S 4 R 575/22

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Augsburg (FSB)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 4 R 575/22
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 6 R 443/23
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 5 R 32/24 BH
Datum
-
Kategorie
Urteil


I. Die Klage gegen die Bescheide vom 21.12.2021 und vom 30.12.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.06.2022 wird abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

T a t b e s t a n d :
Streitig ist der monatliche Abzug von 9 Euro für die anstelle einer Überweisung erfolgende Übermittlung der Erwerbsminderungsrente des Klägers per Zahlungsanweisung zur Verrechnung (ZzV).

Die ZzV ist ein Produkt der Postbank und ermöglicht für den Fall einer nicht vorliegenden Kontoverbindung des Zahlungsempfängers Barauszahlungen bis zu 1500 € an den Zahlungsempfänger in den Geschäftsstellen der Postbank. Der Versand der ZzV erfolgt an den Zahlungsempfänger, nachdem der Gegenwert vom Auftraggeber lastgebucht wurde. Die Barauszahlung ist auf einen Zeitraum von 30 Kalendertagen begrenzt. Nach drei Monaten erfolgt automatisiert die Rückrechnung der nicht eingelösten ZzV zugunsten des Auftraggebers. 

Abschnitt 3.4 des Preis- und Leistungsverzeichnisses der Postbank vom 03.04.2023 zufolge werden für ZzV folgende gestaffelte Entgelte erhoben: 3,50 € bei einem Auszahlungsentgelt bis 50 €, 4 € einem Auszahlungsentgelt über 50 bis 250 € , 5 € bei einem Auszahlungsentgelt über 250 bis 500 €, 6 € bei einem Auszahlungsentgelt über 500 bis 1.000 € und 7,50 € bei einem Auszahlungsentgelt über 1.000 bis 1.500 €. Dieselben Entgelte waren auch im Preis- und Leistungsverzeichnis der Postbank vom 15.08.2022 aufgeführt.

Der 1964 geborene Kläger bezieht von der Beklagten Rente wegen voller Erwerbsminderung. Die Beklagte wies den Kläger mit Schreiben vom 22.02.2021 darauf hin, dass für eine Barauszahlung der Rente ab Dezember 2021 ein Abzug von 9 € vom Zahlbetrag erfolge. Der Kläger bat mit Schreiben vom 08.08.2021 (bei der Beklagten eingegangen am 08.11.2021) und vom 02.12.2021 (bei der Beklagten eingegangen am 22.12.2021) um einen Nachweis für die Kosten von 9 € pro Auszahlung. 

Mit Bescheiden vom 21.12.2021 und 30.12.2021 berechnete die Beklagte die Rente für die Zeit ab 01.01.2022 neu. Dabei zog sie von dem Zahlbetrag von 1.052,16 € für die Zahlung durch den Renten Service der Deutschen Post AG 9 € ab. Der gewählte Zahlungsweg für die Auszahlung der Rente sei kostenpflichtig. Der Kläger habe nicht nachgewiesen, dass ihm die Einrichtung eines Kontos unmöglich sei.

Der Rentenservice der Deutschen Post AG teilte dem Kläger mit Schreiben vom 07.01.2022 mit, dass die Rente mit einer ZzV gezahlt werde, da eine Kontoverbindung nicht mitgeteilt worden sei. Die Zahlungsanweisung könne sich der Kläger entweder in einer Filiale der Deutschen Post bar auszahlen lassen oder auf ein Konto gutschreiben lassen, wofür Banken und Sparkassen jedoch häufig eine Gebühr verlangen würden.

Am 24.01.2022 erhob der Kläger gegen den Bescheid vom 21.12.2021 und am 09.02.2022 gegen den Bescheid vom 30.12.2021 Widerspruch. Der Kosteneinbehalt von monatlich 9 € pro Rentenzahlung sei aufgrund einer fehlenden gesetzlichen Grundlage hierfür und auch tatsächlich nicht gerechtfertigt. Er beantrage die Aufhebung der 9 € und eine etwaige Anpassung auf 2,50 €. 

Die Beklagte wies die Widersprüche mit Widerspruchsbescheid vom 22.06.2022 zurück. Bei einer ZzV würden bis zu einem Auszahlungsbetrag von 1.500 € Kosten in Höhe von 9 € anfallen. Die Höhe des Kostenabzugs werde von einem trägerübergreifenden Gremium der Deutschen Rentenversicherung festgelegt und orientiere sich an den tatsächlich entstehenden Gebühren im Zahlungsverkehr.

Am 25.07.2022 hat der Kläger hiergegen Klage zum Sozialgericht Augsburg erhoben. Mit Schreiben vom 17.09.2022 stellte er klar, dass er sich nicht gegen den Kostenabzug dem Grunde nach sondern nur der Höhe nach wende. Die Kosten von 9 € im Monat seien viel zu hoch. 

Die Beklagte teilte auf Nachfrage des Gerichts mit, dass sie nicht konkret beantworten könne, wie sich der Betrag in Höhe von 9 € im Detail zusammensetze. Das Auszahlungsverfahren werde allein durch den Renten Service der Deutschen Post AG durchgeführt. Die Entscheidung über einen vorzunehmenden Kostenabzug treffe zwar der Rentenversicherungsträger per Verwaltungsakt. Die Höhe der Kosten für eine Barauszahlung von 9 € sei jedoch nicht von den Trägern der Deutschen Rentenversicherung festgelegt worden. Vielmehr sei durch das trägerübergreifende Gremium "Arbeitsgruppe Rentenzahlverfahren" die Entscheidung getroffen worden, dass die Höhe des Kostenabzugs den in den Bestimmungen für das Rentenzahlverfahren (RZB) enthaltenen Vorgaben der Deutschen Post AG zu den anfallenden Kosten der einzelnen Zahlungsarten entsprechen solle. Der Betrag von 9 € sei vom Renten Service der Deutschen Post AG in den RZB eigenständig festgelegt worden und werde der Beklagten für die Auszahlung von Renten durch ZzV in Rechnung gestellt. Es werde deshalb die Beiladung des Renten Service der Deutschen Post AG beantragt. Anders als in dem Sachverhalt, der dem Urteil des SG Dessau-Roßlau vom 18.10.2017, Aktenzeichen S 14 AS 1723/16 zugrunde lag, bestehe für die Rentenversicherungsträger nach § 119 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 120 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) eine gesetzliche Verpflichtung, ihre laufenden Geldleistungen durch den Renten Service der Deutschen Post AG auszahlen zu lassen. Eine Auszahlung der laufenden Geldleistungen der Träger der allgemeinen Rentenversicherung ohne Zwischenschaltung des Renten Service der Deutschen Post AG sei gesetzlich nicht vorgesehen. 

Die Beklagte gab den Inhalt einer E-Mail des Renten Service der Deutschen Post AG vom 02.12.2022 wieder, wonach sich der Betrag von 9 € zusammensetze aus:
- Prozesskosten der Deutschen Bank/Postbank - die ZzV sei ein Produkt der Postbank
- Produktionskosten für die Herstellung und Versandaufbereitung der ZzV (Material-/Druck-/Kuvertierungs- und Versandvorbereitungskosten) durch den Druckdienstleister
-Beförderung und Zustellung der Briefsendungen an den Empfänger (Porto)
-Kosten für die Bareinlösung in einer Postfiliale
-Abrechnung von eingelösten ZzV durch die Filialen mit der Postbank und gegebenenfalls Rückrechnung von nach Zeitablauf nicht eingelösten oder gesperrten ZzV mit der Deutschen Bank/Postbank und von dort mit dem Rentenservice
-Kosten für das Vorhalten von Prozessen für eine "Vorschuss-Zahlung" (Für den Fall, dass die Original-ZzV dem Empfänger nicht zugegangen sei, könne der Berechtigte in einer Postbank-Filiale einen Vorschuss erhalten. Hierfür sei eine gesonderte telefonische Rücksprache der Mitarbeiter in der Filiale mit dem Rentenservice zur Genehmigung der Auszahlung erforderlich.) 
-Prozesse zur Sperre einer ZzV (zum Beispiel bei getätigtem Vorschuss oder bei Verlust der Original-ZzV)
-Interbankenkosten im Zahlungsverkehr (für den Fall, dass der Empfänger die ZzV bei einem Geldinstitut zur Gutschrift auf ein Konto einreicht).

Weiter hat die Beklagte die Besprechungsergebnisse von TOP 6 der Sitzung der Arbeitsgruppe Rentenzahlverfahren vom 24. und 25.06.2020 und TOP 5 der Sitzung der Arbeitsgruppe Versicherung und Rente vom 29.09.2020 vorgelegt, in denen von Kosten für die Anweisung einer ZzV von 9 € ausgegangen wird.

Eine Anfrage des Gerichts an den Rentenservice der Deutschen Post AG blieb erfolglos. Dieser teilte mit, für die Beantwortung der gerichtlichen Fragen nicht zuständig zu sein. Die Unterlagen seien zuständigkeitshalber an die Beklagte weitergeleitet worden.


Der Kläger beantragt, 
die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 21.12.2021 und 30.12.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.06.2022 zu verurteilen, den vollen Zahlbetrag seiner vollen Erwerbsminderungsrente auszuzahlen bzw. einen geringeren Betrag als 9 € monatlich vom Zahlbetrag seiner vollen Erwerbsminderungsrente abzuziehen.

Die Beklagte beantragt, 
  die Klage abzuweisen.
  
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Tatbestands auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.


E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die form- und fristgerecht zum zuständigen Sozialgericht Augsburg erhobene Klage ist zulässig, sachlich aber unbegründet. Die angefochtenen Bescheide vom 21.12.2021 und 30.12.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.06.2022 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagte zieht zu Recht einen Betrag von 9 € monatlich vom Zahlbetrag der vollen Erwerbsminderungsrente des Klägers ab. 

Rechtsgrundlage für den Kostenabzug ist § 47 Abs. 1 Satz 2 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I). Nach § 47 Abs. 1 Satz 1 SGB I werden Geldleistungen kostenfrei auf ein angegebenes Konto bei einem Geldinstitut überwiesen oder, wenn der Empfänger es verlangt, an seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt übermittelt. § 47 Absatz 1 Satz 2 SGB I regelt, dass die durch die Übermittlung der Geldleistungen an den Wohnsitz oder an den gewöhnlichen Aufenthalt veranlassten Kosten von den Geldleistungen abzuziehen sind. Dies gilt nach § 47 Abs. 1 Satz 3 SGB I nicht, wenn der Empfänger nachweist, dass ihm die Einrichtung eines Kontos bei einem Geldinstitut ohne eigenes Verschulden nicht möglich ist.

Der Kläger macht weder geltend, dass ihm die Einrichtung eines Kontos bei einem Geldinstitut ohne eigenes Verschulden nicht möglich ist, noch hat er diesbezügliche Nachweise vorgelegt. Durch die Übermittlung der vollen Erwerbsminderungsrente an den Wohnsitz (Wohnsitz im Sinne von § 47 Abs. 1 SGB I ist nicht die Wohnung, sondern die kleinste politische Einheit und somit die Gemeinde, siehe Schifferdecker, in: beck-online.Großkommentar, § 47 SGB I Rn. 34) des Klägers werden die von der Beklagten abgezogenen Kosten in Höhe von 9 € veranlasst. 

Es kann dahinstehen, ob eine Berechtigung der Beklagten zur Festlegung eines pauschalen Betrages von 9 € pro Übermittlung von Geldleistungen an den Wohnsitz des Zahlungsempfängers per ZzV - ohne Berücksichtigung der Höhe des Zahlbetrages - besteht. Der Kostenabzug von 9 € begegnet jedenfalls im konkreten Fall des Klägers, in dem der Zahlbetrag der vollen Erwerbsminderungsrente über 1.000 € liegt, keinen Bedenken. Denn bereits die Postbank, die als einziger Anbieter ZzV ermöglicht, erhebt bei einem Auszahlungsbetrag von über 1.000 bis 1.500 € ein Entgelt von 7,50 €. Zusätzlich entstehen Kosten für das Erstellen, Ausdrucken und Versenden der ZzV. Allein das Briefporto beträgt 0,85 €. Weiter entstehen Kosten für die Abrechnung der ZzV mit der Postbank. Insgesamt erscheint damit ein Kostenabzug von 9 € bei einem Zahlbetrag der Rente von über 1.000 € gerechtfertigt. 

Die Deutsche Post AG war nicht notwendig beizuladen. Sie ist nicht an dem streitigen Rechtsverhältnis so beteiligt, dass die Entscheidung ihr gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Auch eine einfache Beiladung ist nicht erfolgt, da keine berechtigten Interessen der Deutschen Post AG durch die Entscheidung berührt werden. Die Beklagte und nicht der Renten Service der Deutschen Post AG ist für die Entscheidung über die Höhe der nach § 47 Abs. 1 Satz 3 SGB I abzuziehenden Kosten zuständig. Auch wenn nach § 119 Abs. 1 Satz 1 SGB VI die laufenden Geldleistungen der Träger der allgemeinen Rentenversicherung durch die Deutsche Post AG ausgezahlt werden, verbleibt es nach § 4 Abs. 2 der auf Grundlage von § 120 SGB VI erlassenen RentSV im Verhältnis zu den Leistungsberechtigten bei der Verantwortung des Trägers der Rentenversicherung. Dementsprechend verweisen auch die von der Deutschen Post AG herausgegebenen RZB in Teil 2, Abschnitt 3.3 darauf, dass die Rentenversicherungsträger die Entscheidung über den Kostenabzug und die Kostenhöhe für Barzahlungen, ZzV und Scheckzahlungen treffen. 

Rechtskraft
Aus
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