L 10 R 1533/24

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10.
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 17 R 945/22
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 1533/24
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1. Ein Antrag auf Rücknahme eines bestandskräftigen Verwaltungsakts nach § 44 SGB X, mit dem die Gewährung einer laufenden Sozialleistung abgelehnt worden ist, enthält in der Regel zugleich einen neuen Antrag auf die laufende Leistung selbst.
2. Mit der Ablehnung des Rücknahmeantrags lehnt der Leistungsträger daher in der Regel zugleich auch den neuen Leistungsantrag ab.
3. Entscheidet das Erstgericht entgegen dem Klagebegehren nicht in der Sache (auch) über diesen neuen Leistungsantrag, sondern weist es die Klage insoweit als unzulässig ab, kann die angefochtene Entscheidung entsprechend dem Rechtsmittelbegehren des Klägers insoweit aufgehoben und die Sache in diesem Umfang an das Erstgericht zurückverwiesen werden.

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 30.04.2024 aufgehoben, soweit das Sozialgericht die Klage gegen den Bescheid vom 13.01.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.03.2022 wegen Ablehnung der Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung auf den Antrag des Klägers vom 06.08.2020 abgewiesen hat und insoweit wird die Sache an das Sozialgericht Ulm zurückverwiesen.

Die Kostenentscheidung wird aufgehoben, sie bleibt der Entscheidung des Sozialgerichts in der Sache vorbehalten.


Tatbestand


Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Der 1964 im Kosovo geborene Kläger hat keinen Schulabschluss, kam 1992 in die Bundesrepublik und war hier als ungelernter Arbeiter zwischen 2001 und Mitte 2007 mit Unterbrechungen versicherungspflichtig beschäftigt. Nach Bezug von Kranken- und Arbeitslosengeld bezieht er seit 24.10.2008 Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) mit daneben zeitweise ausgeübter geringfügiger Tätigkeit ohne Versicherungspflicht.

Der Kläger beantragte am 17.12.2019 bei der Beklagten die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte lehnte den Antrag wegen fehlender medizinischer Voraussetzungen mit Bescheid vom 24.03.2020 ab. Grundlage war die sozialmedizinische Auswertung des Entlassungsberichts der vom 09.03. bis 30.03.2017 durchgeführten Leistungen zur medizinischen Rehabilitation in der Rehaklinik S1 in  D1 durch L1 vom 13.03.2020. Aus der Rehabilitation war der Kläger mit den Diagnosen chronisches Hals- und Lendenwirbelsyndrom, chronischer Schmerz im Stadium II nach Gerbershagen und mit der Einschätzung eines Leistungsvermögens von sechs Stunden und mehr für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten entlassen worden.

Mit Schreiben vom 04.08.2020, bei der Beklagten eingegangen am 06.08.2020, legte der Kläger Widerspruch ein und führte aus, er habe schon im April Widerspruch eingelegt, der wohl nicht eingegangen sei. Hilfsweise werde die Überprüfung des Bescheids vom 24.03.2020 beantragt.

Die Beklagte holte ein Gutachten bei dem Facharzt S2 ein. Dieser diagnostizierte nach ambulanter Untersuchung des Klägers im Wesentlichen chronische Schmerzen und mittelgradige Funktionseinschränkungen der Lendenwirbelsäule (LWS) mit Schmerzausstrahlung in die Beine mit möglicher Nervenwurzelreizung bei Verschleißleiden der LWS sowie der Kreuzdarmbeingelenke und chronischer Fehlhaltung, Schmerzen und mittelgradige Funktionseinschränkungen der Halswirbelsäule (HWS) sowie der Schultergelenke bei muskulären Verspannungen der Schulter-Nacken-Muskulatur und eine ausgeprägte chronische Schmerzstörung. Der Kläger sei mindestens sechs Stunden arbeitstäglich in der Lage, leichte Tätigkeiten überwiegend im Sitzen, zeitweise im Gehen oder Stehen ohne häufiges Bücken, Tätigkeiten im Knien oder in der Hocke, Überkopfarbeiten, längerdauernde Arbeiten mit vorgehaltenen Armen, Zwangshaltungen, erhöhte Anforderungen an das Konzentrationsvermögen oder Nachtschicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten.

Die Beklagte lehnte sodann den Antrag „auf Rücknahme des Bescheids vom 24.03.2020 und Bewilligung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit“ mit Bescheid vom 13.01.2021 ab. Die Überprüfung des Bescheids vom 24.03.2020 habe ergeben, dass weder das Recht unrichtig angewandt noch von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden sei. Der Sachverhalt sei zur erneuten Prüfung dem medizinischen Dienst vorgelegt worden, von dem der Kläger am 18.11.2020 persönlich begutachtet worden sei. Danach könne der Kläger noch mindestens sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts erwerbstätig sein. Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21.03.2022 zurück.

Hiergegen richtet sich die am 31.03.2022 beim Sozialgericht Ulm (SG) erhobene Klage.

Das SG hat in der Sache ermittelt und die den Kläger behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen vernommen. Auf die Stellungnahmen des Arztes G1 vom 08.06.2022 (S. 38 ff. SG-Akte) und des Facharztes B1 vom 22.06.2022 (nebst Anlage, S. 43 ff. SG-Akte) wird Bezug genommen. Die Beklagte ist unter Vorlage einer sozialmedizinischen Stellungnahme von B2 vom 08.08.2022 bei ihrer Auffassung geblieben, der Kläger könne weiterhin mindestens sechs Stunden erwerbstätig sein. Zusätzlich hat das SG von Amts wegen ein orthopädisches Gutachten bei K1 vom 05.12.2022 eingeholt. Dieser ist zu der Einschätzung gelangt, bei dem Kläger bestehe aktuell kein positives Restleistungsvermögen mehr auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Es liege eine Funktions- und Belastungsminderung der gesamten Wirbelsäule bei fortgeschrittener disseminierter idiopathischer Skeletthyperosthose (Morbus Forestier, fortgeschritten, Versteifung nahezu der gesamten Brustwirbelsäule [BWS], schwere, ungleichmäßig verteilte, asymmetrische Osteochondrose und Instabilität der LWS und schwere Osteochondrose der HWS), Ausstrahlung in das rechte Bein, aktuell mit nur geringgradiger Fußheberschwäche rechts, eine Funktions- und Belastungsminderung der Schultergelenke bei Einklemmsyndrom mit noch guter Funktion, eine Funktions- und Belastungsminderung des Handgelenkes rechts bei Handwurzelarthrose und Zustand nach Umstellungsoperation und verminderter Beweglichkeit sowie eine chronische Schmerzstörung vor. Die weit über das normale Maß hinausgehende degenerative Wirbelsäulenerkrankung erkläre die Beschwerden ausreichend. Die Einschränkungen bestünden zumindest seit dem 24.11.2022 (Untersuchungstag). Hieran hat K1 auch in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 03.04.2023 festgehalten. Die Beklagte ist unter Vorlage sozialmedizinischer Stellungnahmen von S3 vom 30.01.2023 und dem Facharzt B3 vom 08.09.2023 weiterhin bei der Auffassung geblieben, dass eine Erwerbsminderung des Klägers nicht vorliege.

Mit Urteil vom 30.04.2024 hat das SG die Klage abgewiesen. Gegenstand des Verfahrens sei allein der Antrag des Klägers nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) auf Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 24.03.2020, mit dem die Beklagte den Antrag vom 17.12.2019 auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung abgelehnt habe. Daneben habe der Kläger in der mündlichen Verhandlung erstmals auch geltend gemacht, dass ihm aufgrund seines Antrags im Schreiben vom 04.08.2020 eine Erwerbsminderungsrente zu gewähren sei. Hiermit werde ein weiteres Klagebegehren einbezogen. Die Klageerweiterung sei nach § 99 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) unzulässig, da weder die Beklagte eingewilligt habe, noch das Gericht die Änderung für sachdienlich halte, da es jedenfalls an einer Bescheidung fehle und daher nicht alle Prozessvoraussetzungen erfüllt seien, weshalb ohnehin nicht in der Sache entschieden werden könne. Prüfungsmaßstab im Rahmen des § 44 SGB X sei nicht die Frage, ob der Kläger aktuell die Voraussetzungen für die Zuerkennung einer Erwerbsminderungsrente erfülle, sondern ob die Beklagte im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheids vom 24.03.2020 das Recht unrichtig angewandt habe oder von einem Sachverhalt ausgegangen sei, der sich als unrichtig erwiesen habe. Erforderlich sei eine rückschauende Betrachtungsweise zu der bei Erlass des zu überprüfenden Verwaltungsakts geltenden Sach- und Rechtslage. Danach sei der Bescheid nicht zu beanstanden. Nach dem Gutachten von S2 und der Aussage des behandelnden G1 sei der Kläger damals noch in der Lage gewesen, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden arbeitstäglich zu verrichten. Dass der Sachverständige K1 seit dem Untersuchungstag am 24.11.2022 zu einem eingeschränkten Leistungsvermögen von unter drei Stunden gekommen sei, verhelfe der Klage angesichts des Prüfungsgegenstands bei einem Antrag nach § 44 SGB X nicht zum Erfolg.

Gegen das seinem Bevollmächtigten am 08.05.2024 zugestellte Urteil richtet sich die am 15.05.2024 beim SG eingelegte Berufung des Klägers. Er moniert eine Verletzung rechtlichen Gehörs, da für die Beteiligten überraschend sich die Kammervorsitzende des SG in der mündlichen Verhandlung dahin geäußert habe, es bestehe ein rechtliches Problem: der Streitgegenstand sei auf den Überprüfungsantrag (zeitlich) beschränkt; dass die Voraussetzungen für eine Erwerbsminderungsrente zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vorlägen, sei unmaßgeblich. Das SG selbst habe umfassend die sozialmedizinischen Leistungseinschränkungen ohne zeitliche Beschränkung ermittelt, auch die Beklagte habe sich in ihrer Leistungsablehnung nie auf den rückwirkenden Überprüfungsantrag beschränkt, sondern zukunftsoffen die Rente abgelehnt. Die im Termin gestellte Klageerweiterung sei aus seinem Verständnis bereits vom Antrag umfasst, weil sich die Beklagte nicht auf die Überprüfung eines Wiederaufgreifensantrags für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum beschränkt habe. Im Berufungsverfahren werde nur der beschränkte Antrag wegen Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung auf den Antrag des Klägers vom 06.08.2020 fortgeführt. Mit einer Zurückverweisung an das SG bestehe Einverständnis. Da das SG inhaltlich bezogen auf die Erwerbsfähigkeit ab Antragstellung überhaupt nicht entschieden habe, werde diese Entscheidung nachzuholen sein.

Der Kläger beantragt (teilweise sinngemäß),

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 30.04.2024 aufzuheben und den Rechtsstreit an das Sozialgericht Ulm zurückzuverweisen, soweit das Sozialgericht die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 13.01.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.03.2022 wegen Gewährung von Erwerbsminderungsrente auf seinen Antrag vom 06.08.2020 abgewiesen hat,

hilfsweise, das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 30.04.2024 und den Bescheid der Beklagten vom 13.01.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.03.2022 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm auf seinen Antrag vom 06.08.2020 Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Nach allgemeiner Rechtsprechung müsse ein medizinischer Sachverhalt bewiesen sein. Ein solcher Nachweis sei auch für die Zeit nach Klageerhebung nicht erbracht (unter Verweis auf die sozialmedizinischen Stellungnahmen vom 30.01.2023 und 08.09.2023).

Nach einem rechtlichen Hinweis des Senats zum Streitgegenstand haben sich die Beteiligten mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die form- und fristgerecht (§§ 143, 151 SGG) eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG entscheidet, ist zulässig und im Sinne der Zurückverweisung an das SG begründet.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist allein der Bescheid vom 13.01.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.03.2022, soweit damit der Antrag des Klägers auf Gewährung von Rente vom 06.08.2020 abgelehnt worden ist. Nicht angefochten worden ist das Urteil des SG, soweit die Klage wegen des Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB X (abgelehnt ebenfalls mit dem bereits genannten Bescheid) abgewiesen worden ist. Insoweit ist das Urteil daher rechtskräftig geworden.

Bezogen auf den allein noch anhängigen Verfahrensgegenstand hat das SG zu Unrecht darüber in der Sache nicht entschieden.

Entgegen der Auffassung des SG ist die Klage insoweit zulässig. Vorliegend bezog sich bereits das ursprünglich im Klageverfahren artikulierte Begehren nicht nur auf die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente im Wege des Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB X, sondern auch auf die Gewährung von Erwerbsminderungsrente auf einen (Neu-)Antrag des Klägers vom 06.08.2020 hin. Denn ein Antrag auf Rücknahme eines bestandskräftigen Verwaltungsaktes, mit dem die Gewährung einer laufenden Sozialleistung abgelehnt worden ist, enthält in der Regel zugleich einen neuen Antrag auf die laufende Leistung selbst. Mit der Ablehnung des Rücknahmeantrages lehnt der Leistungsträger daher in der Regel zugleich einen neuen Leistungsantrag ab (Bundessozialgericht - BSG - 20.07.2005, B 9a V 1/05 R, in juris Rn. 20; 05.11.1997, 9 RV 4/96, in juris Rn. 27). So liegt der Fall auch hier. Bereits mit dem Tenor des Bescheids vom 13.01.2021 wird der Antrag „auf Rücknahme des Bescheids vom 24.03.2020 und Bewilligung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit“ abgelehnt. Ebenso hat die Beklagte durch weitere medizinische Ermittlungen, namentlich Einholung eines Gutachtens, zu erkennen gegeben, dass sie die beantragte Leistung auch unter Berücksichtigung inzwischen eingetretener Veränderungen weiterhin ablehnt, was sie in dem angefochtenen Bescheid vom 13.01.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.03.2022 hinreichend verlautbart hat. Es liegt damit - auch bezogen auf einen Rentenantrag vom 06.08.2020 - das erforderliche Vorverfahren vor.

Damit ist die in der mündlichen Verhandlung nach dem Hinweis der Kammervorsitzenden erklärte Klageerweiterung ins Leere gegangen, da der betreffende Streitgegenstand von Anfang an Gegenstand des Klageverfahrens gewesen ist.

Im vorliegenden Fall macht der Senat im Rahmen des Hauptberufungsantrags des Klägers von der Möglichkeit Gebrauch, den Rechtsstreit - soweit noch anhängig (s.o.) - an das SG zurückzuverweisen.

Nach § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG kann das Landessozialgericht durch Urteil die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das SG zurückverweisen, wenn dieses die Klage abgewiesen hat, ohne in der Sache selbst zu entscheiden. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt, wie oben dargelegt.

Das ihm durch § 159 Abs. 1 SGG eingeräumte Ermessen übt der Senat dahin aus, dass er den Rechtsstreit an das SG zurückverweist. Bei der Ermessensausübung im Rahmen von § 159 Abs. 1 SGG sind die Interessen der Beteiligten an einer zügigen Erledigung des Verfahrens abzuwägen mit dem Verlust einer Tatsacheninstanz (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Auf., § 159 Rn. 5 ff.; Sommer in BeckOGK-SGG, Stand 01.08.2024, § 159 Rn. 17; Adolf in jurisPK-SGG, 2. Aufl., § 159 Rn. 24, Stand 15.06.2022). Der Kläger hat sich vorliegend hauptweise für eine Zurückverweisung ausgesprochen, was ein wichtiges Abwägungskriterium darstellt. Nach Auffassung des Senats sprechen damit die gewichtigeren Gründe für eine Zurückverweisung, insbesondere das Interesse des Klägers, keine Instanz zu verlieren. Schließlich bejaht der Senat den Ausnahmefall einer Zurückverweisung auch im Hinblick auf die kurze Dauer des Berufungsverfahrens von nur vier Monaten.

Das SG hat bei der erneuten Entscheidung von der Zulässigkeit der Klage hinsichtlich der Gewährung von Erwerbsminderungsrente auf den Antrag vom 06.08.2020 bindend auszugehen (§ 159 Abs. 2 SGG).

Die Kostenentscheidung bleibt der abschließenden Entscheidung des SG vorbehalten, da das erstinstanzliche Verfahren fortgesetzt wird (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, a.a.O. § 159 Rn. 5 f.; zu einer abweichenden Konstellation vgl. Senatsurteil vom 16.05.2024, L 10 U 1252/23, in juris). Dabei wird das SG auch über die gesamten Kosten des Verfahrens - einschließlich des Berufungsverfahrens - zu entscheiden haben. Obwohl die Berufung nur im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung Erfolg hat, soweit es um den Rentenantrag vom 06.08.2020 geht, war die Kostenentscheidung des SG ganz aufzuheben. Wer die Kosten eines Gerichtsverfahrens zu tragen hat, hängt vom Ausgang des gesamten Rechtsstreits ab, denn erst wenn die Sachentscheidung insgesamt feststeht, lässt sich das den Gerichten für die Verteilung der Kosten eingeräumte Ermessen sachgemäß ausüben (BSG 18.07.1989, 10 RKg 22/88, in juris Rn. 24; Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, a.a.O. § 193 Rn. 2a). Deshalb widerspräche es dem Sinn und Zweck des § 193 Abs. 1 SGG, wenn der Senat die Kostenentscheidung des Sozialgerichts aufrechterhalten hätte, soweit schon in der Sache selbst, namentlich bezogen auf die Klage betreffend das Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X, eine endgültige Entscheidung vorliegt.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

 

Rechtskraft
Aus
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