Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 20.7.2022 wird zurückgewiesen.
Kosten haben die Beteiligten einander auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die weitere Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung nach den Bestimmungen des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) über den 30.6.2018 hinaus. Seit dem 1.1.2023 bezieht die Klägerin eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen.
Die am 00.00.0000 in der Türkei geborene Klägerin lebt seit 00.00.0000 in Deutschland. Nach einer begonnenen, aber nicht abgeschlossenen Berufsausbildung zur Friseurin war sie in der Zeit bis 2009 mit Unterbrechungen durch Kindererziehung, Krankheit, Arbeitslosigkeit und eine selbständige Tätigkeit sowie durch geringfügige Beschäftigungen zunächst als Arbeiterin, dann nach einer vom 2004 bis 2005 absolvierten Maßnahme zur beruflichen Ausbildung als Büroangestellte/-hilfe versicherungspflichtig beschäftigt. Seit dem 2009 hat sie einen Grad der Behinderung (GdB) von 50.
Nach erfolglosen Anträgen auf Gewährung eine Rente wegen Erwerbsminderung in den Jahren 1994, 1997, 2003, 2005 bewilligte die Beklagte der Klägerin auf deren erneuten Leistungsantrag vom 19.11.2009 entsprechend einem bei dem Sozialgericht (SG) Dortmund in dem Verfahren S 25 R 260/11 geschlossenen Vergleich ausgehend von einem Leistungsfall im August 2011 ab 1.3.2012 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit, befristet bis 31.12.2013. Die Rente wurde nach Folgeanträgen für die Zeit ab 1.1.2014 und 1.6.2016 bis einschließlich 30.6.2018 weitergezahlt.
Am 14.11.2017 beantragte die Klägerin erneut die Weitergewährung der Rente für die Zeit ab 1.7.2018. Die Beklagte veranlasste eine ärztliche Begutachtung durch den Arzt für Nervenheilkunde Z., der die Klägerin auch schon am 23.5.2016 im Hinblick auf die Weiterzahlung der Rente ab 1.6.2016 begutachtet hatte. Dieser diagnostizierte nach ambulanter Untersuchung der Klägerin am 1.3.2018 in dem Gutachten vom 5.3.2018 eine leicht- bis mittelschwere chronische depressive Entwicklung in Form einer Dysthymia, somatoforme Störungen, eine grundsätzlich selbstunsichere, ängstliche und vermeidende Persönlichkeit und ein Wirbelsäulenleiden mit leicht- bis mittelgradigen Funktionsstörungen ohne neurologische Ausfallsymptome. Das aktuelle Bild zeige durchaus Ressourcen der Klägerin, ihren Tagesablauf zu strukturieren und Aktivitäten nachzugehen; sie sei sozial auch nicht isoliert. In der Vergangenheit seien deutlichere depressive Symptome mit auch suizidalen Gedanken festgestellt worden. Eine ambulante Psychotherapie werde nicht durchgeführt, die angegebene Medikation nach laborchemischer Untersuchung nicht genommen. Auch mit ihren Erkrankungen sei die Klägerin in der Lage, einer körperlich leichten Tätigkeit in wechselnder Körperhaltung in Tagesschicht vollschichtig nachzugehen. Arbeiten unter Zeitdruck sollten nicht abverlangt werden. Wesentliche Störungen des Konzentrations- und Reaktionsvermögens seien nicht erkennbar und das allgemeine Umstellungs- und Anpassungsvermögen nicht relevant gemindert. Aufgrund des Wirbelsäulenleidens seien Arbeiten auf Gerüsten und Leitern sowie Zwangshaltungen nicht zumutbar. Eine intensivere ambulante nervenärztliche oder psychotherapeutische Behandlung werde berufsbegleitend empfohlen.
Nach Einholung einer beratungsärztlichen Stellungnahme des Internisten und Sozialmediziners E. vom 16.3.2018 lehnte die Beklagte die Weiterzahlung der Rente für die Zeit ab 1.7.2018 mit Bescheid vom 27.3.2018 ab. Die festgestellten gesundheitlichen Einschränkungen führten nicht mehr zu einem Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung, da die Klägerin wieder mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein könne. Ein Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit komme nicht in Betracht, da sie aufgrund ihres berufliche Werdegangs auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen werden könne.
Am 16.4.2018 legte die Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigten Widerspruch ein, den er mit weiterem Schreiben vom 18.7.2018 begründete. Das Gutachten werde nicht akzeptiert. Die Dauer von Untersuchung und Gespräch habe nach Angaben des Ehemannes der Klägerin nur fünf Minuten betragen. Diese leide unter Antriebslosigkeit und Angst vor klinischen Einrichtungen. Sie habe in zwei Fällen den Tod von Zimmergenossinnen erleben müssen, sei gestürzt und habe aufgrund von Fehlmedikation eine zwölfstündige Bewusstlosigkeit erlitten. Das Gutachten des Z. weise eine starke Zurückweisungstendenz auf. Über die sozialen Kontakte, die er als nicht eingeschränkt beschreibe, sei gar nicht gesprochen worden. Es werde gebeten, Befundberichte der behandelnden Neurologin F. und des Orthopäden R. einzuholen.
Die Beklagte holte Befundberichte der Hausärztin, Fachärztin für Allgemeinmedizin, C. (vom 8.8.2018: chronische Depression mit rezidivierenden depressiven Episoden, COPD, chronisches Schmerzsyndrom mit somatischen und psychischen Faktoren, Angst und Panikstörung, somatoforme Störung; schmerzgeplagte, schwer depressive Patientin, auf Dauer arbeits- und erwerbsunfähig), der Fachärzte für Orthopädie R./X. (vom 6.8.2018: Impingement-Syndrom, HWS-Syndrom, Zervikobrachialgie; Besserung durch medizinische Rehabilitation möglich) und des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie A. (vom 20.9.2018: rezidivierende depressive Störung mit ausgeprägter Somatisierungsstörung und somatischem Syndrom; klinisch bestehe Eindruck erheblicher Leistungsminderung und nicht vorhandener Arbeitsfähigkeit) ein.
Nach Einholung einer beratungsärztlichen Stellungnahme vom 22.10.2018 bot die Beklagte der Klägerin eine Leistung zur stationären medizinischen Rehabilitation an, die die Klägerin vom 11.2.2019 bis 22.3.2019 in den U. Kliniken O. in W. durchführte und aus der sie arbeitsunfähig entlassen wurde. Nach dem Entlassungsbericht vom 25.4.2019 litt sie unter eine Dysthymie, einer chronischen Schmerzstörung, einem HWS-/LWS-Syndrom, Polyarthralgien, einem Impingement-Syndrom beider Schultern und einer COPD, Stadium 2c. Bei Entlassung hätten erwerbsrelevante Einschränkungen der psychomentalen Funktionen weiterhin vorgelegen. Prognostisch sei die Klägerin aber in der Lage, wieder leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden und mehr auszuüben. Dabei dürften keine besonderen Anforderungen an die geistige Beweglichkeit und die körperliche Belastbarkeit gestellt werden. Tätigkeiten in Wechselhaltung, ohne Exposition von schleimhautreizenden Dämpfen, Rauch, Gasen, Stäuben und Aerosolen seien leidensgerecht, jedoch nicht in feuchtkaltem Milieu oder mit stark wechselnden Umgebungstemperaturen. Die Klägerin selbst sehe sich nicht in der Lage, einer beruflichen Tätigkeit nachzugehen. Es bestehe zwar die Motivation, sich weiter behandeln zu lassen, aber keine aktive Veränderungsmotivation.
Die Klägerin führte dazu aus, die Maßnahme sei beschönigend dargestellt worden. Die aufgelisteten Gespräche „Psychotherapie verhaltenstherapeutisch einzeln“ hätten so nicht stattgefunden. Es habe drei kurze oberflächliche Gespräche mit zwei verschiedenen Therapeutinnen gegeben mit dem Ergebnis, dass nach der Maßnahme eine Schmerz- und Psychotherapie stattfinden solle, allerdings auch von dauerhafter Erwerbsunfähigkeit ausgegangen worden sei. Nach einer Schmerzmitteleinnahme wegen eines Hexenschusses sei sie bewusstlos geworden. Eine Versorgung habe nur durch die Mitpatienten, im Übrigen aber nicht stattgefunden.
Nach beratungsärztlicher Stellungnahme des Q. vom 2019 wies die Beklagte den Widerspruch der Leistungsbeurteilung im Entlassungsbericht mit einem Leistungsvermögen von sechs Stunden arbeitstäglich folgend mit Widerspruchsbescheid vom 27.8.2019 als unbegründet zurück.
Hiergegen hat die Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigten am 20.9.2019 Klage bei dem SG Dortmund erhoben. Eine Auseinandersetzung mit dem Vorbringen gegen den Entlassungsbericht sei im Widerspruchsbescheid nicht erfolgt. Der Entlassungsbericht stufe selbst den Ausbau und Erhalt der Rehabilitationserfolge als negativ ein, da bei der Klägerin keine Veränderungsmotivation erkennbar sei. Die Verbesserung der Kontaktfähigkeit sei frei erfunden; die Klägerin habe vielmehr einen völligen sozialen Rückzug vollzogen und sich faktisch aufgegeben. Die behandelnden Ärzte bestätigten sämtlich eine chronische Depression bzw. eine schwergradige depressive Störung. Es seien zudem mit der COPD, den beidseitigen Schulterbeschwerden und der Verschlimmerung des Wirbelsäulenleidens weitere Erkrankungen hinzugetreten.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 27.3.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.8.2019 zu verurteilen, ihr eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung, über den Monat Juni 2018 hinaus zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat an ihrer Einschätzung des Leistungsvermögens der Klägerin festgehalten. Die sich aus dem orthopädischen Befundbericht ergebenden Erkrankungen führten zwar zu nachvollziehbaren haltungs- und belastungsabhängigen Beschwerden, rechtfertigten jedoch kein unter sechsstündiges Leistungsvermögen.
Das SG hat Befundberichte der Fachärztin für Allgemeinmedizin C. (vom 17.4.2020: Befunde gleichbleibend schlecht, seit Jahren arbeitsunfähig, keine sechs Stunden täglich bei schwerer chronischer psychosomatischer Erkrankung mit schlechter Prognose) und des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie A. (vom 2020: Behandlung seit 2017, kontinuierliche Verschlechterung; Beschwerden: Schlafstörungen, permanente Kopfschmerzen, mehrere Suizidversuche mit Tabletten, kraftlos; in Untersuchungssituation Panikreaktion mit Schweißausbrüchen und akuten Kopfschmerzen; im Übrigen wach, bewusstseinsklar, vollständig orientiert, aber mnestische Defizite, freundlich und zugewandt, gedrückte Stimmungslage, vermindert schwingungsfähig, im Antrieb reduziert und unruhig; Diagnosen: schwere depressive Episode; antidepressive Therapie mit Venlafaxin 75mg, ambulante Psychotherapie bei Herrn Y.; durchgehend arbeitsunfähig, keine sechs Stunden täglich leistungsfähig) eingeholt. Wegen des weiteren Inhalts der Befundberichte wird auf deren Einzelheiten Bezug genommen.
Sodann hat das SG zur Frage des Leistungsvermögens der Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von Amts wegen Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie M.. Diese diagnostizierte nach ambulanten, muttersprachlichen Untersuchungen der Klägerin am 2020 und 2020 eine langanhaltende chronische depressive Störung im Sinne einer Dysthymie, eine chronisch somatoforme Schmerzstörung mit psychischen und somatischen Faktoren und eine Panikstörung. Der Klägerin seien die Zusammenhänge zwischen den Ursachen und Anlässen ihrer seelischen Symptome und Beschwerden sowie psychischen Störungen nicht ganz bekannt. Sie könne sie durch zumutbare Willensanstrengungen aus eigener Kraft nur bedingt überwinden, da ihr Bewältigungsstrategien fehlten, ihr Rentenwunsch sich in den Vordergrund stelle und den Therapieerfolg mindere. Daher benötige sie weiterhin fachärztliche Betreuung. Durch die Gesundheitsstörungen werde das Leistungsvermögen der Klägerin insofern negativ beeinflusst, als sie zu Einschränkungen der emotionalen Belastbarkeit, des Durchhaltevermögens sowie der Stressbelastbarkeit führten. Unter Berücksichtigung ihrer somatischen Erkrankungen seien ihr aber körperlich leichte Tätigkeiten ständig und mittelschwere gelegentlich, wechselweise im Stehen, Gehen und/oder Sitzen oder überwiegend im Sitzen sechs Stunden und mehr arbeitstäglich möglich. Dabei seien Arbeiten im Bücken oder in gebückter Haltung, im Knien und Hocken bzw. in sonstigen Zwangshaltungen, Arbeiten unter besonderen Einwirkungen von Hitze, Kälte, Zugluft, atembelastenden Stoffen, Lärm- und Schmutzeinwirkungen sowie an laufenden Maschinen, unter Zeitdruck oder in Nachtschicht nicht leidensgerecht. Wegen der bestehenden Einschränkungen im Verantwortungsbewusstsein und in der geistigen Beweglichkeit aufgrund der psychomentalen Minderbelastbarkeit seien nur Arbeiten mit geringen Anforderungen an das Verantwortungsbewusstsein möglich. Die Gehfähigkeit sei eingeschränkt. Die Klägerin sei trotz der angegebenen Schmerzen und Gleichgewichtsstörungen in der Lage, viermal am Tag Wegstrecken von jeweils mehr als 500 m vor bzw. nach einer Arbeit zurückzulegen und in der Lage, zumindest zweimal täglich öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen. Zu Hauptverkehrszeiten sei dies aber zu vermeiden. Bei der Benutzung eines Kraftfahrzeugs sei die Klägerin schwindelbedingt eingeschränkt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des Sachverständigengutachtens Bezug genommen.
Das SG hat des Weiteren auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Beweis erhoben durch Einholung eines neurologisch-psychiatrischen Sachverständigengutachtens des Facharztes für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie T.. Dieser diagnostizierte nach unter Hinzuziehung eines Dolmetschers erfolgter ambulanter Untersuchung der Klägerin am 7.12.2021 eine Dysthymie (chronische) depressive Störung, eine somatoforme Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren sowie eine Panikstörung. Aus den psychischen Gesundheitsstörungen folgten Einschränkungen bei der mentalen Belastbarkeit und dem Leistungsvermögen unter Stressbelastung, die wiederum zumutbare Tätigkeiten in qualitativer Hinsicht begrenzten. Quantitativ sei die Klägerin aber in der Lage, leidensgerechte Tätigkeiten sechs Stunden und mehr zu verrichten. Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit seien unterdurchschnittlich. Die Gehfähigkeit sei eingeschränkt, aber nicht in einem solchen Maße, dass sie nicht mehr in der Lage wäre, viermal täglich eine Strecke von etwas mehr als 500 m zurückzulegen. Es sei ihr auch möglich, zweimal täglich öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen, möglichst jedoch nicht während der Hauptverkehrszeiten. Es bestehe kein eindeutiger Nachweis der Fahruntauglichkeit. Die Klägerin selbst traue sich aber das Führen eines PKW nicht mehr zu. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des Sachverständigengutachtens Bezug genommen.
Das SG hat einen weiteren Befundbericht des Facharztes für Orthopädie J. vom 2022 eingeholt. Dieser gab an, die Klägerin in den letzten fünf Jahren am 2017 und am 2021 behandelt zu haben und den jetzigen Gesundheitszustand nicht zu kennen. Die Klägerin leide an pseudoradikulärer Schmerzausstrahlung, Reizkniegelenken, retropatellarem Reiben, Blockierungen der LWS und der Kopfgelenke, Beckenschiefstand und an degenerativen Veränderungen sowie Bandscheibenvorfällen. Dabei seien die vorgetragenen Schmerzen nicht immer objektivierbar und eine erhebliche psychische Überlagerung unübersehbar. Therapieansätze seien von der Klägerin abgebrochen oder nicht weiterverfolgt worden. Sie sei aus seiner Sicht in der Lage, täglich länger als drei bis vier Stunden zu arbeiten.
Mit Urteil vom 20.7.2022 hat das SG Dortmund die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
Gegen das ihr am 26.7.2022 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 23.8.2022 durch ihren Prozessbevollmächtigten Berufung eingelegt. Hinsichtlich der Wechselwirkungen von orthopädischen Beschwerden und psychischen Beeinträchtigungen bestehe weiterhin Ermittlungsbedarf. Zudem habe das SG das Recht auf freie Beweiswürdigung überschritten, indem es den Befundbericht von J. zu weitgehend und einseitig ausgelegt habe. Denn es habe ausgeführt, dass auch aus orthopädischer Sicht zumindest ein fünfstündiges Leistungsvermögen täglich bestehe, was nahe bei sechs Stunden liege, so dass auch eine teilweise Erwerbsminderung zu verneinen sei. Diese Schlussfolgerung erscheine aber mit Blick auf § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI äußerst fragwürdig. Die orthopädischen Beeinträchtigungen seien konkret zu ermitteln und im Anschluss habe eine sozialmedizinische Gesamtbetrachtung stattzufinden. Auch mit dem Gutachten von T. bestehe kein Einverständnis. Es basiere im Wesentlichen auf den Akten, die persönliche Begutachtung sei nur sehr kurz gewesen. Die Klägerin leide überdies an Atemwegserkrankungen. Mit Schriftsatz vom 21.6.2023 nebst Abschlussbericht und Medikationsplan teilt der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit, diese sei am 2023 gestürzt, habe Prellungen erlitten und sich zwei Tage in stationärer Behandlung befunden. Bei der Röntgendiagnostik seien die Wirbelsäulenbeschwerden durch irreguläre mehrsklerosierte ISG-Fugen objektiviert worden und es sei eine beidseitige Koxarthrose festgestellt worden.
In der mündlichen Verhandlung am 21.6.2024 hat die Klägerin erklärt, einen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß § 240 SGB VI nicht zu verfolgen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 20.7.2022 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 27.3.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.8.2019 zu verurteilen, ihr über den 30.6.2018 hinaus bis zum 31.12.2022 Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie tritt dem Berufungsvorbringen entgegen und verteidigt die angefochtene Entscheidung. Die im Berufungsverfahren vorgetragenen Gesundheitsbeeinträchtigungen seien in die getroffene sozialmedizinische Leistungsbeurteilung eingeflossen. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen seien letztmalig am 30.4.2020 erfüllt gewesen. Seit dem 1.1.2023 beziehe die Klägerin eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen.
Der Senat hat Befundberichte der Hausärztin der Klägerin und Fachärztin für Innere Medizin N. (vom 13.2.2023: vielfältige Gesundheitsstörungen, aus internistischer Sicht keine Einschränkungen in der Arbeitsfähigkeit, in orthopädischer und psychiatrischer Hinsicht fachärztliche Einschätzung erforderlich), des Orthopäden D. (vom 2023: zuletzt am 2023, zuvor am 2019; Diagnosen: mittelgradige Hüftgelenksarthrose beidseits sowie mittelgradiges degeneratives LWS-Syndrom; sechs Stunden leichte Arbeit möglich), des Facharztes für Orthopädie J. (vom 2023: letzte Vorstellung am 2022; arbeitsfähig für leichte körperliche und geistig einfache Tätigkeiten drei bis unter sechs Stunden mit weiteren qualitativen Einschränkungen; Hauptbeschwerdebild im psychischen Bereich) und der Dipl.-Psych. H. (vom 2023: in Behandlung vom 2021 bis 2022, nicht erfolgreich, da Klägerin nicht kompliant gewesen und wiederholt nicht zu Terminen erschienen sei; Diagnosen: mittelgradige depressive Episode sowie chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren; keine Aussage zur Leistungsfähigkeit) eingeholt.
Nach Hinweis der Berichterstatterin vom 30.11.2023, dass eine über Juni 2018 hinaus bestehende rentenrechtlich relevante Erwerbsminderung nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit habe festgestellt werden können, ergänzt der Prozessbevollmächtigte der Klägerin, die Diagnosen der Sachverständigen M. auf psychiatrischem Fachgebiet korrespondierten nicht mit der Restleistungsfähigkeit. Sie bestätige das Fehlen von Bewältigungsstrategien, verneine aber dauerhafte gravierende Einschränkungen durch die Erkrankung. Das erscheine nicht schlüssig. Der Sturz in 2023 sei zudem kein einmaliges Ereignis gewesen. Auch vor April 2020 habe es Stürze gegeben, die jedoch nicht zu akut behandlungsbedürftigen Verletzungen geführt hätten und daher nicht hinreichend dokumentiert seien. Schwindel sei der ständige Begleiter der Klägerin.
Der Senat hat daraufhin die Sachverständige M. ergänzend gehört. Diese hält in der gutachtlichen Stellungnahme vom 5.4.2024, auf deren Inhalt wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird, an ihrer Leistungsbeurteilung fest. Aktuell fehlten zwar Bewältigungsstrategien, um die psychischen Beschwerden abzumildern oder vollständig zu beheben. Dies hänge mit der bei der Klägerin bestehenden passiven Erwartungshaltung mit erheblichem Rentenwunsch zusammen. Durch die festgestellten psychiatrischen Erkrankungen und die fehlenden Bewältigungsstrategien sei die allgemeine Leistungsfähigkeit der Klägerin auch herabgesetzt, was jedoch zu keinen quantitativen, sondern rein qualitativen Leistungsminderungen führe.
In einer weiteren ergänzenden Stellungnahme vom 20.6.2024 hat die Sachverständige ihre Ausführungen zur Geh- und Wegefähigkeit präzisiert und klargestellt, dass die Klägerin weiterhin in der Lage sei, viermal am Tag Wegstrecken von jeweils mehr als 500 m jeweils innerhalb von 20 Minuten zurückzulegen. Sie sei zudem in der Lage, zumindest zweimal täglich öffentliche Verkehrsmittel auch zu Hauptverkehrszeiten zu nutzen. Aufgrund der Panikanfälle, die insbesondere unter Menschenmengen oder in engen Räumen auftreten können, sei es anzuraten, diese nach Möglichkeit zu meiden. Durch die bei der Klägerin festgestellten psychischen Erkrankungen sei die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel jedoch auch zu Hauptverkehrszeiten nicht ausgeschlossen. Die Klägerin sei auch in der Lage gewesen, eine Flugreise zu bewältigen, obwohl dabei keine Fluchtmöglichkeit bestanden habe. Dann stehe aus medizinischer Sicht auch der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel in den Hauptverkehrszeiten nichts entgegen.
Die Stellungnahme ist den Beteiligten am 21.6.2024 elektronisch übersandt und in der mündlichen Verhandlung mit Gelegenheit zur Kenntnisnahme ausgehändigt worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, deren jeweiliger wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
A. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG Dortmund vom 20.7.2022 war zurückzuweisen, da sie zwar zulässig, aber unbegründet ist.
I. Die am 23.8.2022 eingelegte Berufung der Klägerin gegen das ihr am 26.7.2022 zugestellte Urteil vom 20.7.2022 ist zulässig, insbesondere gemäß § 143, 144 SGG statthaft sowie form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden.
II. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das SG hat die für das verfolgte Begehren statthafte kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1, Abs. 4, § 56 SGG) zu Recht abgewiesen, weil der Bescheid der Beklagten vom 27.3.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.8.2019 die Klägerin nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert. Dieser Bescheid ist nicht rechtswidrig. Die Beklagte hat die beanspruchte Weitergewährung der Rente rechtmäßig abgelehnt, weil die am 00.00.0000 geborene Klägerin die Anspruchsvoraussetzungen weder für eine Rente wegen voller noch wegen teilweiser Erwerbsminderung nach § 43 SGB VI erfüllt. Eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 SGB VI ist zwischen den Beteiligten nach der ausdrücklichen Erklärung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung nicht streitig.
Versicherte haben bei Vorliegen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen (§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 bzw. § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 SGB VI) einen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind (§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI) bzw. auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind (§ 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI). Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI). Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Erwerbsgemindert ist hingegen nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
Diese Voraussetzungen erfüllt die Klägerin nicht, weil nach dem Gesamtergebnis der Beweisaufnahme der Vollbeweis einer auch nur teilweisen Erwerbsminderung ab Juli 2018 nicht erbracht ist. Die Klägerin leidet an internistischen, orthopädischen und psychiatrischen Erkrankungen, die aber weder für sich genommen noch in ihrer Zusammenschau geeignet sind, eine rentenrechtlich relevante quantitative Minderung des Leistungsvermögens zu begründen.
1. Auf internistischem Gebiet besteht nach den eingeholten Befundberichten der Allgemeinmedizinerin C., der Hausärztin N. und den von der Klägerin vorgelegten Arztberichten als leistungsrelevante Einschränkung in erster Linie eine COPD, Stadium 2c, die unter Medikation als stabil eingeschätzt wird. Anhaltspunkte dafür, dass sich daraus andere als qualitative Einschränkungen der Leistungsfähigkeit ergeben, sind nicht ersichtlich. Auch nach Auffassung der behandelnden Ärzte folgen aus den internistischen Erkrankungen keine der Erwerbsfähigkeit entgegenstehende überdauernde Einschränkungen.
2. Auf orthopädischem Gebiet leidet die Klägerin nach den Befundberichten von R., J. und D. an einem Impingement-Syndrom, einem HWS-/LWS-Syndrom, einer Zervikobrachialgie und einer Rhizarthrose, jeweils mit entsprechenden schmerzhaften Bewegungseinschränkungen. Sowohl der Reha-Entlassungsbericht als auch J. und Herr D. gehen davon aus, dass die Schmerzen der Klägerin in der von ihr empfundenen Intensität kein Korrelat in den orthopädischen Diagnosen haben und nicht objektivierbar sind. So bejaht der Orthopäde D. im Rahmen seiner Fachrichtung auch ein Leistungsvermögen der Klägerin von sechs Stunden und mehr arbeitstäglich für leichte Tätigkeiten. J. geht von einem täglichen Leistungsvermögen der Klägerin von drei bis unter sechs Stunden aus, begründet diese Einschätzung jedoch nicht mit den orthopädischen Erkrankungen, sondern – fachfremd – mit einer erheblichen psychischen Überlagerung. Da es für eine Leistungseinschränkung in quantitativer Hinsicht aus orthopädischer Sicht daher keine Anhaltspunkte gibt, hat der Senat sich zu weiteren Ermittlungen von Amts wegen insoweit nicht veranlasst gesehen. Ob der Sturz der Klägerin im Juni 2023 eine gravierende Verschlechterung auf orthopädischem Gebiet zur Folge gehabt hat, kann offenbleiben, da die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach der unangegriffenen und vom Senat auf der Grundlage des Versicherungsverlaufs geprüften Auskunft der Beklagten letztmalig im April 2020 erfüllt waren.
3. Nach Ansicht der behandelnden Ärzte liegt der Schwerpunkt der gesundheitlichen Einschränkungen der Klägerin auf psychiatrischem Gebiet. Sie leidet an einer langanhaltenden chronisch depressiven Störung im Sinne einer Dysthymie sowie einer chronisch somatoformen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren. Diese Gesundheitsstörungen ergeben sich aus den überzeugenden Gutachten der erstinstanzlich von Amts wegen gehörten Sachverständigen M. und dem auf Antrag der Klägerin nach § 109 SGG gehörten T.. Die Sachverständigen haben ihre Gutachten nach sorgfältiger Anamnese- und Befunderhebung sowie unter vollständiger Würdigung des Sachverhalts und des Beschwerdevortrags der Klägerin schlüssig und in sich widerspruchsfrei begründet. Die Feststellungen der Sachverständigen stehen überdies mit dem im Verwaltungsverfahren eingeholten Vorgutachten des Z. und dem Reha-Entlassungsbericht vom 15.4.2019 im Wesentlichen im Einklang. M. hat die Diagnosen noch um das Vorliegen einer Panikstörung ergänzt, diese jedoch auf die anamnestischen Angaben der Klägerin sowie den Akteninhalt gestützt. Bei der ambulanten Untersuchung durch sie ist es zu keinem Panikanfall gekommen und war keine Nervosität zu erkennen; vielmehr war die Klägerin nach den Angaben der Sachverständigen ruhig und entspannt. Demgegenüber ließen sich weder die von dem behandelnden Psychiater und Psychotherapeuten A. im Rahmen einer Vorstellung in 2020 bei ihm diagnostizierte schwere depressive Reaktion / Episode als überdauernde psychische Erkrankung bestätigen noch eine das Leistungsvermögen reduzierende Angststörung feststellen.
4. Trotz der auf den verschiedenen Fachgebieten festgestellten Gesundheitsstörungen ist die Klägerin noch in der Lage, leichte körperliche Tätigkeiten, wechselweise im Stehen, Gehen und/oder Sitzen oder überwiegend im Sitzen sechs Stunden und mehr arbeitstäglich zu verrichten. Dabei sind Arbeiten im Bücken oder in gebückter Haltung, im Knien und Hocken bzw. in sonstigen Zwangshaltungen, Arbeiten unter besonderen Einwirkungen von Hitze, Kälte, Zugluft, atembelastenden Stoffen, Lärm- und Schmutzeinwirkungen sowie an laufenden Maschinen, unter Zeitdruck oder in Nachtschicht nicht leidensgerecht. Wegen der bestehenden Einschränkungen im Verantwortungsbewusstsein und in der geistigen Beweglichkeit aufgrund der psychomentalen Minderbelastbarkeit sind nur Arbeiten mit geringen Anforderungen an das Verantwortungsbewusstsein möglich. Mit diesen Feststellungen folgt der Senat ebenfalls den ausführlichen und schlüssig begründeten Darlegungen der Sachverständigen M. und T., die hinsichtlich der körperlichen Einschränkungen die vorliegenden Befundberichte und übrigen medizinischen Unterlagen umfassend berücksichtigt haben.
Die Einwände der Klägerin erschüttern diese Feststellungen nicht. Im Hinblick auf deren Vortrag, die Diagnosen der Sachverständigen M. auf psychiatrischem Fachgebiet korrespondierten nicht mit der Restleistungsfähigkeit - sie bestätige das Fehlen von Bewältigungsstrategien, verneine aber dauerhafte gravierende Einschränkungen durch die Erkrankung -, hat der Senat eine ergänzende Stellungnahme der Sachverständigen eingeholt. Darin hat sie für den Senat überzeugend dargestellt, dass zwar aktuell Bewältigungsstrategien fehlten, um die psychischen Beschwerden abzumildern oder vollständig zu beheben, dies aber mit der bei der Klägerin bestehenden passiven Erwartungshaltung mit erheblichem Rentenwunsch zusammenhänge. Die fehlenden Bewältigungsstrategien setzen nach ihren nachvollziehbaren Schlussfolgerungen die allgemeine Leistungsfähigkeit herab, was sich auch in den von der Sachverständigen formulierten qualitativen Anforderungen an zumutbare Tätigkeiten niederschlägt, haben aber keine Auswirkungen auf die quantitative Leistungsfähigkeit. Anders formuliert sind die Bewältigungsstrategien nicht Voraussetzung für eine täglich mehr als sechsstündige Erwerbstätigkeit, würden aber das Feld der möglichen Tätigkeiten erweitern. Es gibt demgegenüber aus Sicht des Senats auf der Grundlage der Ausführungen von M. keine Anhaltspunkte dafür, dass die passive Erwartungshaltung der Klägerin, die fehlende Veränderungsmotivation und fehlende Kooperationsbereitschaft in der Behandlung, die auch die behandelnden Ärzte festgestellt und die im Reha-Entlassungsbericht vom 15.4.2019 ebenfalls Niederschlag gefunden haben, Folge einer psychischen Erkrankung sind.
Auch der Vortrag der Klägerin, der Sturz in 2023 sei kein einmaliges Ereignis gewesen und es habe auch vor April 2020 Stürze gegeben, die jedoch nicht zu akut behandlungsbedürftigen Verletzungen geführt hätten und daher nicht hinreichend dokumentiert seien, kann zu keiner abweichenden Bewertung des Leistungsvermögens führen, da Häufigkeit und Intensität mangels Dokumentation nicht objektivierbar sind und Anhaltspunkte dafür, dass aus gelegentlichem Schwindel andere als qualitative Einschränkungen folgen könnten, nicht ersichtlich sind.
5. Mit dem festgestellten Leistungsvermögen ist die Klägerin in der Lage, noch unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes zu arbeiten. Es kann deshalb auch dahinstehen, ob bei ihr eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen bzw. eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt (vgl. BSG vom 9.5.2012 – B 5 R 68/11 R; vom 11.12.2019 – B 13 R 7/18 R, Rn. 29).
a) Das Restleistungsvermögen der Klägerin reicht noch aus, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes zu arbeiten. Sie ist nämlich noch in der Lage, Tätigkeiten wie Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen, Telefonieren, Kopieren, Scannen, Faxen, Sortieren oder Ablegen zu verrichten. Damit sind ernste Zweifel an der Einsatzfähigkeit der Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt wegen ihrer qualitativen Leistungseinschränkungen ausgeräumt, ohne dass es der Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit bedarf (vgl. BSG vom 19.10.2011 – B 13 R 78/09 Rn. 36; vom 9.5.2012 – B 5 R 68/11 R, Rn. 22; vom 11.12.2019 – B 13 R 7/18 R, Rn. 29). Die medizinische Beweisaufnahme hat keine Funktionsstörungen ergeben, die sich auf diese Tätigkeitsfelder maßgeblich auswirken würden. Dies haben die gehörten Sachverständigen ausdrücklich bestätigt.
b) Der Arbeitsmarkt ist der Klägerin auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer aufgehobenen Wegefähigkeit verschlossen. Nach dem insoweit gebotenen generalisierenden Maßstab reicht es auch, wenn ein Versicherter noch in der Lage ist, viermal täglich eine Wegstrecke von etwas mehr als 500 m innerhalb von 20 Minuten zu Fuß zurückzulegen und öffentliche Verkehrsmittel innerhalb der Hauptverkehrszeit zu benutzen (BSG vom 12.12.2011 – B 13 R 21/10, Rn. 21; vom 12.12.2011 – B 13 R 79/11 R, Rn. 20; vom 21.3.2006 – B 5 RJ 51/04 R, Rn. 15).
Hieran bestehen nach ergänzender Befragung der Sachverständigen M. keine durchgreifenden Bedenken. Die in ihrem Gutachten vom 2.2.2021 gewählte Formulierung, die Klägerin sei in der Lage, zumindest zweimal täglich öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen, zu Hauptverkehrszeiten sei dies aber zu vermeiden, hat sie in ihrer Stellungnahme vom 20.6.2021 dahingehend klarstellend präzisiert, dass die Klägerin nach ihren eigenen Angaben an Panikanfällen leide. Da die Gefahr für einen Panikanfall besonders in Menschenmengen oder in engen Räumen erhöht sei, sei es besser, öffentliche Verkehrsmittel in Hauptverkehrszeiten zu meiden. Die Sachverständige hat jedoch ausdrücklich betont, dass die bei der Klägerin festgestellten psychischen Erkrankungen die Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln zu Hauptverkehrszeiten nicht ausschließen.
Diese Darlegung ist für den Senat nachvollziehbar. Sie wird bestätigt durch die Tatsache, dass die Klägerin, wie auch M., zutreffend angibt, eine Flugreise ohne Panikanfall durchführen konnte, die vorhandene Disposition also nicht derart gravierend ausgeprägt ist, dass jede Menschenmenge und jeder geschlossene Raum zwangsläufig zu einer Panikreaktion führen. Die medizinisch nicht hinreichend objektivierbare Gefahr oder reine Möglichkeit einer entsprechenden Panikreaktion ist jedoch nicht ausreichend, um die Wegefähigkeit zu verneinen und einen aus diesem Grunde verschlossenen Arbeitsmarkt anzunehmen.
Ob der Klägerin nicht auch die Benutzung des eigenen KfZ zumutbar ist (vgl. BSG vom 12.12.2011 – B 13 R 79/11 R, Rn. 20 a. E.) - die Sachverständigen beurteilen die Fahrtauglichkeit der Klägerin uneinheitlich -, kann der Senat daher offen lassen.
B. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183 Satz 1, 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.
C. Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht (§ 160 Abs. 2 SGG). Maßgeblich für die Entscheidung sind die tatsächlichen Umstände des Einzelfalls.