Sozialgericht Düsseldorf
Az.: S 15 KR 2852/23 KH
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Verkündet am: 25.04.2024 |
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
……
Klägerin
Proz.-Bev.: ……
gegen
……
Beklagte
In Sachen …… ……
hat die 15. Kammer des Sozialgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 25.04.2024 durch die Vorsitzende, die Richterin am Sozialgericht …… sowie die ehrenamtliche Richterin …… und den ehrenamtlichen Richter …… für Recht erkannt:
- Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 300,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 14.11.2023 zu zahlen.
- Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
- Der Streitwert wird auf 300,00 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch auf Aufwandspauschale.
Die Klägerin ist Trägerin eines nach § 108 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) zugelassenen Krankenhauses in ……. Der bei der Beklagten versicherte …… …….
(* XX.XX.XXXX) wurde vom 02.04.2023 bis zum 24.04.2023 vollstationär wegen eines Hirninfarktes durch Thrombose zerebraler Arterien im Krankenhaus der Klägerin behandelt.
Am 05.05.2023 stellte die Klägerin der Beklagten für die genannte Behandlung 15.111,35 € auf der Grundlage der DRG B70B [Apoplexie mit neurologischer Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls, mehr als 72 Stunden oder mit komplexem zerebrovaskulären Vasospasmus oder intensivmedizinischer Komplexbehandlung > 196 / 184 / - Aufwandspunkte] in Rechnung. Die Beklagte zahlte und leitete am 31.05.2023 eine Prüfung der Verweildauer durch den Medizinischen Dienst Nordrhein (MD) ein. Der MD führte in einem nach Übersendung der beim Kläger angeforderten Behandlungsunterlagen erstellten Gutachten vom 31.07.2023 nach Aktenlage aus, dass die vollstationäre Krankenhausbehandlung bei verbesserter Ablauforganisation um drei Tage hätte verkürzt werden können. Ab dem 21.04.2023 seien keine klinischen Befunde, diagnostischen oder therapeutischen Maßnahmen dokumentiert, die der speziellen und ausschließlichen Mittel eines Krankenhauses bedurften. In den Krankenunterlagen sei das Warten auf einen Rehaplatz beschrieben.
In ihrer leistungsrechtlichen Entscheidung vom 03.08.2023 meldete die Beklagte unter Hinweis auf die sekundäre Fehlbelegung einen Erstattungsanspruch in Höhe von 1.327,10 € an. Nach Bestreiten der leistungsrechtlichen Entscheidung leitete die Beklagte am 08.08.2023 ein Erörterungsverfahren ein, das schriftlich am 13.09.2023 durchgeführt wurde. Im Ergebnis stimmte die Beklagte dem Hinweis der Klägerin auf die „i.v. Antibiose bis 24.04.2023, 6:00 Uhr“ dem Bestreiten der leistungsrechtlichen Entscheidung seitens des Krankenhauses zu („Zustimmung zu 3.2, EV beendet“).
Am 18.09.2023 stellte die Klägerin der Beklagten die Aufwandspauschale in Höhe von 300,00 € in Rechnung (Rechnungsnummer 12318537). Die Beklagte wies den Anspruch auf Aufwandspauschale am 20.09.2023 und 02.10.2023 zurück.
Die Klägerin hat durch ihre Bevollmächtigten am 14.11.2023 beim SG Düsseldorf Klage auf Zahlung der Aufwandspauschale nebst Prozesszinsen erhoben. Die Prüfung nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V habe nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrages geführt. Auch nach Durchführung eines Erörterungsverfahrens sei die Beklagte zur Zahlung der Aufwandspauschale verpflichtet und verwies auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 23.06.2015 – B 1 KR 24/14 R –, juris sowie gleichlautende Entscheidungen unterschiedlicher Landessozialgerichte, insbesondere des Hessischen Landessozialgerichts (LSG), Beschluss vom 06.01.2014, – L 1 KR 157/13 – und des Nordrhein-Westfälischen LSG, Urteil vom 13.02.2014, – L 5 KR 530/12 –, juris. Wenn nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung des BSG sowie der landessozialgerichtlichen Rechtsprechung eine Aufwandspauschale selbst dann zu zahlen sei, wenn im Nachgang an negative MD-Gutachten erst im Rahmen gerichtlicher Verfahren die Abrechnung der Krankenhäuser bestätigt werde, gelte dies selbstverständlich erst recht für bereits vorprozessual von der Krankenkasse letztgültig bestätigte Abrechnungen ohne eine Minderung des Abrechnungsbetrages nach dem gesetzgeberisch vorgesehenen Erörterungsverfahren.
Die Klägerin beantragt durch ihre Bevollmächtigten
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 300,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 14.11.2023 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung ihres Klagabweisungsantrags hat die Beklagte ausgeführt, dass die MD-Prüfung mit einer Beanstandung der Rechnung des Krankenhauses endete, die zu einer Minderung des Abrechnungsbetrages geführt habe. Dies sei Voraussetzung, um das MD-Verfahren zu durchlaufen.
In der mündlichen Verhandlung hat der Klägervertreter einen Hinweis des Sozialgerichtes (SG) München vom 24.04.2024 in dem Verfahren – S 18 KR 140/24 – eingeführt, mit dem die Beklagte aufgefordert wird, ein Anerkenntnis abzugeben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozessakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen; diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet.
I. Der als Leistungsklage nach § 54 Absatz 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaften Klage steht nicht die von Amts wegen zu überprüfende Prozessvoraussetzung des § 17c Absatz 2b Satz 1 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) entgegen. Denn bereits nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 17c Absatz 2b KHG und zudem nach dem gesetzgeberischen Willen (BT-Drs. 20/3876, S. 69) sind lediglich Verfahren zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit einer Krankenhausabrechnung im Sinne des § 39 SGB V vor Klageerhebung zwingend zu erörtern. Die Aufwandspauschale ist weder Bestandteil des Vergütungsanspruchs für die stationäre Behandlung noch Annexanspruch hierzu, sondern unterliegt eigenen tatbestandlichen Voraussetzungen (so BSG, Urt. v. 16.07.2020 – B 1 KR 15/19 R –, BSGE 130, 299-306, SozR 4-2500 § 275 Nr 32, Rn. 14 und jüngst der Hinweis des SG Münden vom 24.04.2024 – S 18 KR 140/24 –).
II. Die Klage ist begründet. Die Klägerin darf von der Beklagten die Zahlung einer Aufwandspauschale in Höhe von 300,00 € aus § 275c Abs. 1 Satz 2 SGB V beanspruchen.
Die Beklagte leitete eine Prüfung der Abrechnung der Krankenhausbehandlung ihres Versicherten im Krankenhaus durch den MD im Sinne des § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V ein. Die Prüfung erforderte eine Datenerhebung beim Krankenhaus durch Übersendung der angeforderten Unterlagen und verursachte mithin Aufwand.
Zur Überzeugung der Kammer führte die Prüfung objektiv nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrages.
Anders als die Beklagte offenbar ohne Auseinandersetzung mit der von der Klägerin zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung meint, genügt für die Feststellung einer Minderung des Abrechnungsbetrages nicht, dass das MD-Gutachten die Abrechnung beanstandet.
Nach ständiger Rechtsprechung des BSG insbesondere zusammengefasst in dem Urteil vom 23.06.2015 – B 1 KR 24/14 R –, juris Rn. 10 ist zur Feststellung des Erfolges einer Abrechnungsprüfung sogar der Ausgang eines gerichtlichen, ggf. mehrere Instanzen umfassenden gerichtlichen Verfahrens einzubeziehen:
„Ein Erfolg der Abrechnungsprüfung ist objektiv dann festzustellen, wenn das Krankenhaus nach Einleitung der MDK-Prüfung sich im dargelegten Sinne mit einem geringeren als dem Rechnungsbetrag begnügt, sei es, dass es ausdrücklich oder konkludent einer Minderung seiner Abrechnung zustimmt oder diese hinnimmt. Hierfür reicht es beispielsweise aus, dass das Krankenhaus – ggf. nach erfolgloser fakultativer oder obligatorischer Schlichtung nach § 17c Abs 4, Abs 4b S 3 Krankenhausfinanzierungsgesetz (vgl dazu BSG Urteil vom selben Tag - B 1 KR 26/14 R - RdNr 19 ff, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen) - die Zahlung des von der KK vorenthaltenen Restbetrages nicht gerichtlich verfolgt oder einer nachträglichen Aufrechnung nicht gerichtlich entgegentritt, oder in einem nachfolgenden Rechtsstreit insoweit unterliegt, als es zu irgendeiner Rechnungsminderung, und sei sie noch so geringfügig, kommt. […]. Umgekehrt bedeutet dies entgegen der Auffassung der Beklagten aber auch, dass das MDK-Prüfergebnis für den Anspruch auf die Aufwandspauschale unbeachtlich ist, wenn es im nachfolgenden Gerichtsverfahren keine Bestätigung im Sinne der Zuerkennung eines geringeren Zahlbetrags findet. Die Prüfung führt dann nicht zu einer objektiv feststellbaren Abrechnungsminderung.“
Dem schließt sich die Kammer nach eigener Prüfung an (so auch z. B. Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Urt. v. 24.08.2023 – L 5 KR 179/22 –, Rn. 27, juris und unter Hinweis auf die genannte BSG-Entscheidung der gleichsam das Erörterungsverfahren betreffende Hinweis des SG München vom 24.04.2024 – S 18 KR 140/24 –).
Wenn das Obsiegen im gerichtlichen Verfahren einen Anspruch der Klägerin auf Zahlung einer Aufwandspauschale begründet, so muss dies erst Recht gelten, wenn bereits die außergerichtliche Erörterung des Behandlungsfalls – wie vorliegend – zur vollumfänglichen Bestätigung der Abrechnung führt. Dieser Argumentum e contrario Schluss überzeugt zudem vor dem Hintergrund der durch das MDK-Reformgesetz intendierten Entlastung der Sozialgerichte durch das außergerichtliche Erörterungsverfahren, das an Attraktivität verlieren würde, wenn nur bei Obsiegen im gerichtlichen Verfahren nicht indes im Erörterungsverfahren der Makel fehlerhafter Abrechnung beseitigt und die Aufwandspauschale ausgelöst wird.
Folgte man der Rechtsansicht der Beklagten wäre der Klägerin nach einem negativen MD-Gutachten jegliche Möglichkeit genommen, das Ergebnis eines erfolgreichen gerichtlichen Verfahrens auch durch die Möglichkeit der Abrechnung einer Aufwandspauschale nachzuvollziehen.
Der Zinsanspruch beruht auf § 69 Abs. 1 Satz 3 SGB V in Verbindung mit § 291 Satz 1 Halbsatz 1, Satz 2, § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB (vgl. BSG, 09.04.2019 - B 1 KR 5/19 R, Rn. 39 mit weiteren Nachweisen).
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und die Festsetzung des Streitwerts auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 3, § 63 Abs. 2 Satz 1 Gerichtskostengesetz (GKG).
Rechtsmittelbelehrung:
Dieses Urteil kann nur dann mit der Berufung angefochten werden, wenn sie nachträglich durch Beschluss des Landessozialgerichts zugelassen wird. Zu diesem Zweck kann die Nichtzulassung der Berufung durch Beschwerde angefochten werden.
Die Berufung ist zuzulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
- das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
- ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Zweigertstraße 54, 45130 Essen
schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Die Beschwerdeschrift muss bis zum Ablauf der Frist bei diesem Gericht eingegangen sein. Sie soll das angefochtene Urteil bezeichnen und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.
Die elektronische Form wird durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments gewahrt, das für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet ist und
- von der verantwortenden Person qualifiziert elektronisch signiert ist und über das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) eingereicht wird oder
- von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gem. § 65a Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingereicht wird.
Weitere Voraussetzungen, insbesondere zu den zugelassenen Dateiformaten und zur qualifizierten elektronischen Signatur, ergeben sich aus der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung - ERVV) in der jeweils gültigen Fassung. Über das Justizportal des Bundes und der Länder (www.justiz.de) können nähere Informationen abgerufen werden.
Zusätzlich wird darauf hingewiesen, dass einem Beteiligten auf seinen Antrag für das Verfahren vor dem Landessozialgericht unter bestimmten Voraussetzungen Prozesskostenhilfe bewilligt werden kann.
Schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse eingereicht werden, sind als elektronisches Dokument zu übermitteln. Ist dies aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich, bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig. Die vorübergehende Unmöglichkeit ist bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen; auf Anforderung ist ein elektronisches Dokument nachzureichen. Gleiches gilt für die nach dem Sozialgerichtsgesetz vertretungsberechtigten Personen, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 65a Abs. 4 Nr. 2 SGG zur Verfügung steht (§ 65d SGG).