Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 24.11.2021 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob bei dem Kläger ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 festzustellen ist.
Der am 00.00.0000 geborene Kläger ist Schüler und seit Jahren im Schwimmsport aktiv. Während er 2017 noch für den P. startete, tat er dies in den Jahren 2021, 2022 und 2023 u.a. bei den Deutschen Jahrgangsmeisterschaften in U. für den Verein SC F. im Bereich Schmetterling, Lagen und Rücken. Seit Sommer 2023 wird der Kläger am Schwimmstützpunkt T. betreut und besucht seither auch das Sportinternat M..
Aufgrund einer im April 2018 erstmals diagnostizierten Erkrankung an Diabetes mellitus Typ 1 beantragte der Kläger, vertreten durch seine Eltern, bei dem Beklagten am 14.12.2018 die Feststellung eines GdB. Im Verwaltungsverfahren führte er unter Vorlage ärztlicher Behandlungsunterlagen und einer Übersicht über seine Blutzuckerwerte für den Zeitraum 15.12.2018 bis zum 03.01.2019 aus, zweimal täglich das Humaninsulin Protaphane, drei bis sechs Mal täglich das Humaninsulin Actrapit zu injizieren sowie täglich 15 bis 24-Mal seinen Blutzucker zu messen. Dabei werde die Insulinmenge nicht nach einem festen Plan berechnet, sondern je nach Blutzuckerwert, seiner körperlichen Aktivität und der eingenommenen Mahlzeit. Dies habe große Einschnitte in seiner Lebensführung zur Folge.
Nach Einholung einer versorgungsmedizinischen Stellungnahme stellte der Beklagte, dem Vorschlag des Ärztlichen Dienstes entsprechend, mit Bescheid vom 22.03.2019 den Einzel-GdB und Gesamt-GdB des Klägers mit 40 sowie das Merkzeichen H ab Antragstellung fest. Auf die Begründung wird Bezug genommen.
Den dagegen fristgerecht eingelegten Widerspruch begründete der Kläger unter Vorlage von Berichten des Sozialpädiatrischen Zentrums (SPZ) Q. vom 11.01.2019 und 19.02.2019 damit, dass der bei ihm festgestellte GdB zu gering bemessen sei. Dem übermittelten Blutzuckertagebuch für den Zeitraum 25.02.2019 bis zum 18.04.2019 seien die unterschiedlichsten Schwankungen seines Blutzuckers in zum Teil kurzen Abständen zu entnehmen. Die Erkrankung an Diabetes mellitus Typ 1 habe gravierende Einschnitte in seiner Lebensführung zur Folge; er leide unter anderem an Stimmungsschwankungen; auch beeinträchtigten die hohen Blutzuckerwerte seine Konzentration und wirkten sich negativ auf seine soziale Interaktion aus. Für seine Eltern sei seine Erkrankung mit einer hohen Anstrengung und einem erheblichen Zeitaufwand verbunden. Auch die Ausübung des Wettkampfschwimmens als Leistungssport sei für ihn aufgrund seiner Erkrankung mit Einschränkungen verbunden. So sei ihm die Teilnahme an einem Trainingslager nicht möglich gewesen. Beim Training selbst müsse zudem immer ein Elternteil vor Ort sein.
Der erneut von dem Beklagten befragte Ärztliche Dienst führte in seiner Stellungnahme vom 27.05.2019 nach Würdigung der beigebrachten medizinischen Unterlagen aus, dass der bei dem Kläger bestehende Diabetes mellitus Typ 1 mit einem GdB von 40 zu bemessen sei. Schwere Hypoglykämien, welche die Feststellung eines GdB von 50 begründen könnten, seien nicht belegt; die beigebrachten medizinischen Unterlagen ließen auf eine gute Stoffwechselsituation bei einem HbA1c-Wert von 6,6 % schließen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 07.06.2019 wies der Beklagte daraufhin den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Aufgrund des jugendlichen Alters sei entsprechend der Vorgaben der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetzes (Versorgungsmedizin-Verordnung <VersMedV>) das Merkzeichen H festgestellt worden; mit diesem werde dem zusätzlichen Betreuungsaufwand der Eltern Rechnung getragen.
Mit seiner am 08.07.2019 vor dem Sozialgericht Duisburg erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Zur Begründung hat er zunächst auf seine bisherigen Ausführungen Bezug genommen. Ergänzend hat er vorgetragen, dass entgegen der Einschätzung des Beklagten bei ihm ein schwer einstellbarer Diabetes mellitus Typ 1 vorliege, der mit einem GdB von 50 entsprechend der Ziffer 15.1 Abs. 4 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze (VMG) zu bewerten sei. Aufgrund des Diabetes mellitus Typ 1 sei er zwingend auf die Verabreichung körperfremden Insulins angewiesen. Dieses injiziere er zweimal täglich in Form von Langzeitinsulin und mindestens viermal täglich als schnell wirkendes Insulin. Die Insulinmenge sei dabei in erster Linie von der Menge der zugeführten Kohlenhydrate abhängig. Die dadurch verbundenen Einschnitte beeinträchtigten ihn gravierend. So müsse er stets die Menge und die Zusammensetzung seiner Mahlzeiten überwachen und das erforderliche Zubehör für Insulininjektionen und die Messungen des Blutzuckers bei sich führen. Weiterhin trage er an seinem Körper permanent einen Sensor für die kontinuierliche Glukosemessung. Neben diesen typischen Einschränkungen bei einer Erkrankung an Diabetes mellitus Typ 1 lägen bei ihm aufgrund des ausgeübten Wettkampfschwimmens weitergehende, von dem Beklagten zu berücksichtigende Einschränkungen vor. Neben der ihm verwehrten Teilnahme an einem Trainingslager könne er bei zu hohen oder zu niedrigen Blutzuckerwerten weder am Schwimmtraining noch an Wettkämpfen teilnehmen. Diese Beeinträchtigungen führten bei ihm zu nicht unerheblichen psychischen Problemen. So sei er nicht in der Lage, offen mit seiner Erkrankung umzugehen und sich z.B. in Gegenwart anderer Personen Insulin zu injizieren. Auch sei sein Blutzucker schwer einstellbar; er leide unter den Folgen von nahezu täglich auftretenden und oftmals ausgeprägten Hypoglykämien. Diese unterschritten ausweislich der Auswertung des CGM-Messgerätes die Grenzwerte zumeist nur kurz und in einem geringen Umfang, teilweise seien die Hypoglykämien allerdings auch langandauernd und der Blutzucker unterschreite die Grenzwerte erheblich. Dabei treten diese langanhaltenden Hypoglykämien nicht selten in der Nacht auf und stünden im Zusammenhang mit dem ausgeübten Leistungssport. Die bislang für den Zeitraum 05.12.2018 bis zum 03.01.2019 vorgelegten Blutzuckerwerte bildeten seine Blutzuckerwerte nur punktuell ab; auch lasse sein HbA1c-Wert keinen Rückschluss auf eine gute Blutzuckereinstellung zu.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 22.03.2019 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 07.06.2019 zu verurteilen, bei dem Kläger einen Grad der Behinderung von mindestens 50 anzuerkennen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat zur Begründung auf die ergangenen Bescheide und die versorgungsmedizinischen Stellungnahmen Bezug genommen. Der Bericht des SPZ Z. vom 19.02.2019 beschreibe ein gutes Krankheitsmanagement bei dem Kläger; der dort aufgeführte HbA1c-Wert von 6,6% deute auf einen gut einstellbaren und eingestellten Blutzucker hin, der dem Kläger sogar die Durchführung von Leistungssport ermögliche. Es seien weder schwere hyperglykämische Stoffwechselentgleisungen noch Hypoglykämien dokumentiert, die einer invasiven Fremdhilfe bedurft hätten. Der Umstand eines erheblichen Therapieaufwandes mit einer erforderlichen Begleitung und Unterstützung der Eltern werde bis zur Vollendung des 16. Lebensjahres durch das Merkzeichen H berücksichtigt.
Das Sozialgericht hat am 20.05.2020 zur Aufklärung des medizinischen Sachverhalts Beweis erhoben durch Einholung eines internistisch-sozialmedizinischen Sachverständigengutachtens des Facharztes für Innere Medizin Y.. Dieser diagnostizierte in seinem Gutachten vom 07.10.2020 bei dem Kläger nach einer ambulanten Untersuchung als Gesundheitsstörung einen Diabetes mellitus Typ 1. Der Kläger sei insulinpflichtig und führe eine klassische Insulintherapie mit schnellwirkendem Insulin zu den Mahlzeiten und Verzögerungsinsulin abends und morgens durch. Interventionen iatrogener Art oder stationäre Aufenthalte aufgrund einer Unterzuckerung seien bislang nicht aufgetreten. Im Übrigen wird auf den Inhalt des Gutachtens Bezug genommen.
Mit Urteil vom 24.11.2021 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass sich aus dem im gerichtlichen Verfahren eingeholten Sachverständigengutachten keine Funktionsbeeinträchtigungen ausmachen ließen, die eine Erhöhung des Gesamt-GdB auf 50 rechtfertigten. Im Übrigen wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen.
Gegen das am 27.01.2022 zugestellte Urteil hat der Kläger, wiederum gesetzlich vertreten durch seine Eltern, am Montag, den 28.02.2022 Berufung bei dem Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) eingelegt. Unter Bezugnahme auf sein erstinstanzliches Vorbringen trägt er weitergehend vor, dass allein durch die bestehende Erkrankung an Diabetes mellitus Typ 1 die Voraussetzungen von Teil B 15.1 Abs. 4 VMG erfüllt seien, da dieser eine Legaldefinition dieser Erkrankung enthalte. Entgegen der ihm bekannten Rechtsauffassung des Bundessozialgerichts (BSG), der Landessozialgerichte und auch des erkennenden Senats müsse jeder an Diabetes mellitus Typ 1 erkrankte Mensch zwingend eine Insulintherapie mit täglich mindestens vier Insulininjektion durchführen und dabei die Insulindosis in Abhängigkeit vom aktuellen Blutzucker, der nachfolgenden Mahlzeiten und der körperlichen Belastung bestimmen. Auch erfolge eine Therapie ausnahmslos durch Injektion der Insulingaben mittels Spritze oder einer Insulinpumpe. Alle an Diabetes mellitus Typ 1 erkrankten Menschen und damit auch die mit einer zufriedenstellenden Stoffwechseleinstellung litten zwangsweise unter erheblichen Einschnitten, die sich gravierend auf ihre Lebensführung auswirkten. So beruhe eine bestmögliche Stoffwechseleinstellung stets auf einem disziplinierten Verhalten des Erkrankten. Dieser sei gezwungen, seine Blutzuckerwerte vollständig im Blick zu haben und auf Nahrungsmittel und körperliche Aktivitäten zu verzichten. Der Verordnungsgeber habe den GdB von 50 in diesem Fall allein von diesem Therapieaufwand und nicht von noch weiteren Kriterien abhängig gemacht. Unabhängig davon werde er auch durch seine Erkrankung gravierend in seiner individuellen Lebensführung eingeschränkt, da bei ihm häufig Hyper- und Hypoglykämien vorliegen, welche entsprechend behandelt werden müssten.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 24.11.2021 abzuändern und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 22.03.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.06.2019 zu verurteilen, bei ihm einen Grad der Behinderung von 50 festzustellen,
hilfsweise die Revision zum Bundessozialgericht zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verweist auf die aus seiner Sicht zutreffenden Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil. Auf Nachfrage des Senats hat er erklärt, dass dem Kläger das Merkzeichen H weiterhin zuerkannt sei. Ferner hat er zu den ergänzend vorgelegten Unterlagen unter Vorlage einer gutachterlichen Stellungnahme vom 18.07.2024 vorgetragen, dass sich aus den übermittelten medizinischen Unterlagen ergebe, dass der Kläger grundsätzlich in der Lage sei, in einem gesellschaftlich üblichen Ausmaß sportlich aktiv zu sein. Im Übrigen wird auf den Vortrag Bezug genommen.
Der Senat hat am 02.02.2024 einen Termin zur Erörterung des Sachverhaltes durchgeführt. In diesem hat der Prozessbevollmächtigte im Beisein der Eltern des Klägers erklärt, dass es hinsichtlich des bestehenden Therapieaufwandes seit Beginn des Klageverfahrens keine wesentlichen Änderungen gegeben habe. Hinsichtlich des weiteren Inhalts wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
Der Senat hat ferner Artikel aus den Jahren 2017, 2021, 2022 und 2024 über die sportlichen Erfolge des Klägers sowie einen Bericht aus Instagram vom 09.10.2023 über den Wechsel des Klägers von der SG I. nach T. und den Besuch des Sportinternats in T. D. seit dem Schuljahresbeginn 2023/2024, auf deren Inhalt jeweils Bezug genommen wird, beigezogen und die Beteiligten davon unterrichtet.
Der Kläger hat im Nachgang ausgeführt (Schriftätze vom 15.07. und 16.07.2024), dass der trotz des Diabetes mellitus Typ 1 ausgeübte Leistungssport dazu führe, dass er sich noch mehr disziplinieren müsse. So habe er trotz äußerster Disziplin an wichtigen Trainingseinheiten und Wettkämpfen nicht teilnehmen können; dies führe zu Nachteilen gegenüber nicht erkrankten Konkurrenten. Dieser Umstand stelle für ihn eine besondere psychische Belastung dar. Auch habe sich, dies belege die nunmehr erstmalig vorgelegte ärztliche Stellungnahme vom 12.02.2024 sowie eine Auswertung des CGM-Systems für die Zeit vom 27.01.2024 bis zum 09.02.2024, seine Stoffwechseleinstellung in der Zeit von Oktober 2023 bis Februar 2024 erheblich verschlechtert. So habe sein HbA1c-Wert im Oktober 2023 noch bei 7,6 % gelegen und sich bis Februar 2024 auf 8,4 % verschlechtert. Die Humanwissenschaftliche Fakultät der Universität E. habe ihm bei der sportmedizinischen Untersuchung am 26.06.2024 für den Schwimmsport lediglich eine eingeschränkte Tauglichkeit bescheinigt.
Soweit im Schriftsatz vom 15.07.2024 auf § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Bezug genommen wurde, hat der Kläger auf Nachfrage zudem klargestellt (Schriftsatz vom 16.07.2024), dass es sich dabei um einen unbedingt gestellten Antrag nach § 109 SGG handele. Zudem hat er auf die beim BSG unter dem Aktenzeichen B 9 SB 2/24 R anhängige Revision zu der vorliegenden Fragestellung hingewiesen.
Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung am 26.07.2024 den Kläger und seine Eltern angehört. Hinsichtlich des Inhalts wird vollumfänglich auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitsandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen; diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
A. Die am Montag, den 28.02.2022, schriftlich eingelegte und auch im Übrigen den förmlichen Anforderungen des § 65d SGG genügende Berufung des durch seine Eltern nach § 1629 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ordnungsgemäß vertretenen Klägers, gegen das am 27.01.2022 zugestellte Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 24.11.2021 ist zulässig, insbesondere gemäß §§ 143, 144 SGG ohne gerichtliche Zulassung statthaft sowie auch im Weiteren form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 151 Abs. 1, Abs. 3; § 64 Abs.1 bis 3; § 63 SGG).
B. Die Berufung des Klägers ist unbegründet, denn das Sozialgericht hat zu Recht die zulässige (dazu unter I.) aber unbegründete Klage (dazu unter II.) abgewiesen. Dem Antrag nach § 109 SGG war der Senat nicht gehalten nachzugehen (dazu unter III.).
I. Die Klage ist zunächst zulässig. Für das auf Zuerkennung eines höheren GdB gerichtete Begehren des Klägers ist die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG statthaft (BSG, Urteil vom 25.10.2012, B 9 SB 2/12 R, SozR 4-3250 § 69 Nr. 16, Rn. 23). Die Klage ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere fristgerecht am 08.07.2019 binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides vom 07.06.2019 erhoben worden (§§ 87 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2; 90; 78 Abs. 1 Satz 1; 85 Abs. 3 Satz 1 SGG).
II. Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Kläger wird durch die angefochtenen Bescheide nicht in seinen Rechten verletzt (§ 54 Abs. 1 Satz 2 SGG), denn er hat unter Berücksichtigung der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz (vgl. std. Rspr. zum Beurteilungszeitpunkt: z.B. BSG, Urteil vom 02.12.2010, B 9 SB 3/09 R, juris, Rn. 24; BSG, Urteil vom 12.4.2000, B 9 SB 3/99 R, juris, Rn. 10; BSG, Beschluss vom 09.12.2019, B 9 SB 48/19 B, juris, Rn. 8; BSG, Urteil vom 27.10.2022, B 9 SB 4/21 R, juris, Rn. 18) keinen Anspruch auf die Feststellung eines Gesamt-GdB von 50.
Rechtsgrundlage für die begehrte Feststellung ist § 152 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) in der zum 01.01.2018 in Kraft getretenen Neufassung durch das Gesetz zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz <BTHG>, Bundesgesetzblatt <BGBl.> I 2016, 3234 ff. in der Fassung vom 06.06.2023). Nach dieser Vorschrift stellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden auf Antrag des behinderten Menschen das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX sind Menschen mit Behinderungen Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht (§ 2 Abs. 1 Satz 2 SGB IX). Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden gemäß § 152 Abs. 1 Satz 5 SGB IX als Grad der Behinderung nach Zehnergraden abgestuft festgestellt.
Dabei sind für die Bewertung der festgestellten Gesundheitsstörungen seit dem 01.01.2009 ausschließlich die zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) erlassene VersMedV vom 10.12.2008 (BGBl. 2008 Nr. 57) in der Fassung vom 19.06.2023 (BGBl. 2023 I Nr. 158) sowie die Anlage zu § 2 VersMedV, die VMG, heranzuziehen, welche an die Stelle der bis zum 31.12.2008 maßgeblichen „Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht“ (Teil 2 SGB IX), Ausgabe 2008 (AHP) getreten sind und gemäß § 241 Abs. 5 SGB IX gelten, soweit noch keine Verordnung nach § 153 Abs. 2 SGB IX erlassen ist. Die AHP und die zum 01.01.2009 in Kraft getretenen VMG stellen ihrem Inhalt nach antizipierte Sachverständigengutachten dar (std. Rspr.: vgl. z. B. BSG Urteil vom 16.12.2014, B 9 SB 2/13 R, juris, Rn.10 m.w.N.; BSG, Urteil vom 27.10.2022, B 9 SB 4/21 R, SozR 4-3250 § 152 Nr. 4, Rn. 29; BSG, Beschluss vom 30.05.2023, B 9 SB 42/22 B, juris, Rn. 7).
Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, wird der GdB gemäß § 152 Abs. 3 Satz 1 SGB IX nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt. Dies hat in drei Schritten zu erfolgen (std. Rspr.; z.B. BSG, Beschluss vom 11.05.2022, B 9 SB 73/21 B, juris, Rn. 10; BSG, Urteil vom 27.10.2022, a.a.O., Rn. 20; BSG, Urteil vom 16.12.2021, B 9 SB 6/19 R, SozR 4-1300 § 48 Nr. 40, Rn. 37; BSG, Urteil vom 17.4.2013, B 9 SB 3/12 R, juris, Rn. 29; BSG, Urteil vom 2.12.2010, B 9 SB 4/10 R, juris, Rn. 25; BSG, Urteil vom 30.09.2009, B 9 SB 4/08 R, SozR 4-3250 § 69 Nr. 10, Rn. 18): Im ersten Schritt (dazu unter 1.) sind die einzelnen nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen im Sinne von regelwidrigen (von der Norm abweichenden) Zuständen (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 2 SGB IX) und die sich daraus ableitenden, für eine Teilhabebeeinträchtigung bedeutsamen Umstände unter Heranziehung ärztlichen Fachwissens festzustellen (std. Rspr.: z.B. BSG Beschluss vom 24.02.2021, B 9 SB 39/20 B, juris, Rn. 11 m.w.N.). Im zweiten Schritt (dazu unter 2.) sind diese den in der Anlage zu § 2 VersMedV, den VMG, genannten Funktionssystemen zuzuordnen und mit einem Einzel-GdB zu bewerten. Im dritten Schritt (dazu unter 3.) ist - in der Regel ausgehend von der Beeinträchtigung mit dem höchsten Einzel-GdB (Teil A Nr. 3 Buchst c VMG) - in einer Gesamtschau unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen der einzelnen Beeinträchtigungen der Gesamt-GdB zu bilden (Teil A Nr. 3d) VMG; BSG, Urteil vom 27.10.2022, a.a.O.). Zudem sind nach Teil A Nr. 3b) VMG bei der Gesamtwürdigung die Auswirkungen mit denjenigen zu vergleichen, für die in der Tabelle der VMG feste GdB-Werte angegeben sind (vgl. BSG, Urteil vom 02.12.2010, B 9 SB 4/10 R, juris, Rn. 25; Senat, Urteil vom 29.06.2012, L 13 SB 127/11, juris, Rn. 42 ff. nachgehend: BSG, Beschluss vom 17.04.2013, B 9 SB 69/12 B, juris, Rn. 8 ff).
Die Bemessung des GdB ist grundsätzlich tatrichterliche Aufgabe. Bei der Bemessung der Einzel-GdB und des Gesamt-GdB kommt es damit nach § 152 Abs. 1 Satz 5, Abs. 3 Satz 1 SGB IX maßgeblich auf die Auswirkungen der Gesundheitsstörungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft an. Bei diesem zweiten und dritten Prüfungsschritt haben die Tatsachengerichte über die medizinisch zu beurteilenden Verhältnisse hinaus weitere in den VMG einbezogene Umstände auf gesamtgesellschaftlichem Gebiet zu berücksichtigen (std. Rspr.: z.B. BSG, Urteil vom 16.12.2021, B 9 SB 6/19 R, SozR 4-1300 § 48 Nr. 40, Rn. 38; BSG, Beschluss vom 18.04.2019, B 9 SB 2/19 BH, juris, Rn. 11; BSG, Beschluss vom 01.06.2017, B 9 SB 20/17 B, juris, Rn. 7; BSG, Urteil vom 27.10.2022, a.a.O., Rn. 21).
Gemessen an diesen Vorgaben hat der Beklagte den bei dem Kläger vorliegenden Gesamt-GdB zutreffend mit 40 bewertet.
1. Im ersten Schritt sind bei dem Kläger folgende nicht nur vorübergehende Gesundheitsstörungen festzustellen.
Dabei beruhen die durch den Senat getroffenen medizinischen Feststellungen insbesondere auf dem Sachverständigengutachten von Y.. Der erfahrene Sachverständige hat sein Gutachten unter Auswertung sämtlicher vorliegender Arzt- und Befundberichte und einer ambulanten Untersuchung des Klägers gewissenhaft und frei von Widersprüchen erstattet.
a) Unter Berücksichtigung des im Klageverfahren eingeholten Sachverständigengutachtens von Y. leidet der Kläger an einem erstmals im April 2018 diagnostizierten Diabetes mellitus Typ 1. Dies ist zwischen den Beteiligten im Übrigen auch unstreitig.
b) Weitergehende Gesundheitsstörungen wurden weder klägerischerseits substantiiert vorgetragen noch sind solche der Aktenlage zu entnehmen, wie gleichfalls durch das vorliegende Sachverständigengutachten bestätigt wird.
aa) Der Senat kann offenlassen, ob die in dem Bericht über die sportmedizinische Untersuchung der Universität E. vom 26.06.2024 festgestellten Proteinurine (300 mg/dl) eine Gesundheitsstörung i.S.d. Gesetzes begründet, denn jedenfalls ist sie im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung nicht geeignet, eine körperliche Beeinträchtigung nach § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX zu begründen, da zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senates auch nicht prognostisch anzunehmen war, dass es sich dabei nicht nur um eine vorübergehende Störung handelt (Teil A Nr. 2f) VMG).
bb) Soweit klägerischerseits vorgetragen wird, dass die Einschränkungen des bestehenden Diabetes mellitus Typ 1 an sich und insbesondere auf den ausgeübten Wettkampfsport für den Kläger eine psychische Belastung darstellen, resultiert daraus keine zusätzlich zu berücksichtigende Gesundheitsstörung.
So kann weder aus den im Verwaltungs- und Klageverfahren noch aus dem im Berufungsverfahren beigebrachten medizinischen Unterlagen auf eine psychische Gesundheitsstörung bei dem Kläger geschlossen werden. Dieser befindet sich auch nicht in psychiatrischer, psychotherapeutischer bzw. psychologischer Behandlung. Auch der erstinstanzliche Sachverständige konnte – widerspruchsfrei – keine dahingehende Feststellung treffen. Im Übrigen sind bei der Beurteilung des GdB auch seelische Begleiterscheinungen und Schmerzen zu beachten, wobei die üblichen seelischen Begleiterscheinungen in den in der GdB-Tabelle niedergelegten Sätzen bereits berücksichtigt sind. Nur wenn die seelischen Begleiterscheinungen erheblich höher sind, wofür hier aus den o.g. Gründen kein Anhaltspunkt besteht, als aufgrund der organischen Veränderungen zu erwarten wäre, so ist ein höherer GdB gerechtfertigt (Teil A Nr. 2i) Satz 1 und 2 VMG).
cc) Nichts anderes gilt zudem hinsichtlich der nach dem Bericht des Q. vom 18.05.2018 aufgeführten Kontrollbedürftigkeit der klägerischen Schilddrüsenwerte. Ausweislich der Ausführungen des Sachverständigen in seinem Gutachten hat er bei dem Kläger unauffällige laborchemische Werte festgestellt. Da sich weder aus den vorgelegten Unterlagen in der Folge Gegenteiliges ersehen lässt noch entsprechendes vorgetragen wurde, ist für den Senat diesbezüglich keine Gesundheitsstörung erkennbar, die zu einer dauerhaften körperlichen Beeinträchtigung im Sinne des § 2 Abs. 1 SGB IX führen könnte.
2. Im Rahmen des zweiten Schrittes ist der als einzige Gesundheitsstörung bei dem Kläger festzustellende Diabetes mellitus Typ 1 gemäß der Anlage zu § 2 VersMedV dem Funktionssystem „Stoffwechsel, innere Sekretion“ (Teil B Nr. 15 VMG – hier konkret Teil B Nr. 15.1 VMG) zuzuordnen und mit einem Einzel-GdB von 40 gemäß Teil B Nr. 15.1 Abs. 3 VMG zu bewerten. Die Voraussetzungen für einen höheren GdB nach Teil B Nr. 15.1 Abs. 4 bzw. 5 VMG liegen zur Überzeugung des Senates nicht vor <dazu unter a) und b)>.
Nach Teil B Nr. 15.1 Abs. 1 VMG beträgt der GdB 0 bei an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie regelhaft keine Hypoglykämie auslösen kann und die somit in der Lebensführung kaum beeinträchtigt sind und auch durch den Therapieaufwand keine Teilhabebeeinträchtigung erleiden, die die Feststellung eines GdB rechtfertigt. Die an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie eine Hypoglykämie auslösen kann und die durch Einschnitte in der Lebensführung beeinträchtigt sind, erleiden durch den Therapieaufwand eine signifikante Teilhabebeeinträchtigung; der GdB beträgt dann 20 (Teil B Nr. 15.1 Abs. 2 VMG). Die an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie eine Hypoglykämie auslösen kann, die mindestens einmal täglich eine dokumentierte Überprüfung des Blutzuckers selbst durchführen müssen und durch weitere Einschnitte in der Lebensführung beeinträchtigt sind, erleiden je nach Ausmaß des Therapieaufwands und der Güte der Stoffwechseleinstellung eine stärkere Teilhabebeeinträchtigung; der GdB beträgt dann zwischen 30 bis 40 (Teil B Nr. 15.1 Abs. 3 VMG). Ein GdB von 50 wird nach Teil B Nr. 15.1 Abs. 4 VMG bei an Diabetes erkrankten Menschen anerkannt, die eine Insulintherapie mit täglich mindestens vier Insulininjektionen durchführen müssen, wobei die Insulindosis in Abhängigkeit vom aktuellen Blutzucker, der folgenden Mahlzeit und der körperlichen Belastung selbständig variiert werden muss, und welche durch erhebliche Einschnitte gravierend in der Lebensführung beeinträchtigt sind und auf Grund dieses Therapieaufwands eine ausgeprägte Teilhabebeeinträchtigung aufweisen; die Blutzuckerselbstmessungen und Insulindosen (beziehungsweise Insulingaben über die Insulinpumpe) müssen dabei dokumentiert sein. Außergewöhnlich schwer regulierbare Stoffwechsellagen können letztlich nach Teil B Nr. 15.1 Abs. 5 VMG jeweils höhere GdB-Werte bedingen.
a) Ausgehend von seinem Wortlaut enthält Teil B Nr. 15.1 Abs. 4 VMG die nachfolgenden drei Voraussetzungen (vgl. BSG, Urteil vom 16.12.2014, B 9 SB 2/13 R, juris, Rn. 16, 21; BSG, Urteil vom 17.04.2013, B 9 SB 3/12 R, juris, Rn. 36; BSG, Urteil vom 25.10.2012, B 9 SB 2/12 R, juris, Rn. 34; Senat, Urteil vom 22.01.2021, L 13 SB 29/20, juris, Rn. 33):
- Durchführung einer Insulintherapie mit täglich mindestens vier Insulininjektionen <dazu unter aa)>
- bei selbstständiger Variation der Insulindosis in Abhängigkeit vom aktuellen Blutzuckerwert, der folgenden Mahlzeit, der körperlichen Belastung <dazu unter bb)> sowie
- eine gravierende Beeinträchtigung in der Lebensführung durch erhebliche Einschnitte <dazu unter cc)>.
Entgegen der klägerischen Ansicht genügt das Vorliegen der beiden, auf den Therapieaufwand bezogenen Beurteilungskriterien in Teil B Nr. 15.1 Abs. 4 VMG nicht, um einen GdB von 50 festzustellen (vgl. dazu auch: LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 14.02.2024, L 13 SB 60/23, juris, Rn. 24). Es bedarf stets zusätzlich der konkreten Feststellung einer gravierenden Beeinträchtigung in der Lebensführung durch erhebliche Einschnitte (vgl. BSG, Urteil vom 16.12.2014, a.a.O., Rn. 16, 21; BSG, vom 17.04.2013, a.a.O., Rn. 36; BSG Urteil vom 25.10.2012, a.a.O., Rn. 34; Senat, Urteil vom 22.01.2021, a.a.O., juris, Rn. 33; LSG NRW, Urteil vom 02.12.2021, L 6 SB 11/20, juris, Rn. 34). Eine andere Lesart lässt sich bereits nicht mit dem eindeutigen Wortlaut der Nr. 15.1 Abs. 4 VMG („und“) vereinbaren und ist auch im Rahmen der historischen und systematischen Auslegung nicht zu begründen. So lässt sich der Bundesrats-Drucksache (BR-Drs.) zu der durch Art. 1 Nr. 2 erfolgten Änderung von Teil B Nr. 15 in ihrer Begründung keine Differenzierung zwischen dem Diabetes mellitus Typ 1 und dem Diabetes mellitus Typ 2 entnehmen (BR-Drs. 285/10 S. 3). Auch systematisch soll keine typisierte Betrachtung hinsichtlich einer konkreten Gesundheitsstörung erfolgen, worauf die klägerische Ansicht hinauslaufen würde, sondern hat entsprechend der Vorgaben in § 152 Abs. 1, 3 SGB IX eine individuelle Beurteilung anhand der konkreten Auswirkungen der Gesundheitsstörung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erfolgen. So kann sich gerade je nach den persönlichen Fähigkeiten und Umständen der betreffenden Person die Anzahl der Insulininjektionen und die Anpassung der Dosis unterschiedlich stark auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft auswirken (so BSG, Urteil vom 17.04.2013, a.a.O., Rn. 39).
aa) Unstreitig muss sich der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum der Durchführung einer Insulintherapie mit täglich mindestens vier Insulininjektionen unterziehen, wobei nicht erforderlich ist, dass ausnahmslos an allen Tagen vier Insulininjektionen erfolgen (BSG, Urteil vom 17.04.2013, a.a.O., Rn. 37). Dies folgt nicht nur aus seinem insofern widerspruchsfreien Vortrag, sondern auch aus den vorgelegten Dokumentationen und den zur Akte gereichten ärztlichen Unterlagen. Gegenteiliges hat auch der Beklagte zu keiner Zeit vorgetragen.
bb) Ebenso unstreitig bedarf es diesbezüglich einer selbstständigen Variation der Insulindosis in Abhängigkeit vom aktuellen Blutzuckerwert, der folgenden Mahlzeit sowie der körperlichen Belastung. Auch hier hat der Senat den klägerischen Vortrag zugrunde gelegt, der durch den Akteninhalt gestützt und durch den Beklagten nicht in Zweifel gezogen worden ist. Dabei erfolgte die Anpassung der Insulindosis zunächst unter Aufsicht der Eltern des Klägers; im Verlaufe des Verfahrens, mit fortschreitendem Alter und insbesondere seit dem Besuch des auswärtigen Sportinternats ab dem Schuljahr 2023/2024 werden die Anpassungen durch den Kläger eigenständig vorgenommen.
cc) Zur Überzeugung des Senats ist der Kläger zwar entsprechend durch weitere Einschnitte in der Lebensführung beeinträchtigt (Teil B Nr. 15.1 Abs. 3 VMG). Eine durch „erhebliche“ Einschnitte herbeigeführte „gravierende“ Beeinträchtigung i.S.d. Teil B Nr. 15.1 Abs. 4 VMG liegt bei dem Kläger hingegen nicht vor.
Eine ausgeprägte Teilhabebeeinträchtigung durch erhebliche Einschnitte in der Lebensführung ist nur unter strengen Voraussetzungen zu bejahen. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Regelung und der dortigen Anhäufung der eingrenzenden Merkmale „erheblich“, „gravierend“ und „ausgeprägt“ (Senat, Urteil vom 22.01.2021, a.a.O., juris, Rn. 33). Dem Verordnungsgeber ging es ersichtlich darum, in jedem Absatz von Teils B Nr. 15.1 VMG gesteigerte Anforderungen zu normieren, denen sodann auf der Rechtsfolgenseite jeweils ein höherer GdB gegenübersteht. Weiterhin lässt sich aus dem oben dargestellten Zusammenspiel der drei Voraussetzungen von Teil B Nr. 15.1 Abs. 4 ableiten, dass die mit der dort vorausgesetzten Insulintherapie zwangsläufig verbundenen Einschnitte für sich genommen nicht ausreichend sind, eine zusätzliche gravierende Beeinträchtigung der Lebensführung zu begründen. Berücksichtigungsfähig ist daher nur ein dieses hohe Maß noch übersteigender, besonderer Therapieaufwand. Andererseits kann auch ein unzureichender Therapieerfolg die Annahme einer ausgeprägten Teilhabebeeinträchtigung rechtfertigen. Letztlich sind auch alle anderen durch die Krankheitsfolgen herbeigeführten erheblichen Einschnitte in der Lebensführung zu beachten (BSG, Urteil vom 16.12.2014, a.a.O., Rn. 18 ff.; Senat, Urteil vom 22.01.2021, a.a.O., juris, Rn. 33).
Eingedenk dessen lässt sich unter Berücksichtigung des vorliegend maßgeblichen Vergleichsmaßstabs <dazu unter (1)> eine solche gravierende Beeinträchtigung des Klägers in seiner Lebensführung weder mit der bei ihm bestehenden Stoffwechsellage bzw. einem unzulänglichen Therapieerfolg <dazu unter (2)> noch aufgrund eines gravierenden Therapieaufwandes oder krankheitsbedingter weiterer Einschränkungen auf seine Lebensführung <dazu unter (3)> begründen.
(1) Entgegen der Ansicht des Klägers ist die Teilhabebeeinträchtigung nicht im Vergleich zu einem mit ihm gleichaltrigen Leistungsschwimmer, sondern entsprechend der vorgegebenen typisierten Betrachtungsweise im Vergleich mit einem gleichaltrigen Jugendlichen zu beurteilen.
(a) Soweit der Senat, den klägerischen Vortrag des Klägers insoweit als wahr unterstellt, dass seine Erkrankung gegenüber konkurrierenden Schwimmern seiner Altersklasse einen Wettbewerbsnachteil begründe, ist dies vorliegend bei der Einordnung des Einzel-GdBs nicht maßgeblich. Entscheidend ist eine typisierende Betrachtung. Gemäß Teil A Nr. 2c) Satz 1, 2 und d) Satz 1 VMG setzen GdB und GdS stets eine Regelwidrigkeit gegenüber dem für das Lebensalter typischen Zustand voraus. Dies ist insbesondere bei Kindern und alten Menschen zu beachten.
(b) Auch das erforderliche Ausmaß an Disziplin im Rahmen des Therapiemanagements, welches insbesondere erforderlich ist, um Leistungssport betreiben zu können, ist nicht zu berücksichtigen, da es auf eine Ursächlichkeit wie auf eine Verursachung nicht ankommt. Nach Teil A Nr. 2 a) Satz 2 VMG ist der GdB – anders als der GdS – auf alle Gesundheitsstörungen unabhängig von ihrer Ursache (also final) bezogen (vgl. dazu BSG, Urteil vom 17.04.2013, a.a.O., Rn. 51; BSG, Urteil vom 25.10.2012, a.a.O., Rn. 48; s. auch BR-Drs. 285/10 S. 3).
(c) Die Werte der VMG stellen nach Teil A Nr. 2d) VMG zudem altersunabhängige Mittelwerte dar und sind damit selbst nicht altersentsprechend zu modifizieren; Besonderheiten bei Kindern und Jugendlichen werden bei Bedarf in den VMG entsprechend berücksichtigt (vgl. auch Mecke, SGb 2023, 220, 221; z.B. Teil A Nr. 5; Teil B Nr. 3.1.c); Nr. 3.4; Nr. 4, Nr. 17; Teil D Nr. 1 VMG etc.). Weshalb abweichend von diesem Grundsatz bei der Diagnose „Diabetes mellitus Typ I“ eine andere Beurteilung oder die Annahme einer Regelungslücke angezeigt sein sollte, erschließt sich dem Senat nicht. Angesichts dessen bedarf es auch keiner klarstellenden Befragung des Ärztlichen Sachverständigenbeirat Versorgungsmedizin als dem fachlich verantwortlichen Urheber der VersMedV und der VMG (vgl. dazu BSG, Urteil vom 27.10.2022, B 9 SB 4/21 R, juris, Rn. 27 ff; BSG, Beschluss vom 13.03.2023, B 9 SB 41/22 B, juris, Rn. 7; BSG, Beschluss vom 30.05.2023, B 9 SB 42/22 B, juris, Rn. 7). Nicht nur ein Diabetes mellitus Typ 1, sondern jedwede Form einer Behinderung, also eines regelwidrigen Zustandes im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX, kann – muss aber nicht – dazu führen, dass die im Rahmen der Teilhabemöglichkeiten zu berücksichtigenden sozialen Auswirkungen im Jugendalter schwerwiegender sind als im fortgeschrittenen Alter (ausführlich: LSG Niedersachsen, Urteil vom 14.02.2024, L 13 SB 60/23, juris, Rn. 31). Eingedenk dessen verbleibt es bei den im Rahmen der VMG als antizipiertes Sachverständigengutachten vorgesehenen Abweichungen für Kinder und Jugendliche, die allerdings Teil B Nr. 15.1 VMG gerade nicht betreffen.
(2) Der Senat kann bei dem Kläger keinen unzulänglichen Therapieerfolg feststellen. Ein solcher spiegelt sich auch nicht in der Stoffwechsellage wider.
Ein unzulänglicher Therapieerfolg kann im Rahmen der Prüfung der gravierenden Beeinträchtigung der Lebensführung im Sinne des Teils B Nr. 15.1 Abs. 4 VMG berücksichtigt werden (BSG, Urteil vom 16.12.2014, a.a.O., Rn. 18; LSG NRW, Urteil vom 02.12.2021, L 6 SB 11/20, juris, Rn. 36). Der Therapieerfolg kommt dabei in der Stoffwechsellage zum Ausdruck (LSG NRW, Urteil vom 02.12.2021, a.a.O., Rn. 36, juris zu einer insgesamt (sehr) instabilen Stoffwechsellage mit HbA1c-Werte zwischen 8 und 8,9 %).
(a) Zunächst ist es bei dem Kläger ausweislich des Gutachtens, der Befund- und Arztberichte nach der Erstdiagnose nicht mehr zu schweren hypoglykämischen Entgleisungen mit erforderlicher Fremdhilfe gekommen.
(b) Dem Kläger wird durchgehend nach den vorliegenden Unterlagen durch seine behandelnden Ärzte im stationären wie ambulanten Bereich (vgl. z.B. Berichte des Q. vom 18.05.2018 sowie des Marienhospitals Wesel/SPZ Z. vom 11.07.2018 und vom 25.09.2018) ebenso wie durch den erstinstanzlich beauftragten Sachverständigen generell ein gutes Krankheitsmanagement bestätigt. Im Rahmen der Einstellungsphase wurden leichte Hypoglykämien (8x/Monat, Bericht SPZ Z. vom 11.07.2018) dokumentiert. Es besteht nach Aktenlage aber kein Anhalt für symptomatische rezidivierende Hypoglykämien oder einen entsprechenden Therapiebedarf.
(c) Von der Antragstellung im Dezember 2018 bis Oktober 2023 wird in den beigebrachten ärztlichen Berichten, von dem erstinstanzlich bestellten Sachverständigen und auch dem Kläger selbst eine gute bis zuletzt jedenfalls mittelmäßige Stoffwechsellage und insbesondere ein suffizient eingestellter HbA1c-Wert bestätigt (HbA1c-Werte: 11,4% <24.04.2018>; 5,7% <11.07.2018>, 6,6% <19.02.2019>, 7,42% <18.09.2020>, 7,6% <21.10.2023>, 8,4% <9.2.2024>).
(aa) Noch im Termin zur Erörterung des Sachverhaltes mit den Beteiligten am 02.02.2024 hat der Prozessbevollmächtigte erklärt, dass es hinsichtlich des bestehenden Therapieaufwandes seit Beginn des Klageverfahrens keine wesentlichen Änderungen gegeben habe.
(bb) Erstmals wird in dem mit Schriftsatz vom 15.07.2024 übermittelten „Ärztlichen Gutachten“ des behandelnden Diabetologen H. vom 12.02.2024 ab Oktober 2023 ein Anstieg des HbA1c-Wertes von 7,6 % am 21.10.2023 auf 8,4 % am 09.02.2024 festgestellt. Ausweislich der versorgungsmedizinischen Stellungnahme vom 18.07.2024 liegt der HbA1c-Wert damit nicht mehr im angestrebten Optimalbereich.
Für einen dadurch indizierten dauerhaft insuffizienten Therapieerfolg sah indes auch der behandelnde Diabetologe keinen Anhalt. Hypoglykämische Entgleisungen mit erforderlicher Fremdhilfe sind weiterhin weder dokumentiert noch ärztlich bestätigt. Auch die Mutter des Klägers hat in der mündlichen Verhandlung die Gabe einer "Notfallspritze“ und weitergehende stationäre Aufenthalte des Klägers im Zusammenhang mit seiner Erkrankung auf Nachfrage des Senats ausdrücklich verneint.
Auch eine Umstellung des Therapieregimes i.S. einer Änderung insbesondere einer Intensivierung ist als Konsequenz des im Oktober 2023 angestiegenen Wertes nicht erfolgt, was dafürspricht, dass auch der behandelnde Arzt nicht von einem prognostisch intervenierungsbedürftigen Zustand ausgegangen ist, der dem Senat einen ersten Anhalt gegeben hätte, eine nicht nur vorübergehende Verschlechterung der Beeinträchtigung des Klägers i.S.d. § 2 Abs. 1 SGB IX anzunehmen. Auch nach dem Bericht der Universität E. vom 26.06.2024 wird seine (eingeschränkte) Sporttauglichkeit als Voraussetzung für den Besuch der Eliteschule E. bejaht und dem Kläger dabei lediglich eine quartalsmäßige diabetologische Kontrolle aufgegeben. Weder in der Anamnese noch in der Beurteilung der Universität E. wird dabei ein geänderter oder intensivierter Therapieaufwand, z.B. durch eine höhere Frequenz von Arztbesuchen etc. aufgrund des Anstiegs des HbA1c-Wertes empfohlen.
Dieses Ergebnis stützen auch die Erklärungen des Klägers im Rahmen seiner Befragung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat. Eine permanente Verschlechterung des HbA1c-Wertes seit Oktober 2023 hat der Kläger dort gerade nicht vorgetragen. So hat er erläutert, dass es bereits seit der Erstdiagnose im Jahre 2018 immer ein stetes Auf und Ab gebe. Aus der durch den Kläger vorgetragenen (erneuten) Verschlechterung des HbA1c-Wertes vor den im Juli 2024 beginnenden Sommerferien folgt zudem, dass sich der Wert zwischen dem Bericht von H. vom 10.02.2024 und Juli 2024 zunächst wieder verbessert hat. Sein HbA1c-Wert liege – so der Kläger weiter – derzeit wohl bei ca. 7,4 %. Er sei vor den (Sommer-)Ferien ein wenig durcheinandergeraten. Er begründet dies – für den Senat nachvollziehbar – damit, dass sein HbA1c-Wert von seiner Compliance und seinen sportlichen Aktivitäten abhänge. Auch die Mutter des Klägers hat auf Nachfrage des Senats lediglich als Reaktion auf den Anstieg auf die übliche Nachjustierung des Kontrollfaktors im Rahmen der quartalsmäßigen diabetologischen Kontrolluntersuchungen hingewiesen.
(3) Auch eine ausgeprägte Teilhabebeeinträchtigung des Klägers durch den bestehenden Therapieaufwand oder krankheitsbedingte Einschränkungen auf die Lebensführung aufgrund des bei ihm diagnostizierten Diabetes mellitus Typ 1 sind für den Senat nicht erkennbar.
Solche Teilhabeeinschränkungen zeichnen sich durch eine ganz erhebliche Beeinträchtigung z.B. bei der Planung des Tagesablaufs, der Gestaltung der Berufsausübung und Freizeit, oder der Zubereitung von Mahlzeiten aus (vgl. Senat, Urteil vom 22.01.2021, a.a.O., juris, Rn, 34; LSG NRW, Urteil vom 02.12.2021, a.a.O., juris, Rn. 37; z.B. angenommen bei auto- und fremdaggressiven Verhalten sowie Hypowahrnehmungsstörung: LSG NRW, Urteil vom 15.12.2021, L 17 SB 43/19, juris, Rn. 35).
(a) Soweit der Kläger schildert, dass er im Vergleich zu seinen gesunden Konkurrenten im Schwimmsport durchaus beeinträchtigt sei, da er nach seinem, glaubhaften Vortrag nicht alle Trainingseinheiten und Wettkämpfe vollständig oder ohne Auswirkungen aufgrund seiner Erkrankung absolvieren könne, ist auf die obigen Ausführungen zu verweisen (Teil A Ziffer 2c) Satz 1, 2, 2d) VMG). Lediglich ergänzend wird darauf hingewiesen, dass es sich nach den Einlassungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung um jeweils drei bis vier Wettkämpfe, an denen er nicht habe teilnehmen können bzw. die er habe abbrechen müssen, gehandelt hat. Ob dadurch tatsächlich ein Wettbewerbsnachteil entstehen kann, kann offenbleiben. Soweit darauf abgestellt wird, dass die Mutter den Kläger bei früheren Trainingslagern habe begleiten müssen, lag dies daran, dass der Trainer sich nicht im Stande sah, das Diabetes-Management des Klägers mit im Auge zu behalten.
(b) Der Umstand, dass der Kläger für die optimale Einstellung seines Diabetes mellitus stets die Menge und die Zusammensetzung seiner Mahlzeiten überwachen, einen Sensor zur kontinuierlichen Glukosemessung am Körper tragen, ausnahmslos das Zubehör für die Insulininjektionen und die vorherigen Blutzuckermessungen bei sich führen und mehrfach am Tag seinen Blutzucker messen sowie Insulin injizieren muss, stellt zwar unzweifelhaft eine Beeinträchtigung in der Lebensführung und der Teilhabe dar. Diese Einschränkungen sind indes zwangsweise mit der Erkrankung an einem Diabetes mellitus Typ 1 verbunden und für sich genommen nicht geeignet, erhebliche Einschnitte zu begründen, die im Sinne von Teil B Nr. 15.1 Abs. 4 VMG gravierend in die Lebensführung eingreifen (LSG NRW, Urteil vom 02.12.2021, a.a.O., juris, Rn. 34; Senat, Urteil vom 22.01.2021, a.a.O., juris, Rn. 35).
(c) Weitergehende Einschränkungen auf die Lebensführung, die als gravierend zu bewerten sind und damit die Teilhabe am sozialen Leben auch in anderen Lebensbereichen einschränken, sind nicht ersichtlich.
(aa) Im schulischen Bereich sind keine weitergehenden Einschränkungen erkennbar. In der ambulanten Untersuchung des Klägers anlässlich der Begutachtung durch den gerichtlichen Sachverständigen und auch in den übermittelten medizinischen Unterlagen sind keine schulischen Probleme aufgrund seiner Erkrankung geschildert und werden auch von dem Kläger in dem gerichtlichen Verfahren nicht vorgetragen. Ein besonderer Fremdhilfebedarf in der Schule war und ist für den Senat seit Antragstellung im Jahre 2018 bis zur mündlichen Verhandlung nicht zu erkennen.
Dem Kläger war zunächst der Schulbesuch auf einer ortsansässigen Gesamtschule und nunmehr seit dem Schuljahr 2023/2024 auch der Besuch des auswärtigen Sportinternats in T. ohne Unterstützung eines Integrationshelfers oder – jedenfalls im Schulalltag – seiner Eltern möglich. Der Kläger wird als in der Schule beliebt und kontaktfreudig beschrieben. Er ging zudem bereits bei Erstdiagnose auf eine Schule, die mit Diabetes-Patienten als Schüler schon Erfahrungen gesammelt hatte (vgl. SPZ Z. vom 25.09.2018). Es war ihm durchgehend möglich, an den Klassenfahrten, zumindest anfänglich in Begleitung seiner Mutter, teilzunehmen. Längere Ausfallzeiten aufgrund des bestehenden Diabetes sind nicht dokumentiert. Die von dem Kläger in der mündlichen Verhandlung aufgrund seiner Erkrankung mitgeteilten Ausfallzeiten von vier bis fünf Tagen pro Schuljahr bewegen sich im üblichen Rahmen und reichen nicht aus, um in diesem Bereich eine gravierende Beeinträchtigung zu begründen.
(bb) Dem Kläger war und ist es über den gesamten Zeitraum seit der Antragstellung bis zur mündlichen Verhandlung des Senats möglich gewesen, mit seiner Erkrankung auf einem hohen Niveau Schwimmsport zu betreiben. So hat er durchgehend Leistungssport betrieben und in den Jahren 2021 bis 2023 u.a. an den Deutschen Jugendmeisterschaften im Schwimmen teilgenommen. Aufgrund des bereits umrissenen und durch den Senat zugrunde zulegenden Vergleichsmaßstab können die vorgetragenen Beeinträchtigungen bei den Wettkämpfen und im Training inklusive der punktuellen Nichtteilnahme an Trainingslagern und auch die von dem Kläger und seinen Eltern in der mündlichen Verhandlung geschilderte Ablehnung seiner Aufnahme an einem Elitesportinternat in E. aufgrund seiner Diabetes mellitus-Erkrankung nicht zu einer anderen Beurteilung führen. Lediglich ergänzend ist darauf zu verweisen, dass der diagnostizierte Diabetes mellitus Typ 1 bereits nach dem eigenen Vortrag kein generelles Ausschlusskriterium für die Aufnahme an einem Sportinternat darstellt. So hat der Vater des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erklärt, dass der Kläger an den Sportinternaten in S. und N. nicht aufgrund der Erkrankung, sondern aufgrund seiner schulischen Leistungen abgelehnt worden ist. Zudem besucht der Kläger seit dem Schuljahr 2023/2024 ein Sportinternat in T. und wird dort sportlich weiter gefördert.
(cc) Weitergehende, jugendspezifische Problemstellungen aufgrund der Erkrankung sind weder vorgetragen noch dokumentiert (vgl. zur Berücksichtigung von jugendspezifischen Besonderheiten bei der Bewertung des Diabetes mellitus nach Teil B Nr. 15.1 VMG: z.B. LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 14.02.2024, a.a.O., Rn.32 ff. unter Verweis auf das Urteil des SG U. vom 21.02.2018, S 178 SB 1106/16); der Senat kann insofern offenlassen, ob dieser Überlegung zu folgen ist.
Das Alter des Klägers an sich vermag – wie erläutert – zur Überzeugung des Senats keine andere Beurteilung der gravierenden Beeinträchtigungen in der Lebensführung im Sinne des Teil B Nr. 15.1 Abs. 4 VMG zu rechtfertigen. Das Maß der aus einer Behinderung resultierenden Teilhabebeeinträchtigung ist – wie ausgeführt – altersunabhängig zu bestimmen (dazu ausführlich: LSG Niedersachsen, Urteil vom 14.02.2024, a.a.O., Rn. 31; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 26.09.2014, L 8 SB 5215/13, juris, Rn. 13).
Es ergeben sich darüber hinaus auch keinerlei Anhaltspunkte für Mobbing, soziale Ausgrenzung oder ähnliches. Daran knüpft auch der Bericht des SPZ Z. vom 11.01.2019 an. Nach Auswertung der Angaben des Klägers im Rahmen der Eigeneinschätzung und seiner Mutter im Rahmen der Fremdeinschätzung lagen die Werte zur Lebensqualität im Durchschnitts- bzw. Normalbereich. Es ergaben sich insofern auch keinerlei Hinweise auf Einschränkungen der gesundheitsbezogenen Lebensqualität. Einschränkungen in der sonstigen Freizeitgestaltung sind für den Senat ebenfalls nicht ersichtlich. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung angegeben, dass er seine Freizeit, neben den umfangreichen Trainingseinheiten und den wöchentlichen Wettkämpfen, mit seinen Freunden und seiner Familie gestalte sowie gerne Videospiele spiele oder ausgehe. Zudem war es dem Kläger bereits wenige Monate nach der Erstdiagnose im Jahr 2018 möglich, ohne seine Familie und mit seinem Freund und dessen Familie in den Urlaub zu fahren (Bericht hospital vom 25.09.2018).
(dd) Soweit der Prozessbevollmächtigte des Klägers die gravierenden Einschränkungen unter anderem mit erforderlichen nächtlichen Blutzuckermessungen begründet, sind eine hohe Anzahl an zwingend erforderlichen nächtliche Blutzuckermessungen bereits nicht hinreichend belegt. Der Kläger nutzt zur Messung seines Blutzuckers zudem eine Sensortechnik (FreeStyleLibre 2 System), eine „blutige Messung“ erfolgt nach eigenem Vortrag ca. zwei bis drei Mal in der Woche. Den im Verwaltungsverfahren vorgelegten Blutzuckerwerten für den Zeitraum 15.12.2018 bis 03.01.2019 sind nur am 03.01.2019 mehrere nächtliche Blutzuckermessungen zu entnehmen. Zudem kann den beigebrachten medizinischen Unterlagen an keiner Stelle ein gestörter Nachtschlaf des Klägers entnommen werden. Auch dies korrespondiert mit der Feststellung einer durchschnittlichen Lebensqualität des Klägers vom SPZ Z.. Gegenüber dem gerichtlich bestellten Sachverständigen hat der Kläger ihn belastende nächtliche Blutzuckermessungen ebenfalls nicht vorgetragen. Auch in dem Bericht über die sportmedizinische Untersuchung der Universität E. vom 26.06.2024 werden nächtliche Blutzuckermessungen weder aufgeführt noch problematisiert; vielmehr werden ausweislich der Anamnese durch den Kläger keinerlei weitergehende Einschränkungen durch die Erkrankung an einem Diabetes mellitus angegeben. Soweit vorgetragen wird, dass die Mutter des Klägers etwaige Messungen nächtlich kontrolliert, wird auf das Merkzeichen H Bezug genommen.
(ee) Die von dem Kläger vorgetragene psychische Belastung durch seine Erkrankung begründet ebenfalls nicht die Feststellung eines höheren GdB als 40. Hier verweist der Senat auf seine obigen Ausführungen unter Bezugnahme auf Teil A Ziffer 2 i) Satz 1, 2 VMG.
b) Die Voraussetzungen von Teil B Nr. 15.1 Abs. 5 VMG liegen ebenfalls nicht vor. Der Kläger leidet nicht unter einer außergewöhnlich schwer regulierbaren Stoffwechsellage im Sinne von Teil B Nr. 15.1 Abs. 5 VMG, die jeweils höhere GdB-Werte und damit auch einen GdB von 50 bedingen können.
Außergewöhnlich schwer regulierbare Stoffwechsellagen im Sinne von Teil B Nr. 15.1 Abs. 5 VMG liegen sowohl bei Hypoglykämien vor, die jeweils der dokumentierten invasiven Fremdhilfe bedürfen, als auch bei schweren hyperglykämischen Stoffwechselentgleisungen; diese sind beispielsweise dann gegeben, wenn nur durch wiederholte stationäre Behandlungen eine zufriedenstellende Einstellung gelingt oder wiederholt Stoffwechselentgleisungen ohne erklärbare Ursachen auftreten (LSG NRW, Urteil vom 02.12.2021, a.a.O., juris, Rn. 39; Senat, Urteil vom 22.01.2021, a.a.O., juris, Rn. 37; vgl. auch BR-Drucks. 285/10 S. 3; z.B. angenommen bei Nebeneinander des Diabetes mit zwei weiteren Erkrankungen: LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 20.12.2012, L 7 SB 33/10, juris).
Dem im Verwaltungsverfahren vorgelegten Bericht des SPZ Z. vom 11.01.2019 ist durchgehend eine gute Blutzuckereinstellung ohne schwerwiegende Entgleisungen zu entnehmen; diese wird auch durch den gerichtlichen Sachverständigen bestätigt. Zwar folgt aus dem „Ärztlichen Gutachten“ von H. vom 12.02.2024 nunmehr seit Oktober 2023 das nächtliche Auftreten von Hyper- und Hypoglykämien. Diese bedurften nach der Einlassung des Klägers und seiner Mutter in dem Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat allerdings bislang nicht der invasiven Fremdhilfe; auch ist es seit dem stationären Aufenthalt anlässlich der Erstdiagnose nicht zu weiteren stationären Aufenthalten des Klägers gekommen. Weitergehende Anhaltspunkte, die für eine außergewöhnlich schwer regulierbare Stoffwechsellage sprechen könnten, wurden weder vorgetragen noch sind sie nach Aktenlage ersichtlich.
3. Da neben dem Diabetes mellitus Typ 1 keine weitergehenden Beeinträchtigungen nach § 2 Abs. 1 SGB IX vorliegen, entspricht der Einzel-GdB von 40 auch dem Gesamt-GdB von 40. Eine Gesamtschau unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen der einzelnen Beeinträchtigungen zur Bildung des Gesamt-GdB (vgl. BSG, Urteil vom 30.09.2009, B 9 SB 4/08 R, juris, Rn. 18 m.w.N.) hatte nicht zu erfolgen.
Auch der gemäß Teil A Nr. 3b VMG bei der Gesamtwürdigung anzustellende Vergleich mit Gesundheitsschäden, zu denen in der Tabelle feste GdB-Werte angegeben sind, bestätigt die Feststellung eines Gesamt-GdB von 40. Die funktionellen Beeinträchtigungen des Klägers sind nicht mit Schäden wie etwa dem Verlust der ganzen Hand (Teil B Nr. 18.13 VMG), dem Verlust eines Beines im Unterschenkel (Teil B Nr. 18.14 VMG) oder bei einer hochgradigen Entstellung des Gesichts (Teil B Nr. 2.4 VMG), für die ein Einzel-GdB von 50 und damit die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft vorgesehen sind, vergleichbar.
III. Es bestand zudem kein Anlass dem Antrag auf Begutachtung nach § 109 SGG nachzugehen.
Nach § 109 Abs. 1 SGG ist auf Antrag des Klägers ein bestimmter Arzt gutachtlich zu hören, wobei die Anhörung davon abhängig gemacht werden kann, dass der Kläger die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt. Nach § 109 Abs. 2 SGG kann das Gericht einen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist.
1. Der von dem Prozessbevollmächtigten des Klägers schriftsätzlich am 15.07.2024 bei dem Senat gestellte und in der mündlichen Verhandlung am 26.07.2024 näher begründete Antrag nach § 109 SGG ist zunächst i.S.d. § 109 Abs. 2 SGG nicht rechtzeitig gestellt worden. Bereits nach Durchführung des Termins zur Erörterung des Sachverhaltes am 02.02.2024 war klägerischerseits ersichtlich, dass weitere Ermittlungen von Amts wegen nicht beabsichtigt waren. Dennoch ging der Antrag erst nach Zugang der Ladung zur mündlichen Verhandlung vom 01.07.2024 (Empfangsbekenntnis) am 15.07.2024 ein und bedurfte dann noch der Klarstellung.
2. Ungeachtet dessen begründet § 109 Abs. 1 SGG für die dort näher bezeichneten Berechtigten abweichend von § 103 Satz 2 SGG nur dann das antragsabhängige Recht darauf, dass das Gericht einen bestimmten Arzt gutachtlich hört, wenn ein erhebliches, der medizinischen Beurteilung zugängliches Beweisthema betroffen ist, denn auch bei der Anhörung gemäß § 109 SGG handelt es sich um ein Sachverständigengutachten im Sinne des § 118 Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 402 ff. Zivilprozessordnung (<ZPO>, vgl. dazu ausführlich: BSG, Urteil vom 20.04.2010, B 1/3 KR 22/08 R, juris, Rn. 12ff.; BSG, Urteil vom 14.03.1956, 9 RV 226/54, BSGE 2, 255, Rn. 11 Pitz in: jurisPK-SGG, 2. Auflage, § 109 Rn. 9). Auch daran fehlt es.
a) Soweit der Kläger mit dem schriftsätzlich gestellten Antrag nach § 109 SGG die seit Oktober 2023 verschlechterte Stoffwechsellage in Form eines angestiegenen HbA1c-Werte auf 8,4 % beweisen möchte, hat der Senat die dort angezeigten Werte als wahr unterstellt. Dass es sich dabei um keine dauerhafte Verschlechterung gehandelt hat, hat der Kläger im Rahmen seiner Befragung durch den Senat selbst mitgeteilt. Ein dergestaltiger, zeitweiser Anstieg des HbA1c-Wertes genügt isoliert indes nicht, um eine gravierende Beeinträchtigung in der Lebensführung im Sinne des Teil B Nr. 15.1 Abs. 4 VMG oder eine außergewöhnliche schwer regulierbare Stoffwechsellage im Sinne des Teil B Nr. 15.1 Abs. 5 VMG zu begründen. Der Senat verweist insofern auf seine obigen Ausführungen.
b) Soweit der Antrag nach § 109 SGG damit begründet worden ist, dass damit die Beeinträchtigung in der Teilhabe durch ein medizinisches Sachverständigengutachten festgestellt werden soll, handelt es sich dabei um ein Beweisthema, welches nicht der medizinischen Beurteilung zugänglich ist.
Ob eine medizinische Tatsache vorliegt, die für die Entscheidung erheblich ist, bemisst sich nach der materiellen Rechtsauffassung des Senats als Tatsacheninstanz (vgl. BSG, Urteil vom 14.03.1956, a.a.O.). Erforderlich aber auch ausreichend ist, dass es sich um eine Tatsachenfrage handelt, die einer medizinischen Beurteilung zugänglich ist bzw. nur mit Hilfe ärztlichen Fachwissens beantwortet werden kann. Vorliegend handelt es sich lediglich bei der zeitweisen Verschlechterung der Stoffwechsellage um eine solche Tatsachenfrage, die einer medizinischen Beurteilung zugänglich ist, aber durch den Senat als wahr unterstellt worden ist. Bei der klägerischerseits stattdessen ausdrücklich angestrebten medizinischen Beurteilung der Teilhabebeeinträchtigung und damit der Bemessung des GdB ist hingegen eine medizinische Begutachtung nicht angezeigt, da es sich um eine tatrichterliche Aufgabe handelt (vgl. BSG, Urteil vom 27.10.2022, B 9 SB 4/21 R, juris, Rn. 21; BSG, Urteil vom 16.12.2021, B 9 SB 6/19 R, juris, Rn. 38; BSG, Beschluss vom 20.04.2015, B 9 SB 98/14 B, juris, Rn. 6; Mecke SGb 2023, 220, 224 m.w.N.). Bei der Bemessung der Einzel-GdB und des Gesamt-GdB kommt es maßgeblich auf die Auswirkungen der zuvor bereits unter Heranziehung medizinischen Fachwissens festgestellten Gesundheitsstörungen auf die Teilnahme am Leben in der Gesellschaft an (Mecke SGb 2023, 220, 224 m.w.N.). Darüber hinaus hat das BSG auch die Frage, ob eine gravierende Beeinträchtigung in der Lebensführung im Sinne des Teil B Nr. 15 Abs. 4 VMG vorliegt, als tatrichterliche Aufgabe bewertet (vgl. BSG, Urteil vom 16.12.2014, B 9 SB 2/13 R, juris, Rn. 24).
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 193 Abs. 1 Satz 1, 183 SGG und folgt der Entscheidung in der Sache.
Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor. Der Senat hat sich auf dem Boden der gesetzlichen Vorschriften und der langjährig gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung bewegt (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 24.04.2008, B 9/9a SB 10/06 R; BSG, Urteil vom 11.12.2008, B 9/9a SB 4/07 R; BSG, Urteil vom 02.12.2010, B 9 SB 3/09 R; BSG, Urteil vom 25.10.2012, B 9 SB 2/12 R; BSG, Urteil vom 17.04.2013, B 9 SB 3/12 R; BSG, Urteil vom 16.12.2014, B 9 SB 2/13 R sowie BSG, Beschluss vom 30.08.2022, B 9 SB 9/22 B, jeweils juris). Eine andere Beurteilung folgt auch nicht aus dem Hinweis auf die Entscheidung des LSG Niedersachsen-Bremen (Urteil vom 14.02.2024, L 13 SB 60/23, juris; Revision anhängig unter B 9 SB 2/24 R).