L 2 BA 1752/23

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Betriebsprüfungen
Abteilung
2.
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 8 BA 2335/20
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 BA 1752/23
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 15. Mai 2023 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, welche ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen.

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 5.077,72 € festgesetzt.



Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Bescheides, mit welchem im Rahmen eines Betriebsprüfungsverfahrens Gesamtsozialversicherungsbeiträge nachgefordert und Säumniszuschläge erhoben wurden. In diesem Zusammenhang streitig ist die Frage, ob die Voraussetzungen einer sozialversicherungsfreien, weil zeitgeringfügigen Beschäftigung (§ 8 Abs. 1 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Viertes Buch [SGB IV]) für die Beigeladenen Ziff. 1 bis 3 als sog. Saisonarbeitskräfte (aus dem osteuropäischen Ausland) vorliegen, insbesondere das Merkmal der berufsmäßigen Ausübung.

Der Kläger ist Inhaber eines landwirtschaftlichen Weinbaubetriebes in S1. Er beschäftigte im Prüfzeitraum vom 06.06.2014 bis 14.07.2017 neben festangestellten Arbeitnehmern auch Saisonarbeitskräfte als Erntehelfer, u.a. auch aus Osteuropa.

Die Beigeladenen Ziff. 1 bis 3 sind rumänische Staatsangehörige.
Der Beigeladene Ziff. 1 (geb. 1988) war vom 02.02.2015 bis 27.03.2015 (Entgelt: 2.726,43 €) und vom 08.06.2015 bis 03.07.2015 (Entgelt: 1.579,44 €) beim Kläger beschäftigt (vgl. befristete Arbeitsverträge vom 01.02.2015, Bl. 33 ff. VerwA und vom 08.06.2015, Bl. 26 ff. VerwA, Stundenaufzeichnungen, Bl. 31 ff., Bl. 37 ff. VerwA, Lohnabrechnungen für Februar und März 2015 sowie Juni und Juli 2015, Bl. 30 f., 36 f. VerwA) und kehrte im Anschluss daran jeweils wieder in sein Heimatland zurück. Die Beschäftigungsdauer war im Voraus jeweils vertraglich auf diese Zeiten begrenzt.
Der Beigeladene Ziff. 2 (geb. 1989) war vom 04.02.2016 bis 22.03.2016 (Entgelt: 2.416,00 €) beim Kläger beschäftigt (vgl. befristeter Arbeitsvertrag vom 04.02.2016, Bl. 20 ff. VerwA, Stundenaufzeichnungen - tatsächliche Tätigkeit bis 15.03.2015 -, Bl. 25 f. VerwA, Lohnabrechnungen für Februar und März 2016, Bl. 24 f. VerwA) und kehrte im Anschluss daran wieder in sein Heimatland zurück. Die Beschäftigungsdauer war im Voraus vertraglich auf diese Zeit begrenzt.
Der Beigeladene Ziff. 3 (geb. 1978) war befristet vom 04.02.2016 bis 22.03.2016 (Entgelt: 2.340,00 €) beim Kläger beschäftigt (vgl. befristeter Arbeitsvertrag vom 04.02.2016, Bl. 14 ff. VerwA, Stundenaufzeichnungen - tatsächliche Tätigkeit bis 15.03.2016 -, Bl. 19 f. VerwA, Lohnabrechnungen für Februar und März 2016, Bl. 18 ff. VerwA) und kehrte im Anschluss daran wieder in sein Heimatland zurück. Die Beschäftigungsdauer war im Voraus vertraglich auf diese Zeit begrenzt.
Das monatliche Arbeitsentgelt betrug für die Beigeladenen Ziff. 1 bis 3 mehr als 450,00 € (vgl. dazu die jeweiligen Lohnabrechnungen für Februar und März 2015, Juni und Juli 2015, Bl. 30 f., 36 f. VerwA sowie für Februar und März 2016, Bl. 18 f., 24 f. VerwA). Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig.
Die Beigeladenen Ziff. 1 bis 3 füllten jeweils einen in deutscher und rumänischer Sprache abgefassten „Fragebogen zur Feststellung der Versicherungspflicht/Versicherungsfreiheit rumänischer Saisonarbeitnehmer“ aus. Die Fragen „Stehen Sie in einem Beschäftigungsverhältnis im Heimatland?“ (Frage 1), „Üben Sie im Heimatland (Rumänien) eine selbstständige Tätigkeit aus?“ (Frage 2), „Sind Sie im Heimatland (Rumänien) arbeitslos oder arbeitssuchend gemeldet?“ (Frage 3), „Besuchen Sie zurzeit eine Schule, Hochschule, Universität oder eine andere Bildungseinrichtung im Heimatland?“ (Frage 4) und „Beziehen Sie eine Rente im Heimatland (Rumänien)?“ (Frage 5) verneinten die Beigeladenen Ziff. 2 und 3. Die Fragen Nr. 1 bis 3 und 5 verneinte auch der Beigeladene Ziff. 1, die Frage Nr. 4 bejahte er. Diese Angabe wurde mittels Stempel, der die Aufschrift „Romania“ und ein Wappen entnommen werden kann und im Übrigen nicht lesbar ist, bestätigt. Die unter Nr. 6 aufgeführte Frage „Sind Sie Hausfrau/Hausmann?“ bejahten die Beigeladenen Ziff. 2 und 3, wobei sie die Frage, seit wann sie Hausmann sind, nicht beantworteten. Die Frage Nr. 6 verneinte der Beigeladene Ziff. 1. Unter Nr. 7 des Fragebogens heißt es: „Wenn sämtliche vorstehenden Fragen mit nein beantwortet wurden: Wovon bestreiten Sie in Rumänien Ihren Lebensunterhalt?“ Zu dieser Frage machten die Beigeladenen Ziff. 1 bis 3 keine Angaben. Die Frage Nr. 8 „Haben Sie in den letzten 12 Kalendermonaten vor dieser Beschäftigung in Deutschland bereits Beschäftigungen im Inland oder Ausland ausgeübt?“ verneinten die Beigeladenen Ziff. 2 und 3 und bejahte der Beigeladene Ziff. 1 im Juni 2015 unter Angabe seiner Beschäftigung bei dem Kläger im Februar/März 2015. Vor dem Unterschriftsfeld befindet sich in den Fragebögen die folgende Erklärung: „Ich versichere, dass ich sämtliche Angaben in diesem Vordruck nach besten Wissen gemacht habe. Mir ist bekannt, dass wissentlich falsche Angaben zu einer strafrechtlichen Verfolgung führen können.“ Dies unterzeichneten die Beigeladenen Ziff. 1 bis 3. Den Fragebögen der Beigeladenen Ziff. 2 und 3 waren Familienstandnachweise („ledig“) ihres Heimatlandes beigefügt.

Der Kläger ging davon aus, dass es sich in allen Fällen um kurzfristige, sozialversicherungsfreie Beschäftigungsverhältnisse handelte und entrichtete für die Beigeladenen Ziff. 1 bis 3 lediglich Umlagen an die Minijob-Zentrale.

Im Herbst 2018 führte die Deutsche Rentenversicherung Bund (Beklagte) beim Kläger eine Betriebsprüfung nach § 28p Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) für den Prüfzeitraum vom 06.06.2014 bis 14.07.2017 durch.

Mit Bescheid vom 21.11.2018 (Bl. 1 ff. VerwA) erhob die Beklagte beim Kläger für die Beigeladenen Ziff. 1 bis 3 Sozialversicherungsbeiträge (3.723,73 €) und Säumniszuschläge (1.354,00 €) i.H.v. insgesamt 5.077,72 € für die Zeit vom 06.06.2014 bis 14.07.2017. Sie stellte im Übrigen fest, dass für die bislang als zeitgeringfügig beschäftigten Mitarbeiter Versicherungspflicht in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung bestehe, weil der Nachweis der Versicherungsfreiheit nicht erbracht worden bzw. die Beschäftigung berufsmäßig ausgeübt worden sei. Anlässlich der Besprechung der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger am 06./07.05.1998 sei klargestellt worden, dass für die Beurteilung der Berufsmäßigkeit einer kurzfristigen Beschäftigung bei Beschäftigten aus dem Ausland keine strengeren Voraussetzungen als für inländische Arbeitnehmer gelten würden. Es sei somit auch bei der Beschäftigung von Saisonarbeitskräften aus dem Ausland zu prüfen, ob die Personen dem Kreis der Erwerbstätigen zuzuordnen seien. Sofern die Saisonarbeitskräfte in ihrem Wohnstaat als Arbeitnehmer beschäftigt seien, seien sie dort auch weiterhin versichert und unterlägen dann auch hinsichtlich der in Deutschland ausgeübten Beschäftigung den Rechtsvorschriften ihres Wohnstaates. Die Zugehörigkeit zum System ihres Wohnstaates sei durch die Vorlage der Bescheinigung A1 nachzuweisen. In diesem Fall sei deutsches Recht nicht anwendbar. Seien die Saisonarbeitskräfte in ihrem Wohnstaat nicht beschäftigt, würden für sie keine Besonderheiten gelten, sondern die deutschen Rechtsvorschriften gelten und es müsste geprüft werden, ob ggf. die Voraussetzungen für eine geringfügige Beschäftigung vorlägen. Der Arbeitgeber habe Aufzeichnungspflichten und müsse Lohnunterlagen in deutscher Sprache führen. Für Saisonarbeitskräfte aus dem (osteuropäischen) Ausland stehe seit 1998 ein bundeseinheitlicher Fragebogen zur Verfügung, durch den sichergestellt werden solle, dass die für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung ausländischer Saisonarbeitnehmer notwendigen Ermittlungen bereits zu Beginn des Beschäftigungsverhältnisses umfassend erfolgten und hierdurch zu einem späteren Zeitpunkt (z.B. im Rahmen von Betriebsprüfungen) grundsätzlich keine neuen Ermittlungen anzustellen seien.
Die Fragebögen seien vorliegend zum Teil unvollständig ausgefüllt und enthielten zum Teil unplausible Angaben. Der Kläger könne sich nicht auf eine zutreffende sozialversicherungsrechtliche Beurteilung des Beschäftigungsverhältnisses berufen, da diese anhand der Angaben im Fragebogen zu Beginn der Beschäftigung schlicht nicht möglich gewesen sei. Der Nachweis für das Vorliegen einer versicherungsfreien, kurzfristigen Beschäftigung könne in diesem Fall aufgrund der nicht ordnungsgemäß erfüllten Aufzeichnungspflichten nicht erbracht werden. Dass sich der Arbeitgeber zur eigenen Absicherung den Fragebogen aushändigen lasse und diesen als Grundlage für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung nehme, sei zwar grundsätzlich zutreffend, greife jedoch vor dem Hintergrund des Vorgenannten zu kurz und stehe in der Folge diametral zur Verpflichtung des Arbeitgebers zur gewissenhaften Sachverhaltsaufklärung. Die persönliche Lebens- und Erwerbssituation von Saisonarbeitskräften lasse sich nicht allein durch das bloße Ankreuzen von Feldern und Abstempeln mit (vermeintlich echten) Bestätigungsstempeln belegen, wenn die Angaben grundsätzlich realitätsfremd oder im Gesamtkontext unplausibel seien. Der Arbeitgeber müsse die im Fragebogen enthaltenen Angaben vielmehr im Einzelfall prüfen und beurteilen, ob diese geeignet seien, die Voraussetzungen einer kurzfristigen Beschäftigung - vor allem mit Blick auf die Berufsmäßigkeit - zu begründen. Durch das Ankreuzen des Feldes Hausfrau/Hausmann könne die Zugehörigkeit zum Kreis der potentiellen Erwerbstätigen hier nicht ausgeschlossen werden, da keine Differenzierung zwischen tatsächlichen Hausfrauen/Hausmännern und lediglich Erwerbslosen vorgenommen werde. Der Arbeitgeber müsse daher weitere Ermittlungen vornehmen, um den Sachverhalt zweifelsfrei aufzuklären und belegen zu können. Der Arbeitgeber könne sich nicht darauf zurückziehen, dass das Setzen eines Kreuzes für eine ernsthafte Sachverhaltsaufklärung ausreiche. Die Überprüfung des Status im Herkunftsgebiet erfolge ansonsten rudimentär und unreflektiert. Das bloße Ignorieren unrealistischer und lebensfremder Verhältnisse könne die Verpflichtung des Arbeitgebers zur gewissenhaften Sachverhaltsaufklärung nicht beseitigen und erlege in der Folge nicht dem prüfenden Rentenversicherungsträger die Beweislast zur Widerlegung auf. Die Feststellungslast verbleibe in dieser Folge beim Arbeitgeber.
In den vorliegenden Fällen habe der Kläger auf unplausible Angaben in den vorgelegten Fragebögen vertraut, ohne diese selbst zu hinterfragen und aufzuklären. Die vorgelegten Unterlagen würden insofern nicht den Aufzeichnungspflichten genügen und könnten daher nicht als Nachweis für die in Anspruch genommene Versicherungsfreiheit kurzfristiger Beschäftigungsverhältnisse anerkannt werden. Für die hier im Streit stehenden Arbeitnehmer seien keine Gründe ersichtlich, diese dem Kreis der Erwerbstätigen zu entziehen, sie seien vielmehr dem Kreis der Erwerbstätigen zuzuordnen. Daher hätten die Beigeladenen Ziff. 1 bis 3 ihre Beschäftigungen im Rahmen versicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse ausgeübt und damit grundsätzlich in vollem Umfang der Beitragspflicht in der Sozialversicherung unterlegen.

Hiergegen legte der Kläger, vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten, mit Schreiben vom 21.12.2018 (Eingang am 21.12.2018) Widerspruch ein (Bl. II1, Bl. II10a ff. VerwA). Der Gesetzgeber habe eine gewisse Missbrauchstendenz bei den geringfügigen Beschäftigungen erkannt und im Gesetz zur Neuregelung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse vom 24.03.1999 eine Abkopplung von der Lohnentwicklung und eine feste Begrenzung der Entgeltgrenzen, sowie einen Pauschalbeitrag des Arbeitgebers ohne Pflicht des Arbeitnehmers eingeführt. Ausdrücklich sei im Zusammenhang mit dieser Gesetzesänderung verlautbart worden, dass die Regelungen in Bezug auf die zeitgeringfügige Beschäftigung unverändert bleiben sollten (Bundestagsdrucksache 14/280 vom 19.01.1999, Begründung, Allgemeiner Teil, I. Seite 10). Aufgrund der Kurzfristigkeit sei im Verhältnis zu Dauerbeschäftigungen die Einführung bzw. Aufrechterhaltung einer bestehenden Sicherung gerade dort wenig sinnvoll. Insoweit sei das fehlende Gleichgewicht von Beiträgen und Leistungen durch die Kurzfristigkeit evident (unter Verweis auf Knospe in: Hauck/Haines, SGB IV, Kommentar, Stand: Mai 2013, § 8 Rn. 1). Der Gesetzgeber sei in Kenntnis der unter Umständen nur für begrenzte Tage erfolgenden Beschäftigungen bei einer monatlichen Entgeltgrenze geblieben und habe gerade keinen anteiligen Monatswert statuiert. Durch die Rechtsänderungen mit dem Zweiten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2002 (u.a. Einführung des Maßstabes eines Kalenderjahres im Rahmen des § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV, Wegfall der 15-Stunden-Grenze in § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV; Gleitzonenregelung usw.) hätten zudem im Wesentlichen Tätigkeiten im Niedriglohnbereich und Teilzeitbeschäftigungen gefördert werden sollen. Festzuhalten sei, dass die Sozialversicherungsfreiheit von zeitgeringfügigen Beschäftigungen politisch und gesetzgeberisch gewollt sei. Zur Beurteilung der Sozialversicherungspflicht von Beschäftigungsverhältnissen osteuropäischer Erntehelfer finde ein bundesweit verwendetes, von der Beklagten entworfenes Formular Anwendung. Dieses Formular sei in der Vergangenheit im Rahmen der Prüfungen durch die Knappschaft und die Rentenversicherung zur Beurteilung des sozialversicherungsrechtlichen Status herangezogen und als belastbarer Beleg anerkannt worden, mit welchem der Arbeitgeber seine sozialversicherungsrechtliche Einschätzung unterlegen solle und dürfe. Mit den Ausführungen in dem angegriffenen Bescheid dokumentiere die Beklagte einen grundlegenden Wandel in der Prüfpraxis bzw. eine Abkehr von der bis dato stattgehabten Anerkennung des von ihr mit in Umlauf gebrachten Prüfformulars. Das „bloße Ankreuzen von Feldern und das Abstempeln mit Bestätigungsstempeln“ lasse laut Beklagter eine sozialversicherungsrechtliche Prüfung nicht zu, wenn die Angaben „grundsätzlich“ realitätsfremd oder im Gesamtkontext unplausibel seien. Dies gehe fehl. Zum einen handele es sich bei dem Prüfformular um einen bundesweit verwendeten und von der Beklagten mitgestalteten und von ihr stets akzeptierten Fragebogen, gerade um die zur Beurteilung stehenden Sachverhalte geklärt zu wissen. Das Ausfüllen des Formulars, und sei es durch Ankreuzen von Feldern, sei dabei vorgegeben. Es sei gerade nicht vorgesehen, dass der Beschäftigte in einem Prosatext freihändig eigene Angaben zu sich und seinem Lebenswandel mache. Dem Arbeitgeber könne somit nicht vorgeworfen werden, mit Verwendung dieses Formulars gegen Pflichten zu verstoßen. Darüber hinaus müsse berücksichtigt werden, dass die Angaben des Beschäftigten über seine Lebensverhältnisse im Heimatland kaum der amtlichen Bestätigung und damit der einfachen Beweisbarkeit zugänglich seien. Wenn dem Arbeitgeber nicht in nicht zu rechtfertigender Weise das volle sozialversicherungs- und strafrechtliche Risiko der Fehlbeurteilung von Sozialversicherungspflichtverhältnissen aufgebürdet werden solle, müsse es legitim sein, sich auf die strafbewehrte Erklärung des Arbeitnehmers dazu, dass er am Erwerbsleben nicht teilhabe, sondern Schüler/Student, Hausfrau/Hausmann oder Rentner sei, verlassen zu dürfen. Gleiches gelte im Übrigen bei der entgeltgeringfügigen Beschäftigung, bei der Falschangaben des Arbeitnehmers nicht zulasten des Arbeitgebers gehen würden. Die Annahme der Beklagten, gewisse Angaben seien „grundsätzlich“ realitätsfremd oder im Gesamtkontext unplausibel, verstoße gegen die Anforderung des Bundessozialgerichts (BSG), das Beschäftigungsverhältnis in seiner individuell-konkreten Ausgestaltung zu beurteilen. Damit sei es unzulässig, einen „Grundsatz“ von Realitätsferne oder Unplausibilität für alle Fallgestaltungen zu postulieren, in welchen der Beschäftigte ledig oder unverheiratet oder im Alter zwischen 20 und 50 sei. Die Tatsache, dass die Beklagte in ihrer bisherigen Prüfpraxis die einheitlich verwendeten (und sogar fortentwickelten) Formulare anerkannt habe, führe dazu, dass der Arbeitgeber (mangels einer ausdifferenzierten Rechtsprechung zum erörterten Themenkreis) darauf vertrauen dürfe, dass die Beklagte bei den bisherigen Prüfungen das Recht zutreffend angewendet habe und damit die verwendeten Formulare mit dem dort niedergeschriebenen Inhalt Grundlage für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung sein dürften. Wenn er hierauf vertrauen durfte, schulde er keine Säumniszuschläge. Mit den angegriffenen Bescheiden fordere die Beklagte, dass der Arbeitgeber den Vollbeweis darüber zu führen habe, die wirtschaftliche Bedeutung der Beschäftigung und die wirtschaftliche Situation des Arbeitnehmers im allgemeinen, sowie seine familiäre und berufliche Gesamtsituation im Einzelfall geprüft zu haben, um daraus unter Umständen Rückschlüsse darauf ziehen zu dürfen, ob Berufsmäßigkeit vorliege oder nicht. Wenn er diesen Beweis nicht führen könne, sei von Berufsmäßigkeit auszugehen. Dabei überspanne die Beklagte die Anforderungen, die an die Prüfungsintensität bei Feststellung der Sozialversicherungspflicht/ -freiheit gestellt werden dürften, sie breche mit ihrer eigenen bisherigen Prüf- und Feststellungspraxis und sie verkenne die Konsequenzen der Beweislastregeln. Bei der Berufsmäßigkeit im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV handele es sich um eine Rückausnahme von der Sozialversicherungsfreiheit bei zeitgeringfügigen Beschäftigungen. Infolgedessen habe der Arbeitgeber die Zeitgeringfügigkeit zu beweisen, die Beklagte das Tatbestandsmerkmal der „Berufsmäßigkeit“. Die Beklagte reklamiere eine detaillierte Abklärung; der Arbeitgeber müsse feststellen, wie der Lebensunterhalt im Herkunftsland im Einzelnen bestritten werde. Andernfalls liege Berufsmäßigkeit vor. Wie das erfolgen können solle und welche Angaben die Beklagte als geeignet betrachten könnte, bleibe unklar. Die Beklagte unterbewerte die Tatsache, dass von allen Beschäftigten in den herausgegebenen Formularen zur Feststellung von Versicherungspflicht/Versicherungsfreiheit von Saisonarbeitern versichert werde, dass sämtliche Angaben nach bestem Wissen (also wahrheitsgemäß) gemacht wurden und dass ihnen bekannt sei, dass wissentlich falsche Angaben zu einer strafrechtlichen Verfolgung führen könnten. Die Beklagte verkenne damit, dass dieses Formular ein besonderes Mittel der Beweisführung sei, in welchem Tatsachenangaben gemacht würden, deren Richtigkeit - vergleichbar einer eidesstattlichen Versicherung - besonders versichert werde. Da die Verhältnisse im Heimatland eines Erntehelfers vom Arbeitgeber nicht persönlich überprüft und auch nicht mittels behördlicher Auskünfte verifiziert werden könnten, sei der Arbeitgeber ähnlich wie bei entgeltgeringfügiger Beschäftigung bei seiner sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung auf die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben des Arbeitnehmers angewiesen. Er könne seine Beurteilung nur auf diese Angaben stützen und dürfe das auch; Letzteres insbesondere deswegen, weil die Beklagte selbst das Fragebogen-Formular entworfen und weiterentwickelt habe, gerade damit der Arbeitgeber über ein Instrument verfüge, um die Angaben des Arbeitnehmers und damit die tatsächlichen Grundlagen seiner sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung dokumentiert zu erhalten. Unabhängig davon habe die Beklagte bislang nicht mitgeteilt, wie ein Arbeitgeber sich verhalten möge, welche Angaben und Belege er zu den Personalakten nehmen solle und was Voraussetzung dafür sei, dass die Tatsachendokumentation als Grundlage seiner versicherungsrechtlichen Beurteilung unbeanstandet bleibe. Im Rahmen des § 8 SGB IV sei der Arbeitgeber für die Zeitgeringfügigkeit und der Rentenversicherungsträger für die Rückausnahme der Berufsmäßigkeit beweisverpflichtet. Ein bedingter Vorsatz des Klägers, der die Erhebung von Säumniszuschlägen rechtfertige, liege nicht vor.

Mit Widerspruchsbescheid vom 12.06.2020 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Die persönliche Lebens- und Erwerbssituation von Saisonarbeitskräften lasse sich nicht allein durch das bloße Ankreuzen des Feldes „Hausfrau/Hausmann“ bzw. „Schulbesuch/Studium im Heimatland“ in einem Vordruck hinreichend belegen, wenn die allgemeine Lebenserfahrung unter Berücksichtigung der bekannten Umstände eher dagegen spreche. Anhand der vorliegenden Unterlagen sei ersichtlich, dass die Beigeladenen Ziff. 2 und 3 zum Zeitpunkt der Beschäftigung weder in einer Ehe noch in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft gestanden hätten, da sie zu diesem Zeitpunkt ledig gewesen seien. Der Beigeladene Ziff. 1 solle Schüler/Student gewesen sein. Nachweise hierüber bzw. vollständig gemachte Angaben lägen jedoch nicht vor. Letztlich trage derjenige die Beweislast, der sich auf die Geringfügigkeit und die Versicherungsfreiheit berufe. Da der Kläger bei dem vorliegenden Sachverhalt hinsichtlich der „Berufsmäßigkeit“ aufgrund der vorliegenden Unterlagen Zweifel an der Richtigkeit der Angaben hätte haben müssen, habe er auch seine Zahlungspflicht gekannt, weshalb Säumniszuschläge zu erheben seien. Er habe daher zumindest bedingt vorsätzlich keine Sozialversicherungsbeiträge abgeführt.

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat am 06.07.2020 Klage zum Sozialgericht (SG) Freiburg mit dem Ziel der Aufhebung des Bescheides/Widerspruchsbescheides erhoben und zur Begründung das Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt.

Mit Beschluss vom 22.01.2021 (Bl. 61 f. SG-Akte) hat das SG die betroffenen Arbeitnehmer und Sozialversicherungsträger beigeladen.

Mit Gerichtsbescheid vom 15.05.2023 hat das SG den Bescheid vom 21.11.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.06.2020 aufgehoben. Für die Beigeladenen Ziff. 1 bis 3 liege Versicherungsfreiheit vor. Eine Ausnahme von der Versicherungspflicht begründe die zeitgeringfügige Beschäftigung im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV. Die maßgeblichen Zeitgrenzen seien bezüglich der Beigeladenen Ziff. 1. bis 3. eingehalten worden. Die Saisonkräfte hätten ihre Tätigkeit nur gelegentlich und nicht regelmäßig ausgeübt. Eine Beschäftigung oder Tätigkeit werde dann nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV berufsmäßig ausgeübt, wenn sie für den Beschäftigten nicht nur von untergeordneter wirtschaftlicher Bedeutung sei und er damit seinen Lebensunterhalt überwiegend oder doch in einem solchen Umfang bestreite, dass seine wirtschaftliche Situation zu einem erheblichen Teil auf dieser Beschäftigung beruhe. Im vorliegenden Fall lasse sich nicht mehr mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststellen, ob die Saisonarbeitskräfte ihre Tätigkeit für den Kläger berufsmäßig ausgeübt hätten. Dies gehe zu Lasten der Beklagten. Diese trage die Feststellungslast für die Berufsmäßigkeit, die im Rahmen eines Streits um die Versicherungspflicht nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV eine die Geringfügigkeit möglicherweise ausschließende und damit die angefochtenen Beitragsbescheide stützende Tatsache darstelle. Der Kläger habe zur Beurteilung der Versicherungspflicht einen zweisprachigen Fragebogen verwendet, den die Beklagte bzw. andere Sozialversicherungsträger dazu zur Verfügung gestellt hätten. Sei die Frage nach einer Tätigkeit als Hausfrau/Hausmann dagegen - wie hier - bejaht worden, hätten die Saisonkräfte die Frage, wovon sie in Rumänien ihren Lebensunterhalt bestreiten, nicht beantworten müssen. Zwischenzeitlich sei der Fragebogen so geändert worden, dass die Frage nach dem Bestreiten des Lebensunterhalts auch dann beantwortet werden müsse, wenn angegeben werde, Hausfrau oder Hausmann zu sein und die Fragen nach einer Beschäftigung bzw. selbstständigen Tätigkeit und einer Arbeitslosigkeit verneint würden. Die Beklagte mache nun geltend, dass die Angaben der Saisonkräfte nur plausibel seien, wenn ein „Hinterfragen“ stattgefunden hätte. Da dies versäumt worden sei, sei der Kläger seiner Aufzeichnungspflicht als Arbeitgeber nicht nachgekommen und habe damit gegen seine Mitwirkungspflicht verstoßen. Dies sei für das Gericht nicht überzeugend. Der Kläger habe nicht gegen seine Aufzeichnungspflichten verstoßen. Die Beklagte unternehme mit dieser Argumentation den Versuch, eigene Versäumnisse bei der Aufklärung des Sachverhalts im Nachhinein dem Kläger anzulasten. Der von den Saisonarbeitskräften angegebene Status als Hausfrau bzw. Hausmann werde von der Beklagten bestritten bzw. in Zweifel gezogen, weil die Angabe nicht plausibel sei. Die Angabe könne aber gerade deshalb nicht auf Schlüssigkeit geprüft werden, weil die Gestaltung des Fragebogens auf nähere Angaben, von wem und wovon der Lebensunterhalt bestritten werde, verzichte. Die Argumentation der Beklagten verstoße gegen den auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben. Das Bestreiten der Beklagten stelle in diesem Fall eine Form der unzulässigen Rechtsausübung nach Verletzung eigener Sorgfaltspflichten dar. Damit könne eine Verletzung der Aufzeichnungs- und Mitwirkungspflichten des Klägers (und eine damit einhergehende Umkehr der Feststellungslast) nicht begründet werden. Sonstige Indizien, die für eine Berufsmäßigkeit sprechen könnten, lägen nicht vor.

Die Beklagte hat am 19.06.2023 gegen das ihr am 24.05.2023 gegen Empfangsbekenntnis zugestellte Urteil Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt.
Zur Begründung trägt sie vor, dass bzgl. des Beigeladenen Ziff. 1 bislang keine Ermittlungen dazu unternommen worden seien, ob seine Beschäftigung als regelmäßige beabsichtigt gewesen sei und daher überhaupt eine Versicherungsfreiheit wegen Zeitgeringfügigkeit in Betracht komme. Eine diesbezügliche Aufklärung werde in das Ermessen des Senats gestellt. In jedem Fall seien die Beschäftigungen der Beigeladenen Ziff. 1 bis 3 berufsmäßig ausgeübt worden. Eine Beschäftigung oder Tätigkeit werde dann berufsmäßig ausgeübt i.S.v. § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV, wenn sie für den Beschäftigten nicht nur von untergeordneter wirtschaftlicher Bedeutung sei und er damit seinen Lebensunterhalt überwiegend oder doch in einem solchen Umfang bestreite, dass seine wirtschaftliche Situation zu einem erheblichen Teil auf dieser Beschäftigung beruhe (unter Verweis auf Rechtsprechung des BSG). Die Beigeladenen Ziff. 2 und 3 hätten nach ihren eigenen Angaben in keinen weiteren Beschäftigungsverhältnissen gestanden und keinerlei Angaben dazu gemacht, aus welchen Einkünften, außer denen aus der Beschäftigung beim Kläger, sie ihren Lebensunterhalt bestritten. Es sei also anzunehmen, dass die Einkünfte aus den Beschäftigungen beim Kläger wesentlich zum Lebensunterhalt der Beigeladenen beigetragen hätten und sie selbst bei unterstellten weiteren Einkünften nicht weniger als 10 Prozent (des Gesamteinkommens) betragen hätten. Die Beigeladenen Ziff. 1 bis 3 seien auch berufsmäßig tätig gewesen, da sie allgemein zum Kreis der Erwerbstätigen zählten. Die bloße Angabe im Fragebogen zur Feststellung der Versicherungspflicht/Versicherungsfreiheit rumänischer Saisonarbeitnehmer, sie besuchten eine Bildungseinrichtung oder seien „Hausmann“, ändere nichts daran (unter Verweis auf das Urteil des SG Landshut vom 20.03.2023 - S 1 BA 3/21 -, juris).

Die Beklagte beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 15. Mai 2023 aufzuheben und die Klage abzuweisen,
hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers beantragt (Bl. 21 SG-Akte),

            die Berufung zurückzuweisen.

Er tritt dem Berufungsvorbringen entgegen und trägt vor, die Feststellungslast für das Vorliegen der Berufsmäßigkeit liege bei der Beklagten. Die hierzu ergangene Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 11.05.1993 - B 12 RK 23/91 -) sei nicht revidiert worden. Nachdem die Beklagte ihren Ermittlungsobliegenheiten unzureichend nachgekommen sei und auch das SG im Rahmen der versuchten weiteren Ermittlungen keine neuen Erkenntnisse habe gewinnen können, seien die vorhandenen Erkenntnisse aus den Arbeitsunterlagen des Klägers für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung zugrunde zu legen. Diese ergäben zeitgeringfügige und sozialversicherungsfreie Beschäftigung.

Die Beigeladenen stellen keine Anträge in der Sache.

Bezüglich des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.


Entscheidungsgründe

Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) eingelegte sowie statthafte (§ 144 Abs. 1 Satz 1 SGG) und damit zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 21.11.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.06.2020 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Das SG hat der zulässigen Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 und 2 SGG) des Klägers daher zu Recht stattgegeben und die angefochtenen Bescheide aufgehoben.

Rechtsgrundlage für den angefochtenen Bescheid ist § 28p SGB IV. Nach Abs. 1 dieser Vorschrift prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach dem SGB IV, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen; sie prüfen insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen mindestens alle vier Jahre. Die Prüfung soll in kürzeren Zeitabständen erfolgen, wenn der Arbeitgeber dies verlangt. Die Einzugsstelle unterrichtet den für den Arbeitgeber zuständigen Träger der Rentenversicherung, wenn sie eine alsbaldige Prüfung bei dem Arbeitgeber für erforderlich hält. Die Prüfung umfasst auch die Lohnunterlagen der Beschäftigten, für die Beiträge nicht gezahlt wurden. Die Träger der Rentenversicherung erlassen im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern; insoweit gelten § 28h Abs. 2 SGB IV sowie § 93 i.V.m. § 89 Abs. 5 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) nicht.

Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung der Versicherungs- bzw. Beitragspflicht (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch [SGB V], § 20 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch [SGB XI], § 1 S. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch [SGB VI], § 25 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch [SGB III]).

Der Senat stellt fest, dass die Beigeladenen Ziff. 1 bis 3 in den im Tatbestand festgestellten Zeiträumen in den Jahren 2015 und 2016 gegen das im Tatbestand festgestellte Entgelt, das monatlich mehr als 450,00 € betrug, im Geltungsbereich des Sozialgesetzbuchs (vgl. § 3 Nr. 1 SGB IV) im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB IV bei der Klägerin abhängig beschäftigt waren.

Sie waren aber jeweils in ihrer Beschäftigung wegen (Zeit-)Geringfügigkeit gem. § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV versicherungsfrei in der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGB V i.d.F. des Zweiten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2002, BGBl I 4621), sozialen Pflegeversicherung (§ 20 Abs. 1 Satz 1 SGB XI i.V.m. § 7 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 SGB V) und gesetzlichen Rentenversicherung (§ 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI i.d.F. des Gesetzes vom 23.12.2002, a.a.O.) sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung (§ 27 Abs. 2 Satz 1 SGB III i.d.F. des Gesetzes zur Neuregelung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse vom 24.3.1999, BGBl I 388) und damit nicht beitragspflichtig.

Gem. § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV i.d.F. vom 05.12.2012 i.V.m. § 115 SGB IV (in der durch Art. 9 Nr. 3 Tarifautonomiestärkungsgesetz vom 11.08.2014 [BGBl I 1348] bis zum 31.12.2018 geltenden Fassung vom 11.08.2014) liegt eine geringfügige und damit versicherungs- und beitragsfreie Beschäftigung vor, wenn die Beschäftigung innerhalb eines Kalenderjahres auf längstens drei Monate oder 70 Arbeitstage nach ihrer Eigenart begrenzt zu sein pflegt oder im Voraus vertraglich begrenzt ist, es sei denn, dass die Beschäftigung berufsmäßig ausgeübt wird und ihr Entgelt 450,00 € im Monat übersteigt (sog. Zeitgeringfügigkeit).

Für das Vorliegen von Versicherungsfreiheit nach dieser Vorschrift müssen folgende Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein (vgl. dazu bereits Beschluss des Senats vom 26.06.2024 - L 2 BA 3128/22 -, vorgesehen zur Veröffentlichung):
Zeitgrenze
sog. Unstetigkeit
Überschreiten der monatlichen Entgeltgrenze
Kein Eingreifen des Ausschlusskriteriums der Berufsmäßigkeit der Beschäftigung.


Die Feststellungslast (Beweislast) hinsichtlich der Voraussetzungen Nr. 1 bis 3 trifft dabei den Kläger und hinsichtlich des Vorliegens/Eingreifens des Ausschlusskriteriums der Berufsmäßigkeit (Nr. 4) die Beklagte (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 11.05.1993 - 12 RK 23/91 - juris Rn. 25; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 11.10.2022 - L 11 BA 3083/20 - juris Rn. 31 und Urteil vom 25.10.2023 - L 8 U 2385/22 - n.v. sowie Beschluss vom 09.04.2024 - L 5 BA 3595/23 ER-B - juris Rn. 2; Knispel in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 4. Aufl. Stand 02.12.2022, § 8 Rn. 61.1; Ziegelmeier, NZA 2021, 1534, 1536), da die Berufsmäßigkeit im Rahmen eines Streits um die Versicherungspflicht nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV eine die Geringfügigkeit möglicherweise ausschließende und damit den angefochtenen Beitragsbescheid stützende Tatsache darstellt. Denn bei der Berufsmäßigkeit der ausgeübten Beschäftigung (bei gleichzeitigem Überschreiten des monatlichen Arbeitsentgelts von 450,00 €) handelt es sich um eine Rückausnahme zur Ausnahme der Versicherungsfreiheit (vgl. Wortlaut § 8 Abs. 1 Nr. 2 Halbsatz 2 SGB IV: „es sei denn“).

1. Der Senat stellt fest, dass die Beschäftigungsdauer des Beigeladenen Ziff. 1 jeweils im Voraus auf die Zeit vom 02.02.2015 bis 27.03.2015 und auf die Zeit vom 08.06.2015 bis 03.07.2015 arbeitsvertraglich begrenzt war. Gleiches stellt der Senat die Beigeladenen Ziff. 2 und 3 betreffend fest für deren Beschäftigungsdauer vom 04.02.2016 bis 22.03.2016. Die maßgeblichen Zeitgrenzen i.S.d. § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV wurden damit bei den Beigeladenen Ziff. 1 bis 3 jeweils eingehalten; davon geht auch die Beklagte aus.

2. Der Senat stellt zudem fest, dass die Beigeladenen Ziff. 1 bis 3 ihre Tätigkeit nur gelegentlich und nicht regelmäßig ausübten (sog. Unstetigkeit).

Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG ist es geboten, bei (geringfügigen) Beschäftigungen eine Zuordnung zu einer der beiden Fallgruppen des § 8 Abs. 1 SGB IV vorzunehmen. Diese unterscheiden sich dadurch, dass entgeltgeringfügige (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV: monatliches Entgelt nur bis 450,00 €) Beschäftigungen regelmäßig und zeitgeringfügige Beschäftigungen (§ 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV) nur gelegentlich ausgeübt werden (vgl. BSG, Urteil vom 24.11.2020 - B 12 KR 34/19 R - juris Rn. 13; Urteil vom 05.12.2017 - B 12 R 10/15 R - juris Rn. 16; Urteil vom 07.05.2014 - B 12 R 5/12 R - juris Rn. 20; Urteil vom 11.05.1993 - 12 RK 23/91 - juris Rn. 12; Knispel in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 4. Aufl. Stand 02.12.2022, § 8 Rn. 32 ff.). Die Unterscheidung ergibt sich zwar nicht klar aus dem Wortlaut, jedoch aus dem Sinn der Vorschrift des § 8 SGB IV. Denn - so das BSG (Urteil vom 11.05.1993, a.a.O.) - wenn die Nr. 1 neben regelmäßigen auch gelegentliche Beschäftigungen erfassen würde, müsste bspw. eine auf zwei Monate befristete Tätigkeit, mit der die Entgeltgrenze überschritten wird, als versicherungspflichtig beurteilt werden, ohne dass es auf das Merkmal "berufsmäßig" ankäme; dann würde dieses nur in Nr. 2 des § 8 Abs. 1 SGB IV enthaltene Merkmal leerlaufen. Es ist daher immer zunächst zu prüfen, ob eine regelmäßige oder eine nur gelegentliche Beschäftigung gegeben ist.

Regelmäßig ist nach der Rechtsprechung des BSG eine Beschäftigung, die bei vorausschauender Betrachtung von vornherein auf ständige Wiederholung gerichtet ist (BSG, Urteil vom 07.05.2014, a.a.O., Rn. 21; Urteil vom 11.05.1993, a.a.O. Rn. 13; vgl. auch Knispel in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 4. Aufl. Stand 02.12.2022, § 8 Rn. 39 ff.; Knospe in: Hauck/Noftz SGB IV, 2. EL 2024, § 8 Rn. 50 ff.); nicht erforderlich ist hingegen, dass sie über mehrere Jahre hinweg ausgeübt werden soll (BSG, Urteil vom 05.12.2017 - B 12 KR 16/15 R - juris Rn. 14). So kann auch im Fall einer auf nicht mehr als ein Jahr befristeten Beschäftigung eine „regelmäßige“ Beschäftigung vorliegen (BSG, a.a.O.). Erforderlich ist - neben der Ausrichtung auf eine ständige Wiederholung - (lediglich) die Bereitschaft der Parteien des Beschäftigungsverhältnisses zu regelmäßiger Zusammenarbeit beim ersten Arbeitseinsatz (BSG, Urteil vom 05.12.2017, a.a.O.). Ist die Beschäftigung hiernach nicht als regelmäßig anzusehen, wird sie nur gelegentlich ausgeübt.

An einer Regelmäßigkeit nach diesen Maßgaben fehlte es für die hier streitgegenständlichen Beschäftigungen zwischen dem Kläger und den Beigeladenden Ziff. 1 bis 3 zur Überzeugung des Senats. Denn die jeweilige Beschäftigung der Beigeladenen Ziff. 1 bis 3 war nicht von vornherein auf ständige Wiederholung gerichtet und die einzelnen Erntehelfer-Arbeitseinsätze waren nicht in ihrer Dauer und ihrem Zeitpunkt hinreichend vorhersehbar.
Gerade der Umstand, dass sich die von den Beigeladenen Ziff. 1 bis 3 ausgeübten Beschäftigungen nach saisonalen Gegebenheiten (Ernte) richteten, spricht für eine nur gelegentlich ausgeübte Beschäftigung (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 11.10.2022 - L 11 BA 3083/20 - juris Rn. 30; Latzel, NZS 2022, 281, 282). Vorliegend hatten die Beigeladenen Ziff. 2 bis 3 jeweils auf unter zwei Monate befristete Arbeitsverträge und der Beigeladene Ziff. 1 zunächst einen auf unter zwei Monate und sodann einen auf unter einen Monat befristeten Arbeitsvertrag, welche alle keine automatische Regelung beinhalteten, dass sie bei der nächsten Ernteperiode wieder zur Verfügung stehen würden. Auch ergeben sich aus den Vertragsunterlagen oder sonstigen Dokumenten keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger und die Beigeladenen Ziff. 1 bis 3 ständig wiederholt zusammenarbeiten wollten. Ein solcher Parteiwille zu regelmäßiger Zusammenarbeit zwischen dem Kläger und der Beigeladenen Ziff. 1 sowie dem Kläger und den Beigeladenen Ziff. 2 und 3 ist hier weder bei dem Kläger noch bei einem der Beigeladenen Ziff. 1 bis 3 festzustellen. Die Anzahl der Arbeitseinsätze (insbesondere auch bei dem Beigeladenen Ziff. 1 vorliegend vom 02.02. bis 27.03.2015 und vom 08.06. bis 03.07.2015 - im Abstand von zwei bis drei Monaten - für die Dauer von jeweils weniger als zwei Monaten) allein reicht für die Abgrenzung einer regelmäßigen von einer gelegentlichen Beschäftigung nicht aus (vgl. auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 25.10.2023 - L 8 U 2385/22 - n.v.).

3. Der Senat stellt weiter fest, dass das monatliche Arbeitsentgelt der Beigeladenen Ziff. 1 bis 3 jeweils 450,00 € überschritt. Davon gehen auch die Beteiligten aus. Da die monatliche Entgeltgeringfügigkeitsgrenze (vgl. § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV) überschritten war, kommt es auf das Vorliegen der weiteren Voraussetzung der fehlenden Berufsmäßigkeit an (zum kumulativen Vorliegen der Voraussetzungen vgl. auch Knospe in Hauck/Noftz SGB IV, 2. EL 2024, § 8 Rn. 54 ff.; Latzel in NZS 2022, 281, 282 f.).

4. Der Senat stellt fest, dass die Beigeladenen Ziff. 1 bis 3 ihre jeweilige Beschäftigung auch nicht berufsmäßig ausübten.

Die Berufsmäßigkeit ist anhand der ausgeübten Beschäftigung und dem Erwerbsverhalten der beigeladenen Arbeitskräfte zu untersuchen (BSG, Urteil vom 11.05.1993, a.a.O. Rn. 20). Eine Beschäftigung oder Tätigkeit wird dann berufsmäßig ausgeübt i.S.v. § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV, wenn sie für den Beschäftigten nicht nur von untergeordneter wirtschaftlicher Bedeutung ist und er damit seinen Lebensunterhalt überwiegend oder doch in einem solchen Umfang bestreitet, dass seine wirtschaftliche Situation zu einem erheblichen Teil auf dieser Beschäftigung beruht (st. Rspr. BSG, vgl. BSG, Urteil vom 24.11.2020 - B 12 KR 34/19 R - juris Rn. 14, Urteil vom 14.03.2018 - B 12 KR 17/16 R - juris Rn. 12, Urteil vom 28.10.1960 - 3 RK 31/56 - juris Rn. 18, Urteil vom 26.09.1972 - 12 RJ 352/71 - juris Rn. 15).
Die Bestimmung von Berufsmäßigkeit geht dabei insbesondere einher mit der Frage, ob der Arbeitnehmer zum Personenkreis der berufsmäßig Erwerbstätigen zu zählen ist. Als Personengruppen, die nicht berufsmäßig tätig werden, kommen danach u.a. solche in Betracht, die nach ihrer Lebensstellung i.d.R. keine versicherungspflichtige Beschäftigung auszuüben pflegen, wie z.B. - wovon im vorliegenden Fall in dem vorgefertigten Fragenbogen selbst ausgegangen wird - Schüler, Studenten, Rentner und Hausfrauen. Diese Personen leben in der Regel von anderen Einnahmen wie Rente, Unterhalt der Eltern, BAföG usw. (vgl. Zieglmeier in Beck-online Großkommentar [Kasseler Kommentar] SGB IV, Stand 114. EL Mai 2021, § 8 Rn. 30 und in NZA 2021, 1534, 1536; Schlegel, NZS 2020, 335 ff.).
Die Angabe des Status „Hausfrau oder -mann“ in einem zweisprachigen „Fragebogen“ führt nicht per se dazu, dass diese Personengruppe versicherungs- und beitragsfrei in der jeweiligen zeitgeringfügigen Tätigkeit ist. Der Status „Hausfrau" oder „Hausmann" setzt ebenso voraus, dass diese (Saison-)Arbeitnehmer dem Arbeitsmarkt grundsätzlich nicht zur Verfügung stehen (z.B. bei Pflege von Familienangehörigen) und auch nicht als „Arbeitslose" beurteilt werden können (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteile vom 11.10.2022, a.a.O. Rn. 32 und vom 25.10.2023, a.a.O.; Zieglmeier, NZA 2021, 1534, 1536), mithin generell nicht zum Kreis der Erwerbstätigen gehören.
Ob eine derartige Beschäftigung berufsmäßig ausgeübt wird, ist grundsätzlich aufgrund einer Gesamtbeurteilung aller Einzelfallumstände und der gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse dieser Person zu beurteilen (vgl. Knispel in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 4. Aufl., Stand 02.12.2022, § 8 Rn. 61; Schlegel, NZS 2020, 335, 335).

Im vorliegenden Fall besteht die Besonderheit, dass der Kläger zur Beurteilung der Versicherungspflicht der Beigeladenen Ziff. 1 bis 3 einen bundeseinheitlich von den Sozialversicherungsträgern zur Verfügung gestellten zweisprachigen Fragebogen für Saisonarbeitnehmer aus dem (osteuropäischen) Ausland, verwendete (abrufbar bspw. unter https://www.minijob-zentrale.de/SharedDocs/Downloads/DE/Formulare/Fragebogen_VP_ausl._Saisonarbeitnehmer/Fragebogen_Versicherungspflicht_ungarisch.pdf?__blob=publicationFile&v=1;
https://www. svlfg.de/auslaendische-saisonarbeitskraefte;
https://www.aok.de/fk/sozialversicherung/beschaeftigung-auslaendischer-arbeitnehmer/saisonkraefte-aus-dem-ausland-beschaeftigen/;
https://www.arbeitsagentur.de/datei/fragebogen-zur-feststellung-der-versicherungspflicht_ba032045.pdf).

Die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg führte in ihren Geringfügigkeitsrichtlinien in der Fassung vom 12.11.2014 (abrufbar unter https://www.deutsche-rentenversicherung.de/SharedDocs/Downloads/DE/Fachliteratur_Kommentare_Gesetzestexte/summa_summarum/rundschreiben/2014/november_2014_geringfuegigkeitsrichtlinien.html) zur Frage der Berufsmäßigkeit u.a. Folgendes aus (S. 61):
            „Die Bestimmung von Berufsmäßigkeit geht einher mit der Frage, ob der Arbeitnehmer
zum Personenkreis der Erwerbstätigen zu zählen ist. Sie ist anhand von Indizien im jeweiligen Einzelfall bei Beginn der zu beurteilenden Beschäftigung (…) unabhängig von
der tatsächlichen Einkommenssituation des Arbeitnehmers zu beantworten. Berufsmäßigkeit kann sich beispielsweise aufgrund des Erwerbsverhaltens des Arbeitnehmers ergeben (…) oder bereits im Status der Person des Arbeitnehmers begründet sein (…).
In ihren Geringfügigkeitsrichtlinien in der Fassung vom 21.11.2018 (abrufbar unter https://rvrecht.deutsche-rentenversicherung.de/SharedDocs/rvRecht/05_Normen_und_Vertraege/10_Rundschreiben_SpV/10_geringfuegigkeits-richtlinien/68_geringfuegigkeitsrichtl_2018_11_21.html) führte sie u.a. ergänzend aus (S. 65):
„Aufgrund ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts lassen sich beim Vorliegen bestimmter Fallgestaltungen, die die Lebenswirklichkeit abbilden, Rückschlüsse auf das Vorliegen einer berufsmäßigen Beschäftigung auch ohne konkrete Prüfung der Einkommensverhältnisse ziehen.“

Die Beigeladenen Ziff. 1 bis 3 gaben in den Fragebögen alle an, bei Aufnahme der Erntehelfer-tätigkeit beim Kläger in keinem (anderen) Beschäftigungsverhältnis gestanden zu haben und innerhalb der letzten 12 Monate - abgesehen vom Beigeladenen Ziff. 1 bzgl. seiner zweimaligen Tätigkeit für den Kläger im Jahr 2015 - vor dieser Erntehelfer-Tätigkeit keine Beschäftigung ausgeübt zu haben. Gleiches gaben sie bzgl. einer selbstständigen Tätigkeit an. Einen Nachweis darüber, dass sie keiner Beschäftigung im Heimatland nachgehen, konnten die Beigeladenen Ziff. 1 bis 3 schon aus der Natur der Sache heraus nicht vorlegen. Ungeachtet dessen wurde ein Nachweis in Form einer Bestätigung des Arbeitgebers mittels Stempel und Unterschrift im Fragebogen nur angefordert für den Fall, dass einer Beschäftigung nachgegangen wird. Das Erfordernis, eine sog. A1-Bescheinigung vorzulegen (so die Beklagte im angefochtenen Bescheid), greift zudem nur bei einer (versicherungspflichtigen) Beschäftigung im Heimatland (mit der Folge der Versicherungsfreiheit in der deutschen Sozialversicherung), der hier - ausweislich der Angaben der Beigeladenen Ziff. 1 bis 3 - gerade nicht nachgegangen wurde.
Die Beigeladenen Ziff. 1 bis 3 verneinten auch eine Arbeitslosigkeit und Arbeitssuchendmeldung.
Der Beigeladene Ziff. 1 gab an, dass er eine Bildungseinrichtung besuche. Diese Angaben wiederum wurden - entsprechend der Aufforderung im Fragebogen („Kopie der Schul-/Studienbescheinigung als Nachweis bitte beifügen oder lassen Sie die obigen Angaben durch die Einrichtung bestätigen“) von einer öffentlichen Einrichtung mittels Stempel bestätigt. Die Beigeladenen Ziff. 2 und 3 gaben an, dass sie im Heimatland Hausmänner sind. Ihre Angaben bestätigten die Beigeladenen Ziff. 1 bis 3 jeweils mit ihrer Unterschrift. Aufgrund dieser Angaben steht für den Senat fest, dass die Beigeladenen Ziff. 1 bis 3 generell nicht zum Kreis der Erwerbstätigen gehörten, weshalb bereits aus diesem Grund keine Berufsmäßigkeit vorliegt (vgl. zur fehlenden Berufsmäßigkeit einer Person, die eine kurzfristige Tätigkeit ausübt, ohne zum Kreis der Erwerbstätigen zu gehören: Latzel, NZS 2022, 281, 283, BSG, Urteil vom 30.11.1978 - 12 RK 32/77 - juris Rn. 14). Denn die Angaben der Beigeladenen Ziff. 1 und 3 sind gerade in der Gesamtschau mit der Beantwortung der übrigen Fragen sowie mangels eines durch konkrete Einzelfalltatsachen begründeten Verdachts, dass diese Angaben falsch sein könnten, plausibel.

Soweit die Beklagte von Anfang an bis zuletzt im Berufungsverfahren geltend macht, dass die Angaben der Beigeladenen Ziff. 1 bis 3 realitätsfremd oder im Gesamtkontext unplausibel seien, folgt dem der Senat nicht. Die Beklagte legt insoweit schon nicht hinreichend konkret dar, warum die Angaben der Beigeladenen Ziff. 1 bis 3 unplausibel seien und aufgrund welcher Einzelfalltatsachen von einer Realitätsferne auszugehen sein soll. Eine Unplausibilität der Angaben Beigeladenen Ziff. 1 („Besuch einer Bildungseinrichtung als Schüler/Student“) lässt sich allein aufgrund der Tatsache, dass dieser keine weiteren Angaben zum Beginn des Besuchs der Bildungseinrichtung und zur Bildungseinrichtung an sich (Name, Art) gemacht hat und Stempel die Bildungseinrichtung nicht erkennen lässt, nicht begründen. Im Übrigen ist aus dem vor dem Senat geführten Verfahren L 2 BA 3128/22 (s.o.) dem Senat, der Beklagten und auch dem in diesem Verfahren beteiligten Prozessbevollmächtigte des hiesigen Klägers bekannt, dass selbst eine Bestätigung mittels Stempel und Kontaktdaten der dort konkret erkennbaren Bildungseinrichtung aus Sicht der Beklagten nicht hinreichend plausibel sei, sondern sie vielmehr weitere Angaben fordert, ohne diese genauer darzulegen. Auch die Angaben der Beigeladenen Ziff. 2 und 3, sie seien Hausmänner begründet für den Senat per se und - wie hier - ohne einen durch konkrete Einzelfalltatsachen begründeten Verdacht, dass die Auskünfte wahrscheinlich falsch sein könnten, keine Unplausibilität. Soweit die Beklagte der Auffassung ist, ledige Personen könnten die Hausfrauen-/ Hausmannseigenschaft nicht begründen, überzeugt dies den Senat nicht.
In Zusammenschau der Angaben der Beigeladenen Ziff. 1 bis 3, dass sie bejaht hatten, eine Bildungseinrichtung zu besuchen (Beigeladener Ziff. 1) bzw. Hausmänner zu sein (Beigeladene Ziff. 2 und 3) und zugleich keine Angaben dazu machten, wovon sie ihren Lebensunterhalt sicherstellen (Frage Nr. 7), bestreitet die Beklagte letztlich den Status des Beigeladenen Ziff. 1 als Schüler/Student bzw. der Beigeladenen Ziff. 2 und 3 als Hausmänner bzw. zieht dies in Zweifel und hält dem Kläger vor, er sei aufgrund dieser (auch fehlenden) Angaben der Beigeladenen Ziff. 1 bis 3 zu weiteren Nachforschungen der persönlichen Lebensumstände der Beigeladenen Ziff. 1 bis 3 verpflichtet gewesen. Da er dies nicht getan habe, habe er seine Aufzeichnungs- und Mitwirkungspflichten als Arbeitgeber verletzt, woraus die Beklagte wiederum eine Beweislastumkehr ableitet.
Dabei verkennt die Beklagte nach Auffassung des Senats, dass aufgrund der Angaben der Beigeladenen Ziff. 1 bis 3 für den Kläger keine Veranlassung bestand, weitere „Nachforschungen“ anzustellen, da es für den Kläger keine aufgrund von konkreten Einzelfalltatsachen bestehenden Anhaltspunkte dafür gab, dass die Angaben nicht zutreffen könnten. Etwaige Nachweise für den Fall der Bejahung des Hausmannstatus (Frage Nr. 6) zu der Frage, mit wem und seit wann ein Haushalt geführt wird und bei Angabe, wovon der Lebensunterhalt bestritten wird (Frage Nr. 7), Nachweise hierüber vorzulegen, wurden in dem Fragebogen gerade nicht gefordert. Zudem waren „weitere Anmerkungen“ der Bildungseinrichtung laut Fragebogen nicht erforderlich. Dort wurde explizit entweder eine Schul-/Studienbescheinigung oder (alternativ) eine Bestätigung der Bildungseinrichtung mittels Stempel auf einem im Fragebogen vorgesehenen Feld für ausreichend erachtet.
Überdies enthielt der in den Jahren 2015 und 2016 zur Verfügung gestellte und verwendete Fragebogen unter Nr. 7 den Hinweis, dass die Frage, wovon der Saisonarbeitnehmer in seinem Heimatland seinen Lebensunterhalt verdient, nur beantwortet werden muss, wenn sämtliche vorstehenden Fragen - darunter die Fragen: „Besuchen Sie eine Bildungseinrichtung?“ und „Sind Sie Hausfrau/Hausmann?“ - mit nein beantwortet wurden. Wurde die Fragen nach dem Besuch einer Bildungseinrichtung und/oder einer Tätigkeit als Hausfrau/Hausmann dagegen - wie in den hier zu beurteilenden Fällen - bejaht, mussten die Saisonarbeitnehmer die Frage, wovon sie in ihrem Heimatland ihren Lebensunterhalt bestreiten, in der Konsequenz nicht beantworten. Hier waren die Beigeladenen Ziff. 1 bis 3 mithin gar nicht verpflichtet, die in Nr. 7 des Fragebogens formulierte Frage zu beantworten. Aus dieser fehlenden Verpflichtung der Beigeladenen Ziff. 1 bis 3 kann dann wiederum keine Pflichtverletzung des Klägers als Arbeitgeber abgeleitet werden. Zwischenzeitlich - für Zeiten nach dem hier streitgegenständlichen Zeitraum - wurde der Fragebogen so geändert, dass die Frage Nr. 7 nach dem Bestreiten des Lebensunterhalts auch dann beantwortet werden muss, wenn angegeben wird, Hausfrau oder Hausmann zu sein und die Fragen nach einer Beschäftigung bzw. selbstständigen Tätigkeit und einer Arbeitslosigkeit verneint wurden (vgl. zum Download bereitgestellter Fragebogen unter https://www.minijob-zentrale.de; hierzu ausführlich Latzel, NZS 2022, 281, 286 sowie Verwaltungsoberrat Pietrek, jurisPR-SozR 15/2024 Anm. 2 Abschn. C. vom 25.07.2024, juris).

Der Senat teilt die Auffassung (vgl. dazu bereits Beschluss vom 26.06.2024 - L 2 BA 3128/22 -) des 11., 8. und 5. Senats des LSG Baden-Württemberg (Urteile vom 11.10.2022, a.a.O., vom 25.10.2023, a.a.O., Beschluss vom 09.04.2024 - L 5 BA 3595/23 ER-B - [juris]), wonach der Arbeitgeber mit der Verwendung des in der streitgegenständlichen Zeit bereitgestellten bundeseinheitlichen zweisprachigen Fragebogens für Saisonkräfte aus dem (osteuropäischen) Ausland, in dem die Saisonarbeitnehmer als Status „Hausfrau“ oder „Hausmann“ angeben und in dem sie die Frage Nr. 7 nach dem Bestreiten des Lebensunterhalts in ihrem jeweiligen Heimatland nicht beantworten mussten, seiner Aufzeichnungspflicht ausreichend nachkommt und nicht gegen seine Mitwirkungspflicht verstößt, zumindest soweit die Angaben der Saisonarbeitnehmer insgesamt plausibel sind und der Arbeitgeber keinen durch konkrete Einzelfalltatsachen begründeten Verdacht hatte (oder hätte haben müssen), dass die Auskünfte wahrscheinlich falsch sind. Denn der Fragebogen verlangt Angaben dazu, wovon der Lebensunterhalt bestritten wird (Frage Nr. 7), ausdrücklich nur, wenn die Fragen Nr. 1 bis 6 verneint wurden. Auch ist der Arbeitgeber selbst bei Angaben der Saisonarbeitnehmer (zu Frage Nr. 7), wovon sie ihren Lebensunterhalt bestreiten, nicht dazu verpflichtet, diese Angaben zu überprüfen und sich hierüber Nachweise vorlegen zu lassen, soweit sie plausibel sind und er keinen durch Einzelfalltatsachen begründeten Verdacht hatte, dass die Auskünfte wahrscheinlich falsch sind. Denn die Notwendigkeit solcher Nachweise wird ausdrücklich nicht im Fragebogen verlangt und muss sich dem Arbeitgeber bei Plausibilität der Angaben und mangels entgegenstehender Einzelfalltatsachen auch nicht aufdrängen. Der Fragebogen konkretisiert insoweit den Umfang der erforderlichen Mitwirkung des Arbeitgebers. Dieser Mitwirkung ist der Kläger im konkreten Einzelfall nachgekommen.
Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund der (oben dargestellten) Ausführungen der Rentenversicherung in den Geringfügigkeitsrichtlinien („anhand von Indizien…unabhängig von der tatsächlichen Einkommenssituation des Arbeitnehmers […] Berufsmäßigkeit kann sich beispielsweise aufgrund des Erwerbsverhaltens des Arbeitnehmers ergeben […] oder bereits im Status der Person des Arbeitnehmers begründet sein […]. Aufgrund ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts lassen sich beim Vorliegen bestimmter Fallgestaltungen, die die Lebenswirklichkeit abbilden, Rückschlüsse auf das Vorliegen einer berufsmäßigen Beschäftigung auch ohne konkrete Prüfung der Einkommensverhältnisse ziehen.“)
Der Kläger war aufgrund der insgesamt plausiblen Angaben der Beigeladenen Ziff. 1 bis 3 nicht verpflichtet, die Angaben der beigeladenen Saisonarbeitnehmer in den Fragebogen zu hinterfragen und insbesondere zu ermitteln, wovon sie ihren Lebensunterhalt bestreiten. Denn hierzu gab der Fragebogen schon als solcher keinen Anlass, da er gerade die Vorlage entsprechender Nachweise nicht verlangte. Auch waren bzgl. des Beigeladenen Ziff. 1 keine weiteren Anmerkungen der Bildungseinrichtung vom Kläger einzuholen. Denn auch solche „Anmerkungen“ (wobei vollkommen offen bleibt, welcher Art) werden im Fragebogen ausdrücklich nicht verlangt. Ausreichend ist vielmehr eine Kopie der Schul-/Studienbescheinigung oder eine Bestätigung der Bildungseinrichtung, für die im Fragebogen ein Feld für die Eintragung des Orts/Datums und des Dienststempels vorgesehen ist. Auch Tatsachen, die im vorliegenden Fall den Verdacht hätten begründen können, dass die Angaben der Beigeladenen Ziff. 1 bis 3 falsch sein könnten, gab es für den Kläger nicht. Eine Umkehr der Beweislast (zu Lasten des Klägers) findet daher nicht statt.

Wenn die Beklagte den von den Sozialversicherungsträgern in Umlauf gebrachten Fragebogen nicht mehr akzeptieren möchte, bedarf es entweder einer vorherigen Information darüber, wie die Arbeitgeber zukünftig ihre Mitwirkungspflichten ordnungsgemäß erfüllen können, ggf. auch einer Änderung der Fragebögen (insbes. bzgl. des Nachweises zum Bestreiten des Lebensunterhalts bei Angabe des Hausfrauen-/Hausmannstatus).

Ungeachtet dessen hat auch die Beklagte bis zuletzt im Berufungsverfahren weitere konkrete Ermittlungsmöglichkeiten des Arbeitgebers nicht aufgezeigt, insbesondere nicht dargelegt wie der Kläger im vorliegenden Fall in rechtlich zulässigem Rahmen weitere Angaben hätte von den Beigeladenen Ziff. 1 bis 3 erlangen können (vgl. dazu auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 25.10.2023, a.a.O.). Der Kläger hat weder eine rechtliche Handhabe, eine Steuerauskunft von den Beigeladenen Ziff. 1 bis 3 zu verlangen, noch kann er als Privatunternehmer einen Datenabgleich mit Behörden im Heimatland der Beigeladenen Ziff. 1 bis 3 in die Wege leiten. Einer Meldeanfrage des Klägers an das Einwohnermeldeamt oder das Finanzamt im Heimatland dürften datenschutzrechtliche Hindernisse entgegenstehen (vgl. hierzu LSG Baden-Württemberg Urteil, vom 25.10.2023, a.a.O..; SG Lüneburg, Urteil vom 26.04.2023 - S 34 BA 26/21 - juris Rn. 34 und Beschluss vom 19.05.2022 - S 1 BA 15/22 ER - juris Rn. 27). Auch hat der Kläger als Arbeitgeber aus dem Arbeitsverhältnis keinen Anspruch auf Offenlegung des Einkommens von Ehepartnern seiner Arbeitnehmer (vgl. Bundesarbeitsgericht [BAG], Urteil vom 26.04.2023 - 10 AZR 137/22 -, juris sowie Bundesgerichtshof [BGH] Urteil vom 18.02.2021 - III ZR 175/19 - juris) bzw. anderer Familienangehöriger. Zu beachten ist auch, dass nicht jede Falschbeantwortung einer Frage in einem vom Arbeitgeber vorgelegten Fragebogen arbeitsrechtliche Folgen hat (vgl. BAG, Urteil vom 04.12.1997 - 2 AZR 750/96 - juris). Ein Fragerecht des Arbeitgebers und die damit korrespondierende Auskunftspflicht des Bewerbers ist nur dann gegeben, wenn der Arbeitgeber im Zusammenhang mit dem zu begründenden Arbeitsverhältnis ein berechtigtes, billigenswertes und schutzwürdiges Interesse an der Beantwortung seiner Frage im Hinblick auf das Arbeitsverhältnis hat (Landesarbeitsgericht [LAG] Baden-Württemberg, Urteil vom 21.02.2019 - 3 Sa 65/17 - juris). Ein berechtigtes Interesse ist nur dann gegeben, wenn das Interesse des Arbeitgebers so gewichtig ist, dass dahinter das Interesse des Arbeitnehmers, seine persönlichen Lebensumstände zum Schutz seines Persönlichkeitsrechts und zur Sicherung der Unverletzlichkeit seiner Individualsphäre geheim zu halten, zurückzutreten hat (BAG, Urteile vom 05.10.1995 - 2 AZR 923/94 - ZTR 1996, 322; vom 07.06.1984 - 2 AZR 270/83 - NZA 1985, 57). Das sich aus der Vertrags- und Abschlussfreiheit ableitende Fragerecht des Arbeitgebers ist also zivilrechtlich durch den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Arbeitnehmers begrenzt (BAG, Urteil vom 20.03.2014 - 2 AZR 1071/12 - ZTR 2014, 664 sowie Breier/Dassau/Kiefer u.a., TV-L, 1.4.6 Fragerecht des Arbeitgebers und Auskunftspflicht des Bewerbers Rn. 312 ff.).

Zudem ist die Beklagte, wenn sie - wie hier - Angaben bezweifelt, grundsätzlich selbst verpflichtet, den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln, da ihr als Körperschaft des öffentlichen Rechts andere Ermittlungsmöglichkeiten offenstehen (so auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 25.10.2023, a.a.O. unter Verweis auf SG Lüneburg, Gerichtsbescheid vom 07.11.2022 - S 1 BA 23/22 - juris Rn. 33; vgl. zu den Ermittlungsmöglichkeiten und auch -pflichten des Rentenversicherungsträgers: Verwaltungsoberrat Pietrek, jurisPR-SozR 15/2024 Anm. 2 Abschn. C. vom 25.07.2024, juris). Die Beklagte selbst ging von Anfang an davon aus, dass Unterlagen bzw. Angaben fehlten, die eine Überprüfung der Berufsmäßigkeit hätten ermöglichen können. Insoweit hätte sie dann aber ihre Amtsermittlungspflicht nach § 20 SGB X (und im Übrigen auch die insoweit sie treffende Beweislast, s.o.) verkannt.

Der Senat stellt klar, dass er - wie oben dargelegt - nicht von dem fehlenden Nachweis der zur Berufsmäßigkeit gehörenden Tatsachen ausgeht, sondern es aufgrund der plausiblen Angaben der Beigeladenen Ziff. 1 bis 3 und fehlenden, auf der Grundlage von konkreten Einzelfalltatsachen bestehenden anderweitigen Anhaltspunkten als erwiesen ansieht, dass sie keine berufsmäßige Beschäftigung ausgeübt haben.

Soweit die Beklagte auf das Urteil des SG Landshut vom 09.03.2023 (S 1 BA 3/21, juris) - verweist, folgt dem der erkennende Senat aus denselben Gründen nicht wie der 8. Senat in seinem Urteil vom 25.10.2023 (a.a.O.).
Soweit das SG Landshut im Urteil vom 09.03.2023 (a.a.O.) die Annahme einer Berufsmäßigkeit auch bei unterstelltem Personenstatus als Hausmann als möglich ansieht, da es eben in der Allgemeinheit nicht richtig sei, dass Hausfrauen und Hausmänner generell nicht berufsmäßig tätig werden könnten, und im weiteren die Berufsmäßigkeit mit dem großen Lohngefälle zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Heimatland begründet, überzeugt dies den Senat nicht. Diese Auslegung würde zu einer Diskriminierung der ausländischen Arbeitnehmer aufgrund des unterschiedlichen Lohnniveaus führen. Eine solche Diskriminierung verstößt gegen Art. 45 AEUV, wonach innerhalb der Union die Freizügigkeit der Arbeitnehmer gewährleistet ist und diese die Abschaffung jeder auf der Staatsangehörigkeit beruhenden unterschiedlichen Behandlung der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten in Bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen umfasst. Nach Art. 7 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 05.04.2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union darf ein Arbeitnehmer, der Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats ist, aufgrund seiner Staatsangehörigkeit im Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten hinsichtlich der Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, insbesondere im Hinblick auf Entlohnung, Kündigung und, falls er arbeitslos geworden ist, im Hinblick auf berufliche Wiedereingliederung oder Wiedereinstellung, nicht anders behandelt werden als die inländischen Arbeitnehmer (vgl. hierzu zuletzt Europäischer Gerichtshof [EuGH], Urteil vom 15.06.2023 - C-132/22 - juris). Die Berufsmäßigkeit darf somit nicht allein unter Verweis auf das unterschiedliche Lohngefälle in Deutschland und im Heimatland osteuropäischer Saisonarbeitskräfte als gegeben angenommen werden. Zudem ist bei anderen Arbeitnehmergruppen das im Rahmen einer Beschäftigung nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV erzielte Entgelt oftmals von wirtschaftlicher Bedeutung, so dass auch bei diesen eine Berufsmäßigkeit nach der Argumentation des SG Landshut angenommen werden müsste. Auch muss die Berufsmäßigkeit im Vollbeweis feststehen und kann daher nur durch Ermittlungen im Einzelfall und nicht mit pauschalisierenden Erwägungen begründet werden.
Auch lässt das SG Landshut die Tatsache außer Acht, dass grundsätzlich die Beklagte die Feststellungslast trägt und den Sachverhalt im Rahmen der ihr obliegenden Amtsermittlungspflicht nicht ausreichend ermittelt hat. Die vom SG Landshut vertretene Auffassung führt zu einer Umkehr der Feststellungslast, ohne dass dies durch eine konkret benennbare, rechtlich zumutbare weitere Aufklärungsmöglichkeit des Arbeitgebers begründbar wäre. Dies widerspricht jedoch den allgemeinen Grundsätzen der Beitragserhebung (vgl. BSG, Urteil vom 24.11.2020 - B 12 KR 34/19 R - juris Rn. 22). Danach ist die mit der Erhebung von Sozialversicherungsbeiträgen verbundene Einschränkung der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG zu beachten. Wegen dieses Grundrechtseingriffs ist das Sozialversicherungs- und Beitragsrecht in besonderer Weise von dem Grundsatz des Gesetzesvorbehalts (§ 31 SGB I), der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände sowie der Bestimmtheit entsprechender Normen geprägt. Im Interesse sowohl der Versicherten als auch der Versicherungsträger ist die Frage der Versicherungspflicht schon zu Beginn der Tätigkeit zu klären, weil es darauf nicht nur für die Entrichtung der Beiträge, sondern auch für die Leistungspflichten der Sozialversicherungsträger und die Leistungsansprüche des Betroffenen ankommt (vgl. BSG, Urteil vom 12.05.2020 - B 12 R 11/19 R - juris Rn. 19 m.w.N.). Zudem bedürfen Eingriffsakte der Verwaltung einer normativen Grundlage, die so formuliert ist, dass die Folgen der Regelung für den Normadressaten erkennbar und berechenbar sind (BSG, Urteil vom 04.12.2007 - B 2 U 36/06 R - juris Rn. 14; allgemein zum Bestimmtheitsgebot von Normen mit Eingriffscharakter z.B. Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Urteil vom 27.02.2008 - 1 BvR 370/07 - juris). Es ist daher Sache des Gesetzgebers, die Voraussetzungen für die Annahme der Berufsmäßigkeit ausreichend bestimmt zu regeln, damit die Normanwendung nicht zu einer nicht vorhersehbaren Verlagerung von Ermittlungsdefiziten der Verwaltung auf die Normadressaten führt (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 25.10.2023, a.a.O. - L 8 BA 2385/22 - n.v., SG Lüneburg, a.a.O., Rn. 63).

Nach alledem konnte die Beitragserhebung keinen Bestand haben, weshalb auch keine Säumniszuschläge zu erheben waren.

Die Berufung der Beklagten war daher zurückzuweisen.

Die Kostentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i. V. m. §§ 1 Abs. 2 Nr. 3, 47 Abs. 1 und 2, 52 Abs. 3 S 1 Gerichtskostengesetz (GKG).

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG). Vorliegend ist die Frage streitig, ob der Kläger im konkreten Einzelfall der Beigeladenen Ziff. 1 bis 3 aufgrund deren Angaben verpflichtet war, deren Angaben in den Fragebögen zu hinterfragen und weitere Ermittlungen zu ihrem Erwerbsstatus anzustellen. Hierbei handelt es sich um eine Einzelfallfrage, der keine grundsätzliche Bedeutung zukommt.    


 

Rechtskraft
Aus
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