1. Im Bemessungsrahmen sind nur vollständige Entgeltabrechnungszeitäume zu berücksichtigen. Sofern die vollständig abgerechneten Entgeltzeiträume im erweiterten Bemessungsrahmen nicht die erforderlichen 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt ergeben, ist als Bemessungsentgelt ein fiktives Arbeitsentgelt zugrunde zu legen.
2. Dass die zur fiktiven Bemessung führenden Unterbrechungszeiten der Beschäftigung auf die Ableistung von Wehrdienst (Reservedienst) zurückzuführen sind, kann nicht zu einer günstigeren Behandlung führen.
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Der Kläger und Berufungskläger (im Folgenden nur: Kläger) begehrt statt eines nach einem fiktiven Entgelt bemessenen Arbeitslosengeldes (Alg) die Gewährung eines nach seinem tatsächlichen Verdienst bemessenen höheren Alg.
Der am ... 1956 geborene Kläger war gemäß einem Arbeitsvertrag ab dem 1. Juli 2019 als Landwirtschaftlicher Betriebsleiter bei einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) angestellt, an der gemäß seinen späteren Angaben seine Ehefrau und sein Sohn alle Gesellschaftsanteile hielten. Diese Tätigkeit wurde durch Zeiten unterbrochen, in denen der Kläger seinen Wehrdienst als Reservist absolvierte: vom 19. August bis 20. Dezember 2019, vom 6. Januar bis 31. Oktober 2020 und vom 4. Januar bis 31. Mai 2021. Der Arbeitsvertrag wurde durch die GbR durch arbeitgeberseitige Kündigung vom 17. Juni 2021 zum 15. Juli 2021 beendet.
Der Kläger meldete sich am 1. Juli 2021 mit Wirkung zum 16. Juli 2021 arbeitslos und beantragte Alg. Die dem Antrag beigefügte Arbeitsbescheinigung der GbR (ausgefüllt unter dem 4. Juli 2021) vermerkte die folgenden Bruttoverdienste: Juli 2019 6150,00 Euro, August 2019 (1. - 18.) 3683,34 Euro, Dezember 2019 (21. - 31.) 2306,48 Euro, Januar 2020 (1. - 5.) 1064,50 Euro, November 2020 6450,00 Euro, Dezember 2020 6450,00 Euro, Januar 2021 (1. - 3.) 648,39 Euro, Juni 2021 6450,00 Euro, Juli 2021 (1. - 15.) 3120,97 Euro. Nach einer späteren berichtigten Arbeitgeberbescheinigung (die aber auch das Datum 4. Juli 2021 trägt) habe der Bruttolohn für Juli 2019 6450,00 Euro, für Juni 2021 6700,00 Euro und für Juli 2021 3241‚94 Euro betragen.
Die Beklagte nahm an, dass ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis bei der Tätigkeit für die GbR vorgelegen hatte, und bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 22. Juli 2021 Alg nach einem täglichen Leistungsbetrag von 42,19 Euro vom 16. Juli 2021 bis 31. März 2022 (für 540 Tage). Sie legte ein Bemessungsentgelt i.H.v. 131,60 Euro zugrunde, wonach sich bei der vom Kläger angegebenen Lohnsteuerklasse V und der Anwendung der Lohnsteuertabelle 2021 ein Leistungsentgelt i.H.v. 70,31 Euro und ein hierauf anzuwendender Prozentsatz von 60 ergebe. Ergänzend erläuterte ihm die Beklagte die Bemessung mit einem Schreiben vom 22. Juli 2021, wonach er in den letzten zwei Jahren weniger als 150 Tage Anspruch auf Arbeitsentgelt gehabt habe. Der Bemessung des Alg werde daher ein fiktives Arbeitsentgelt zugrunde gelegt, welches sich nach seiner Beschäftigung als Geschäftsführer richte, da sich ihre Vermittlungsbemühungen in erster Linie hierauf erstreckten. Für die Tätigkeit sei eine Ausbildung an einer Hochschule oder Fachhochschule erforderlich (Qualifikationsgruppe 1, § 152 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung [SGB III]).
Gegen die Bewilligung erhob der Kläger Widerspruch (Schreiben vom 10. August 2021). Tatsächlich habe in der erweiterten Rahmenfrist vom 16. Juli 2019 bis zum 15. Juli 2021 ein Anspruch auf Arbeitsentgelt für 160 Tage bestanden, wie sich aus der Arbeitsbescheinigung ergebe. Auch der Teilmonat am Beginn der erweiterten Rahmenfrist sei bei der Ermittlung zu berücksichtigen. Damit müssten die Ansprüche auf Arbeitsentgelt wie folgt gezählt werden:
16. Juli 2019 bis 18. August 2019 34 Tage,
21. Dezember 2019 bis 5. Januar 2020 16 Tage,
31. Oktober 2020 bis 3. Januar 2021 65 Tage,
1. Juni bis 15. Juli 2021 45 Tage (gesamt: 160 Tage).
Die Beklagte wies den Widerspruch als unbegründet zurück (Widerspruchsbescheid vom 2. September 2021). Der Bemessungszeitraum umfasse gemäß § 150 SGB III die beim Ausscheiden des Arbeitslosen aus dem jeweiligen Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträume der versicherungspflichtigen Beschäftigungen im Bemessungsrahmen. Der Bemessungsrahmen umfasse ein Jahr. Er ende mit dem letzten Tag des letzten Versicherungspflichtverhältnisses vor der Entstehung des Anspruchs. Der Bemessungsrahmen umfasse somit die Zeit vom 16. Juli 2020 bis 15. Juli 2021. Der Bemessungsrahmen sei hier gemäß § 150 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB III auf zwei Jahre (16. Juli 2019 bis 15. Juli 2021) zu erweitern, weil im Bemessungszeitraum weniger als 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt enthalten seien. Der Kläger habe gemäß der vorliegenden Arbeitsbescheinigung vom 4. Juli 2021 folgende Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelte nachgewiesen:
1. August 2019 bis 18. August 2019 18 Tage,
21. Dezember 2019 bis 5. Januar 2020 15 Tage,
1. November 2020 bis 3. Januar 2021 64 Tage,
1. Juni 2021 bis 15. Juli 2021 45 Tage (gesamt: 142 Tage).
Nach gefestigter Rechtsprechung gehöre ein Entgeltabrechnungszeitraum nicht zum Bemessungszeitraum, wenn dieser nicht vollständig im Bemessungsrahmen liege (Verweis auf Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 8. Juli 2009 - B 11 AL 14/08 R). Für die Bemessung zu berücksichtigen seien demnach nur vollständig innerhalb des Bemessungsrahmens liegende und abgerechnete Entgeltabrechnungszeiträume, also nicht der Entgeltabrechnungszeitraum Juli 2019. Während der Ausübung einer Wehrübung als Reservedienstleistender vom 19. August 2019 bis 20. Dezember 2019, 6. Januar 2020 bis 31. Oktober 2020 sowie vom 4. Januar 2021 bis 31. Mai 2021 habe der Kläger keinen Anspruch auf Arbeitsentgelt gehabt, weshalb diese Zeiten nicht als Entgeltabrechnungszeiträume im Bemessungsrahmen herangezogen werden könnten. Diese Zeiten seien lediglich als Versicherungspflichtzeiten nach § 26 Abs. 1 Nr. 2 SGB III zur Erfüllung der Anwartschaftszeit (§ 142 Abs. 1 SGB III) heranzuziehen. Folglich habe der Kläger insgesamt 142 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt nachgewiesen, sodass auch im erweiterten Bemessungsrahmen vom 16. Juli 2019 bis 15. Juli 2021 keine 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt festzustellen seien. Als Bemessungsentgelt sei daher abweichend von § 151 Abs. 1 SGB III gemäß § 152 SGB III ein fiktives Arbeitsentgelt zugrunde zu legen. Dabei sei der Arbeitslose der Qualifikationsgruppe zuzuordnen, die der beruflichen Qualifikation entspricht, die für die Beschäftigung erforderlich sei, auf die sie die Vermittlungsbemühungen für den Arbeitslosen in erster Linie zu erstrecken habe. Dabei sei zugrunde zu legen für Beschäftigungen, die eine Hochschul- oder Fachhochschulausbildung erfordern (Qualifikationsgruppe 1), ein Arbeitsentgelt in Höhe von einem Dreihundertstel der Bezugsgröße. Hier sei der Bemessung ein fiktives Arbeitsentgelt nach der Qualifikationsgruppe 1 zugrunde zu legen, weil sich die Vermittlungsbemühungen für den Kläger in erster Linie auf Beschäftigungen dieser Qualifikationsgruppe erstreckten. Die Bezugsgröße betrage jährlich 39.480,00 Euro. Für die Qualifikationsgruppe 1 ergebe sich danach ein tägliches Bemessungsentgelt in Höhe von 131,60 Euro. Maßgeblich sei die Lohnsteuerklasse V. Damit ergebe sich unter Berücksichtigung der gesetzlichen Abzüge ein Leistungsentgelt in Höhe von 70,31 Euro. Beim Kläger sei nach § 149 SGB III kein Kind zu berücksichtigen. Er habe damit Anspruch auf Alg nach dem allgemeinen Leistungssatz von 60 Prozent des Leistungsentgelts. Das Alg betrage daher täglich 42,19 Euro.
Der Kläger hat am 4. Oktober 2021 Klage beim Sozialgericht Magdeburg (SG) gegen die Bewilligung durch den Bescheid vom 22. Juli 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. September 2021 erhoben und die Verurteilung der Beklagten zur Gewährung von Alg ab dem 16. Juli 2021 unter Zugrundelegung des tatsächlichen Verdienstes der erweiterten Rahmenfrist begehrt.
Wegen Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit hob die Beklagte die Entscheidung über die Bewilligung von Alg gem. § 136 SGB III ab dem 1. Oktober 2021 wieder auf (Bescheid vom 1. Oktober 2021). Die Beklage gewährte ihm nach seinen Angaben ab dann einen Gründungszuschuss in Höhe des Alg.
Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 15. August 2024): Entgegen der Auffassung des Klägers sei das im Zeitraum vom 16. Juli bis 31. Juli 2019 erzielte Bruttoentgelt nicht zu berücksichtigen. Denn der Entgeltabrechnungszeitraum Juli 2019 liege damit nur zum Teil innerhalb des Bemessungsrahmens. Teile von Abrechnungszeiträumen seien aber nicht zu berücksichtigen.
Gegen das ihm am 22. August 2024 zugestellte Urteil hat der Kläger am 16. September 2024 Berufung eingelegt und seine Klage insgesamt weiterverfolgt. Für die Annahme des SG, der Bemessungszeitraum umfasse nur vollständig im Bemessungsrahmen enthaltene Entgeltabrechnungszeiträume, gebe es im Gesetz keinen Anhalt. Andererseits normiere § 151 Abs. 1 SGB III das Bemessungsentgelt als das durchschnittlich auf den Tag bezogene im Bemessungszeitraum erzielte beitragspflichtige Arbeitsentgelt, mit der Folge, dass das auf die Tage eines Teilabrechnungszeitraumes entfallende durchschnittliche Arbeitsentgelt unschwer zu ermitteln sei. Im Übrigen sei der Gesetzeswortlaut eindeutig. § 150 Abs. 2 SGB III führe die bei der Ermittlung des Bemessungszeitraumes außer Betracht bleibenden Zeiten abschließend in den Nummern 1 bis 5 auf. Hätte der Gesetzgeber bestimmen wollen, dass Teilmonate zu Beginn des Bemessungsrahmens unberücksichtigt bleiben sollen, hätte er dies in § 150 Abs. 2 SGB III getan. Tatsächlich habe er während der erweiterten Rahmenfrist Anspruch auf Arbeitsentgelt für 160 Tage. Die im Urteil vom SG zitierte Entscheidung des BSG vom 8. Juli 2009 (Az. B 11 AL 14/08 R) stütze dessen Auffassung nicht. Im dort entschiedenen Fall sei lediglich die Heranziehung eines Teilmonats bei der Ermittlung der Höhe des Alg Verfahrensgegenstand gewesen. Mit der Frage, ob ein solcher Teilmonat bei der Ermittlung der Anzahl der Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt zu berücksichtigen sei, habe sich das BSG gerade nicht befasst. Außerdem sei die vorgenannte Entscheidung zu einem früheren Rechtsstand ergangen. Die von der Beklagten herangezogene Regelung sei auch in höchstem Maße unbillig, da sie Antragsteller benachteilige, deren Arbeitslosigkeit durch eine fristgerechte Kündigung zum Fünfzehnten eines Monats (§ 622 Abs. 1 1. Alt. des Bürgerlichen Gesetzbuches [BGB]) oder eine fristlose Kündigung aus wichtigem Grund (§ 626 Abs. 1 BGB) ausgelöst wurde. Außerdem ergebe es keinen Sinn, den Mindestzeitraum für den Anspruch auf Arbeitsentgelt nach Tagen zu bemessen, wenn gerade einzelne Tage zu Beginn der Rahmenfrist unberücksichtigt bleiben sollen. Darüber hinaus würden Arbeitgeber in der Kopfzeile der Tabelle unter Ziffer 7 des Formblattes „Arbeitsbescheinigung“ ausdrücklich aufgefordert, „Teilmonate zu Beginn oder am Ende des Beschäftigungsverhältnisses...“ zu bescheinigen. Auch führe die Anwendung der angeblichen Regelung, den Teilmonat nicht zu berücksichtigen, wegen der dann hier vorgenommenen fiktiven Ermittlung zu einem grob unbilligen Ergebnis. Sonst hätte er ein um die Hälfte höheres Alg zu beanspruchen. Schließlich seien durch den Arbeitgeber Beiträge zur Arbeitslosenversicherung in höchstmöglichem Umfang abgeführt worden. Während der Wehrdienstzeiten seien auch Beiträge zur Arbeitslosenversicherung durch den Bund gezahlt worden. Hilfsweise werde vorgetragen, dass nach § 6 Abs. 1 Arbeitsplatzschutzgesetz (ArbPlSchG) Zeiten der Wehrübung auf die Betriebszugehörigkeit anzurechnen seien. Es ist nicht ersichtlich, dass dies für die Ermittlung des Zeitraumes mit Anspruch auf Arbeitsentgelt nicht gelten solle. Schließlich hätte ohne die Einberufung zum Wehrdienst für die gesamte Rahmenfrist ein Anspruch auf Arbeitsentgelt bestanden. Eine Benachteiligung wegen der Ableistung des Wehrdienstes könne nicht Intention des Gesetzgebers sein und wäre darüber hinaus im Ergebnis grob unbillig.
Der Kläger beantragt,
das Arbeitslosengeld für den Zeitraum ab dem 16. Juli 2021 unter Aufhebung der angegriffenen Bescheide und des Urteils des Sozialgerichts Magdeburg unter Zugrundelegung des in der erweiterten Rahmenfrist vom 16. Juli 2019 bis 15. Juli 2021 gezahlten beitragspflichtigen Bruttoentgelts zu berechnen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung verweist sie auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil. Entgegen den Ausführungen in der Berufungsschrift seien weder eine Benachteiligung aufgrund der absolvierten Wehrübungen zu erkennen noch die höchstrichterliche Rechtsprechung missachtet worden.
Der Berichterstatter hat den Beteiligten mit Schreiben vom 28. Oktober 2024 die Gelegenheit eingeräumt, sich zur Zurückweisung der Berufung durch Beschluss zu äußern.
Hierauf hat der Kläger eingewandt, der Wortlaut des § 150 Abs. 1 Satz 1 SGB III sei gerade nicht eindeutig dahingehend zu verstehen, dass nur volle Monate als Entgeltabrechnungszeiträume innerhalb des Bemessungsrahmens zu werten seien. Hätte der Gesetzgeber den Willen zu einer solchen einschneidenden und Leistungsempfänger in bestimmten Konstellationen benachteiligenden Regelung gehabt, hätte er dies im Gesetzeswortlaut eindeutig formuliert. Außerdem sei er durch die mehrfache Unterbrechung des Beschäftigungsverhältnisses durch Wehrübungen in Verbindung mit der restriktiven Auslegung des § 150 Abs. 1 Satz 1 SGB III benachteiligt. Diese Benachteiligung verstoße gegen § 5 ArbPlSchG. Entsprechend der Mitteilung der Beklagten vom 6. Dezember 2023 an das SG stünde ihm bei antragsgemäßer Bewilligung ein täglicher Leistungssatz von 60,94 Euro (anstelle von 42,19 Euro) für den Zeitraum vom 16. Juli 2021 bis zum 30. September 2021 zu. Danach stehe ihm in entsprechender Höhe bis zum 30. April 2022 ein Gründungszuschuss zu.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zur Gerichtsakte gelangten Schreiben der Beteiligten sowie auf die von der Beklagten beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen, die Gegenstand der Beratung waren.
II.
Die Berufung hat keinen Erfolg.
1. Der Senat durfte nach § 153 Abs. 4 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) durch Beschluss der Berufsrichter entscheiden, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Hierzu konnten sich die Beteiligten äußern. Ihre Zustimmung zu dieser Form der Entscheidung ist nicht erforderlich.
2. Gegenstand des Verfahrens ist die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG vom 15. August 2024, mit dem es seine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG) gegen den Bescheid vom 22. Juli 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. September 2021 in der Fassung des Bescheides vom 1. Oktober 2021 (§ 96 SGG) und auf die Verurteilung der Beklagten zur Gewährung von Alg ab dem 16. Juli 2021 unter Zugrundelegung des tatsächlichen Verdienstes in der erweiterten Rahmenfrist abgewiesen hat. Inhaltlich ist damit das Begehren des Klägers betroffen, Alg in Höhe eines täglichen Leistungssatzes von 60,94 Euro anstelle von 42,19 Euro für den Zeitraum vom 16. Juli 2021 bis zum 30. September 2021 zu erhalten.
3. Die Berufung ist danach gemäß § 143 SGG i.V.m. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG ohne Zulassung statthaft. Der für den Zeitraum vom 16. Juli 2021 bis zum 30. September 2021 geltend gemachte höhere Anspruch auf Alg i.H.v. insgesamt 1425,00 Euro übersteigt die Schwelle von mehr als 750 Euro bei einer auf eine Geldleistung gerichteten Klage. Die Berufung ist auch in zulässiger Weise, insbesondere fristgerecht (§ 151 SGG) erhoben worden.
4. Die Berufung ist aber unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Sie ist nicht begründet. Die angefochtene Bewilligung durch den Verwaltungsakt vom 22. Juli 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. September 2021, begrenzt durch den Verwaltungsakt vom 1. Oktober 2021, verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat nach dem SGB III keinen höheren Anspruch auf Alg ab dem 16. Juli 2021, insbesondere keinen Anspruch auf dessen Bemessung nach dem innerhalb des Bemessungsrahmens taggenau ermittelten Bruttoeinkommen. Bei der Prüfung eines ausreichenden Bemessungszeitraums berücksichtigen sind vielmehr nur die vollständig abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträume. Das Gesetz eröffnet keine Möglichkeit, hiervon abzuweichen.
a) Der Kläger erfüllte die Voraussetzungen gemäß § 136 Abs. 1 Nr. 1 SGB III für den Anspruch auf Alg bei Arbeitslosigkeit ab dem 16. Juli 2021. Er war ab diesem Zeitpunkt arbeitslos i.S.d. § 137 Abs. 1 Nr. 1, § 138 Abs. 1 SGB III, weil er ohne Beschäftigung und bemüht war, die eigene Beschäftigungslosigkeit zu beenden (Eigenbemühungen), und er stand den Vermittlungsbemühungen der Beklagten zur Verfügung (Verfügbarkeit), weil er - wie aus seiner vorgehenden Beschäftigung und nachgehenden Tätigkeit zu schließen war - insbesondere eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes ausüben konnte und durfte (§ 138 Abs. 5 SGB III). Der Kläger hatte sich auch i.S.d. § 141 SGB III bei der Beklagten wirksam arbeitslos gemeldet und einen Antrag auf Alg ab dem 16. Juli 2021 gestellt (vgl. auch § 323 Abs. 1 Satz 2 SGB III).
b) Der Senat hat keine begründeten Zweifel, dass der Kläger zudem die notwendige Anwartschaftszeit erfüllt hatte, so dass der Sachverhalt hierzu auch nicht weiter aufzuklären ist. Die Anwartschaftszeit erfüllt gemäß § 142 Abs. 1 SBG III, wer in der Rahmenfrist mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat. Die Rahmenfrist beträgt gemäß § 143 SGB III (in der hier ab 1. Januar 2020 geltenden Fassung) 30 Monate und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg, hier also am 15. Juli 2021. Aufgrund des vom 1. Juli 2019 bis 15. Juli 2021 dauernden Arbeitsverhältnisses bestand formal ein ausreichend langes Versicherungspflichtverhältnis. Die Beklagte ist, den Auskünften des Klägers folgend, zu dessen Gunsten von einer versicherungspflichtigen Beschäftigung ausgegangen. Nach diesen Auskünften hat auch der Senat insbesondere nach dem Inhalt der schriftlichen Vereinbarungen im Arbeitsvertrag keine ausreichenden Anhaltspunkte, denen weiter nachzugehen wäre, dass keine versicherungspflichtige, d.h. keine abhängige Beschäftigung, sondern eine ggf. faktisch selbständige Tätigkeit im Unternehmen vorlag. Dass er in einem nur in der engsten Familie gehaltenen Unternehmen angestellt war, steht der Begründung eines versicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisses allein noch nicht entgegen (vgl. zu den Kriterien m.w.N. Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 27. Mai 2021 - L 3 BA 29/19 - juris Rn. 26). Schließlich besteht auch deshalb kein weiteres Aufklärungsbedürfnis, weil die auf höhere Leistungen gerichtete Klage bereits aus anderen Gründen unbegründet ist (siehe sogleich).
c) Die Bemessung des Alg durch die Beklagte ist nicht zu beanstanden, d.h. der Kläger hat keinen höheren Anspruch.
Die Bemessung des Alg richtet sich nach den Vorschriften der §§ 149 ff. SGB III. Es beträgt für Arbeitslose, die - wie der Kläger - kein Kind i.S.d. § 32 Abs. 1, 3 bis 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) haben, sowie für Arbeitslose, deren Ehegattin, Ehegatte, Lebenspartnerin oder Lebenspartner auch nicht mindestens ein Kind im Sinne des § 32 Abs. 1, 3 bis 5 EStG haben, 60 Prozent (allgemeiner Leistungssatz) des pauschalierten Nettoentgelts (Leistungsentgelt), das sich aus dem Bruttoentgelt ergibt, das die oder der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat (Bemessungsentgelt).
Der maßgebende Bemessungszeitraum umfasst nach § 150 Abs. 1 SGB III die die beim Ausscheiden aus dem jeweiligen Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträume und umfasst ein Jahr vor dem letzten Tag des letzten Versicherungspflichtverhältnisses vor der Entstehung des Anspruchs. Nach der überzeugenden Rechtsprechung des BSG, welcher sich der Senat anschließt, sind insoweit nur vollständige Abrechnungszeiträume relevant, so dass ein nur teilweise in den Bemessungszeitraum fallender Entgeltabrechnungszeitraum für die Bestimmung des Bemessungszeitraums und Bemessungsentgelts unberücksichtigt zu bleiben hat (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juni 2006 - B 7a AL 86/05 R - juris Rn. 21; BSG, Urteil vom 8. Juli 2009 - B 11 AL 14/08 R - juris Rn. 21). Diese Ansicht wird auch in der rechtswissenschaftlichen Literatur geteilt (vgl. z.B. Valgolio in: Hauck/Noftz, SGB III, 7. Ergänzungslieferung 2024, § 150 Rn. 66).
Denn anders als der Kläger meint, sind es gerade der Wortlaut des Gesetzes und der in ihm zum Ausdruck kommende Sinn und Zweck der Vorschrift, welche eine Teilung von Abrechnungszeiträumen bzw. eine von den Entgeltabrechnungszeiträumen abweichende taggenaue Erfassung der Entgelte im Bemessungszeitraum ausschließen. Das Gesetz knüpft mit dem Begriff des Entgeltabrechnungszeitraums ersichtlich an die arbeitsrechtliche Praxis an, ohne einen eigenen sozialversicherungsrechtlichen Maßstab zu bilden. Welches der Abrechnungszeitraum ist, ergibt sich also aus den tarifrechtlichen oder einzelvertraglichen Regelungen (vgl. Valgolio in: Hauck/Noftz, SGB III, 7. Ergänzungslieferung 2024, § 150 Rn. 63). Damit bezieht sich das Gesetz auf das Ergebnis eines Abrechnungszeitraums, d.h. auf die vollständige Abrechnung und nicht auf dessen einzelne Berechnungselemente. Dass nur vollständig abgerechnete Entgeltzeiträume in die Berechnung des Anspruchs auf Alg übernommen werden, entspricht dem Sinn und Zweck der Regelung. Denn die schlichte Übernahme des Ergebnisses der Lohnabrechnung dient der Verwaltungsvereinfachung, weil ansonsten eigene Berechnungen der Arbeitsverwaltung erforderlich wären oder aber komplizierte Umrechnungen der zumeist monatlichen Entgeltabrechnungen auf einzelne Tage bei ggf. nicht gleichmäßigem täglichen Gehalt angestellt werden müssten (vgl. BSG, Urteil vom 23. Februar 1977 - 12 RAr 79/76 - juris Rn. 14; BSG, Urteil vom 21. Juli 1977 - 7 RAr 102/76 - juris Rn. 18).
Insofern ist - wie das BSG zu Recht in Bezug auf die seit 1. Januar 2005 geltende und insoweit wortgleiche Vorläuferregelung zu § 150 Abs. 1 SGB III in § 130 Abs. 1 Satz 1 SGB III a.F. ausgeführt hat - nicht an die frühere Rechtsprechung (vgl. u.a. BSG, Urteil vom 25. Januar 1996 - 7 RAr 90/94 - juris Rn. 25) anzuknüpfen, dass nicht nur voll abrechnete Abrechnungszeiträume zu berücksichtigen sind. Denn sie beruhte auf einem anderen Gesetzeswortlaut bzw. einem anderen Rechtszustand, weil der Bemessungszeitraum nach § 112 Abs. 2 Satz 1 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) nur drei Monate betrug und die darin abgerechneten Lohnabrechnungszeiträume vor Entstehung des Anspruchs umfasste (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juni 2006 - B 7a AL 86/05 R - juris Rn. 21; BSG, Urteil vom 8. Juli 2009 - B 11 AL 14/08 R - juris Rn. 21). Weil nach dem geltenden Rechtszustand ein sehr viel längerer Bemessungszeitraum gilt, besteht generalisierend kein Bedürfnis mehr, die Vorschrift des § 150 Abs. 1 SGB III abweichend vom Wortlaut zu interpretieren, um eine sachgerechte Bemessung vorzunehmen.
Auch die systematischen Erwägungen des Klägers rechtfertigen keine hiervon abweichende Interpretation der Vorschrift. Systematisch sind die Regelungen in § 150 Abs. 3 SGB III (erweiterter Bemessungsrahmen) und § 152 SGB III (fiktive Bemessung) Folgeregelungen zu der vorgehenden Regelung in § 150 Abs. 1 SGB III zur Bestimmung des Bemessungszeitraums (und der in ihm zu berücksichtigenden Entgelte). Folglich können auch für die Anwendung des § 152 SGB III nur die für die Bildung des Bemessungszeitraums nach § 150 Abs. 1 SGB III relevanten Zeiträume ausschlaggebend sein.
Die im Juli 2019 liegenden Zeiten bzw. das darin verdiente Entgelt sind daher nicht zu berücksichtigen. Weil der Kläger damit aber nur 143 und nicht die erforderlichen 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt nachgewiesen hat, ist abweichend von § 151 Abs. 1 SGB III gemäß § 152 SGB III ein fiktives Arbeitsentgelt zugrunde zu legen.
Wegen der übrigen Berechnung verweist der Senat nach eigener Prüfung auf die rechtsfehlerfreie und ausführlich von der Beklagten im Widerspruchsbescheid dargestellte Berechnung des Anspruchs.
Die Ausführungen des Klägers zur Darlegung einer Unbilligkeit dieser Bemessung vermögen an der Anwendung des geltenden Rechts nichts zu ändern. Insbesondere modifiziert die Regelung in § 5 ArbPlSchG, wonach einem wehrdienstleistenden Arbeitnehmer in beruflicher und betrieblicher Hinsicht kein Nachteil entstehen darf, nicht die Regelungen zur Bemessung des Alg. Die Vorschrift bezieht sich nur auf die arbeitsrechtliche Stellung der Wehrdienstleistenden. Sie begründet zudem keine Ansprüche, sondern enthält lediglich ein spezielles Diskriminierungsverbot. Die Vorschrift führt daher nicht dazu, dass Wehrdienstleistende entgeltmäßig so zu stellen wären, als hätten sie gearbeitet (vgl. Herrmann in: Däubler/Hjort/Schubert/Wolmerath, Arbeitsrecht, 5. Aufl. 2022, § 5 ArbPlSchG Rn. 2). Mithin lässt sich aus der Norm und auch den weiteren Bestimmungen des ArbPlSchG sozialrechtlich nichts für den geltend gemachten Anspruch herleiten.
5. Verfassungsrechtliche Bedenken, die zur Aussetzung des Verfahrens und Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nötigen (Art. 100 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes [GG]), bestehen gegen die Regelung in § 150 Abs. 1 SGB III und die sie umsetzenden Verwaltungsakte nicht.
a) Eine mit der Verfassung, d.h. mit Art. 3 Abs. 1 GG, unvereinbare Benachteiligung in Form einer sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung liegt nicht vor. Die Regelung des § 150 Abs. 1 SGB III bewirkt zwar, dass diejenigen Arbeitnehmer tendenziell bevorteilt werden, welche nur vollständige Entgeltabrechnungszeiträume im Bemessungszeitraum vorweisen können. Dies ist aber gerechtfertigt. Denn bei der Ordnung von Massenerscheinungen - wie der Verwaltung des Alg - ist der Gesetzgeber berechtigt, generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen zu verwenden, ohne allein schon wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen (ständige Rechtsprechung, vgl. Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 28. Juni 2022 - 2 BvL 9/14 - juris Rn. 73). Dem entspricht die Regelung. Sie dient - wie bereits ausgeführt - einer möglichst einfachen und praktikablen Bemessung des Alg durch Übernahme der Ergebnisse der Entgeltabrechnungen und ist daher sachgerecht. Denn die Regelung nimmt mit diesem Vorgehen insgesamt vereinfachte Maßstäbe bei der Leistungsberechnung in Kauf, um eine schnelle Feststellung und Auszahlung des Alg zu ermöglichen. Als Ausgleich wird das Entgelt in einem relativ lang zurückliegenden Zeitraum berücksichtigt, so dass generalisierend angenommen werden kann, dass mit den darin enthaltenen abgerechneten Entgeltzeiträumen der Vorverdienst in aller Regel hinreichend sicher abgebildet wird. Soweit dieses - wie bei einer nicht ausreichenden Zahl von Beschäftigungstagen innerhalb des Bemessungsrahmens - nicht angenommen werden kann, dient die fiktive Bemessung als Auffangtatbestand zur Vermeidung nicht zu tolerierender Härten. Bei diesem insgesamt abgewogenen Vorgehen ist es daher hinzunehmen, dass im Einzelfall Teile des Arbeitseinkommens unberücksichtigt bleiben (vgl. auch BSG, Urteil vom 6. März 2013, B 11 AL 12/12 R - juris Rn. 20 zur Frage des Ausschlusses nicht abgerechneter Zeiträume).
b) Mithin kann auch keine unverhältnismäßige, d.h. Art. 14 Abs. 1 GG verletzende Regelung zur Ausgestaltung des Anspruchs auf Alg erkannt werden.
6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
7. Gründe im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.