1. Eine Erkrankung der Halswirbelsäule kann jedenfalls dann keine Folge einer Berufskrankheit der Lendenwirbelsäule sein, wenn sie im Sinne der Konstellation B 5 der Konsensempfehlungen gegenüber dem Krankheitsbild an der Lendenwirbellsäule stärker ausgeprägt ist.
2. Eine Außerachtlassung bei dem Vergleich der Ausprägung kommt nur bei nicht degenerativ bedingten Krankheitsbildern der Halswirbelsäule in Betracht.
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob bei der Klägerin eine Berufskrankheit der Lendenwirbelsäule vorliegt.
Die Beklagte erreichte eine Berufskrankheitenanzeige der Krankenkasse der Klägerin, die diese ausdrücklich „auf Wunsch der Versicherten !!“ übersandte. Aus den beigefügten Angaben ging hervor, dass die Klägerin die belastende Tätigkeit bis 2013 ausgeübt hatte. In einer späteren Auskunft teilte die Klägerin ergänzend mit, sie leide seit ca. 2001 unter den geltend gemachten Wirbelsäulenbeschwerden. In einem Schreiben vom 4. April 2018 machte die Klägerin Angaben zu ihrer Belastung durch Heben und Tragen und reichte ausgefüllte Arbeitsplatz-Erhebungsbögen ein, die sie im Zusammenwirken mit der Beklagten verfeinerte.
Die Präventionsabteilung der Beklagten gelangte in ihrer Auswertung der Angaben vom 28. August 2018 zu einer Belastung, die die Einschaltung eines medizinischen Gutachters zur weiteren Prüfung erforderte.
Die Beklagte holte ein Gutachten von Dr. W., Chefarzt der Klinik für Orthopädie der H. Fachlinik V., vom 9. Januar 2019 ein. Darin gelangte dieser zu dem Ergebnis, bei der Klägerin liege die geltend gemachte Berufskrankheit vor. Es handele sich bei Ihr um eine Fallkonstellation B 6 der „Konsensempfehlungen“. Im Röntgenbild sei eine hochgradige Chondrose der Lendenwirbelsäulenabschnitte L4/5 und L5/S1 mit einer Höhenminderung des Bandscheibenfaches um mehr als die Hälfte (Grad III) nachgewiesen. An der Halswirbelsäule seien gleich stark ausgeprägte Veränderungen nachgewiesen wie an der Lendenwirbelsäule. Für diese Konstellation sei bei der Beratung der Konsensempfehlungen kein Konsens erzielt worden. Er gehe aber von einer Mitreaktion der Halswirbelsäule auf die beruflichen Belastungen der Klägerin aus, die in ihrem Fall zur Wahrscheinlichkeit des beruflichen Zusammenhangs führe.
Die Beklagte bat die in ihrem präventionsmedizinischen Bereich tätige Ärztin für Arbeitsmedizin Dr. S. um die Stellungnahme vom 21. Februar 2019, die nicht von einem beruflichen Zusammenhang ausging: Es handele sich bei der Klägerin um das typische Bild einer anlagebedingten Erkrankung. Zumindest sei es ein Krankheitsbild der Konstellation B 5 der Konsensempfehlungen und wegen der klinischen Auffälligkeit von Veränderungen der Halswirbelsäule nicht in einen beruflichen Zusammenhang zu bringen. Diese seien stärker ausgeprägt als diejenigen der Lendenwirbelsäule und auch früher aufgetreten.
In einer ergänzenden Stellungnahme zum Gutachten vom 17. April 2019 blieb der an der Begutachtung beteiligte Oberarzt Dr. P. bei der Auffassung der Gutachter und sah bei der Auswertung der Akte weder einen zeitlichen Vorrang noch einen schwereren Verlauf der Halswirbelsäulen- gegenüber der Lendenwirbelsäulenerkrankung.
Die Beklagte zog sodann weitere, ältere Befundunterlagen bei, darunter die Entlassungsdiagnosen einer Kur des Klinikums Bad S. vom 19. August 2003, eine ärztliche Bescheinigung der Fachärztin für Physiotherapie Dr. U. vom 3. März 2005 und Befund und Aufnahmen einer Magnetresonanztomographie der Halswirbelsäule vom 8. September 2005.
Mit Bescheid vom 26. August 2019 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Berufskrankheitenliste ab. Sie führte zur Begründung aus, die Veränderungen an der Halswirbelsäule seien stärker ausgeprägt als diejenigen an der Lendenwirbelsäule. Eine wesentliche Auswirkung beruflicher Belastungen auf die Lendenwirbelsäule lasse das Gegenteil erwarten.
Mit ihrem am 19. September 2019 bei der Beklagten eingegangenen Widerspruch betonte die Klägerin, sie habe 40 Jahre als Erzieherin in Behinderteneinrichtungen, Kindergärten und krippen gearbeitet, wo stark Wirbelsäulen belastende Tätigkeiten angefallen wären. In einer weiteren beratungsärztlichen Stellungnahme vom 23. Dezember 2019 führte der Unfallchirurg Dr. F. aus, die Voraussetzungen der Konstellation B 2 der „Konsensempfehlungen“ lägen schon insgesamt nicht vor, da alle Zusatzmerkmale über die Betroffenheit der beiden unteren Lendenwirbelsäulenabschnitte hinaus nicht erfüllt seien. Die B 3 Konstellation komme wegen der Bandscheibenschäden im Bereich der Halswirbelsäule ebenfalls nicht in Betracht.
Mit „Erlass“ vom 7. Februar 2020 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch zurück. Er stellte das Ergebnis der medizinischen Ermittlungen mit seinen Ergebnissen dar, die einer Anerkennung entgegenständen.
Mit der noch im gleichen Monat beim Sozialgericht Magdeburg eingegangenen Klage hat die Klägerin ihr Anliegen weiter verfolgt. Sie hat sich auf das Ergebnis des Gutachtens von Dr. W. berufen, das jedenfalls nur durch ein erneutes Gutachten entkräftet werden könnte.
Die Beklagte hat auf eine weitere beratungsärztliche Stellungnahme von Dr. F. vom 22. März 2022 verwiesen, wonach die im Wirbelsäulenabschnitt L5/S1 vorliegende Spondylose keine Begleitspondylose im Sinne der Konsensempfehlungen sein könne, weil eine solche begrifflich außerhalb der von Chondrose oder Vorfall liegenden Abschnitte liegen müsse.
Das Sozialgericht hat von dem Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. D. das Gutachten vom 6. Oktober 2021 eingeholt, wegen dessen Inhalt im Einzelnen auf Bl. 73 - 104 d. A. Bezug genommen wird. Im Wesentlichen ist Dr. D. zu der Beurteilung gelangt, die Gesundheitsstörungen der Lendenwirbelsäule der Klägerin hätten in ihren beruflichen Belastungen keine wesentliche Ursache. Der stärker ausgeprägte Schaden an der Halswirbelsäule schließe dies nach den Konsensempfehlungen aus. Die Beurteilung als Mitreaktion sei ausgeschlossen, da die Beeinträchtigungen im Bereich der Halswirbelsäule früher nachgewiesen worden seien als diejenigen der Lendenwirbelsäule. Zur näheren Bestimmung der Bandscheibenbefunde hat der Sachverständige insbesondere die anlässlich der vorherigen Begutachtung gefertigten Röntgenbilder von Lenden- und Halswirbelsäule vom 8. Oktober 2018 nachbefundet.
Auf Antrag der Klägerin nach § 109 SGG hat das Sozialgericht das Gutachten des Facharztes für Orthopädie mit Fachkunde orthopädische Kernspintomographie Dr. R. vom 29. März 2022 eingeholt, wegen dessen Inhalt im Einzelnen auf Bl. 135 - 147 d. A. Bezug genommen wird. Er hat die Auffassung vertreten, die Gesundheitsstörungen der Klägerin an der Lendenwirbelsäule hätten ihre wesentliche Ursache in den berufsbedingten Belastungen. Die ausgeprägten Schäden im Halswirbelsäulenbereich stellten keine konkurrierende Ursache dar, da sie keinesfalls schlimmer seien als diejenigen an der Lendenwirbelsäule und ein Unfall im Jahr 2005 ihre wesentliche Ursache sei.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 6. Dezember 2022 die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, bei der Klägerin liege eine Berufskrankheit nach Nr. 2108 Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung nicht vor. Als Prüfungsmaßstäbe nach zeitgemäßem wissenschaftlichen Standard seien die sog. Konsensempfehlungen maßgeblich. Diese hätten der Sachverständige Dr. D. und der Beratungsarzt Dr. F. folgerichtig umgesetzt. In der Halswirbelsäule der Klägerin lägen bereits mit Nachweisen aus den Jahren 2003 und 2005 Veränderungen vor, die diejenigen der Lendenwirbelsäule deutlich überstiegen. Dazu ergebe sich aus der Bewertung nach den Konstellationen B 5 und B 8 die fehlende Wahrscheinlichkeit einer Verursachung der Lendenwirbelsäulenerkrankung durch die beruflichen Belastungen.
Dem Gutachten von Dr. W. sei nicht zu folgen, weil es keinen Grund gebe, die schwereren Veränderungen im Bereich der Halswirbelsäule wegen vermeintlicher beruflicher Sonderbelastung aus der Ursachenprüfung der Lendenwirbelsäulenerkrankung auszublenden. Denn eine Berufskrankheit der Halswirbelsäule sei mangels einschlägiger Belastung bei der Klägerin nicht ersichtlich. Insoweit sei der geforderte Vergleich zwischen Lenden- und Halswirbelsäule bei der Ursachenprüfung der Lendenwirbelsäulenerkrankung allein nach den Befunden vorzunehmen.
Dem Gutachten von Dr. R. sei nicht zu folgen, weil eine Prüfung nach den „Konsensempfehlungen“ ihm nicht zu entnehmen sei. Die Auffassung, die Veränderungen der Halswirbelsäule seien durch den Unfall aus dem Jahr 2005 verursacht, sei nicht haltbar, weil sie schon zu dieser Zeit in einer Weise ausgeprägt gewesen seien, die über längere Zeit entstehen müsse.
Die Klägerin hat gegen das Urteil am 5. Januar 2023 Berufung eingelegt, die sie nicht begründet hat.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 6. Dezember 2022 und den Bescheid der Beklagten vom 26. August 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Februar 2020 aufzuheben und festzustellen, dass bei der Klägerin mit Wirkung vom 1. Juni 2014 an ein chronisches Lendenwirbelsäulensyndrom im Sinne eines Lumbalsyndroms mit pseudoradikulärer Schmerzausstrahlung bei radiologisch nachgewiesener Osteochondrose der unteren Lendenwirbelsäule und Pseudospondylolisthese L4/5 als Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung vorliegt.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat sich nicht zum Verfahren geäußert.
Das Gericht hat ein MRT vom 7. Juli 2015 und Röntgenaufnahmen vom 18. Juni 2015 beigezogen. Diese Aufnahmen hat es dem Sachverständigen Dr. D. zur Auswertung in einer ergänzenden Stellungnahme zu seinem Gutachten vom 5. Juni 2024 vorgelegt, wegen deren Inhalt im Einzelnen auf Bl. 204 – 214 d. A. Bezug genommen wird. Im Wesentlichen hat Dr. D. ausgeführt, die Auswertung der vorgelegten Aufnahmen führe nicht zu einer anderen Einschätzung als in seinem Ursprungsgutachten. Er gehe von einer Konstellation B 5 der „Konsensempfehlungen“ aus. Die beiden unteren Abschnitte der Lendenwirbelsäule seien altersvorauseilend geschädigt. Im Bereich der Halswirbelsäule seien vier Abschnitte schon durch frühere Aufnahmen gesichert, altersvorauseilend geschädigt. Die berufliche Verursachung des Lendenwirbelsäulenschadens könne nicht hinreichend wahrscheinlich gemacht werden.
Die Beteiligten haben mit Schriftsätzen vom 20. September 2024 – die Klägerin – und 8. Oktober 2024 – die Beklagte – einer Entscheidung allein durch den Vorsitzenden ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Bei der Entscheidung hat neben der Gerichtsakte die ausgedruckte elektronische Verwaltungsakte der Beklagten über den Antrag der Klägerin – Az. A... – vorgelegen und war Gegenstand der Entscheidung.
Entscheidungsgründe:
Die gem. §§ 143, 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung hat keinen Erfolg.
Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 26. August 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Februar 2020 beschwert die Klägerin nicht im Sinne von § 157 S. 1, § 54 Abs. 2 S. 1 SGG, weil die Beklagte darin zu Recht die Anerkennung einer Berufskrankheit der Lendenwirbelsäule nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (Anl. 1 BKV – i. d. F. d. VO v. 11.6.2009, BGBl. I S. 1273) abgelehnt hat. Denn die Voraussetzungen dieser Berufskrankheit lassen sich bei der Klägerin nicht feststellen.
Die Klägerin erfüllt nicht die medizinischen Voraussetzungen der Berufskrankheit. Nach § 9 Abs. 1 S. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII – G. v. 7.8.1996, BGBl. I S. 1254) reicht insoweit nicht ein abstrakter Zusammenhang, sondern ist im Einzelfall festzustellen, dass die Versicherte die Krankheit infolge der versicherten Tätigkeit erleidet. Ein solcher Zusammenhang ist gegeben, wenn sich aus Umständen, die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehen, ein mit überwiegender Wahrscheinlichkeit vorliegender Zusammenhang ableiten lässt (zu diesen Beweismaßstäben zuletzt BSG, Urt. v. 22.6.2023 – B 2 U 9/21 R – Juris, Rn. 8). Die Prüfung des Zusammenhangs zwischen den arbeitstechnischen Belastungen und dem betreffenden Krankheitsbild – hier – bandscheibenbedingter Erkrankungen der Lendenwirbelsäule richtet sich nach den jeweiligen wissenschaftlichen Erkenntnissen der Medizin. Diese Erkenntnisse finden sich auch heute (vgl. zuletzt BSG, Urt. v. 27.9.2023 – B 2 U 13/21 R – Juris, Rn. 31) in den „Medizinischen Beurteilungskriterien zu bandscheibenbedingten Berufskrankheiten der Lendenwirbelsäule“ einer interdisziplinären Arbeitsgruppe (kurz: Konsensempfehlungen, veröffentlicht in „Trauma und Berufskrankheit“ 2005, S. 211 ff.). Danach spricht hier der frühere und stärkere Befall der Halswirbelsäule mit Bandscheibenvorfällen gegen den beruflichen Zusammenhang der Lendenwirbelsäulenerkrankung bei der Klägerin. Mit diesen allgemeinen Vorgaben steht insbesondere das Gutachten des Sachverständigen Dr. D. in Einklang, dem das Gericht folgt.
Der Sachverständige lehnt einen Zusammenhang zwischen der beruflichen Belastung der Klägerin und der bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule im Sinne einer zumindest wesentlichen Ursache ab. Er ordnet den Gesamtbefund von Lenden- und Halswirbelsäule nachvollziehbar der Konstellation B 5 der „Konsensempfehlungen“ zu, nach deren Beurteilungsempfehlung der berufliche Zusammenhang im Sinne des Beweismaßstabs einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit für den hier vorliegenden Fall unwahrscheinlich ist, weil der Bandscheibenschaden an der Halswirbelsäule der Klägerin mit der klinischen Erkrankung eines chronischen Zervikalsyndroms einhergeht.
Der Ausgangsbefund im Bereich der unteren Wirbelsäule führt bei isolierter Betrachtung – wie insoweit für die Prüfung vorausgesetzt – in die Konstellation B 2. Denn bei der Klägerin lagen ausweislich der Auswertung des Magnetresonanztomogramms vom 7. Juli 2015 durch den Sachverständigen in beiden unteren Lendenwirbelsäulenabschnitten Chondrosen des Grades III vor, die bereits der früheren Auswertung der Röntgenaufnahmen aus dem Jahr 2018 entsprechen. Die Bewertung des Sachverständigen zieht den folgerichtigen Schluss aus der Beschreibung der B-Konstellationen in den „Konsensempfehlungen“ als solchen mit einem mono- oder bisegmentalen Befall der beiden unteren Wirbelkörperabschnitte und der entsprechenden Gegenüberstellung der Zusatzkriterien von B 2 bei monosegmentalem Befall oder Befall von „mehreren“ – mehr als dieser einen – Bandscheiben. Auf die Aufnahmen aus dem Jahr 2015 ist insoweit abzustellen, weil sie der Aufgabe der belastenden Beschäftigung durch die Klägerin im Mai 2013 zeitlich am nächsten liegen (vgl. „Konsensempfehlungen“, Abschnitt 1.2, a.a.O., S. 214).
Um die Konstellation B 1 der „Konsensempfehlungen“ handelt es sich bei der Klägerin nicht, weil die Spondylose zwischen dem 5. Lendenwirbel und dem Kreuzbeinwirbel nicht die Begriffsbestimmung einer Begleitspondylose in den „Konsensempfehlungen“ erfüllt. Eine solche muss nämlich mindestens zwei Wirbelsäulenabschnitte betreffen (a.a.O. S. 216 am Ende, übergehend auf S. 217).
Der Sachverständige stellt weiterhin die Voraussetzung der Konstellation B 5 fest, wonach die Bandscheibenschäden an der Halswirbelsäule stärker ausgeprägt sein müssen als diejenigen an der Lendenwirbelsäule. So ergibt die Nachbefundung des Magnetresonanztomogramms vom 7. September 2005 zwei ausgeprägte Bandscheibenvorfälle zwischen den Halswirbelkörpern 4 - 6 mit Rückenmarkkanaleinengung, Bandscheibenhöhenminderung und Nervenwurzelkompression C5 und C6. Dieser Befund geht durch die Ausprägung als Vorfall, die Folge einer Rückenmarkkanaleinengung und die Nervenwurzelkompression auch über den Lendenwirbelsäulenbefund von 2015 immer noch hinaus; auf diese Gesichtspunkte stützt sich Dr. D. bei seiner Beurteilung. Dem entspricht eine klinische Symptomatik, die die Fachärztin für Physiotherapie Dr. U. bereits als Diagnose ihrer Untersuchung vom 22. Februar 2005 als chronisches Zervikalsyndrom gegenüber – nur – wiederkehrenden Lendenwirbelsäulenschmerzen (rezidivierende Lumbalgien) in Höhe L4/5 beschreibt. Folgerichtig hält sie für den Halswirbelsäulenbereich eine gezielte manualtherapeutische Behandlung für erforderlich, während sie im Lendenwirbelbereich ein regelmäßiges Training der abgeschwächten Muskulatur für ausreichend hält. Eine vorher andere Verteilung der Krankheitsbilder lässt sich nicht feststellen, weil diese Einschätzung eine Zeit bereits kurz nach Beginn der Wirbelsäulenbeschwerden bei der Klägerin betrifft, den sie im Verwaltungsverfahren mit dem Jahr 2001 angegeben hat.
Es liegt kein Ausnahmesachverhalt bei der Klägerin vor, der an einer Berücksichtigung der stärkeren Ausprägung der Halswirbelsäulenveränderungen im Sinne der Konstellation B 5 der „Konsensempfehlungen“ hindern könnte. Der Vergleich der beiden Wirbelsäulenabschnitte dient erkennbar der Prüfung, ob eine anlagebedingte Erkrankung unabhängig von mechanischen Belastungen bei dem Betroffenen vorliegt. In Bezug auf ein solches Ziel folgerichtig unterstellen die „Konsensempfehlungen“ eingangs der Konstellationen ab B (a.a.O. S. 217, mittlere Spalte), dass die Veränderungen weder durch das Tragen von schweren Lasten auf der Schulter noch durch lokale Ursachenfaktoren wie z. B. Brüche erklärbar sein dürfen.
Die Klägerin hat der Beklagten gegenüber im Rahmen der arbeitstechnischen Ermittlungen zu keiner Zeit ein Tragen von schweren Gewichten – über 20 kg – auf der Schulter unter seitlichem Druck auf den Hals angegeben, wie es für die Berufskrankheit der Halswirbelsäule nach Nr. 2109 Anl. 1 BKV Voraussetzung ist (Wissenschaftliche Stellungnahme zu der Berufskrankheit Nr. 2109 pp. des Ärztlichen Sachverständigenbeirats „Berufskrankheiten“ beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales vom 14. Juni 2016, GMBl. v. 31.1.2017, S. 29 ff., hier zitiert nach , https://www.baua.de/DE/Themen/Praevention/Koerperliche-Gesundheit/Berufskrankheiten/Dokumente/Stellungnahme-2109, S. 3 f.). Aus der Belastungsaufstellung des Präventionsdienstes der Beklagten gehen ebenso wenig solche Belastungen hervor.
Der von der Klägerin erstmals anlässlich der Begutachtung durch Dr. D. erwähnte Autounfall – danach im Jahr 2000 – hat den Zustand der Halswirbelsäule nicht erkennbar beeinflusst. Einen solchen Einfluss beschreibt Dr. D. auch nicht noch bezieht er Unfallfolgen in seine Beurteilung mit ein. Aus der Mitteilung der Klägerin an ihn gehen unmittelbare Unfallverletzungen nicht hervor. Sie behauptet lediglich einen Beginn ihrer Halswirbelsäulenbeschwerden in einem zeitlichen Zusammenhang mit dem Unfall. Aus den heute noch vorliegenden Unterlagen aus diesem Zeitraum gehen weder der Unfall an sich noch eine damit verbundene Diagnose hervor. In der von dem Sachverständigen Dr. R. erhobenen medizinischen Anamnese findet sich wiederum keine Erwähnung eines Unfalls. Diese Tatsachenlage reicht nicht aus, um eine ursächliche Verbindung zwischen einem Unfall und degenerativen Veränderungen der Halswirbelsäule herzustellen. Soweit der Sachverständige Dr. R. den aus nicht erkennbarer Quelle dem 20. Mai 2005 zugeschriebenen Unfall als wesentliche Ursache für die Veränderungen der Halswirbelsäule ansieht, ist dies unschlüssig, weil bereits aus dem Entlassungsbericht des Klinikums Bad S. vom 19. August 2003 ein Zervikalsyndrom beiderseits bei Bandscheibenvorfall C4/5 und Protrusion C5/6 mit degenerativen Veränderungen hervorgeht. Diese Diagnose betrifft bereits die Abschnitte der Halswirbelsäule, die noch heute den stärkeren Befall der Hals- gegenüber der Lendenwirbelsäule ausmachen.
Dem Gutachten von Dr. R. folgt das Gericht aus den bereits dargelegten Gründen auch nicht, soweit dieser die Veränderungen der Halswirbelsäule im Vergleich zu denjenigen der Lendenwirbelsäule als keinesfalls schlimmer ansieht.
Den gutachterlichen Einschätzungen von Dr. W./Dr. P. kann das Gericht sich in der Beurteilung des Vergleichs zwischen Lenden- und Halswirbelsäule schon deshalb nicht anschließen, weil sie aus den am 8. Oktober 2018 gefertigten Röntgenaufnahmen der Halswirbelsäule – wohl radiologisch bedingt – die Bandscheibenvorfälle nicht ableiten (können). Die schon vorliegenden magnetresonanztomographisch gewonnenen Diagnosen von Bandscheibenvorfällen haben sie unberücksichtigt gelassen.
Soweit sie eine Mitreaktion der höheren Wirbelsäule auf die Belastung der Lendenwirbelsäule für möglich erachten, verkennen sie die überwiegende wissenschaftliche Erkenntnislage. Denn die allgemeine Aussage der „Konsensempfehlungen“, wonach ein Befall der Halswirbelsäule je nach Fallkonstellation gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen kann und insofern ein Vergleich von Chondrosen und Vorfällen anzustellen ist (a.a.O., S. 216, rechte Spalte) lässt für diese Zuordnung keinen Raum. Dagegen spricht im vorliegenden Fall auch die durch die spätere Beiziehung älterer Befunde zu belegende, mindestens gleichzeitig entwickelte schwerere Ausprägung der Befunde an der Halswirbelsäule gegenüber der Lendenwirbelsäule, die keine „Mit“- Reaktion im Sinne einer mittelbaren Folge sein kann. Diese Ausprägung ergibt sich bereits aus den Diagnosen von 2003 und den Befunden von 2005.
Die Kostenentscheidung nach § 193 SGG richtet sich hier nach dem Unterliegen der Klägerin.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen gem. § 144 Abs. 2 Nrn. 1, 2 SGG nicht vor, weil die Entscheidung auf der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts beruht.