L 7 KA 7/22

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
7.
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 83 KA 105/21
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 7 KA 7/22
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Ein Vertragsarzt, dem die Approbation sofort vollziehbar widerrufen wurde, ist ab der Bekanntgabe des Widerrufsbescheides nicht mehr berechtigt, den ärztlichen Beruf auszuüben und daher – unabhängig von der weiterhin bestehenden Zulassung als Vertragsarzt - nicht berechtigt, als Vertragsarzt tätig zu sein und vertragsärztlich erbrachte Leistungen gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung abzurechnen sowie Abschlagszahlungen zu beanspruchen. 

Das aus der Anordnung des sofortigen Vollzuges des Widerrufs einer Approbation folgende präventive Berufsverbot verliert seine Wirkung nicht bereits durch die Einleitung eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens. 

Eine zur Vermeidung des Erlasses eines „Hängebeschlusses“ im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gegenüber dem Verwaltungsgericht abgegebene Stillhalteerklärung der Behörde bewirkt ab ihrer Bekanntgabe die vorübergehende Hemmung des sofortigen Vollzuges und damit die erneute Berechtigung des Approbationsinhabers, als Arzt und Vertragsarzt tätig zu sein und die Leistungen abzurechnen.
 

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 23. Februar 2022 geändert.

Der Bescheid der Beklagten vom 15. Februar 2021 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 22. Februar 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Juni 2021 wird aufgehoben, soweit die Beklagte die Vergütung des Klägers für das Quartal III/2019 für von ihm erbrachte ärztliche Leistungen in der Zeit vom 9. August 2019 bis zum 30. September 2019 sachlich-rechnerisch richtig gestellt und erstattet verlangt hat.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu fünf Sechsteln und die Beklagte zu einem Sechstel.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit einer sachlich-rechnerischen Richtigstellung für das Quartal III/2019 in Höhe von 61.921,93 Euro sowie um die Rückforderung geleisteter Abschlagszahlungen für die Quartale II/2020 und III/2020 in Höhe von 137.500 Euro.

Der Kläger war seit dem 23. November 1998 Inhaber einer ärztlichen Approbation und seit dem 30. November 2000 Facharzt für Allgemeinmedizin. Er absolvierte eine Weiterbildung als Proktologe. Seit dem 1. Februar 2001 war er als Facharzt für Allgemeinmedizin im Verwaltungsbezirk N zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung zugelassen.

Gegründet auf den Vorwurf grenzüberschreitenden Verhaltens mit sexuellem Bezug gegenüber Patientinnen widerrief das Landesamt für Gesundheit und Soziales Berlin (LAGeSo) mit Bescheid vom 16. Juli 2019, dem Kläger zugegangen am 19. Juli 2019, die Approbation des Klägers gemäß § 5 Bundesärzteordnung (BÄO) wegen Unwürdigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufes gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BÄO. Es erklärte den Widerruf der Approbation für sofort vollziehbar und ordnete die Herausgabe der Approbationsurkunde vom 23. November 1998 an.

Gegen den Bescheid erhob der Kläger vor dem Verwaltungsgericht (VG) Berlin am 31. Juli 2019 Klage. Zugleich beantragte er, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Widerrufsbescheid vom 16. Juli 2019 anzuordnen.

Auf Anfrage des VG sicherte das LAGeSo mit Schreiben vom 6. August 2019 - beim VG eingegangen am 9. August 2019 - zu, „dass vor einer Entscheidung der Kammer im vorläufigen Rechtsschutzverfahren von einer Vollziehung/Vollstreckung abgesehen wird“.

Mit Beschluss vom 27. März 2020 (VG 17 L 19/20), dem Kläger taggleich zugestellt, lehnte das VG den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ab. Hiergegen erhob der Kläger am 6. April 2020 fristwahrend Beschwerde. Mit Schreiben vom 8. April 2020 teilte der Kläger gegenüber dem LAGeSo mit, dass er Beschwerde gegen die Entscheidung erhoben habe und bat darum, bis zur Rechtskraft der Entscheidung keine weiteren Schritte einzuleiten.

Die mit Schriftsatz vom 21. April 2020 weitergehend begründete Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des VG wies das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg mit Beschluss vom 7. August 2020 , dem Kläger zugestellt am 12. August 2020, zurück. Eine nochmalige schriftliche Zusage auf Verzicht einer Vollziehung/Vollstreckung des Bescheides vom 16. Juli 2019, nunmehr während des Beschwerdeverfahrens, erteilte das LAGeSo nicht; das OVG hatte eine solche Zusicherung auch nicht angefordert.

Das LAGeSo forderte den Kläger mit Bescheid vom 19. August 2020, zugegangen am 24. August 2020, auf, seine Approbationsurkunde bis zum 7. September 2020 zurückzugeben und drohte zugleich ein Zwangsgeld in Höhe von 1000 Euro an.

Am 25. August 2020 informierte das LAGeSo die Beklagte über „die Bestandskraft“ der Anordnung der sofortigen Vollziehung des Widerrufs der Approbation.

Mit Beschluss vom 2. September 2020 stellte der Zulassungsausschuss für Ärzte und Psychotherapeuten von Amts wegen das Ruhen der vollen Zulassung des Klägers für die Zeit vom 3. September 2020 bis zum 30. Juni 2021 fest und ordnete die sofortige Vollziehung des Bescheides an. Diese Entscheidung wurde bis zum 30. Juni 2022 verlängert. Mit Wirkung zum 30. September 2021 verzichtete der Kläger auf seine Zulassung.

Der Kläger übte in der Zeit ab dem 19. Juli 2019 seine Tätigkeit als Vertragsarzt weiter aus und rechnete die von ihm erbrachten ärztlichen Leistungen als Vertragsarzt gegenüber der Beklagten ab. Für das Quartal III/2019 setzte die Beklagte ein Honorar in Höhe von 97.024,70 Euro fest. Für die Zeit von April 2020 bis August 2020 überwies die Beklagte an den Kläger mit Belegdaten vom 28. April 2020, 27. Mai 2020, 26. Juni 2020, 29. Juli 2020 und 27. August 2020 Abschlagszahlungen in Höhe von je 27.500 Euro, mithin insgesamt 137.500 Euro (82.500 Euro für das Quartal II/2020 und 55.000 Euro für das Quartal III/2020).

Mit Schreiben vom 14. September 2020 forderte die Beklagte den Kläger auf, die aufgrund der Entziehung der Approbation vom 16. Juli 2019 zu Unrecht geleisteten Abschlagszahlungen in Höhe von 137.500 Euro an die Beklagte zurückzuzahlen. Dem Begehren widersprach der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Schreiben vom 28. Oktober 2020.

Mit an den Kläger adressiertem Bescheid vom 5. Januar 2021, zugestellt am 6. Januar 2021, forderte die Beklagte von dem Kläger die geleisteten Abschlagszahlungen für die Quartale II/2020 und III/2020 in Höhe von 137.500 Euro zurück. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass die Approbation des Klägers mit Bescheid vom 16. Juli 2019 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung widerrufen worden sei. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei nach dem erfolglosen Rechtsschutzverfahren des Klägers bestandskräftig, so dass der Sofortvollzug mit Wirkung der Bekanntgabe des Bescheides am 19. Juli 2019 eingetreten sei. Mangels Approbation bestehe kein Vergütungsanspruch des Arztes, auch wenn die Zulassung als Vertragsarzt erst mit Wirkung ab dem 3. September 2020 ruhe (Verweis auf Urteil des Bundessozialgerichts vom 23. Juni 2010, B 6 KA 7/09 R). Die Abschlagszahlungen für die Quartale II/2020 und III/2020 seien daher zu Unrecht erbracht worden und nach § 50 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) sowie einer entsprechenden Anwendung des § 42 Abs. 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) zurückzufordern.

Mit weiterem Bescheid vom 15. Februar 2021 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 22. Februar 2021 nahm die Beklagte eine sachlich-rechnerische Richtigstellung für das Quartal III/2019 vor und forderte von dem Kläger einen Betrag in Höhe von 61.921,93 Euro für die Zeit vom 19. Juli 2019 bis zum 30. September 2019 zurück. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass nach dem erfolglosen verwaltungsgerichtlichen Eilverfahren die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Bescheides vom 16. Juli 2019 über den Widerruf der Approbation bestandskräftig sei und der Kläger daher mit Wirkung ab dem 19. Juli 2019 nicht mehr berechtigt gewesen sei, als Arzt tätig zu sein sowie ärztliche Leistungen gegenüber der Beklagten abzurechnen. Die weiterhin bestehende Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung ändere hieran nichts, denn diese sei nicht die alleinige Voraussetzung für die Erbringung und Abrechnung vertragsärztlicher Leistungen. Vielmehr müsse ein Vertragsarzt auch materiell berechtigt sein, Leistungen der vertragsärztlichen Versorgung zu erbringen (Verweis auf BSG, Urteil vom 23. Juni 2010, B 6 KA 7/09 R). Die vom Kläger ab dem 19. Juli 2019 erbrachten und abgerechneten ärztlichen Leistungen seien daher abzusetzen und zu erstatten.

Mit Bescheid vom 18. Februar 2021, der direkt an die Praxisadresse des Klägers adressiert war, lehnte die Beklagte eine Honorarfestsetzung für die Quartale II/2020 und III/2020 unter Hinweis auf die seit dem 19. Juli 2019 fehlende Berechtigung zur Erbringung ärztlicher Leistungen ab und sandte die vom Kläger eingereichten Abrechnungsunterlagen an diesen zurück. Hiergegen legte der Kläger keinen Widerspruch ein.

Auf Nachfrage des Prozessbevollmächtigten des Klägers, informierte die Beklagte diesen mit Schreiben vom 24. Februar 2021 über die ergangenen Rückforderungsbescheide. Mit E-Mail vom 2. März 2021 übersandte die Beklagte an den Prozessbevollmächtigten des Klägers die Rückforderungsbescheide vom 5. Januar 2021 (betreffend Quartal III/2019) und 15. Februar 2021 (betreffend Abschlagszahlungen II/2020 und III/2020) und bat diesen, sich wegen etwaig weiterer ergangener Bescheide an den Kläger direkt zu wenden.

Mit Schreiben vom 4. März 2021, bei der Beklagten eingegangen am 9. März 2021, legte der Kläger jeweils Widerspruch gegen den Rückforderungsbescheid vom 5. Januar 2021 betreffend die Abschlagszahlungen für die Quartale II/2020 und III/2020 sowie gegen den Änderungsbescheid vom 15. Februar 2021 für das Quartal III/2019 ein. Zur Begründung führte er gleichlautend aus, dass über den Widerruf der Approbation noch nicht rechtskräftig entschieden worden sei. Lediglich der angeordnete Sofortvollzug sei seit dem 12. August 2020 rechtskräftig. Da das LAGeSo für die Dauer des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens auf die Vollziehung verzichtet habe, komme eine Rückwirkung auf die Zeit ab dem 16. Juli 2019 auch für die Abrechnung ärztlich erbrachter Leistungen nicht in Betracht.

Mit Widerspruchsbescheid vom 15. Juni 2021 wies die Beklagte beide Widersprüche als unbegründet zurück. Die aufgrund von § 6 der Abrechnungsordnung der Beklagten gezahlten Abschläge für die Zeit von April bis August 2020 seien zu Recht gemäß § 50 Abs. 2 SGB X zurückgefordert worden, da die Auszahlung ohne Verwaltungsakt und zu Unrecht erfolgt sei. Für die Quartale II/2020 und III/2020 seien keine Honorarfestsetzungsbescheide ergangen. Die in Erwartung dieser Vergütung gezahlten Teilzahlungen seien ohne Rechtsgrund erfolgt. Dies ergebe sich auch aus § 42 Abs. 2 SGB I, wonach Vorschüsse auf die zustehende Leistung anzurechnen seien und, soweit sie diese übersteigen, zu erstatten seien. Der Bescheid vom 18. Februar 2021, mit dem ein Honoraranspruch für die Quartale II/2020 und III/2020 abgelehnt worden sei, sei mangels Erhebung eines Widerspruchs bestandskräftig, so dass rechtverbindlich feststehe, dass ein Honoraranspruch in diesen Quartalen nicht bestehe. Die Abschlagszahlungen seien daher im vollen Umfang zur Unrecht geleistet worden. Auch die Änderung der Honorarfestsetzung für das Quartal III/2019 sei rechtmäßig erfolgt. Ermächtigungsgrundlage sei §106d Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) in Verbindung mit § 45 Abs. 4 Satz 1 BMV-Ä. Demnach berichtige die KV die Honorarforderung bei Fehlern hinsichtlich der sachlich-rechnerischen Richtigkeit. Die Honorarabrechnung des Klägers für das Quartal III/2019 sei sachlich-rechnerisch fehlerhaft, da dieser ab dem 19. Juli 2019 mangels Approbation nicht mehr berechtigt gewesen sei, vertragsärztliche Leistungen abzurechnen. Der Sofortvollzug des Widerrufs der Approbation wirke nicht erst seit dem 12. August 2020. Die vom Kläger gegen den Beschluss des VG vom 27. März 2020 erhobene Beschwerde habe gemäß § 149 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) keine aufschiebende Wirkung. Aber auch der beim VG gestellte Antrag auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung habe nichts an der Vollziehbarkeit geändert, da das VG den Antrag abgelehnt habe. Der Bescheid des LAGeSo vom 16. Juli 2019 sei ab dem 19. Juli 2019 sofort vollziehbar gewesen. Mangels Approbation sei der Kläger ab dem 19. Juli 2019 nicht mehr berechtigt gewesen, Patienten ärztlich zu behandeln und diese Leistung gegenüber der Beklagten abzurechnen. Das Vorliegen der Approbation sei zwingende Voraussetzung für die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung. Auf das formale Bestehen einer Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung komme es nicht entscheidend an. Die rückwirkende Korrektur des Honorarbescheides für das Quartal III/2019 sei auch nicht unverhältnismäßig, da der Kläger trotz Wegfalls seiner Approbation aufgrund eigenen Entschlusses weiterhin ärztlich tätig gewesen sei. Zudem sei die Rechtsfolge unvermeidlich, um die Funktionsfähigkeit der vertragsärztlichen Versorgung zu gewährleisten und sicherzustellen, dass sich die Leistungserbringung nach den für die vertragsärztliche Versorgung geltenden Bestimmungen vollziehe.

Hiergegen hat der Kläger am 19. Juli 2021 Klage erhoben. Ein Bescheid vom 18. Februar 2021 sei dem Prozessbevollmächtigten des Klägers nicht bekannt und auch auf ausdrückliche Nachforderung vom 26. Februar 2021 nicht übersandt worden, sonst wäre unverzüglich Widerspruch eingelegt worden. Die Rückforderungsansprüche seien unbegründet, da der Kläger aufgrund des Nichtvollzugs des Widerrufs der Approbation weiterhin abrechnungsbefugt gewesen sei. Die vom LAGeSo zugesagte Nichtvollziehung werde vom Beklagten nicht ausreichend berücksichtigt. Der Kläger habe im Vertrauen auf diese Zusage und die eingelegten Rechtsmittel seine Tätigkeit weiter ausgeübt. Die Rückforderung entwerte das gesamte Verwaltungsstreitverfahren und verletze den Kläger in seinem Recht auf effektiven Rechtsschutz.

Mit Urteil vom 23. Februar 2022 hat das Sozialgericht (SG) Berlin der Klage stattgegeben und die Bescheide vom 5. Januar 2021 und 15. Februar 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Juni 2021 aufgehoben. Die Anfechtungsklagen seien zulässig und begründet. Die in den Quartalen II/2020 und III/2020 erbrachten Vorschussleistungen seien zu Recht an den Kläger erbracht worden. Zum Zeitpunkt ihrer Erbringung sei der Kläger befugt gewesen, vertragsärztliche Leistungen zu erbringen. Zwar sei die Approbation des Klägers mit Bescheid vom 16. Juli 2019 sofort vollziehbar widerrufen worden. Auch gelte diese Entscheidung ex nunc, so dass es an einer Voraussetzung für die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung fehle. Zu Recht habe daher der Zulassungsausschuss das Ruhen der vollen Zulassung des Klägers ab dem 3. September 2020 feststellen können. Jedoch fehle es an der Feststellung des Ruhens der Zulassung für die Zeit bis zum 2. September 2020. Damit sei der Kläger in den streitigen Zeiträumen zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen und zur Abrechnung ärztlich erbrachter Leistungen berechtigt gewesen. Dementsprechend fehle es auch an einem Rechtsgrund für die teilweise Aufhebung des Honorarbescheides für das Quartal III/2019.

Gegen das ihr am 24. Februar 2022 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 21. März 2022 Berufung eingelegt. Der Kläger sei ab der Bekanntgabe des Bescheides über den Widerruf der Approbation aufgrund des angeordneten Sofortvollzuges am 19. Juli 2019 nicht mehr berechtigt gewesen, ärztliche Leistungen zu erbringen. Dies gelte auch im vertragsärztlichen System. Auf die rein formal noch bestehende Zulassung als Vertragsarzt dürfe zur Beurteilung der Abrechnungsbefugnis nicht abgestellt werden, denn diese sei vom Kläger nach erfolgtem Widerruf der Approbation rechtswidrig genutzt worden (Verweis auf BSG, Urteil vom 23. Juni 2010. B 6 KA 7/09 R, Rn. 57 f.).

 

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 23. Februar 2022 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

                     die Berufung zurückzuweisen.

Er ist der Ansicht, dass er bis zur Feststellung des Ruhens seiner Zulassung als Vertragsarzt berechtigt gewesen sei, an der vertragsärztlichen Versorgung teilzunehmen und die von ihm erbrachten ärztlichen Leistungen gegenüber der Beklagten abzurechnen. Auf den Widerruf der Approbation mit Bescheid vom 16. Juli 2019 komme es nicht entscheidend an, da dieser tatsächlich bis zur rechtskräftigen Entscheidung des OVG nicht vollzogen worden sei. Das LAGeSo sei mit der Aussetzung der Vollziehung des Widerrufs trotz bestehender Gefährdungslage einverstanden gewesen. Ohne Vollzug des Widerrufs entfalle die materielle Berechtigung zur Erbringung vertragsärztlicher Leistungen nicht. Der Kläger habe seine Position als zugelassener Vertragsarzt auch nicht rechtswidrig ausgenutzt, da ihm nicht bekannt gewesen sei, dass er keine ärztliche Tätigkeit mehr habe ausführen dürfen. Derartiges habe ihm auch nicht bekannt sein müssen. Er habe sich darauf verlassen dürfen, bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Eilverfahren praktizieren und abrechnen zu dürfen.

Mit Urteil vom 3. Mai 2022 hat das VG Berlin (VG 17 K 20/20) die Klage des Klägers gegen den Widerruf der Approbation vom 16. Juli 2019 abgewiesen. Mit Schreiben vom 23. Mai 2022 hat der Kläger bei dem OVG Berlin-Brandenburg einen Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt, den das OVG Berlin-Brandenburg mit Beschluss vom 28. Dezember 2023 (OVG 12 N 76/22) abgelehnt hat.

Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Verwaltungsakte der Beklagten und der beigezogenen Gerichtsakten des VG Berlin (VG 17 L 19/20 und VG 17 K 20/20) Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung war.

 

Entscheidungsgründe

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151, 65d, 65a Sozialgerichtsgesetz [SGG]) der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 23. Februar 2022 ist zulässig und überwiegend begründet.

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist neben dem Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 23. Februar 2022 zum einen der Bescheid vom 5. Januar 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Juni 2021, mit welchem die Beklagte vom Kläger die in den Monaten April bis August 2020 an diesen gezahlten Honorarabschläge in Höhe von jeweils monatlich 27.500 Euro, mithin insgesamt 137.500 Euro, zurückgefordert hat; außerdem der Bescheid vom 15. Februar 2021 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 22. Februar 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Juni 2021, mit welchem die Beklagte die Honorarfestsetzung des Klägers für das Quartal III/2019 sachlich-rechnerisch richtiggestellt und eine Erstattung der vom Kläger in der Zeit ab dem 19. Juli 2019 bis zum 30. September 2019 erbrachten und abgerechneten vertragsärztlichen Leistungen in Höhe von 61.921,93 Euro geltend gemacht hat.  

Zu Unrecht hat das SG Berlin die streitgegenständlichen Bescheide vollständig aufgehoben.

Die gegen die genannten Bescheide erhobene Anfechtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 SGG ist zulässig, aber nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

1. Der Bescheid vom 15. Februar 2021 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 22. Februar 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides ist rechtswidrig, soweit die Beklagte hiermit auch die vom Kläger in der Zeit ab dem 9. August bis zum 30. September 2019 tatsächlich erbrachten und vergüteten vertragsärztlichen Leistungen sachlich-rechnerisch richtigstellt und eine entsprechende Erstattung verlangt. Insoweit verletzt der angegriffene Bescheid den Kläger in seinen Rechten.

Ermächtigungsgrundlage für die Abänderung des Honorarbescheides für das Quartal III/2019 und das darauf beruhende Erstattungsverlangen der Beklagten ist § 106d Abs. 2 Satz 1 SGB V in Verbindung mit § 50 Abs. 1 SGB X.

Nach § 106d Abs. 2 Satz 1 SGB V stellt die Kassenärztliche Vereinigung (KV) die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte fest. Gemäß § 106d Abs. 5 Satz 3 SGB V muss ein etwaiger Bescheid innerhalb von zwei Jahren ab Erlass des Honorarbescheides ergehen.

Die Voraussetzungen einer sachlich-rechnerischen Richtigstellung sind vorliegend für alle vom Kläger erbrachten und gegenüber der Beklagten abgerechneten ärztlichen Leistungen in der Zeit vom 19. Juli 2019 bis zum 8. August 2019 gegeben, denn in dieser Zeit durfte der Kläger aufgrund des (inzwischen rechtskräftigen) Widerrufs seiner Approbation mit angeordneter sofortiger Vollziehung keine ärztlichen Leistungen erbringen. Dieser Grundmangel in der Leistungserbringung darf von der Beklagten im Rahmen einer sachlich-rechnerischen Richtigstellung des Honorarbescheides korrigiert werden.

Der Kläger war in der Zeit vom 19. Juli 2019 bis zum 8. August 2019 nicht berechtigt, vertragsärztliche Leistungen zu erbringen und diese gegenüber der Beklagten abzurechnen.

Entgegen der Rechtsansicht des SG Berlin und des Klägers war er nicht bereits allein aufgrund seiner in diesem Zeitraum formell weiterhin bestehenden Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung berechtigt, Leistungen als Vertragsarzt zu erbringen und gegenüber der Beklagten abzurechnen. Denn zur Überzeugung des Senats ist die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung nur eine von mehreren und nicht die alleinige Voraussetzung für die Erbringung und Abrechnung vertragsärztlicher Leistungen (vgl. BSG, Beschluss vom 24. Oktober 2018, B 6 KA 9/18 B, zitiert nach juris, dort Rn. 11). Für die Rechtmäßigkeit der Gewährung vertragsärztlichen Honorars kommt es nicht allein darauf an, dass der Vertragsarzt formell zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen ist, sondern er muss auch materiell berechtigt sein, Leistungen in der vertragsärztlichen Versorgung zu erbringen (BSG, Urteil vom 23. Juni 2010, B 6 KA 7/09 R, zitiert nach juris, dort Rn. 55 ff.). Zutreffend hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass die im Außenverhältnis weiterhin bestehende Zulassung des Arztes zur vertragsärztlichen Versorgung im Innenverhältnis zur KV keine Rolle spielt, wenn der Arzt den bestehenden Status rechtswidrig nutzt (BSG, a.a.O. Rn. 58). Dies gilt nicht nur für den Fall, dass der Status von Anfang an unrechtmäßig erlangt wurde, sondern auch dann, wenn sonstige Gründe der Nutzung des formell-rechtlichen Status entgegenstehen (zum strafrechtlichen Berufsverbot nach § 132a StPO: BSG, Beschluss vom 24. Oktober 2018, B 6 KA 9/18 B, zitiert nach juris, dort Rn. 12). So liegt der Fall hier. Dem Kläger war aufgrund des nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO sofort vollziehbaren Widerrufs seiner ärztlichen Approbation nach § 5 BÄO gemäß § 2 Abs. 1 BÄO die Ausübung des Arztberufes untersagt. Dieser umfassende Ausschluss von der Ausübung des ärztlichen Berufs hindert auch die Ausübung der Tätigkeit als Vertragsarzt (BSG, a.a.O, Rn. 11).

Das in dem Widerruf der ärztlichen Approbation liegende Verbot, den Beruf eines Arztes auszuüben, galt aufgrund der Anordnung der sofortigen Vollziehung durch das LAGeSo gemäß § 80 Abs. 2 Satz Nr. 4 VwGO ab der Bekanntgabe des Bescheides gegenüber dem Kläger am 19. Juli 2019.

Die hiergegen vom Kläger vor dem VG Berlin am 1. August 2019 erhobene Anfechtungsklage entfaltete aufgrund der angeordneten sofortigen Vollziehung gerade keine aufschiebende Wirkung im Sinne von § 80 Abs. 1 VwGO. Vielmehr war der Bescheid über den Widerruf der Approbation mit seiner Bekanntgabe wirksam, so dass die sich aus dem Verwaltungsakt ergebenden Rechtsfolgen gezogen werden konnten. Rechtsfolge des Widerrufs der Approbation ist gemäß § 2 Abs. 1 BÄO das Verbot der Ausübung des Arztberufes. Mit der Anordnung der sofortigen Vollziehung bei einem Widerruf der Approbation wird dem Betroffenen die Möglichkeit genommen, seine Praxis weiter zu führen. Die Maßnahme stellt ein präventives Berufsverbot dar (vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. April 2010, 1 BvR 2709/09, Rn. 11). Diese Rechtsfolge trat dabei unabhängig davon ein, ob das LAGeSo tatsächlich Maßnahmen ergriff, um dieses sich aus dem Gesetz ergebende Verbot zu vollstrecken. Dabei ist insbesondere zu beachten, dass das Verbot des § 2 Abs. 1 BÄO nicht erst mit Einziehung der Approbationsurkunde gilt. 

Auch das parallel zum Klageverfahren am 1. August 2019 eingeleitete Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz vor dem VG Berlin änderte an der grundsätzlich zu beachtenden Wirkung des sofort vollziehbaren Approbationswiderrufs zunächst nichts.

Etwas anderes folgt jedoch aus der im verwaltungsgerichtlichen Eilverfahren vom LAGeSo auf Anforderung des VG mit Schreiben vom 6. August 2019 (zugegangen am 9. August 2019) abgegebenen Zusicherung „dass vor einer Entscheidung der Kammer im vorläufigen Rechtsschutzverfahren von einer Vollziehung/Vollstreckung abgesehen wird.“ Hierin liegt eine zeitlich befristete Aussetzung der Vollziehung durch das LAGeSo im Rahmen des erstinstanzlichen einstweiligen Rechtsschutzverfahrens. Diese Erklärung stellt jedoch keine Aussetzungsentscheidung des LAGeSo nach § 80 Abs. 4 VwGO dar, da sie zum einen nicht gegenüber dem Kläger (sondern gegenüber dem Gericht) abgegeben wurde und sie zum anderen gerade nicht dem Ziel diente, den angeordneten sofortigen Vollzug ex nunc bis zur endgültigen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Maßnahme außer Kraft zu setzen, denn dann hätte es der Durchführung des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens mangels Rechtsschutzbedürfnisses nicht mehr bedurft (Schoch, in Schoch/Schneider, § 80 VwGO, Rn. 278). Vielmehr bezweckte die Erklärung des LAGeSo die Entlastung des Gerichts durch Vermeidung des Erlasses eines Hängebeschlusses, der zur Wahrung effektiven Rechtschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 GG nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geboten sein kann, um zu verhindern, dass durch die Vollziehung des Widerrufs der Approbation schwere und nahezu irreparable berufliche und wirtschaftliche Nachteile entstehen (BVerfG, Beschluss vom 1. August 2017, 1 BvR 1657/17, Rn. 29; zum Hängebeschluss in sozialgerichtlichen Eilverfahren: Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, 3. Auflage 2012, S. 216 ff.). Da Zweck der Erklärung die Abmilderung der Folgen eines präventiven Berufsverbotes für den Kläger bei gleichzeitig fortbestehendem Interesse an der Klärung der Rechtmäßigkeit des angeordneten Sofortvollzuges im einstweiligen Rechtsschutzverfahren war, kann sie nur dahingehend verstanden werden, dass vorübergehend keine Rechtfolgen aus dem Widerruf der Approbation gezogen werden sollten, der Kläger mithin ab dem Zugang der Erklärung beim VG am 9. August 2019 vorerst wieder berechtigt war, ärztliche Leistungen zu erbringen. Daher durfte der Kläger ab diesem Zeitpunkt auch wieder an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen. Eine Rückwirkung (ex tunc zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerrufsbescheides) kommt dieser behördlichen, an § 80 Abs. 4 VwGO angelehnten Erklärung jedoch nicht zu (zur Wirkung der Aussetzung der Vollziehung ex nunc gegenüber der grundsätzlich ex tunc wirkenden aufschiebenden Wirkung vgl. Schoch, a.a.O., Rn. 270). Hierfür spricht auch, dass nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts in vertragsärztlichen Statussachen die aufschiebende Wirkung stets lediglich ex nunc wirkt, da im vertragsärztlichen System zu jedem Zeitpunkt klar sein muss, welcher Arzt Versicherte der gesetzlichen Krankenkassen behandeln darf und ob insoweit ein Anspruch des Arztes besteht, wegen der von ihm erbrachten Leistungen an der Verteilung des Honorars durch die KV beteiligt zu werden (BSG, Beschluss vom 5. Juni 2013, B 6 KA 4/13 B, zitiert nach juris, dort Rn. 13 ff.).

Die Erklärung des LAGeSo war darüber hinaus zeitlich befristet „bis zu einer Entscheidung der Kammer“ (des VG). Da eine solche erst mit dem taggleich bekanntgegebenen Beschluss vom 27. März 2020 erging, war der Kläger bis zu diesem Tag – und damit auch bis zum Ende des Quartals III/2019 am 30. September 2019 – zur Erbringung von vertragsärztlichen Leistungen befugt.

Aufgrund der Erklärung des LAGeSo vom 6. August 2019, die ab dem Zugang der Erklärung beim VG am 9. August 2019 wirksam wurde, war der Kläger mithin im Quartal III/2019 berechtigt, in der Zeit vom 1. Juli 2019 bis zum 18. Juli 2019 und ab dem 9. August 2019 bis zum 30. September 2019 an der vertragsärztlichen Versorgung teilzunehmen, ärztliche Leistungen zu erbringen und gegenüber der Beklagten abzurechnen. In der Zeit vom 19. Juli 2019 bis zum 8. August 2019 galt hingegen das Berufsverbot des Klägers, so dass die Beklagte zu Recht eine sachlich-rechnerische Richtigstellung für die Leistungen vornehmen konnte, die der Kläger in dieser Zeit unter Missachtung des Berufsverbotes erbracht und gegenüber der Beklagten abgerechnet hat. Auf ein etwaiges Verschulden des Klägers und die Frage, ob er dies hätte erkennen können und müssen, kommt es nicht an. Der Beklagte hat den Bescheid innerhalb der zweijährigen Frist des § 106d Abs. 5 Satz 3 SGB V erlassen.

Soweit die Beklagte die ärztliche Vergütung für das Quartal III/2019 zu Recht sachlich-rechnerisch richtig gestellt hat, ergibt sich die Rechtmäßigkeit der Erstattungsforderung aus § 50 Abs. 1 SGB X.

Der Bescheid vom 15. Februar 2021 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 22. Februar 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides war insoweit teilweise aufzuheben.

2. Der Erstattungsbescheid der Beklagten vom 5. Januar 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Juni 2021 ist insgesamt rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Rechtsgrundlage für das Erstattungsverlangen des Beklagten ist § 50 Abs. 2 SGB X. Hiernach hat derjenige, der Leistungen ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erhalten hat, zu erstatten.

Der Kläger hat in den Monaten April bis August 2020 von der Beklagten pro Monat einen Abschlag auf das zu erwartende ärztliche Honorar in Höhe von 27.500 Euro erhalten. Diese Abschlagszahlung beruht auf § 6 der mit Wirkung ab dem 1. April 2020 gültigen Abrechnungsordnung der Beklagten. Nach Absatz 1 dieser Norm werden Vertragsärzten monatliche Abschlagszahlungen in Höhe von 27,5 Prozent auf die zu erwartende Vergütung jeweils am Monatsende gewährt. Dabei bestimmt sich die zu erwartende Vergütung nach Satz 2 regelmäßig aus dem Durchschnitt der Honorargutschriften des Vertragsarztes aus den vier zuletzt abgerechneten Quartalen. Nach § 6 Abs. 2 ist der Arzt verpflichtet, sämtliche Umstände, die für die Gewährung von Abschlagszahlungen von Bedeutung sind, der KV unverzüglich mitzuteilen.

Einen Verwaltungsakt zur Höhe der Abschlagszahlungen hat die Beklagte nicht erlassen. Auch in der Auszahlung der Abschlagszahlungen liegt ein solcher nicht.

Die Abschlagszahlungen für die Monate April bis August 2020 sind von dem Kläger gemäß § 50 Abs. 2 SGB X zu erstatten, da er diese zu Unrecht erhalten hat. Der Kläger war in den Monaten April bis August 2020 gemäß § 2 Abs. 1 BOÄ nicht befugt, ärztliche Leistungen zu erbringen. Wie bereits dargelegt folgt hieraus zugleich die fehlende Berechtigung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung. Damit fehlte dem Kläger auch die Berechtigung zum Bezug von Abschlagszahlungen nach § 6 Abs. 1 der Abrechnungsordnung der Beklagten.

Mit der Bekanntgabe des Beschlusses des VG Berlin vom 27. März 2020 im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes entfiel die zeitlich befristete Wirkung der Zusicherung des LAGeSo vom 6. August 2019. Nach ihrem ausdrücklichen Wortlaut galt die Erklärung nur bis zur „Entscheidung der Kammer im vorläufigen Rechtsschutzverfahren“ und damit nur bis Bekanntgabe des erstinstanzlichen Beschlusses. Diese erfolgte gegenüber dem Kläger am 27. März 2020. Da das VG den Antrag des Klägers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen den Bescheid vom 16. Juli 2019 abgelehnt hatte, entfiel ab Bekanntgabe des Beschlusses die vorläufige Aussetzung der Vollziehung und der Bescheid über den Widerruf der Approbation war ab diesem Zeitpunkt (ex nunc) wieder sofort vollziehbar. Hieran änderte auch die vom Kläger am 23. April 2020 erhobene Beschwerde gemäß § 149 VwGO nichts. Entgegen der Ansicht des Klägers kann der Erklärung des LAGeSo vom 6. August 2019 keine Aussetzung der Vollziehung für die gesamte Dauer des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens entnommen werden. Hierfür sprechen sowohl der ausdrückliche Wortlaut der Erklärung als auch der Umstand, dass das VG mit Schreiben vom 1. August 2019 eine Zusicherung lediglich für die Zeit bis zur „Entscheidung der Kammer“ erbeten hatte.  Auch der Sinn und Zweck der Erklärung spricht für eine Begrenzung auf das erstinstanzliche Verfahren, da das VG auch nur für sein eigenes Verfahren einen Hängebeschluss hätte erlassen können. Überdies war im Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung völlig unklar, ob es auch ein Beschwerdeverfahren geben werde. Für eine rechtlich relevante erneute vorläufige Aussetzung der Vollziehung im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens (des Beschwerdeverfahrens) hätte es daher einer erneuten eindeutigen schriftlichen Erklärung des LAGeSO gegenüber dem OVG bedurft. An einer solchen fehlt es jedoch unstreitig und eine solche hatte das OVG mit Eingang der Beschwerde auch nicht erbeten. Dass das LAGeSo mit einer Vollstreckung der Entziehung der Zulassung bis zum rechtskräftigen Abschluss des verwaltungsgerichtlichen Eilverfahrens tatsächlich abgewartet hat, ist rechtlich unerheblich.

Auf die Frage der wirksamen Bekanntgabe des Bescheides vom 18. Februar 2021 kommt es vor diesem Hintergrund nicht an.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO und berücksichtigt das Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen.  

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht, § 160 Abs. 2 SGG.

Rechtskraft
Aus
Saved