wie der vorliegenden eine Notwendigkeit zur Einschaltung des Rentenversicherungsträgers nicht erforderlich ist und sogar darüber hinaus der SGB II-Leistungsträger nicht einmal an eine Entscheidung des Rentenversicherungsträgers, dass volle Erwerbsminderung vorliege, gebunden ist (so ausdrücklich BSG v. 7.11.2006 – B 7b AS 10/06 R, RdNr 21; juris).
Soweit das BSG in dem Verfahren B 14 AS 31/20 R auch im Falle einer Bedarfsgemeinschaft mit einem unstreitig Erwerbsfähigen ausgeführt hat, dass mangels Feststellungsverfahrens nach § 44a SGB II grundsätzlich von der Erwerbsfähigkeit des anderen, eine Rente wegen voller Erwerbsminderung beziehenden Partners auszugehen sei, so führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Denn diese Aussage des BSG stellt keine tragenden Gründe dar. Denn wörtlich führt das BSG in RdNr. 21 (juris) aus „Sofern kein Feststellungsverfahren (vgl § 44a SGB II) eingeleitet worden ist, ist grundsätzlich von ihrer Erwerbsfähigkeit auszugehen () und die Klägerin hat Anspruch auf Alg II. Anderenfalls kann ihr der Kläger über § 7 Abs 2, Abs 3 Nr 3c SGB II Anspruch auf Sozialgeld und damit auch auf Leistungen zur Deckung des Bedarfs für Unterkunft und Heizung vermitteln (§ 19 Abs 1 Satz 2 und 3, § 22 SGB II).“ Auf die Feststellung der Erwerbsfähigkeit kam es mithin nicht an, da auch bei fehlender Erwerbsfähigkeit der streitige Anspruch nach § 22 SGB II über § 19 Abs. 1 S. 2 SGB II vermittelt werden konnte. Einer tiefergehenden Auseinandersetzung mit der hier streitigen Frage bedurfte es daher im dortigen Fall nicht, so dass aus dieser Entscheidung zur Überzeugung der Kammer für den vorliegenden Fall nichts hergeleitet werden kann.
Das Bestehen eines Anspruchs auf Leistungen nach § 19 Abs. 1 S. 1 SGB II ist vor diesem Hintergrund nicht glaubhaft gemacht, so dass mangels Anordnungsanspruchs der Erlass der mit dem Hauptantrag begehrten einstweiligen Anordnung nicht in Betracht kam.
Für den hilfsweise gestellten Feststellungsantrag erkennt die Kammer schon kein besonderes Feststellungsinteresse, weil der Rechtsschutz unter Berücksichtigung des Rechtsschutzbegehrens vorrangig durch eine einstweilige Verpflichtung zur Leistungserbringung nach § 19 Abs. 1 S. 1 SGB II zu erreichen wäre. Im Übrigen fehlt es nach den vorangegangenen Ausführungen auch materiell-rechtlich an einer Grundlage für die Feststellung, dass zu Beginn des Leistungsbezugs Leistungen nach § 19 Abs. 1 S. 1 SGB II (der Antragsteller spricht insoweit ungenau von „Bürgergeld“, denn auch die – nicht begehrten – Leistungen nach § 19 Abs. 1 S. 2 SGB II sind nach dessen Wortlaut „Bürgergeld“) bezogen wurden. Denn es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller in Anbetracht der bei ihm – unstreitig – vorliegenden Erkrankungen zu Beginn des Leistungsbezugs erwerbsfähig gewesen wäre. Auf die Kenntnis des Antragsgegners von der gutachterlichen Stellungnahme des Ärztlichen Dienstes der Agentur für Arbeit kommt es insoweit nicht an. Vor diesem Hintergrund war auch der Hilfsantrag abzulehnen.
Der Antragsteller ist im Übrigen auch in der vorliegenden Konstellation nicht schutzlos gestellt. Denn ihm steht der Weg offen, gegenüber der Krankenkasse die von ihm vorgetragene Ehe nachzuweisen und so in die Familienversicherung nach § 10 Abs. 1 SGB V einzumünden; etwaige dortige Beweisprobleme können indes nicht dazu führen, dass ihm – auch nur einstweilig – eine nicht zustehende Grundsicherungsleistung zur Begründung eines anderweitigen Krankenversicherungsschutzes gewährt wird.
Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass für eine notwendige Beiladung der Krankenkasse im Sinne des § 75 Abs. 2 SGG kein Raum bestand. Denn letztlich geht es in der Sache darum, ob dem Antragsteller Leistungen nach § 19 Abs. 1 S. 1 SGB II zu gewähren sind, was zu einer Pflichtversicherung führen würde. Dies ist eine originär gegenüber dem Antragsgegner (und auch unabhängig davon, ob eine Familienversicherung oder aber eine Auffangversicherung bestehen könnte, zu entscheidende Frage). Die Beiladung der Krankenkasse hätte daher allenfalls eine einfache Beiladung sein können, für die indes keine Notwendigkeit bestand.
Nach alledem war der Eilantrag abzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend § 193 Abs. 1 SGG und folgt der Sachentscheidung.
Trotz der Ablehnung des Eilantrags in der Sache war dem Antragsteller Prozesskostenhilfe zu bewilligen (§ 73a Abs. 1 S. 1 SGG iVm § 114 Zivilprozessordnung – ZPO –) und sein Verfahrensbevollmächtigter beizuordnen (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm § 121 Abs. 2 ZPO), denn bei erstmaliger Entscheidungsreife des PKH-Antrags war die Erfolgsaussicht der Sache zumindest eine nicht nur fernliegende, was zur Gewährung von Prozesskostenhilfe hinreichend ist.