1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten im vorliegenden Verfahren über die Zahlung von Kosten der Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 01.02.2012 bis zum 30.06.2017.
Der 1994 geborene Kläger leidet an Trisomie 21, einer verzögerten intellektuellen Entwicklung, ausgeprägter Sprachapraxie, an einem schweren Herzfehler sowie weiteren gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Der GdB beträgt 100. Der gesetzliche Betreuer des Klägers legte dem Beklagten einen Untermietvertrag vom XX.XX.2012 vor. Danach vermietete der gesetzliche Betreuer des Klägers dem Kläger einen Wohn- und Schlafraum sowie Nutzung von Küche und Bad im Erdgeschoss und die Nutzung der Flure im Erdgeschoss und im ersten Obergeschoss. Der Mietzins sollte 409,22 EUR betragen (Bl. 25 f. VV). Des Weiteren legte der gesetzliche Betreuer des Klägers eine Mietbescheinigung ohne Datum vor, die ebenfalls eine Bruttomiete von 409,22 EUR auswies (Bl. 70 VV). Schließlich datiert ein weiterer Mietvertrag vom 10.01.2013, bei dem als Vermieter die gesetzlichen Betreuer des Klägers und als Mieter der Kläger selbst den Mietvertrag unterzeichnet haben. Auf Bl. 322 ff. VV wird verwiesen. Mit Schreiben vom 22.06.2012 erklärte der Ergänzungsbetreuer des Klägers, er sehe sich nicht imstande, einen Mietvertrag mit den gesetzlichen Betreuern des Klägers abzuschließen. U. a. wies der Ergänzungsbetreuer darauf hin, dass ein solcher Vertrag nicht die berechtigten gegenseitigen Ansprüche von Mieter und Vermieter regeln, sondern lediglich zu Lasten der öffentlichen Hand abgeschlossen werden würde.
Den Antrag des Klägers vom XX.XX.2012 (Vollendung des 18. Lebensjahres) auf Gewährung von Leistungen nach dem Dritten Kapitel SGB XII lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 14.05.2012 unter Hinweis auf die wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse ab.
Hiergegen legte die Betreuerin des Klägers am 10.07.2012 Widerspruch ein.
Nachdem die Beteiligten das Verfahren nicht weiterverfolgt hatten, teilte der gesetzliche Vertreter des Klägers per E-Mail vom 12.01.2018 mit, er wolle das ruhende Verfahren wieder aufnehmen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 10.09.2018 gewährte der Beklagte dem Kläger für die Zeit von Februar 2012 bis Januar 2018 Leistungen der Grundsicherung nach dem Vierten Kapitel SGB XII in Höhe von 31.931,92 EUR. Bedarfe für die Unterkunft und Heizung nach § 35 SGB XII erkannte der Beklagte nicht an. Auf den Inhalt der Entscheidung im Übrigen wird Bezug genommen.
Dagegen richtet sich die Klage vom 26.09.2018.
Der Kläger trägt vor, ein wirksamer Mietvertrag sei zustande gekommen. Im Übrigen stützt er sich auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 17.12.2015 (B 8 SO 10/14 R).
Der Kläger beantragt,
den Widerspruchsbescheid vom 10.09.2018 abzuändern und den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger für die Zeit vom 01.02.2012 bis zum 30.06.2017 Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich netto 153,12 EUR sowie der Aufwendungen für Heizung und Betriebskosten in Höhe von 93,47 EUR zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig.
Dem Gericht lagen die Akten des Beklagten vor.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig (§§ 87, 90, 92 SGG).
Sie ist jedoch nicht begründet.
Der Kläger hat für den hier streitigen Zeitraum keinen Anspruch auf Zahlung von Kosten der Unterkunft gegen den Beklagten.
Rechtsgrundlage der Widerspruchsentscheidung vom 10.09.2018 bezüglich des Anspruchs auf Unterkunft und Heizung ist zunächst § 42 Satz 1 Nr. 4 SGB XII, wonach die Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Vierten Abschnitt des Dritten Kapitels SGB XII umfassen. Gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 Satz 1 SGB XII werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in tatsächlicher Höhe erbracht.
Der Anspruch auf Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung bei der anspruchstellenden Person setzt grundsätzlich einen entsprechenden tatsächlichen Bedarf im Sinne einer wirksamen zivilrechtlichen Verpflichtung gegenüber Dritten voraus (zur vergleichbaren Problematik im SGB II vgl. bereits BSG, Urteil vom 20.08.2009, B 14 AS 34/08 R). Dies gilt jedenfalls dann, wenn diese Person mit anderen, nicht hilfebedürftigen Personen in einer Haushaltsgemeinschaft lebt, wenn also weder eine Bedarfsgemeinschaft nach dem SGB II noch eine Einsatzgemeinschaft nach dem SGB XII noch eine sogenannte gemischte Bedarfsgemeinschaft, d. h. zwischen Leistungsberechtigten nach dem SGB II und dem SGB XII besteht (BSG, Urteil vom 25.08.2011, B 8 SO 29/10 R).
Danach kommt im vorliegenden Fall ein Anspruch auf Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung nicht in Betracht. Denn weder lebte der Kläger im streitigen Zeitraum mit seinen Eltern in einer Einsatz- oder gemischten Bedarfsgemeinschaft, noch war er wegen Unterkunfts- und Heizkosten einer zivilrechtlichen Forderung Dritter ausgesetzt.
Zwischen dem Kläger und seinen Eltern bestand keine Einsatzgemeinschaft. Denn § 19 Abs. 2 i. V. m. § 27 Abs. 2 SGB XII sieht bei Leistungen nach dem Vierten Kapitel SGB XII grundsätzlich keine Berücksichtigung von Vermögen und/oder Einkommen der Eltern vor; ein Ausnahmefall wegen besonders hohen elterlichen Einkommens (§ 43 Abs. 3 Satz 1 SGB XII) lag bei dem Kläger nicht vor, da elterliches Einkommen von mindestens 100.000,00 EUR offensichtlich doch nicht vorhanden war.
Eine reine Bedarfsgemeinschaft nach § 7 SGB II bestand ebenfalls nicht, denn jedenfalls der Kläger gehört dem Personenkreis des § 41 Abs. 1 und Abs. 3 SGB XII an.
Auch eine gemischte Bedarfsgemeinschaft zwischen dem dem Leistungsregime des SGB XII unterfallenden Kläger und seinen Eltern bestand nicht.
Der Kläger war keine rechtsverbindliche Verpflichtung zur Zahlung von Unterkunfts- und Heizkosten ausgesetzt.
Das Gericht geht zunächst davon aus, dass ein Untermietverhältnis (§ 540 BGB) zwischen dem Kläger und seinen Eltern im streitigen Zeitraum nicht bestand. Insofern hätte es tatsächlich des Abschlusses eines Untermietvertrages mit dem Ergänzungsbetreuer bedurft. Dieser hat jedoch ausdrücklich einen Vertragsschluss abgelehnt (Schreiben vom 22.06.2012).
Vor diesem Hintergrund kommt daher als Grundlage für eine rechtsverbindliche Verpflichtung des Klägers zur Tragung der Mietkosten lediglich der Mietvertrag für Wohnräume vom 10.01.2013 (Bl. 322 ff. VV) in Frage. Abgesehen davon, dass einer zivilrechtlich wirksamen Vereinbarung hier das Verbot des Selbstkontrahierens (§ 181 BGB) entgegensteht, lässt sich weder aus dem Mietvertrag noch aus der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 09.06.2016 (B 8 SO 10/14 R) ein Anspruch auf Zahlung der Kosten für Unterkunft und Heizung nicht herleiten. Denn der Sache nach betrifft das Urteil des BSG die Berücksichtigung von Unterkunfts- und Heizkosten bei einer atypischen Mietsituation. Regelmäßig besteht zwischen den Bewohnern einer Wohnung entweder eine Bedarfs- oder Einsatzgemeinschaft oder es sind zivilrechtliche Vereinbarungen getroffen worden, welche die Kostenfolgen der gemeinsamen Wohnungsnutzung regeln. Da als Bedarf nur die tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung zu berücksichtigen sind, reicht für die Leistungsgewährung die tatsächliche Deckung des Grundbedarfs „Wohnen und Wärmen (Heizung)“ nicht aus, wenn und soweit sie für den Leistungsberechtigten nicht mit Aufwendungen verbunden ist. Für diese atypischen Mietverhältnisse, bei denen häufig Verwandtschaftsverhältnisse bestehen, die für die Bedarfsberechnung mangels unterhaltsrechtlicher Verpflichtungen nicht erheblich sind, hat das Bundessozialgericht lediglich klargestellt, dass wirksame vertragliche Verpflichtungen für die Bedarfsberücksichtigung nicht zwingende Voraussetzung dafür sind, dass sich der tatsächlich die Unterkunft Nutzende einer Kostenbeteiligungsforderung ausgesetzt sieht. Kein sozialhilferechtlicher Bedarf besteht allerdings, wenn eine leistungsberechtigte Person unter keinem Gesichtspunkt – weder aufgrund mietvertraglicher Verpflichtung noch aus sonstigen Gründen – mit Unterkunftaufwendungen tatsächlich belastet ist (BSG, Urteil vom 14.04.2011, B 8 SO 18/09 R; BSG, Urteil vom 25.08.2011, B 8 SO 29/10 R). Bei den sogenannten Verwandtenmietverhältnissen hatte die Rechtsprechung für den Regelfall darauf abgestellt, dass ein zivilrechtlich wirksamer Mietvertrag besteht, der auch im Wesentlichen wie vereinbart tatsächlich durchgeführt wird. Dies rechtfertigt bei tatsächlicher Kostenbeteiligung nach dem vorliegenden Urteil des Bundessozialgerichts vom 17.12.2015 nicht den Umkehrschluss, dass eine entsprechende Vereinbarung geschlossen sein muss; ausreichend aber auch erforderlich ist eine ernsthafte Erwartung einer Beteiligung an den Kosten für Unterkunft und Heizung, deren Erfüllung auf einer faktischen Einigkeit über diese Beteiligung gründet. Das Urteil des Bundessozialgerichts verlangt Leistungsträgern und Gerichten die auf eine Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles zu stützende Bewertung ab, ob eine ernsthafte Erwartung einer Kostenbeteiligung auch dann anzunehmen ist, wenn keine wirksame rechtliche Verpflichtung begründet worden ist.
Im vorliegenden Fall kann von einer solchen ernsthaften Erwartung der Kostenbeteiligung nicht ausgegangen werden. Dagegen spricht zum einen, dass es im vorliegenden Fall mehrere mietvertragliche Konstruktionen gibt, deren Ernsthaftigkeit infrage steht. So existiert etwa ein am 18. Geburtstag des Klägers geschlossener Untermietvertrag vom XX.XX.2012 und eine weitere Mietbescheinigung ohne Datum, die aber ganz andere Daten bezüglich der dem Kläger überlassenen Wohnräume und auch des geschuldeten Mietzinses ausweist. Sodann existiert noch ein Mietvertrag für Wohnräume (Mustermietvertrag) vom 10.01.2013, der zwar entsprechende Rechte und Pflichten der Mietvertragsparteien konstituiert aber offensichtlich nie aktualisiert wurde.
Entscheidend ins Gewicht bei der Frage, dass keine ernsthafte Erwartung des gesetzlichen Betreuers des Klägers an einer Beteiligung der Kosten für Unterkunft und Heizung besteht, ist jedoch der lang bemessene Zeitraum zwischen Widerspruch (10.07.2012) und „Wiederaufnahme“ am 12.01.2018. Während dieses Zeitraums ist nach Aktenlage weder faktisch ein Mietzins vom Kläger an seinen gesetzlichen Betreuer geflossen noch ist umgekehrt ein Anhaltspunkt dafür vorhanden, dass der gesetzliche Betreuer des Klägers eine ernsthafte Erwartung an ihn gerichtet hatte in Bezug auf eine Kostenbeteiligung.
Bei dieser Sachlage war die Klage mit der Kostenfolge aus § 193 SGG abzuweisen.