Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.
Eine Kostenerstattung findet nicht statt.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten im vorliegenden Verfahren um die Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs hinsichtlich eines die dem Antragsteller gewährten Leistungen einschränkenden Bescheides des Antragsgegners.
Der 1997 geborene Antragsteller ist afghanischer Staatsangehöriger reiste erstmals am 9. Februar 2023 in das Bundesgebiet ein. Nach Äußerung seines Asylbegehrens wurde der Antragsteller am 23. Februar 2023 in die Erstaufnahmeeinrichtung des Landes Hessen aufgenommen. Mit Bescheid vom 9. März 2023 wurden dem Antragsteller Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) in Form der sogenannten Grundleistungen nach §§ 3, 3a AsylbLG „bis auf Weiteres“ gewährt.
Nach Ablehnung des Asylantrages des Antragsteller als unzulässig und Erlass einer seit dem 23. Mai 2023 vollziehbaren Abschiebungsanordnung mit dem Zielstaat Österreich erließ die für den Antragsteller zuständige zentrale Ausländerbehörde des Regierungspräsidiums Gießen am 15. Juni 2023, dem Antragsteller zugestellt am 26. Juni 2023, eine sogenannte Nachtzeitverfügung, welche den Antragsteller verpflichtet, Anzeigepflichten für Aufenthalte außerhalb seiner ihm zugewiesenen Zimmer bzw. Wohnung für die Zeit von Montag bis Freitag zwischen 0:00 Uhr und 6:00 Uhr zu befolgen. Insoweit wird auf die Nachtzeitverfügung vom 5. Juni 2023, Bl. 47 ff. der Ausländerakte des Antragsgegners, Bezug genommen.
Am 21. August 2023 informierte die zentrale Ausländerbehörde die Leistungsabteilung des Antragsgegners über das Scheitern einer am gleichen Tag geplanten aufenthaltsbeendenden Maßnahme gegenüber dem Antragsteller. Der Antragsteller konnte trotz der Nachtzeitverfügung in seiner Unterkunft 5.00 Uhr nicht angetroffen werden. Hinweise auf seinen Aufenthaltsort habe es nicht gegeben.
Im Rahmen der dann erfolgten Anhörung gab der Antragsteller an, dass er in der Zeit der versuchten Abschiebung bei Freunden gewesen sei. Wegen Zahnschmerzen und Schmerzen am ganzen Körper habe er Schmerztabletten genommen und wäre unter Einfluss dieser Medikamente und körperlicher Erschöpfung nicht in der Lage gewesen, sein Zimmer zu betreten.
Mit Bescheid des Antragsgegners vom 19. Oktober 2023, dem Antragsteller bekanntgegeben am 24. Oktober 2023, wurden die dem Antragsteller gewährten Leistungen unter Aufhebung des Bewilligungsbescheides vom 9. März 2023 „ab sofort“ auf Leistungen zur Deckung des Bedarfs an Ernährung und Unterkunft einschließlich Heizung, Körper- sowie Gesundheitspflege reduziert. Die Leistungen würden nunmehr vollständig als Sachleistungen erbracht. Der Kürzungsbetrag umfasse die dem Antragsteller mit Bescheid vom 9. März 2023 gewährten Leistungen in Höhe von 182,00 €, bestehend aus dem Barbetrag in Höhe von 159,00 € und dem als Sachleistung gewährte ÖPNV-Ticket im Wert von 23,00 €.
Die Leistungskürzung wurde in diesem Bescheid auf die Dauer von 6 Monaten befristet.
Als Begründung gab der Antragsgegner in diesem Bescheid an, dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen aus vom Antragsteller zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden konnten. Wegen der weiteren Begründung sowie den konkreten Inhalt der Rechtsbehelfsbelehrung wird auf den Bescheid vom 19. Oktober 2023 (Bl. 44 ff der Behördenakte) Bezug genommen.
Am 6. Dezember 2023 erhob der Antragsteller durch seinen Widerspruch gegen den Bescheid vom 19. Oktober 2023.
Am 6. Dezember 2023 erhob der Bevollmächtigte Widerspruch gegen den Bescheid vom 196. Oktober 2023 und beantragte die Gewährung von Akteneinsicht. Über den Widerspruch wurde noch nicht entschieden.
Bereits am 4. Dezember 2023 hat der Antragsteller das vorliegende Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes eingeleitet. In diesem trägt der Antragsteller vor, dass nach einem Hinweis des Verwaltungsgerichts Darmstadt die Überstellfrist nach Österreich abgelaufen sein dürfte. Zudem habe sich der Antragsteller zu keiner der in der Nachtzeitverfügung geregelten Zeit außerhalb der ihm zugewiesenen Unterkunft aufgehalten. Der Kürzungsbescheid sei daher rechtswidrig.
Weiter sei die Rechtsbehelfsbelehrung im Bescheid des Antragsgegners vom 19. Oktober 2023 fehlerhaft, so dass der Widerspruch vom 6. Dezember 2023 nicht verfristet sei.
Der Antragsteller beantragt letztlich wörtlich,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruches wieder herzustellen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzuweisen.
Zur Begründung trägt der Antragsgegner vor, dass die Rechtsbehelfsbelehrung im Bescheid vom 19. Oktober 2023 ordnungsgemäß erfolgt sei. In der Sache habe der Antragsteller den im Bescheid vom 19. Oktober 2023 dargestellten Leistungsminderungstatbestand erfüllt. Der Antragsteller halte sich nach den Ermittlungen des Antragsgegners weitestgehend nicht in der Gemeinschaftsunterkunft auf, der er zugewiesen sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der elektronischen Gerichtsakte und der beigezogenen Behördenakten verwiesen. Diese wurden zu Entscheidung herangezogen.
II.
Der aktuell noch gestellte Antrag des Antragstellers bedarf der Auslegung. Zunächst ist auslegend festzustellen, dass sich der begehrte Suspensiveffekt auf den Widerspruch gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 19. Oktober 2023 bezieht. Weiter ist der Antrag so auszulegen (oder im Rahmen der Statthaftigkeitsprüfung entsprechend umzudeuten), dass die Anordnung der aufschiebenden Wirkung beantragt werden soll, nachdem § 86b Abs. 1 SGG die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nach seinem eindeutigen Wortlaut nicht kennt.
Der so verstandene Antrag ist zulässig, insbesondere im Sinne des § 86b Abs. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft.
Nach § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht auf Antrag in Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, diese ganz oder teilweise anordnen. Mit Bescheid vom 19. Oktober 2023 wurde zunächst eine Leistungseinschränkung nach § 1a Abs. 3 AsylbLG festgestellt und der vorherige Bewilligungsbescheid vom 9. März 2023, welcher Leistungen nach §§ 3, 3a AsylbLG bis auf Weiteres – und damit zeitlich unbeschränkt – gewährte teils aufgehoben und dadurch der Höhe nach die zuvor festgestellte Leistungseinschränkung umgesetzt. In beiden Fällen entfällt gemäß § 11 Abs. 4 AsylbLG die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Klage, so dass es sich in beiden Fällen um sofort vollziehbare Verwaltungsakte handelt, welche in statthafter Weise Gegenstand eines Verfahrens nach § 86b Abs. 1 SGG sein können.
Der Zulässigkeit dieses Antrages steht nicht die Bestandskraft des Bescheides des Antragsgegners vom 19. Oktober 2023 entgegen, wobei es insoweit dahingestellt bleiben kann, ob die Bestandskraft bereits zur mangelnden Statthaftigkeit des Antrages führt oder erst im Bereich des Rechtsschutzinteresses zu prüfen ist.
Die Kammer erachtet jedenfalls für die hier zu treffende Entscheidung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die Rechtsbehelfsbelehrung im Bescheid des Antragsgegners vom 19. Oktober 2023 für unvollständig, so dass der Widerspruch nicht nach § 84 Abs. 1 SGG binnen eines Monats, nachdem der Verwaltungsakt dem Beschwerten bekanntgegeben worden ist erhoben werden musste. An die Stelle der einmonatigen Frist tritt im vorliegenden Fall vielmehr die einjährige Ausschlussfrist des § 66 Abs. 2 SGG, denn die Frist für einen Rechtsbehelf beginnt nach § 66 Abs. 1 SGG nur dann zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsstelle oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist. Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung eines Rechtsbehelfs im Regelfall innerhalb eines Jahres seit Bekanntgabe zulässig. Das alles folgt aus § 66 SGG, den § 84 Abs. 2 S. 3 SGG im Widerspruchsverfahren für entsprechend anwendbar erklärt. Welche konkreten Einzelangaben eine Belehrung enthalten muss, um richtig zu sein, ergibt sich aus den für die verschiedenen Rechtsbehelfe getroffenen spezifischen Regelungen und aus § 66 Abs. 1 SGG. Ist die Rechtsbehelfsbelehrung im Hinblick auf ihre erforderlichen Inhalte unrichtig, kommt es nicht darauf an, ob sie deswegen für die Fristversäumnis des Betroffenen ursächlich war. Demgegenüber müssen an sich in der Rechtsbehelfsbelehrung nicht erforderliche, aber fehlerhafte Angaben zumindest abstrakt Einfluss auf die verspätete Einlegung des Rechtsbehelfs gehabt haben, um zu einer Unrichtigkeit der Rechtsbehelfsbelehrung zu führen (vgl. zu alledem BSG, Urt. v. 27. September 2023 – B 7 AS 10/22 R -; juris).
Ausgehend von diesen Grundsätzen fehlt es der Rechtsbehelfsbelehrung im Bescheid vom 19. Oktober 2023 an der konkreten Benennung einer E-Mail-Adresse, über welche im Rahmen des elektronischen Rechtsverkehrs die rechtskonforme Erhebung eines Widerspruchs möglich ist. Die nach § 84 Abs. 1 SGG i.V.m. § 66 Abs. 1 SGG erforderliche Benennung der möglichen Formen der Erhebung eines Widerspruchs ist damit unvollständig, die Rechtsbehelfsbelehrung im Sinne des § 66 Abs. 2 SGG unrichtig, so dass eine Widerspruchserhebung fristgerecht innerhalb der Ausschlussfrist von einem Jahr des § 66 Abs. 2 SGG möglich war. Jedenfalls mit der Benennung einer E-Mail-Adresse in seinen Bescheiden hat der Antragsgegner einen Zugang für die Übermittlung elektronischer Dokumente eröffnet. Folgerichtig belehrt der Antragsgegner deshalb in seinem Bescheid vom 19. Oktober 2023 auch über die gegebenen Möglichkeiten der formgerechten Übermittlung elektronischer Dokumente im Rahmen oder zur Einleitung eines Widerspruchsverfahrens. An dieser Stelle hätte jedoch nach Auffassung der Kammer konkret die E-Mail-Adresse benannt werden müssen, an welche entsprechende elektronische Dokumente in der dafür vorgesehenen Form gerichtet werden können und müssen. Der Antragsgegner darf es insoweit zu Einhaltung der Wegweiserfunktion der Rechtsbehelfsbelehrung nicht dem Bürger überlassen, aus der beim Antragsgegner gegebenen Vielzahl der möglichen E-Mail-Adressen diejenigen herauszusuchen respektive herauszufinden, welche speziell für die Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr eingerichtet ist.
Der Zulässigkeit des Antrages steht auch nicht entgegen, dass der Leistungseinschränkungszeitraum aus dem Bescheid vom 19. Oktober 2023 zwischenzeitlich abgelaufen ist. Dies berührt weder die Antragsbefugnis des Antragstellers, noch dessen Rechtsschutzinteresse des letztlich gestellten Antrages. Denn mit der Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers wäre der Antragsgegner rückwirkend zur Auszahlung von Leistungen in der im Bescheid vom 9. März 2023 geregelten Höhe verpflichtet, so dass auch aktuell eine positive Entscheidung der Kammer dem Antragsteller noch Vorteile verschafft.
Soweit darüber hinaus zunächst auch der Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt wurde, wäre dieser Antrag unzulässig. Es fehlte dem Antragsteller insoweit jedenfalls am erforderlichen Rechtsschutzinteresse. Denn der Antragsteller erreicht das von ihm begehrte Ziel der Leistungsgewährung in Höhe von Leistungen nach §§ 3, 3a AsylbLG bereits allein durch die Anordnung der aufschiebenden Wirkung (s.o.), so dass es einer weiteren einstweiligen Anordnung nicht bedarf. Nicht erforderlich ist daher im vorliegenden Verfahren aufgrund der konkreten Verfügungsart im Bescheid vom 19. Oktober 2023 nach Auffassung der Kammer eine Kombination eines Antrages nach § 86b Abs. 1 SGG mit einem Antrag nach § 86b Abs. 2 SGG auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (vgl. insoweit zur dafür erforderlichen Konstellation des sogenannten Kettenverwaltungsaktes HLSG, Beschluss v. 26. Februar 2020, - L 4 AY 14/19 B ER -; Juris), da vorliegend im Fall der Anordnung der aufschiebenden Wirkung hinsichtlich des Teilaufhebungsbescheides vom 19. Oktober 2023 der vorherige Bewilligungsbescheid vom 9. März 2023 insoweit wiederauflebt, als er durch die Teilaufhebung eliminiert wurde, so dass der Antragssteller im Erfolgsfalle allein auf Grund der Anordnung der aufschiebenden Wirkung wieder ungekürzte Grundleistungen nach §§ 3, 3a AsylbLG erhalten würde.
Der Antrag ist jedoch unbegründet.
Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Bescheids vom 19. Oktober 2023 überwiegt das private Interesse des Antragstellers, zunächst vom Vollzug der Teilaufhebungsentscheidung sowie der Anspruchseinschränkung verschont zu bleiben. Der Bescheid des Antraggegners vom 19. Oktober 2023 erweist sich nach der im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes gebotenen summarischen Prüfung des Sachverhalts als rechtmäßig und seine Vollziehung aufgrund gesetzlicher Anordnung als eilbedürftig.
Ermächtigungsgrundlagen für die Teilaufhebung des zeitlich unbeschränkten Bewilligungsbescheides vom 9. März 2023 und die Feststellung einer Anspruchseinschränkung sind § 9 Abs. 4 Nr. 1 AsylbLG i. V. m. § 48 Abs. 1 S. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) und § 1a Abs. 3 S. 1 AsylbLG.
Nach § 9 Abs. 4 Nr. 1 AsylbLG sind die Regelungen der §§ 44 bis 50 SGB X über die Rücknahme, den Widerruf und die Aufhebung eines Verwaltungsakts sowie über die Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen im AsylbLG entsprechend anzuwenden.
Nach § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt.
Nach § 1a Abs. 3 S. 1 AsylbLG erhalten Leistungsberechtigte nach § 1 Abs. 1 Nrn. 4 und 5 AsylbLG, bei denen aus von ihnen selbst zu vertretenden Gründen aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden können, ab dem auf die Vollziehbarkeit einer Abschiebungsandrohung oder Vollziehbarkeit einer Abschiebungsanordnung folgenden Tag nur Leistungen entsprechend § 1a Abs. 1 AsylbLG.
Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Normen liegen vor.
Der Antragsteller ist – soweit die Leistungen nicht eingeschränkt sind - Bezieher von Leistungen nach §§ 3, 3a AsylbLG. Seine Leistungsberechtigung ergibt sich aus § 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG. Der Antragsteller ist, nachdem sein Asylverfahren beendet und die Abschiebungsanordnung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bescheid vom 8. Mai 2023) vollziehbar wurde spätestens mit Wirkung vom 23. Mai 2023 vollziehbar ausreisepflichtig im Sinne der §§ 50 Abs. 1, 58 Abs. 2, 59 AufenthG. Soweit dem Antragsteller eine bis zum 9. September 2023 gültige Duldung nach § 60a Gesetzes über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz – AufenthG -) erteilt wurden, ist jedoch diese für die Bestimmung der Leistungsberechtigung des Antragstellers maßgeblich. Diese mit der auflösenden Bedingung des Erlöschens durch die formlose Bekanntgabe eines Abschiebetermins versehene Duldung (vgl. Bl. 119 der Behördenakte der ZAB des Antragsgegners) steht aber auch der Rechtmäßigkeit der Abschiebemaßnahme nicht entgegen. Wäre der Antragsteller zum Zeitpunkt der versuchten Abschiebung angetroffen worden, hätte die Mitteilung über die Abschiebung zum Erlöschen der Duldung geführt.
Über § 9 Abs. 4 Nr. 1 AsylbLG sind damit die Regelung der §§ 44 bis 50 SGB X anwendbar. Dem Antragsteller wurden mit Bescheid vom 9. März 2023 im Sinne des § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X mittels Verwaltungsakt mit Dauerwirkung Leistungen nach dem AsylbLG bewilligt. Dies ergibt sich aus der dortigen Formulierung zum zeitlichen Umfang der Bewilligung, welche einen Beginnzeitpunkt benennt und „bis auf Weiteres“ Gültigkeit haben soll, mithin auf unbestimmte Dauer Wirksamkeit erlangt. In den zum Zeitpunkt der zuvor genannten Leistungsbewilligung gegebenen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen ist auch nachträglich eine Änderung eingetreten. Hierzu zählt zunächst der Eintritt der vollziehbaren Ausreisepflicht. Aufgrund der bestandskräftigen Nachtzeitverfügung der Zentralen Ausländerbehörde des Antragsgegners wurde dem Antragsteller zudem die Pflicht zur Abwesenheitsanzeige für die Zeit von 00:00 bis 6:00 Uhr von montags bis freitags auferlegt. Hiergegen hat der Antragsteller verstoßen, da er im Rahmen einer Abschiebemaßnahme am 21. August 2023 zwischen 5.00 Uhr und 5.10 Uhr in seiner Unterkunft, konkret in seinem Zimmer, auf welches sich die Nachtzeitverfügung bezieht, nicht anzutreffen war und auch keine Nachricht über seinen Aufenthaltsort hinterlassen hat. Von diesem Sachverhalt ist selbst unter Beachtung des Vortrags des Antragstellers auszugehen, so dass auf die mangelnde Glaubhaftmachung dieses Vortrags nicht ankommt. Soweit der Antragsteller im Rahmen der Anhörung vorträgt, er sei in der Zeit der versuchten Abschiebung bei Freunden gewesen und wegen Schmerzen am ganzen Körper sowie der Einnahme von Schmerztabletten und körperlicher Erschöpfung nicht in der Lage gewesen, sein Zimmer zu betreten, bestätigt dies den Verstoß. Der Antragsteller hätte schon beim Verlassen seines Zimmers eine entsprechende Benachrichtigung hinterlassen müssen. Dass er selbst dazu nicht in der Lage gewesen wäre, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
Soweit der Antragsteller im hiesigen Verfahren vorträgt, immer in der Einrichtung aufgehalten zu haben, fehlt es insoweit an jeglicher Glaubhaftmachung. Gegen diesen Vortrag sprechen die Feststellungen im Rahmen der versuchten Abschiebung, wonach ein Bewohnen der Unterkunft durhc den Antragsteller auszuschießen sei. Insoweit wird auf die Mitteilung der vollstreckenden Beamten, Bl. 161 der Ausländerakte der ZAB, Bezug genommen. Hinzu kommt, dass der Antragsteller der Aufforderung der Kammer, seinen Vortrag insoweit weiter zu substantiieren nicht nachgekommen ist. Insgesamt muss die Kammer diesen Vortrag aufgrund der sich darstellenden Tatsachenlage zumindest als nicht glaubhaft gemacht ansehen.
Der Antragsteller hat damit die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 1a Abs. 3 S. 1 AsylbLG objektiv verwirklicht, da durch seine Abwesenheit eine aufenthaltsbeendende Maßnahme in Form der Abschiebung nicht durchgeführt werden konnte. Diese Folgen hat er auch selbst verschuldet, indem er sich – entgegen der ihm aufgegebenen Verpflichtung - nicht zur angegebenen Zeit in seiner Unterkunft aufhielt respektive seiner Verpflichtung zur Abwesenheitsanzeige nicht nachkam. Für das Vertretenmüssen im Sinne des § 1a Abs. 3 AsylbLG ist ausreichend, dass das Ergebnis der Nichtvollziehbarkeit der aufenthaltsbeendenden Maßnahmen auf Umständen beruht, die dem Verantwortungsbereich der handelnden Person zuzurechnen sind; umgekehrt muss sich ein Betroffener Mitursachen außerhalb seiner Verantwortungssphäre nicht zurechnen lassen; das Fehlverhalten muss also monokausal sein (HLSG, Beschl. v. 20. Februar 2020 – L 4 AY 14/19 ER; juris., m.w.N.). Hieran hat die Kammer keine Zweifel. Es ist offensichtlich, dass der Antragsteller von seinen Pflichten zur Abwesenheitsanzeige wusste und diese nicht eingehalten hat. Ersteres ergibt sich aus der Zustellung der Nachtzeitverfügung an ihn, auch in seiner Muttersprache. Der vom Antragsteller behauptete grundsätzliche Aufenthalt in der Erstaufnahmeeinrichtung genügt nach Auffassung der Kammer nicht, um der Nachtzeitverfügung nachzukommen. Denn diese verlangt alternativ einen Aufenthalt im Zimmer, eine rechtzeitige vorherige Anzeige der Abwesenheit oder das Anbringen einer Nachricht an der Zimmertür hinsichtlich des Aufenthaltsorts des Antragstellers außerhalb seines Zimmers. Hieraus wird der Umfang der Verpflichtung des Antragstellers eindeutig festgelegt und auch hinreichend deutlich, dass ein Aufenthalt in der Einrichtung allein der Verpflichtung nicht genügt. Weitere Gründe, die der Durchführung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme entgegenstanden, wurden weder vorgetragen, noch sind solche ersichtlich. Die erforderliche Monokausalität liegt damit vor.
Als Rechtsfolge ordnet die zu vorgenanntem Norm eine Reduktion des Leistungsanspruches auf den in § 1a Abs. 1 AsylbLG geregelten Umfang an.
Aufgrund der Verwirklichung des Tatbestandes des § 1a Abs. 3 AsylbLG ist eine wesentliche Änderung im Sinne des § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X eingetreten, was den Antragsgegner wegen der Rechtsfolgen des § 1a Abs. 3 AsylbLG zur Aufhebung der zuvor bewilligten Leistungen verpflichtet.
Zu Recht hat der Antragsgegner sodann Leistungen nur noch in Höhe des in § 1a Abs. 1 AsylbLG geregelten Umfang gewährt, indem er nur diesen Teil der vorherigen Leistungsgewährung aufrechterhalten hat. Dieser Leistungsumfang wurde durch den Bescheid des Antragsgegners vom 19. Oktober 2023 entsprechend der zuvor genannten Regelung zutreffend berechnet.
Die Kammer teilt des Weiteren die verfassungsrechtlichen Bedenken des Antragstellers zu § 1a Abs. 3 AsylbLG nicht und schließt sich insoweit der Rechtsprechung des hessischen Landessozialgerichts (Beschl. v. 20. Februar 2020 – L 4 AY 14/19 ER; a.a.O.) an. Der Senat führt in dieser Entscheidung aus: „Eine Korrektur dieses Zwischenergebnisses auf Tatbestandsseite ist am Maßstab des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 5. November 2019 – 1 BvL 7/16 – verfassungsrechtlich jedenfalls im vorliegenden Fall nicht geboten. Dabei geht der Senat davon aus, dass die dortigen Anforderungen an die verfassungsgemäße Normierung von Mitwirkungspflichten, die mit einer Leistungsabsenkung bzw. Anspruchseinschränkung verknüpft werden können (Rn. 123-128) weder ausschließlichen Charakter haben noch vollständig sind. Das Bundesverfassungsgericht hatte sich in der genannten Entscheidung nur mit Mitwirkungspflichten zu beschäftigen, die einen engen Bezug zum Nachranggrundsatz und zum Bedarfsdeckungsgrundsatz haben. § 1a Abs. 3 AsylbLG hat einen anderen Zweck. Die Vorschrift zielt auf die Vermeidung von Rechtsmissbrauch. Die Aussage des Bundesverfassungsgerichts, dass auch der soziale Rechtsstaat darauf angewiesen ist, dass Mittel der Allgemeinheit, die zur Hilfe für deren bedürftige Mitglieder bestimmt sind, nur in Fällen in Anspruch genommen werden, in denen wirkliche Bedürftigkeit vorliegt (BVerfG a.a.O. Rn. 124; BVerfGE 142, 353 <371 Rn. 39>), trägt in noch zu bestimmenden Grenzen aber auch die Rechtsmissbrauchsvermeidung. Dieses legitime Regelungsziel wird allerdings dadurch begrenzt, dass das Sozialstaatsprinzip staatliche Vor- und Fürsorge auch für jene verlangt, die aufgrund persönlicher Schwäche oder Schuld, Unfähigkeit oder gesellschaftlicher Benachteiligung in ihrer persönlichen und sozialen Entfaltung behindert sind; diese Verpflichtung zur Sicherung des Existenzminimums ist auch zur Erreichung anderweitiger Ziele nicht zu relativieren (BVerfG a.a.O., Rn. 120; vgl. auch BVerfGE 132, 134 <173 Rn. 95>). Im Bereich der Migration muss sich der Gesetzgeber zudem bewusst sein, dass das Recht aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG jeder Person unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit zukommt, die sich im Geltungsbereich des Grundgesetzes „aufhält“ (BVerfGE 132, 134 <159 Rn. 63>) oder in Deutschland „lebt“ (BVerfGE 40,121 <133>). Solange der deutsche Staat Personen auf seinem Territorium aufnimmt, beherbergt oder auch nur duldet, sind sie auch leistungsberechtigt (Kirchhof, NZS 2015, 1 <4>); die Statusunabhängigkeit des Menschenwürdeschutzes manifestiert sich daher auch in der Unabhängigkeit vom Aufenthaltsstatus (Schreiber, SR 2018, 181 <182 f.>). Wegen dieser vom Grundrecht gerade intendierten Schutzrichtung darf der Gesetzgeber also weder Leistungen allein wegen der Rechtswidrigkeit des Aufenthalts kürzen oder vorenthalten noch aus vermeintlich generalpräventiven oder repressiven Gründen, um Migration einzuschränken. Dies begrenzt die Legitimität einer Rechtsmissbrauchsabwehr im Falle der Sanktionierung einer fehlenden Mitwirkung nach Auffassung des Senats auf Fälle, in denen der Staat den Aufenthalt – untechnisch – gerade nicht „duldet“, den Aufenthalt aber allein aus Gründen der Verweigerung einer zumutbaren Mitwirkung durch die betreffende Person nicht beenden kann.“
In diesem Rahmen bewegt sich – wie in der zuvor zitierten Entscheidung - der hiesige Anwendungsfall des § 1a Abs. 3 AsylbLG. Der Aufenthalt des Antragstellers sollte und soll gerade nicht weiter geduldet werden, eine Beendigung des Aufenthaltes scheiterte jedoch allein an der Verletzung der Mitwirkungspflichten des Antragstellers in Form des Aufenthaltes in seiner Unterkunft zur Nachtzeit respektive der Einhaltung seiner Verpflichtung zur Abwesenheitsanzeige und aktuell an der mangelnden Kenntnis des Antragsgegners hinsichtlich des dauerhaften Aufenthaltsortes des Antragstellers.
Die Kammer schließt sich dem Grunde nach auch der Rechtsauffassung des hessischen Landessozialgerichts in der zuvor zitierten Entscheidung an, dass die Rechtsfolgenseite des § 1a Abs. 3 AsylbLG i. V. m. § 1a Abs. 1 AsylbLG im Einzelfall eine Korrektur im Rahmen einer verfassungskonformen Auslegung bedarf (HLSG, Beschl. v. 20. Februar 2020 – L 4 AY 14/19 ER; a.a.O. Rdnr. 38 ff.). Im Ergebnis besteht die Anspruchseinschränkung des § 1a AsylbLG (mit Ausnahme von Absatz 4 der Vorschrift) mithin darin, dass Leistungsberechtigte von den pauschalierten Leistungsmodellen des § 2 AsylbLG und der §§ 3, 3a AsylbLG auf die Anmeldung des individuellen Bedarfs insbesondere im Bereich der soziokulturellen Existenz verwiesen werden und im Falle der fehlenden Darlegung des Bedarfes auch nicht von der Pauschalierung der §§ 3, 3a AsylbLG profitieren können. Es obliegt also im Zeitraum der Anspruchseinschränkung der leistungsberechtigten Person, einzelne Bedarfe, welche ansonsten über §§ 3, 3a AsylbLG pauschaliert gedeckt werden, separat geltend zu machen. Das Bestehen solcher Bedarf kann die Kammer jedoch im Fall des Antragstellers nicht mit der erforderlichen hinreichenden Überzeugung feststellen. Soweit das hessische Landessozialgericht in der zuvor zitierten Entscheidung quasi pauschalierend davon ausgeht, dass auch bei einer nur mittelfristig bevorstehenden Ausreise für die Organisation der Ausreise Bedarfe für Verkehr und Nachrichtenübermittlung zu unterstellen sind, sieht die Kammer hierfür im Fall des Antragstellers, welcher bisher weder vorgetragen, noch anderweitig hat erkennen lassen, dass er aus Deutschland ausreisen will, keinen Ansatz. Gegen diesen Willen spricht vielmehr, dass der Antragsteller sich an die ihm auferlegten Verpflichtungen zur Wohnsitznahme und Meldepflicht bezüglich Abwesenheiten nicht hält. Ein Bedarf für Verkehr ist im Übrigen schon deshalb nicht zu erkennen, weil die Ausreise nach Österreich im Fall des Antragstellers nach dem hinreichend sicher zu prognostizierenden Geschehensablauf mittels einer Abschiebung und damit nicht unmittelbar auf seine Kosten geschehen wird. Da beim Antragsteller keine Rückführung in sein Heimatland, sondern lediglich nach Österreich vorgesehen ist, ist auch nicht zu erkennen, warum ein Bedarf für Nachrichtenübermittlung bestehen sollte. Er muss für die Rückkehr nach Österreich nach Auffassung der Kammer keine besonderen Vorkehrungen treffen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.