Ein ständiges Angewiesensein auf ein Kraftfahrzeug kann im Einzelfall schon dann vorliegen, wenn die tägliche Verfügbarkeit eines Kraftfahrzeuges zur Gleichstellung dient. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der behinderte Mensch sich in der Vergangenheit auf die Nutzung eines Kraftfahrzeugs eingerichtet hat.
Der Bescheid vom 06.09.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.05.2022 wird aufgehoben und der Beklagte verpflichtet, dem Kläger Leistungen der Eingliederungshilfe zur Anschaffung eines angemessenen Kraftfahrzeugs in Höhe von 2.600,00 Euro zu gewähren.
Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Berechtigung des Klägers zum Erhalt von Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem 9. Buch des Sozialgesetzbuches Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX) in Form von Leistungen zum Erwerb und Umbau eines Kraftfahrzeuges.
Der Kläger ist am H. geboren und lebt im örtlichen Zuständigkeitsbereich des Beklagten in der Stadt I. gemeinsam mit seiner Frau. Er bezieht neben einer Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer aufstockend Leistungen der Grundsicherung nach dem 4. Kapitel des 12. Buches des Sozialgesetzbuches - Sozialhilfe - (SGB XII). (Bl. 45 ff. der Verwaltungsakten). Er ist studierter Historiker und Kulturwissenschaftler, aber nicht mehr erwerbstätig aufgrund seiner Erkrankungen. Er leidet leitend an einer Multiple Sklerose Erkrankung und ist pflegebedürftig mit anerkanntem Pflegegrad 3 (vgl. Bl. 66, 114). Er ist jedenfalls seit dem 04.12.2020 als schwerbehinderter Mensch anerkannt mit einem Grad der Behinderung von 50 sowie der Zuerkennung des Merkzeichens „G“. Der Kläger ist in seiner Mobilität in der Gestalt eingeschränkt, dass er einen Rollator nutzen muss und seit kürzerem einen Aktivrollstuhl zur Verfügung hat. Sein Gehvermögen ist auch unter Nutzung des Rollators auf kurze Strecken beschränkt, nach seinen Angaben auf ca. 50 m mit Pausen.
Er beantragte am 04.06.2021 beim Beklagten die Gewährung von Leistungen der Kraftfahrzeughilfe nach den Regelungen der Eingliederungshilfe. Den Antrag begründete er damit, dass er ohne Kraftfahrzeug Arzttermine nicht wahrnehmen könne, insbesondere auch therapeutische Termine nicht erreichen könne. Er wohne am Rande der Stadt I. und seinen (damaligen) Neurologen in J. könne er zwar unter Nutzung des Bahnverkehrs erreichen, aber die Züge seien nicht derartig ausgestattet, dass er sie nutzen könne. Zu seiner Ergotherapie gebe es gar keinen öffentlichen Personennahverkehr. Im Übrigen könne er diesen bereits deswegen nicht nutzen, weil er seinen Rollator nicht im Bus praktikabel mitnehmen könne. Ein- und Ausstieg aus dem Bus seien erschwert, vor allem deswegen, weil er nicht standsicher sei. Dem gegenüber könne er sehr gut Auto fahren, sein aktuell genutzter PKW sei aber abgängig. Das Kraftfahrzeug war ein Volkswagen Golf von 1997, welches im Jahre 2021 nicht mehr nutzbar war. Des Weiteren lebten seine Eltern in K., dies sei mit öffentlichem Personennahverkehr gar nicht zu erreichen. Ohne PKW könne er keine kulturellen Veranstaltungen erreichen. Regelmäßige Verpflichtungen habe er. (Bl. 3-4 d.A.)
Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit dem streitigen Bescheid vom 06.09.2021 ab. Er stützte sich darauf, dass der Kläger für Fahrten zu Ärzten nicht Leistungen der Eingliederungshilfe beanspruchen könne, sondern es sich um Leistungen der Krankenkasse handele.
Ein Taxi könne genutzt werden, bei Gehunfähigkeit sei ihm ein Elektrorollstuhl durch die Krankenkasse zur Verfügung zu stellen, die vom Kläger geltend gemachten privaten (Freizeit) Zwecke könnten nicht hinreichend einen Anspruch auf Kraftfahrzeughilfe begründen.
Der Kläger legte am 18.09.2021 Widerspruch ein (Bl. 83) und begründete diesen mit Schreiben vom 28.10.2021 unter anderem mit Änderungen durch die nächste Stufe des sogenannten Bundesteilhabegesetzes (Bl. 93). Danach führte der Beklagte im Widerspruchsverfahren weitere Ermittlungen durch und führte eine Bedarfsermittlung in förmlicher Art durch. Daraufhin erging am 05.05.2022 der hier streitige Widerspruchsbescheid (Bl. 170). Mit diesem Bescheid bestätigte der Beklagte seine Ablehnung des Antrages, die angegebenen Gründe reichten nicht aus, ein ständiges „Angewiesen sein“ auf ein Kraftfahrzeug im Sinne des Gesetzes zu begründen. Im Übrigen könne der öffentliche Personennahverkehr genutzt werden, man müsse nur telefonisch bei der Deutschen Bahn anfragen. Busse im örtlichen Zuständigkeitsbereich des Beklagten müssten barrierefrei sein. Nur wenn dies sich als problematisch darstelle, dann könnten Geldleistungen unter Umständen für einen Taxidienst gewährt werden.
Der Kläger ist weiterhin der Ansicht, dass er Leistungen der Kraftfahrzeughilfe zum Erwerb eines neuen Kraftfahrzeuges beanspruchen könne. Er habe seiner Verpflichtung, die Kosten gering zu halten, genüge getan. Des Weiteren sei er in der Lage, ein Kraftfahrzeug zu nutzen. Seine Frau könne ihn nicht fahren, da diese keinen Führerschein habe.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 06.09.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.05.2022 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihm 2.600,- Euro an Leistungen der Eingliederungshilfe anlässlich des Erwerbs eines behindertenangepassten Kraftfahrzeuges zu bewilligen.
Der Beklagte beantragt durch seine Vertreterin,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte ist weiterhin der Auffassung, dass der Kläger nicht ständig auf die Nutzung eines Kraftfahrzeuges angewiesen sei.
Der Kläger hat nach Antragstellung beim Beklagten einen PKW von seinem Vater kostenfrei erhalten. Dieser war jedoch für ihn nicht nutzbar, sodass er gegen einen Wagen mit Automatikgetriebe getauscht wurde, wofür 2.600,- Euro an Zusatzkosten anfielen. Hinzu hat er dargetan, dass zur (bedarfsgerechten) Nutzung des Kraftfahrzeuges die Anbringung eines weiteren Handgriffes und einer Sitzerhöhung erforderlich sei.
Das Gericht hat Befundberichte der den Kläger behandelnden Ärzte eingeholt und diese Berichte den Beteiligten zur Kenntnis gebracht.
Das Gericht hat mündliche Verhandlungen in der Angelegenheit am 05.06. und 03.09.2024 durchgeführt, im zweiten Termin ist der Kläger selbst informatorisch angehört worden. Gegenstand der Entscheidungsfindung des Gerichtes war der Inhalt der mündlichen Verhandlungen sowie der Inhalt der Gerichtsakte und der Inhalt der vom Beklagten überreichten Verwaltungsvorgänge.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet. Der Bescheid vom 06.09.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.05.2022 ist rechtswidrig ergangen und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger kann vom Beklagten die Gewährung von Leistungen der Eingliederungshilfe in Form von Leistungen zur Anschaffung eines Kraftfahrzeuges in Form eines Kostenersatzes beanspruchen.
Gegenstand des Klagebegehrens war der Erhalt von 2.600,- Euro anlässlich der Anschaffung eines Kraftfahrzeuges mit Automatikgetriebe für den Kläger. Die im schriftlichen Verfahren geäußerten Eventualkosten für die Installation eines Haltegriffes und einer Sitzerhöhung in diesem Fahrzeug betrachtet das Gericht gerade in Anbetracht des ausdrücklich formulierten Antrages des Klägers nicht als Gegenstand der gerichtlichen Entscheidung. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass diese Kosten nicht angefallen sind und der Kläger nach eigenem Bekunden das Kraftfahrzeug aktuell ohne die entsprechenden Anpassungen nutzen kann.
Gegenstand des mit der zulässigen kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage des Klägers geführten Verfahrens ist der Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 06.09.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.05.2022. Mit diesen Bescheiden lehnte der Beklagte die Übernahme der Kosten für die Anschaffung eines behindertengerechten Kraftfahrzeuges für den Kläger ab.
Aufgrund der vom Kläger durchgeführten Selbstbeschaffung der Leistung ist die Klage im Wege der Leistungsklage in entsprechender Anwendung des § 18 SGB IX auf Kostenersatz für die aufgewandten Beträge gerichtet. Es lässt sich nicht (mehr) einwenden, dass die beantragte Leistung nicht den Kategorien der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit entsprach. (vgl. Ulrich in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IX, 4. Aufl., § 18 SGB IX (Stand: 01.10.2023), Rn. 74) Unabhängig von der Erheblichkeit hat das Gericht im Übrigen auch keine Bedenken, dass die aufgewendete Summe von 2.600 € eine sparsame Aufwendung darstellt.
Weder die Krankenkasse des Klägers noch der zuständige Rentenversicherungsträger waren nach § 75 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) notwendig beizuladen. Die vom Kläger begehrten Hilfen in Form der Leistung für die Anschaffung eines Kraftfahrzeuges stellen keine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung dar. Es handelt sich nicht um ein Hilfsmittel im Sinne des § 33 des 5. Buches des Sozialgesetzbuches – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V). Ebenso scheidet ein Anspruch gegen den für den Kläger zuständigen Rentenversicherungsträger aus, weil im Rahmen der Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung Kraftfahrzeughilfe nur zur Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben erbracht werden kann. Der Kläger übt keine versicherungspflichte Beschäftigung aus, die von ihm in Aussicht genommene Tätigkeit hat sich nach seinem Bekunden in der mündlichen Verhandlung nicht aktualisiert. Vor diesem Hintergrund ist der Beklagte als Träger der Eingliederungshilfe richtiger Beklagter.
Der Kläger kann die begehrten Leistungen auf die Anspruchsgrundlagen in §§ 99, 83, 114 SGB IX stützen. Die Regelungen der sogenannten Kraftfahrzeughilfeverordnung sind nicht auf den Kläger anwendbar, diese sind nur bezüglich Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben einschlägig.
Nach § 99 Abs. 1 SGB IX gilt: (1) Leistungen der Eingliederungshilfe erhalten Menschen mit Behinderungen im Sinne von § 2 Absatz 1 Satz 1 und 2, die wesentlich in der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft eingeschränkt sind (wesentliche Behinderung) oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe nach § 90 erfüllt werden kann. (§ 99 SGB IX in der Fassung vom 2.6.2021)
Zwischen den Beteiligten unstreitig ist der Umstand, dass der Kläger als behinderter Mensch im Sinne des § 2 SGB IX anspruchsberechtigt ist. Die Kammer teilt diese Bewertung vor dem Hintergrund des Erkrankungsbildes des Klägers.
Weiter gilt nach § 83 SGB IX
(1) Leistungen zur Mobilität umfassen
1. Leistungen zur Beförderung, insbesondere durch einen Beförderungsdienst, und
2. Leistungen für ein Kraftfahrzeug.
(2) 1Leistungen nach Absatz 1 erhalten Leistungsberechtigte nach § 2, denen die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und Schwere ihrer Behinderung nicht zumutbar ist. 2Leistungen nach Absatz 1 Nummer 2 werden nur erbracht, wenn die Leistungsberechtigten das Kraftfahrzeug führen können oder gewährleistet ist, dass ein Dritter das Kraftfahrzeug für sie führt und Leistungen nach Absatz 1 Nummer 1 nicht zumutbar oder wirtschaftlich sind.
Diese Regelungen werden für den Bereich der sozialen Teilhabe durch § 114 SGB IX ergänzt:
Bei den Leistungen zur Mobilität nach § 113 Absatz 2 Nummer 7 gilt § 83 mit der Maßgabe, dass
1. die Leistungsberechtigten zusätzlich zu den in § 83 Absatz 2 genannten Voraussetzungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft ständig auf die Nutzung eines Kraftfahrzeugs angewiesen sind und
2. abweichend von § 83 Absatz 3 Satz 2 die Vorschriften der §§ 6 und 8 der Kraftfahrzeughilfe-Verordnung nicht maßgeblich sind. (§ 114 SGB IX in der Fassung vom 23.12.2016)
Diese Regelungen setzen voraus, dass die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel aufgrund der Art und Schwere der Behinderung nicht zumutbar ist (§ 83 Abs. 2 Satz 1 SGB IX). Zwingend erforderlich ist des Weiteren, dass die leistungsberechtigte Person ein Kraftfahrzeug führen kann bzw. gewährleistet ist, dass ein Dritter dieses Kraftfahrzeug führt (§ 83 Abs. 2 Satz 2 SGB IX). Hinzu müssen Leistungen zur Beförderung durch einen Beförderungsdienst nicht zumutbar oder nicht wirtschaftlich sein (Satz 3). Als weiteres Erfordernis tritt gemäß § 114 Nr. 1 SGB IX hinzu, dass die leistungsberechtigten Personen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft ständig auf die Nutzung eines Kraftfahrzeuges angewiesen sind.
Die Kammer erkennt die oben genannten Voraussetzungen im Falle des Klägers als nachgewiesen.
Zunächst stellt das Gericht fest, dass die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel für den Kläger behinderungsbedingt nicht zwingend unmöglich sein muss, sondern eine Unzumutbarkeit der Benutzung öffentlicher Nahverkehrsmittel ausreicht, um den Leistungsanspruch zu begründen.
Nach dem eigenen Eindruck der Kammer in der mündlichen Verhandlung liegen beim Kläger aufgrund seiner fortschreitenden Multiplen Sklerose Erkrankung schwerwiegende Beweglichkeitseinschränkungen vor. Insbesondere ist für das Gericht der Vortrag des Klägers überzeugend, dass seine Standsicherheit schwerwiegend eingeschränkt ist. Dies entspricht im Übrigen auch den Bewertungen der ihn behandelnden Mediziner, wie sie in den eingereichten medizinischen Unterlagen Niederschlag finden. Das Gericht teilt des Weiteren die Bewertung des Klägers, dass die schwerwiegend eingeschränkte Standsicherheit dazu führt, dass er nicht regelmäßig und effektiv einen öffentlichen Nahverkehr nutzen kann. Insbesondere stellt es sich als eindrücklich dar, dass öffentliche Nahverkehrsmittel nicht immer so lange an Haltestellen anhalten können, bis der Kläger einen sicheren Standplatz für seinen Rollator sowie einen sicheren Sitzplatz für sich selbst gefunden hat. Hinzu kommt der Umstand, dass der Kläger überzeugend und im Einklang mit den ärztlichen Berichten geschildert hat, dass ein häufig spontan auftretender Harndrang Probleme im öffentlichen Nahverkehr bedingt. Ein entsprechendes gesundheitliches Symptom ist häufig in Kombination mit der bei ihm bestehenden Multiplen Sklerose Krankheit zu erkennen. Dies führt wiederum dazu, dass die Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs für den Kläger mit unverhältnismäßigem persönlichen Stress, Sorgen und auch tatsächlichen Einschränkungen verbunden wäre.
Ebenfalls im Einklang mit den ärztlichen Berichten hat der Kläger überzeugend bekundet, dass er persönlich in der Lage ist, ein Kraftfahrzeug führen zu können, so lange es sich um einen Automatik PKW handelt. Das Gericht hat keinen Anlass, an den entsprechenden Darstellungen des Klägers insbesondere nach der aktuellen Ergänzung des Berichtes vom 25.03.2024 durch seinen behandelnden Arzt zu zweifeln.
Bezüglich der weiteren Voraussetzungen des § 114 SGB IX des „ständigen Angewiesen seins“ sieht das Gericht im Gegensatz zur Bewertung des Beklagten diese Voraussetzungen ebenfalls als nachgewiesen an. Ein „Angewiesen Sein“ in diesem Sinne setzt im Grundsatz voraus, dass der behinderte Mensch ohne das Kraftfahrzeug wesentliche Lebensvollzüge nicht wahrnehmen kann. Hierbei ist zum einen zu beachten, dass die Abhängigkeit vom Kraftfahrzeug umso größer ist, je mehr der Bereich existenznotwendiger Verrichtungen betroffen ist und umso geringer ist, wenn es sich alleine um Freizeitzwecke handelt (Luthe in jurisPK SGB IX 4. Auflage § 114 Rn. 11). Zu beachten ist dabei des Weiteren der Umstand, ob der behinderte Mensch in der Vergangenheit einen PKW genutzt hat und ob es am Wohnort des Klägers in aller Regel üblich ist, einen PKW zu nutzen. Es hat durch das Gericht wie auch durch den Leistungsträger ein Vergleich der Situation des Klägers mit den Möglichkeiten eines nicht behinderten Menschen durchgeführt zu werden. Es ist hier insbesondere der Vergleich zu einem in der gleichen Situation befindlichen Menschen ohne Behinderungen und ohne Bezug von Sozialhilfeleistungen anzusetzen (vgl. Bundessozialgericht – BSG, Urt. v. 02.02.2012 – B 8 SO 9/10 R; Urt. v. 23.08.2013 – B 8 SO 24/11 R zitiert nach juris).
Wenn ein Mensch seine persönliche Lebensführung auf die Nutzung eines eigenen Kraftfahrzeuges ausgerichtet hat, ist diesem Umstand Rechnung zu tragen (BSG a.a.O.). Maßgeblich für die Bewertung des Anspruchs des Klägers ist dementsprechend das Wunsch- und Wahlrecht des Klägers als behindertem Menschen, wie es in § 8 SGB IX Niederschlag gefunden hat. Entscheidend ist im Rahmen dieser Prüfung immer, dass nicht nur eine minimale Grundversorgung sicherzustellen ist, sondern eine der Situation nicht behinderter Menschen vergleichbare angemessene Lebensführung ermöglicht werden muss (BSG v. 02.02.2012 a.a.O.). Des Weiteren ist um der Gleichstellungsanforderung des Artikel 20 des Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-Behindertenrechtskonvention UN-BRK) zu entsprechen, der Beklagte verpflichtet, wirksame Maßnahmen zu treffen, um für Menschen mit Behinderungen persönliche Mobilität mit größtmöglicher Unabhängigkeit sicherzustellen. Vor diesem Hintergrund ist nach Bewertung des Gerichts die gesetzliche Regelung des § 114 SGB IX mit dem Erfordernis des „ständigen Angewiesen Seins“ zu bewerten. Es reicht in der Regel nicht aus, wenn der behinderte Mensch das Fahrzeug voraussichtlich nur einige wenige Male in der Woche nutzt. Ständig als Begriff impliziert einen längeren und zusammenhängenden Zeitraum, in dem der behinderte Mensch auf das Kfz angewiesen sein muss (Luthe a.a.O.). Das Gericht erkennt diese Voraussetzungen als nachgewiesen.
Besonders eindrücklich für das Gericht in der Bewertung des Wunsch- und Wahlrechtes des Klägers ist sein ausdrücklich geäußertes Begehren bezüglich der Gleichstellung zu behinderten Menschen. Es stellt sich für das Gericht in der Lebenssituation des Klägers als nachvollziehbar dar, dass er die Nutzung eines Kraftfahrzeuges als nahezu letzten Lebensvollzug ansieht, indem er genauso wie ein nicht behinderter Mensch agieren kann. Aufgrund seiner körperlichen gesundheitlichen Einschränkungen sind ihm zahlreiche Bereiche der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben dabei bereits verschlossen, sodass die Nutzung des Kraftfahrzeuges als solches schon den gewichtigen Aspekt darstellt, der eine (teilweise) Gleichstellung des Klägers ermöglicht. Des Weiteren ist auch die Voraussetzung des „ständigen Angewiesen Seins“ bereits hierdurch indiziert, wenn nicht nachgewiesen. Der Aspekt, dass der Kläger Gleichstellung zu nicht behinderten Menschen alleine durch Nutzung eines Kraftfahrzeuges aktuell erreichen kann, ist ständig an jedem Tag in der Woche gegeben. Die persönliche Freiheit, jederzeit Mobilität gewährleisten zu können, stellt sich für den in der sonstigen Mobilität bereits stark eingeschränkten Kläger für das Gericht als Wert an sich dar. Es bedarf in dieser Situation nicht des Nachweises einer täglichen Nutzung des Wagens. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Kläger, wie in der Rechtsprechung gefordert, sein Leben in der Vergangenheit auf die Nutzung eines Kraftfahrzeuges eingerichtet hat. Nur der Umstand, dass ein Kraftfahrzeug zur Verfügung steht, bietet dem Kläger die Möglichkeit deutlich größerer Gleichstellung im Vergleich zur Situation ohne ein solches Kraftfahrzeug.
Ergänzend erkennt das Gericht, dass gerichtsbekannt andere Menschen am Wohnort des Klägers sich ebenfalls nicht auf die alleinige Herstellung von Mobilität durch öffentlichen Nahverkehr verlassen, sondern regelhaft ein eigenes Kraftfahrzeug nutzen.
Der Kläger hat im Übrigen nachvollziehbar und überzeugend bekundet, dass er verschiedentliche tatsächliche Nutzungen des Fahrzeuges durchführt, so Besuche von näheren und entfernteren Verwandten. Ebenso hat der Kläger in seinen Äußerungen und in seinem Verhalten klar zu erkennen gebracht, dass er keine übermäßige oder exzessive Nutzung des Kraftfahrzeuges durch besonders lange Fahrten beispielsweise plant oder tatsächlich durchführt. Im Ergebnis erkennt das Gericht daher das Vorliegen eines „ständigen Angewiesen Seins“ im Sinne des „ständigen zur Verfügung Stehens“ eines Kraftfahrzeuges in der besonderen Situation des Klägers.
Für das Gericht ist des Weiteren erkennbar, dass in Anbetracht dieses Aspektes der Gleichstellung, die Frage eines Angebotes von anderweitigen Leistungen zur Beförderung, insbesondere durch einen Beförderungsdienst, im Sonderfall des Klägers nicht entscheidungserheblich ist. Von daher bedurfte es keiner weiteren Ermittlung zu der Frage, ob der Beklagte entsprechend seiner Ankündigung im Widerspruchsbescheid entsprechende Beförderungsleistungen bewilligt.
Das Gericht stützt seine Entscheidung nicht, wie der Kläger ursprünglich in seinem Antrag dargetan hat, auf die Frage der medizinischen Notwendigkeit der Nutzung eines Kraftfahrzeuges zum Besuch von Ärzten und Therapeuten. Nur ergänzend erkennt das Gericht in diesem Zusammenhang, dass hierbei ein vollständiger Verweis auf Leistungen der Krankenkasse nicht möglich sein dürfte, da Transportleistungen zu Therapeuten regelhaft nicht bewilligt werden. Zwar könnten Hausbesuche der entsprechenden Therapeuten bewilligt werden, aber dies scheitert unter Umständen bereits am fehlenden Angebot (gerichtsbekannt) von Therapeutenleistungen, die mit Hausbesuchen durchgeführt werden. Zum anderen stellt sich vor dem Hintergrund des Vorbringens des Klägers die Nutzung von Hausbesuchen seiner Therapeuten nicht als gleichwertig zum Besuch des Therapeuten in seiner Praxis dar. Eine Gleichstellung eines behinderten Menschen in Anbetracht seines Wunsch- und Wahlrechtes kann für den Kläger nur durch den Besuch des Therapeuten in seiner Praxis erlangt werden.
Ebenfalls für das Gericht nicht entscheidend ist der vom Beklagten vorgetragene Umstand, dass der Kläger Einkaufsmöglichkeiten wohnortnah zur Verfügung hat. Hier wäre zu überlegen, ob der Transport von Einkaufsgegenständen für den Kläger mit Nutzung des Rollators oder des Rollstuhls adäquat möglich wäre.
Auch nicht entscheidungserheblich für das Gericht ist der Umstand, dass der Kläger nicht nur seine eigene Lebensführung auf die Nutzung eines Kraftfahrzeuges ausgerichtet hat, sondern ausdrücklich das Kraftfahrzeug auch zur Nutzung für Fahrten für die Eheleute angeschafft wurde.
Nur ergänzend stellt das Gericht fest, dass die regelhafte Bewilligung von vier Sonderfahrten pro Monat für die Taxinutzung nicht als gleichartige Sicherstellung der Mobilität angesehen werden kann (vgl. ausdrücklich BSG, Urt. v. 02.02.2012 a.a.O.). Bezüglich der Wirtschaftlichkeit anderer Beförderungsleistungen (vgl. hierzu § 83 Abs. 2 Satz 2 a.E. SGB IX) bedurfte es vor dem Hintergrund der fehlenden tatsächlichen Bewilligung durch den Beklagten keiner weiteren Erwägung des Gerichtes. Jedoch erkennt das Gericht, dass im Vergleich der relativ geringen Anschaffungskosten, die der Kläger geltend macht, bereits bei wenigen Taxifahrten sich der regelmäßige Transport mit einem Taxi als unwirtschaftlich darstellen könnte.
Bezüglich des Anspruchsinhaltes stellt das Gericht zum einen fest, dass grundsätzlich bei Selbstbeschaffungen der Leistungen ein Kostenersatz in Betracht kommt (vgl. hierzu ausdrücklich BSG, Urt. v. 22.03.2012 – B 8 SO 30/10 R). Zum anderen erkennt das Gericht, dass die Leistungen nur in angemessenem Umfang begehrt werden können. Das Gericht hat in Anbetracht der Verfahrensweise des Klägers bei der Beschaffung des angepassten Kraftfahrzeuges keinerlei Bedenken, dass sich die geltend gemachten Kosten von 2.600,- Euro im Rahmen der Angemessenheit bewegen. Der Kläger hat sich um ein kostengünstiges (hier sogar kostenloses) Fahrzeug bemüht. Weitere Aspekte bezüglich einer Kostenminimierung sind vom Beklagten nicht vorgetragen und für das Gericht auch nicht erkennbar. Die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit sind bei dem begehrten Kostenersatz gewährleistet.
Ein Einkommensansatz kann in Anbetracht der geringen Einkünfte des Klägers nicht abverlangt werden. Ebenso sind keine Vermögensgegenstände erkennbar, welche der Gewährung von Leistungen entgegenstehen könnten.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG. Der Kläger ist mit seinem mit der Klage geäußerten Begehren in vollem Umfange durchgedrungen.