Eine hinzugetretene Krankheit, wegen der eine Verlängerung der Bezugsdauer des Krankengeldes ausgeschlossen ist, muss nicht bereits während der vorausgehenden Arbeitsunfähigkeit ihrerseits Arbeitsunfähigkeit verursacht haben.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 17. Januar 2024 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander auch für das Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch auf Krankengeld über den 16. Januar 2022 hinaus, insbesondere über das Hinzutreten einer Krankheit.
Die im Dezember 1963 geborene und aufgrund ungekündigten Beschäftigungsverhältnisses als Pflegehelferin mit einem Anspruch auf Krankengeld bei der Beklagten versicherte Klägerin war seit dem 20. Juli 2020 arbeitsunfähig erkrankt. Vom 20. Juli 2020 bis 30. August 2020 leistete die Arbeitgeberin Entgeltfortzahlung. Seit dem 31. August 2020 bezog die Klägerin von der Beklagten Krankengeld i.H.v. kalendertäglich 40,23 Euro brutto bzw. 35,40 Euro netto.
Dem Krankengeldbezug lagen folgende Erkrankungen der Klägerin zugrunde: Vom 20. Juli 2020 bis 29. Dezember 2020 bescheinigten der behandelnde Hausarzt sowie Ärzte des medizinischen Versorgungszentrums „W der Klägerin Arbeitsunfähigkeit mit den Diagnosen M 99.89G (sonstige biomechanische Funktionsstörung: Abdomen und sonstige Lokalisationen), F 43.9G (Reaktion auf schwere Belastung, nicht näher bezeichnet), Z 56 (Kontaktanlässe mit Bezug auf das Berufsleben) sowie M 48.09 G (Spinal[kanal]stenose: Nicht näher bezeichnete Lokalisation) und M 51.1 G (Lumbale und sonstige Bandscheibenschäden mit Radikulopathie). Vom 7. bis 10. Oktober 2020 befand sich die Klägerin wegen einer Operation an der Lendenwirbelsäule in stationärer Behandlung und vom 30. Dezember 2020 bis 3. Februar 2021 zur stationären Anschlussheilbehandlung in der M Klinik H, aus der sie arbeitsunfähig mit folgenden Diagnosen entlassen wurde: M 48.06 (Spinalkanalstenose: Lumbalbereich), Z 98.8 (sonstige näher bezeichnete Zustände nach chirurgischen Eingriffen), I 10.90 (Essentielle Hypertonie, nicht näher bezeichnet) J 45.9 (Asthma bronchiale: nicht näher bezeichnet), M 23.21 (Meniskusschädigung durch alten Rest oder alte Verletzung: Vorderhorn des Innenmeniskus). Für die Zeit vom 30. Dezember 2020 bis 3. Februar 2021 erhielt die Klägerin Übergangsgeld von der Deutschen Rentenversicherung Bund. Vom 4. Februar 2021 bis 25. Mai 2021 bescheinigte der behandelnde Arzt des medizinischen Versorgungszentrums „W“ der Klägerin weiterhin Arbeitsunfähigkeit wegen der Diagnose M 51.1 G (Lumbale und sonstige Bandscheibenschäden mit Radikulopathie). In einem am 5. März 2021 ausgefüllten Fragebogen gab die Klägerin an, dass eine Operation „Meniskus Knie Links“ geplant sei, mit E-Mail vom 8. März 2021 beantragte sie wegen „Meniskusläsion Kniegelenk links“ die Kostenübernahme für Fahrtkosten. Zeitgleich befand sich die Klägerin wegen Schilddrüsenbeschwerden in ärztlicher Behandlung.Die ambulante Operation des Meniskus sollte am 22. März 2021 erfolgen, musste jedoch wegen der Schilddrüsenbeschwerden verschoben werden.Am 17. April 2021 gelangte der Gutachter des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) K zu dem Ergebnis, dass die attestierte Arbeitsunfähigkeit medizinisch plausibel sei
In der Zeit vom 25. Mai 2021 bis 28. Mai 2021 befand sich die Klägerin wegen einer Operation an der Schilddrüse in stationärer Behandlung in den DRK Kliniken B . Am 28. Mai 2021 attestierte ein Arzt dieser DRK Kliniken die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin vom 28. Mai bis 4. Juni 2021 aufgrund der Diagnose E04.9 (nicht toxische Struma, nicht näher bezeichnet). Für die Zeit vom 3. Juni 2021 bis 2. November 2021 bescheinigte der Hausarzt Dr. L Arbeitsunfähigkeit wegen der Diagnosen E 04.1G (Nichttoxischer solitärer Schilddrüsenknoten), R 69 Z (Unbekannte und nicht näher bezeichnete Krankheitsursachen) sowie R 20.8 G (Sonstige und nicht näher bezeichnete Sensibilitätsstörungen der Haut). Am 9. Juli 2021 gelangte der Gutachter des MDK K erneut zu dem Ergebnis, dass die attestierte Arbeitsunfähigkeit medizinisch plausibel sei, und am 21. Juli 2021, dass die Rekonvaleszenz bis Anfang August abzuwarten sei.
Die behandelnde Augenärztin Dr. G teilte der Beklagten aufgrund einer am 9. September 2021 erfolgten Untersuchung mit, dass bei der Klägerin eine „R/L Cataracta subcasularis“ bestehe und eine Operation erforderlich sei. Die Augenerkrankung der Klägerin wurde ab diesem Zeitpunkt durch die Gabe von Medikamenten behandelt. Eine Arbeitsunfähigkeit wegen der Behandlung der Augen bestand zunächst nicht und wurde auch nicht attestiert.
Am 30. September 2021 untersuchte der Medizinische Dienst (MD) die Klägerin und wertete eine Vielzahl von Befunden und Unterlagen der Klägerin aus. In der sozialmedizinischen Stellungnahme vom selben Tag gelangte der ärztliche Gutachter W zu dem Ergebnis, dass die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin bei multiplen Erkrankungen und Schmerzsyndrom „sowie aufgrund der noch anstehenden operativen Eingriffe (Augen, Knie) und anderen fachärztlichen Untersuchungen“ auf Zeit sozialmedizinisch begründbar sei. Als Diagnosen gab er an: M 51.1 (Lumbale und sonstige Bandscheibenschäden mit Radikulopathie), M 48.06 (Spinal[kanal]stenose: Lumbalbereich), M 23.30 (Sonstige Meniskusschädigung: mehrere Lokalisationen).
Am 3. November 2021 wurde bei der Klägerin eine ambulante Cataract-Operation des linken Auges, am 8. Dezember 2021 eine ambulante Operation des rechten Auges durchgeführt. Die Augenärztin Dr. G attestierte die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin für die Zeit vom 3. November 2021 (festgestellt am Donnerstag, den 4. November 2021) durchgehend bis Dienstag, dem 7. Dezember 2021, sowie von Mittwoch, dem 8. Dezember (festgestellt am 9. Dezember 2021), bis einschließlich 25. Januar 2022 wegen der Diagnosen H 59.8 GL (sonstige Affektionen des Auges und der Augenanhangsgebilde nach medizinischen Maßnahmen), Z 96.1 GL (Vorhandensein eines intraokularen Linsenimplantates), H 33.1 GL (Retinoschisis und Zysten der Netzhaut). Keine dieser Diagnosen hatte vor dem 3. November 2021 die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin begründet.
Für den 3. November 2021 und 8. Dezember 2021 zahlte die Beklagte der Klägerin kein Krankengeld.
Mit Bescheid vom 16. November 2021 stellte die Beklagte die Beendigung des Krankengeldanspruchs der Klägerin mit Ablauf des 16. Januar 2022 mit der Begründung fest, dass die Höchstbezugsdauer von 78 Wochen erreicht sein werde. Der hiergegen erhobene Widerspruch blieb erfolglos, mit Widerspruchsbescheid vom 3. Februar 2022 wies die Beklagte ihn zurück. Der Krankengeldanspruch von 546 Tagen sei mit Ablauf des 16. Januar 2022 erschöpft.
Mit Bescheid vom 19. Januar 2022 unter dem Betreff „Ruhen Ihres Krankengeldanspruchs“ teilte die Beklagte der Klägerin auf Nachfrage mit, dass die ihr zuletzt bescheinigte Arbeitsunfähigkeit am 2. November 2021 bzw. 7. Dezember 2021 geendet habe, die weitere Arbeitsunfähigkeit aber erst am 4. November 2021 bzw. 9. Dezember 2021 ärztlich festgestellt worden sei. Die Beklagte erklärte hierzu: „Aufgrund der verspäteten ärztlichen Feststellung Ihrer Arbeitsunfähigkeit ruht Ihr Anspruch auf Krankengeld“ und benannte als Zeiträume den 3. November 2021 und 8. Dezember 2021. Den hiergegen erhobenen Widerspruch der Klägerin vom 18. Februar 2022 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24. März 2022 zurück. Die Entscheidung wurde bestandskräftig.
Der behandelnde Hausarzt attestierte nachfolgend die weitere Arbeitsunfähigkeit der Klägerin für die Zeit vom 25. Januar 2022 bis 6. März 2022 wegen der Diagnosen M 25.59 G (Gelenkschmerz: Nicht näher bezeichnete Lokalisation).
Am 1. März 2022 hat die Klägerin vor dem Sozialgericht Berlin Klage erhoben. Sie hat darauf verwiesen, vom 3. Juni 2021 bis 2. November 2021 wegen einer Erkrankung der Schilddrüse, ab dem 3. November 2021 jedoch wegen der Operation des linken Auges krankgeschrieben gewesen zu sein. Insoweit liege keine hinzugetretene Erkrankung vor, die Frist von 78 Wochen habe erneut zu laufen begonnen. Zudem hätten die Krankheiten nicht in einer die Arbeitsunfähigkeit begründenden Weise nebeneinander gestanden.
Vom 28. Februar 2022 durchgehend bis mindestens 12. August 2022 war die Klägerin weiter arbeitsunfähig, bescheinigt durch Atteste des behandelnden Orthopäden Dr. W wegen der Diagnosen M 23.32 GL (sonstige Meniskusschäden: Hinterhorn des Innenmeniskus) und Z 98.8 GL (sonstige näher bezeichnete Zustände nach chirurgischen Eingriffen).
Das Sozialgericht hat einen Befundbericht der behandelnden Fachärztin für Augenheilkunde Dr. G vom 31. Oktober 2022 eingeholt. Die Fachärztin hat angegeben, dass sich die Klägerin erstmalig am 9. September 2021 vorgestellt und über eine schleichende Sehverschlechterung beidseits geklagt habe. Am 1. Oktober 2021 habe sie eine Cataracta corticonuclearis (H 25.0 G), zusätzlich sonstige Affektionen des Auges und der Augenanhangsgebilde nach medizinischen Maßnahmen (H 59.8 GB), Pseudophakie (Z 96.1 GB) sowie Retinoschisis und Zysten der Netzhaut (H 33.1 GL) diagnostiziert. Die Klägerin sei mit der Gabe von Medikamenten ab September 2021 behandelt worden, eine Arbeitsunfähigkeit sei von ihr nach der Cataract-Operation am linken Auge am 3. November 2021 bis 7. Dezember 2021 sowie nach der Operation am rechten Auge am 8. Dezember 2021 bis 25. Januar 2022 attestiert worden. Aus augenärztlicher Sicht habe nach Ablauf dieser Arbeitsunfähigkeit wieder eine Arbeitsfähigkeit im üblichen Maß bestanden.
Mit Urteil vom 17. Januar 2024 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Gewährung von Krankengeld über den 16. Januar 2022 hinaus. Die Höchstbezugsdauer des Krankengeldes nach § 48 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) sei am 16. Januar 2022 erreicht gewesen. Zwar handele es sich bei der Augenerkrankung nach der Cataract-Operation nicht um dieselbe Krankheit, die zuvor zur Arbeitsunfähigkeit der Klägerin geführt habe, da sie jeweils nicht auf dasselbe Grundleiden zurückzuführen seien. Jedoch habe bei der Klägerin eine Kniegelenkserkrankung während der gesamten Arbeitsunfähigkeit bestanden. Diese habe bereits zum Zeitpunkt des Aufenthalts in der Rehabilitationsklinik ab 30. Dezember 2020 bestanden und sei vom MD im Gutachten vom 30. September 2021 festgestellt worden. Es sei zudem nicht notwendig, dass die hinzugetretene Krankheit die Arbeitsunfähigkeit selbst bedinge. Ferner sei der Klägerin unmittelbar nach der Arbeitsunfähigkeit wegen der Augenbehandlung Arbeitsunfähigkeit wegen der Kniegelenkserkrankung bescheinigt wurden, was sich aus der überschneidenden Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Hausarztes ergebe, die ebenfalls wegen Gelenkschmerzen erfolgt sei.
Gegen das dem Klägervertreter am 20. Januar 2024 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 19. Februar 2024 Berufung eingelegt. Zu Unrecht habe das Sozialgericht die zeitliche Zäsur zwischen dem 2. und 3. November 2021 nicht berücksichtigt. Darüber hinaus reiche eine Manifestation einer Erkrankung nicht aus, vielmehr müsse jede hinzugetretene Erkrankung Arbeitsunfähigkeit für einen Tag überschneidend begründen. Diese Auslegung gebiete der Wortlaut von § 48 Abs.1 Satz 2 SGB V. Die Krankheiten der Klägerin hätten nicht in einer die Arbeitsunfähigkeit begründenden Weise nebeneinander gestanden, sodass die Klägerin weiterhin Krankengeld beanspruchen könne. In der Rehabilitationsklinik sei zudem keine Diagnosestellung zur Meniskusschädigung erfolgt, vielmehr habe sie bei einer Übung über Schmerzen im Knie geklagt und berichtet, im Jahr 2008 am Knie operiert worden zu sein. Dies habe Eingang in den Abschlussbericht gefunden. Der Medizinische Dienst habe die Diagnose lediglich übernommen. Multimorbidität bestehe nicht. Jedenfalls sei der Klägerin Krankengeld bis zum 28. Februar 2022 zu zahlen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 17. Januar 2022 sowie den Bescheid der Beklagten vom 16. November 2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Februar 2022 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Krankengeld bis zum Ablauf der gesetzlichen Frist von 78 Wochen zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Nach dem Willen des Gesetzgebers verlängere ein Hinzutritt einer Erkrankung die Leistungsdauer nicht. Sie habe vollumfänglich Krankengeld gewährt. Auch wenn die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin im Verlauf durch unterschiedliche Erkrankungen begründet worden sei, hätten diese nebeneinander bzw. einander hinzugetreten bestanden.
Die Beteiligten haben sich jeweils mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der Beratung des Senats gewesen sind, verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Entscheidung konnte ohne mündliche Verhandlung ergehen, da die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).
Die Berufung ist im Sinne der §§ 143, 144 SGG statthaft und nach § 151 SGG form- und fristgerecht erhoben worden.
Gegenstand der Berufung ist neben dem Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 17. Januar 2024 der Bescheid der Beklagten vom 16. November 2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Februar 2022. Gegenstand der Entscheidungen ist allein der Krankengeldanspruch der Klägerin über den 16. Januar 2022 hinaus. Zutreffend verfolgt die Klägerin ihr Begehren mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 1, Abs. 5 SGG.
Die Klage ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angegriffene Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat wegen Erreichens der Höchstbezugsdauer keinen Anspruch auf Zahlung von Krankengeld über den 16. Januar 2022 hinaus.
1.
Nach § 44 Abs. 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankengeld, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär in einem Krankenhaus, einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung behandelt werden.
Die Klägerin ist als Beschäftigte nach §§ 5 Abs. 1 Nr. 1, 44 Abs. 1 SGB V mit einem Anspruch auf Krankengeld bei der Beklagten versichert. Der Anspruch entstand mit der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit durch den behandelnden Arzt erstmals am 20. Juli 2020 und nachfolgend abschnittsweise erneut mit den weiteren ärztlichen Feststellungen der Arbeitsunfähigkeit der Klägerin bzw. mit Beginn der stationären Behandlung der Klägerin nach § 46 Satz 1 SGB V.
Die Klägerin war über den 16. Januar 2022 hinaus tatsächlich arbeitsunfähig, was zwischen den Beteiligten nicht streitig ist. Die Arbeitsunfähigkeit wurde auch ärztlich attestiert; durch die Augenärztin Dr. G bis einschließlich 25. Januar 2022, durch den behandelnden Hausarzt vom 25. Januar 2022 bis 6. März 2022 sowie vom 28. Februar 2022 durchgehend bis mindestens 12. August 2022 durch den behandelnden Orthopäden Dr. W.
Die Arbeitsunfähigkeit wurde der Beklagten von der Klägerin oder den behandelnden Ärzten jeweils rechtzeitig gemeldet, so dass nach dem 16. Januar 2022 insoweit kein Ruhen des Anspruchs nach § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V eintrat (zum Wegfall der Meldeobliegenheit der Versicherten ab 1. Januar 2021 Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 30. November 2023 – B 3 KR 23/22 R).
2.
Der Anspruch auf Zahlung von Krankengeld war mit Ablauf des 16. Januar 2022 erschöpft. Für die Zeit ab dem 17. Januar 2022 besteht aufgrund des Erreichens der Höchstbezugsdauer kein weiterer Anspruch der Klägerin.
Nach § 48 Abs. 1 SGB V gilt: Versicherte erhalten Krankengeld ohne zeitliche Begrenzung, für den Fall der Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit jedoch für längstens achtundsiebzig Wochen innerhalb von je drei Jahren, gerechnet vom Tage des Beginns der Arbeitsunfähigkeit an. Tritt während der Arbeitsunfähigkeit eine weitere Krankheit hinzu, wird die Leistungsdauer nicht verlängert.
a.
Mit der Attestierung der ersten Arbeitsunfähigkeit der Klägerin am 20. Juli 2020 wegen der orthopädischen Erkrankungen begann für diese Erkrankungen eine Blockfrist von 3 Jahren.
b.
Es handelt sich bei den im Laufe der vorliegend in Betracht zu nehmenden Zeiten der Arbeitsunfähigkeit aufgetretenen Erkrankungen des Bewegungsapparates, der Schilddrüse und der Augen nicht um „dieselbe Krankheit“, so dass die zeitliche Beschränkung des Krankengeldanspruchs nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB V keine Anwendung findet. Vom 20. Juli 2020 bis 25. Mai 2021 beruhte die Arbeitsunfähigkeit im Wesentlichen auf orthopädischen Leiden, für die Zeit vom 25. Mai 2021 bis 2. November 2021 führte im Wesentlichen die Behandlung der Schilddrüse der Klägerin zur Arbeitsunfähigkeit. Erst ab dem Folgetag, dem 3. November 2021, bis zum 25. Januar 2022 verursachten die Operationen der Augen die weitere Arbeitsunfähigkeit der Klägerin.
Bei dem orthopädischen Leiden, dem Schilddrüsenleiden sowie dem Augenleiden handelt es sich jeweils um eine Krankheit im Sinne von § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V, da jeweils ein regelwidriger, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichender Körper- oder Geisteszustand bestand, der ärztlicher Behandlung bedurfte (vgl. BSG, Urteil vom 19. Oktober 2004 – B 1 KR 3/03 R, juris Rn. 12). Bei im Zeitablauf nacheinander auftretenden Erkrankungen handelt es sich im Rechtssinne dann um dieselbe Krankheit, wenn der regelwidrige Körper- oder Geisteszustand, der die Krankheitsursache bildet, auf ein medizinisch nicht ausgeheiltes Grundleiden zurückzuführen ist (BSG, Urteil vom 21. Juni 2011 – B 1 KR 15/10 R –, juris Rn. 14). Die drei genannten Krankheitsgeschehen haben jedoch eine andere medizinische Ursache und kennzeichnen jeweils ein eigenständiges gesundheitliches Defizit (zum Begriff BSG, Urteil vom 8. November 2005 – B 1 KR 27/04 R –, juris Rn. 23).
c.
Die Krankheiten, die der jeweils vorangegangenen Arbeitsunfähigkeit nachfolgten, stellen jeweils hinzugetretene Erkrankungen i.S.v. § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB V dar. Die Dauer des mit der ersten Attestierung der Arbeitsunfähigkeit am 20. Juli 2020 begonnenen Zeitraums von 78 Wochen des Anspruchs auf Krankengeld wurde daher nicht aufgrund der weiteren Erkrankungen verlängert.
§ 48 Abs. 1 Satz 2 SGB V stellt die hinzutretende Krankheit bezüglich der Rechtsfolge der Leistungsbegrenzung dem Fall „derselben Krankheit" rechtlich gleich (BSG, Urteil vom 21. Juni 2011 – B 1 KR 15/10 R –, juris Rn. 17). Das Hinzutreten einer weiteren Krankheit zu einer weiter bestehenden und fortlaufend Arbeitsunfähigkeit verursachenden Erkrankung führt weder zur Entstehung eines gänzlich neuen Krankengeldanspruchs noch bewirkt es die Verlängerung der schon in Ansehung der ersten Krankheit maßgeblichen (begrenzten) Leistungsdauer (BSG, Urteil vom 8. November 2005 – B 1 KR 27/04 R –, juris Rn. 19). Nach der Rechtsprechung des BSG beruht die Begrenzung der Leistungsdauer des Krankengeldes auf der Erwägung, dass es in erster Linie der gesetzlichen Rentenversicherung obliegt, bei dauerhaft eingetretener Erwerbsminderung des Versicherten Entgeltersatzleistungen zur Verfügung zu stellen, während die gesetzliche Krankenversicherung typischerweise nur für den Ausgleich des entfallenden laufenden Arbeitsentgelts bei vorübergehenden, d.h. behandlungsfähigen Gesundheitsstörungen eintritt. Anreizen, das Krankengeld zweckwidrig als Dauerleistung mit Rentenersatzfunktion in Anspruch zu nehmen, sollte entgegengewirkt werden (BSG, Urteil vom 8. November 2005 – B 1 KR 27/04 R –, juris Rn. 20; BSG, Urteil vom 21. Juni 2011 – B 1 KR 15/10 R –, juris Rn. 15). Auch eine zeitgleich auftretende Krankheit kann eine hinzutretende darstellen (BSG, Urteil vom 8. November 2005 – B 1 KR 27/04 R –, juris Rn. 17).
aa.
Bei der Erkrankung der Schilddrüse handelt es sich um eine hinzugetretene Erkrankung. Nachdem bis zum 25. Mai 2021 Arbeitsunfähigkeit wegen der orthopädischen Leiden bescheinigt worden war, war die Klägerin wegen der Schilddrüsenerkrankung und stationärer Behandlung ab dem 25. Mai 2021 arbeitsunfähig.
In der Rechtsprechung ist durchweg anerkannt, dass die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB V vorliegen, wenn sowohl die erste wie auch die hinzugetretene Krankheit jeweils auch Arbeitsunfähigkeit bedingen (BSG, Urteil vom 21. Juni 2011 – B 1 KR 15/10 R –, juris Rn. 18, und Urteil vom 8. November 2005 – B 1 KR 27/04 R – juris Rn. 16). Am 25. Mai 2021 bestand für beide Erkrankungen unabhängig voneinander jeweils Arbeitsunfähigkeit. Es liegt eine Überschneidung von mindestens einem Tag vor, so dass sich die Dauer des Krankengeldanspruchs von 78 Wochen aufgrund der Arbeitsunfähigkeit wegen der Schilddrüsenerkrankung nicht verlängerte.
bb.
Auch bei der Augenerkrankung handelt es sich um eine hinzugetretene Erkrankung.
Führt die während der Arbeitsunfähigkeit aufgrund der ersten Krankheit (hier orthopädisches Leiden) hinzugetretene zweite Krankheit (hier: Schilddrüse) nicht zu einer Verlängerung der Höchstbezugsdauer, gilt dies auch für eine dritte Krankheit (hier: Augenleiden), die während der durch die zweite Krankheit verursachten Arbeitsunfähigkeit hinzutritt. Nicht notwendig ist, dass zu diesem Zeitpunkt die Arbeitsunfähigkeit noch durch die zeitlich erste Krankheit verursacht wird (Landessozialgericht [LSG] Baden-Württemberg, Urteil vom 22. Februar 2022 – L 11 KR 2166/21 –, juris).
Die Behandlungsbedürftigkeit der Augen – und damit einer Erkrankung der Augen – trat zwar zeitlich nach dem 20. Juli 2020 ein. Die Augenärztin Frau G berichtete über eine erste Vorstellung der Klägerin am 9. September 2021 und damit über einen Behandlungsbedarf der Augen ab dem 14. Monat der Blockfrist. Die Arbeitsunfähigkeit wegen der Augenerkrankung wurde hier erst ab dem 3. November 2021, dem Tag der Augenoperation am linken Auge, festgestellt.
In Rechtsprechung und Literatur ist umstritten, ob die hinzugetretene Erkrankung mindestens einen Tag mit der Vorerkrankung überschneidend für sich allein Arbeitsunfähigkeit verursacht haben muss oder ob es für die Rechtsfolgen des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB V genügt, dass zu einer Krankheit, die bereits Arbeitsunfähigkeit verursacht, eine weitere hinzutritt, ohne (zunächst) selbst Arbeitsunfähigkeit zu verursachen.
Im vorliegenden Fall bestand zwar eine Behandlungsbedürftigkeit der Augen – und damit eine Krankheit – ab dem 9. September 2021 und damit unstreitig bereits während der Arbeitsunfähigkeit wegen des Schilddrüsenleidens. Jedoch bestand eine eigenständige Arbeitsunfähigkeit wegen dieser Krankheit erstmals ab 3. November 2021, also am Tag nach Auslaufen der attestierten Arbeitsunfähigkeit wegen der Schilddrüsenerkrankung am 2. November 2021, rückwirkend ärztlich attestiert am 4. November 2021 (dazu sogleich). Die Einschätzung des ärztlichen Gutachters des MD vom 30. September 2021 stellt keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung wegen des Augenleidens dar, da die genannten Diagnosen die Augen nicht betreffen und der Gutachter lediglich auf eine künftige Operation abstellt.
Nach einer älteren Entscheidung des BSG bedarf es keiner sich überschneidenden Arbeitsunfähigkeit zweier selbständiger Erkrankungen, sondern genügt das zeitgleiche Auftreten der Krankheit. In einem Urteil vom 8. Dezember 1992 (– 1 RK 8/92 –, juris Rn. 16) führt das BSG aus:
„Dabei wird zwischen der (ersten) Krankheit und der hinzugetretenen (weiteren) Krankheit rechtlich grundsätzlich kein Unterschied gemacht. Die schon bestehende, also „dieselbe“ Krankheit und die hinzugetretene Krankheit bilden eine Einheit, ohne daß es darauf ankommt, ob die hinzugetretene allein oder nur zusammen mit der ersten Krankheit Arbeitsunfähigkeit herbeiführt.“
Dieser Ansicht folgen beispielsweise das LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 26. Februar 2024 – L 4 KR 695/23 –, juris Rn. 33), das Sozialgericht Stuttgart (Urteil vom 26. April 2021 – S 17 KR 4897/20) und die weit überwiegende Meinung in der Kommentarliteratur (Hauck/Noftz/Gerlach, 1. EL 2024, Rn. 23ff.; jurisPK-SGB V/Pfeiffer, 4. Aufl. 2020 Stand 20.7.2022, Rn. 20; BeckOGK/Schifferdecker, 15.8.2024, SGB V § 48 Rn. 21; NK-GesundhR/Stefan Greiner, 2. Aufl. 2018, SGB V § 48 Rn. 4; Spickhoff/Nebendahl, 4. Aufl. 2022, SGB V § 48 Rn. 9; Knickrehm/Roßbach/Waltermann, 8. Aufl. 2023, SGB V § 48 Rn. 4).
Nach anderer Ansicht muss die hinzutretende Erkrankung zeitgleich mit der Arbeitsunfähigkeit der ersten Erkrankung ihrerseits Arbeitsunfähigkeit bedingen, um die Rechtsfolge des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB V auszulösen (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 22. Februar 2022 – L 11 KR 2166/21 –, juris Rn. 21; Thüringer LSG, Urteil vom 26. September 2017 – L 6 KR 993/14 –, juris Rn. 27; BeckOK SozR/Tischler, 73. Ed. 1.6.2024, SGB V § 48 Rn. 15; Krauskopf/Rieke, 116. EL September 2022, SGB V § 48 Rn. 6). Diese Ansicht findet eine Stütze in Formulierungen des BSG, welche die Arbeitsunfähigkeit aufgrund einer hinzugetretenen Erkrankung betonen (BSG, Urteil vom 21. Juni 2011 – B 1 KR 15/10 R –, juris Rn. 18, und Urteil vom 8. November 2005 – B 1 KR 27/04 R – juris Rn. 16):
„Ein ´Hinzutreten während der Arbeitsunfähigkeit´ iS von § 48 Abs 1 Satz 2 SGB V liegt unter Berücksichtigung von Wortlaut, Systematik sowie nach Sinn und Zweck der Regelung auch dann vor, wenn zeitgleich mit dem Vorliegen oder Wiedervorliegen einer zur AU führenden ersten Erkrankung unabhängig von dieser Krankheit zugleich eine weitere Krankheit die Arbeitsunfähigkeit des Versicherten bedingt.“
Nach weiterer Ansicht erfasst § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB V auch den Fall, in dem eine Krankheit in unmittelbarem Anschluss an die Arbeitsunfähigkeit wegen der zuerst eingetretenen Krankheit für sich allein Arbeitsunfähigkeit verursacht (Krauskopf/Rieke, 116. EL September 2022, SGB V § 48 Rn. 6), was vorliegend gegeben ist.
Nach Überzeugung des erkennenden Senats findet § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB V – der erstgenannten Ansicht folgend – bereits Anwendung, wenn während einer die Arbeitsunfähigkeit bedingenden ersten Erkrankung eine weitere Krankheit hinzutritt, ohne dass die hinzutretende Erkrankung selbst bereits Arbeitsunfähigkeit verursacht haben muss. Die Verursachung einer eigenen Arbeitsunfähigkeit durch eine hinzugetretene Erkrankung ist unerheblich, da jede hinzutretende Erkrankung krankengeldrechtlich erst mit Wegfall der vorhergehenden Arbeitsunfähigkeit versicherungsrechtliche Bedeutung erhält. Maßgeblich ist, ob sich das Risiko realisiert, aufgrund mehrfacher, sich zeitlich überlagernder Erkrankungsrisiken länger als 78 Wochen arbeitsunfähig zu sein. Das ist bei der Klägerin der Fall gewesen.
Diese Auslegung des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB V folgt aus Wortlaut und Systematik der Norm sowie aus Praktikabilitätsgesichtspunkten.
Nach dem Wortlaut unterscheidet § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB V zwischen Arbeitsunfähigkeit und Krankheit und fordert lediglich das Hinzutreten einer weiteren „Krankheit“ während einer Arbeitsunfähigkeit, nicht jedoch das Hinzutreten einer weiteren Arbeitsunfähigkeit oder einer neuen Ursache einer Arbeitsunfähigkeit.
Sinn der Begrenzung der Leistungsdauer ist die Abgrenzung der Risikobereiche von gesetzlicher Krankenversicherung und gesetzlicher Rentenversicherung. In erster Linie soll die gesetzliche Rentenversicherung bei dauerhaft eingetretener Erwerbsminderung des Versicherten Entgeltersatzleistungen zur Verfügung stellen, während die gesetzliche Krankenversicherung typischerweise nur für den Ausgleich des entfallenden laufenden Arbeitsentgelts bei vorübergehenden Gesundheitsstörungen eintritt (BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 – B 1 KR 31/13 R –, juris Rn. 22 m.w.N.; BSG, Urteil vom 21. Juni 2011 – B 1 KR 15/10 R –, juris Rn. 15).
Schließlich ist es für Krankenkassen und Gerichte häufig nur unter unverhältnismäßigem Aufwand möglich, während einer bestehenden Arbeitsunfähigkeit die berufsbezogenen Auswirkungen (hierzu BeckOGK/Schifferdecker, 15.8.2024, SGB V § 44 Rn. 99 ff) einer hinzugetretenen Erkrankung zu ermitteln. Da eine kumulativ vorliegende Arbeitsunfähigkeit für den laufenden Krankengeldanspruch ohne Bedeutung ist, dürften häufig zeitnahe Feststellungen der Ärzte zum Vorliegen der Arbeitsunfähigkeit fehlen und das Vorliegen einer weiteren Ursache für die attestierte Arbeitsunfähigkeit durch den MD nachträglich nicht mehr oder nur schwerlich zu ermitteln sein, was dem Zweck der Regelung widerspräche. Zudem würde ein bloßer Wechsel der die Arbeitsunfähigkeit begründenden Diagnosen Missbrauchspotential eröffnen, da Versicherte eine weiter bestehende Arbeitsunfähigkeit der Erstdiagnose mit einem solchen Wechsel verschleiern könnten.
cc.
Die hinzugetretene Krankheit kann unter bestimmten Voraussetzungen für spätere Bezugszeiten in einem neuen Dreijahreszeitraum bedeutsam sein (BSG, Urteil vom 8. Dezember 1992 – 1 RK 8/92 – juris, Rn. 16). Die einheitliche rechtliche Behandlung von bestehender und hinzugetretener Erkrankung im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB V entfällt mithin allein in nachfolgenden Blockfristen (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 26. Februar 2024 – L 4 KR 695/23 –, juris Rn. 33; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 4. Dezember 2020 – L 26 KR 252/19 –, juris Rn. 35). Vorliegend trafen die Krankheiten jedoch innerhalb einer Blockfrist aufeinander.
d.
Das Sozialgericht hat die Frist von 78 Wochen im Ergebnis zutreffend berechnet. Die Frist endete mit Ablauf des 16. Januar 2022.
Die Frist von 78 Wochen wird gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB V vom Tag des Beginns der Arbeitsunfähigkeit an berechnet, sie begann im vorliegenden Fall am Dienstag, den 20. Juli 2020.
Die Höchstbezugsdauer endet nicht stets nach rechnerischem Ablauf von 78 ganzen Wochen. Denn Krankengeld wird gemäß § 47 Abs. 1 S. 6 SGB V für Kalendertage geleistet. Die in § 48 SGB V genannte Dauer von 78 Wochen bezieht sich vielmehr auf 546 Tage, an denen das Krankengeld gezahlt wird (hierzu BSG, Urteil vom 21. Juni 2011 – B 1 KR 15/10 R –, juris Rn. 13; BeckOGK/Schifferdecker, 15.8.2024, SGB V § 48 Rn. 28).
Für die Feststellung der Leistungsdauer des Krankengeldes nach Tagen enthält § 48 Abs. 3 SGB V konkrete Vorgaben. Danach werden Zeiten, in denen der Anspruch auf Krankengeld ruht oder für die das Krankengeld versagt wird, wie Zeiten des Bezugs von Krankengeld berücksichtigt (Satz 1). Zeiten, für die kein Anspruch auf Krankengeld besteht, bleiben unberücksichtigt (Satz 2). Das – hier nicht maßgebliche – Verhältnis zum Verletztengeld regelt seit 11. Mai 2019 ein Satz 3.
Der Krankengeldanspruch der Klägerin ruhte zunächst vom 20. Juli 2020 bis 30. August 2020 wegen des Bezuges einer Entgeltfortzahlung des Arbeitgebers (§ 49 Abs. 1 Nr. 1 SGB V) sowie vom 30. Dezember 2020 bis 3. Februar 2021 wegen der Zahlung von Übergangsgeld, § 49 Abs. 1 Nr. 3 SGB V. Diese Zeiträume werden nach § 48 Abs. 3 Satz 1 SGB V mit in die Krankengeldbezugsdauer eingerechnet.
Nach Überzeugung des Senats sind auch die zwei Tage (3. November 2021 und 8. Dezember 2021), an denen die Beklagte den Anspruch auf Krankengeld abgelehnt hat, gemäß § 48 Abs. 3 Satz 1 SGB V mit einzurechnen.
Es kann dahinstehen, ob tatsächlich am 3. November 2021 und am 8. Dezember 2021 kein Anspruch auf Krankengeld wegen fehlender nahtloser Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit bestand. Denn das Nichtbestehen eines Anspruchs ist zwischen den Beteiligten bestandskräftig festgestellt.
Ein Arzt der DRK-Kliniken hatte die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin bis 2. November 2021 attestiert. Die Augenärztin Dr. G attestierte die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin erst am Tag nach der Augenoperation am 4. November 2021 rückwirkend ab 3. November 2021. Nach § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V entsteht der weitere Anspruch auf Krankengeld von dem Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit an. Die Lücke in der Attestierung der Arbeitsunfähigkeit wurde nicht nach § 46 Satz 2 oder Satz 3 SGB V geschlossen. Nach Satz 2 bleibt der Anspruch auf Krankengeld jeweils bis zu dem Tag bestehen, an dem die weitere Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit ärztlich festgestellt wird, wenn diese ärztliche Feststellung spätestens am nächsten Werktag nach dem zuletzt bescheinigten Ende der Arbeitsunfähigkeit erfolgt. Das Ende der vorgehenden Arbeitsunfähigkeit war bis 2. November 2021 attestiert worden, Mittwoch der 3. November 2021 wäre der nächste Werktag gewesen, eine Feststellung der Arbeitsunfähigkeit erst am 4. November 2021 erfolgte einen Tag zu spät und zudem auch nicht wegen derselben Krankheit. Nach Satz 3 der Vorschrift bleibt der Krankengeldanspruch wegen derselben Krankheit bei einer Attestierungslücke bestehen für Versicherte, deren Mitgliedschaft nach § 192 Absatz 1 Nummer 2 SGB V vom Bestand des Anspruchs auf Krankengeld abhängig ist. Dies war bei der Klägerin nicht der Fall, da wegen der ungekündigten Beschäftigung eine Mitgliedschaft mit Anspruch auf Krankengeld nicht von der Lückenlosigkeit der Attestierung der Arbeitsunfähigkeit abhing und gerade nicht die Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit attestiert wurde. Ein Beginn des Krankengeldanspruchs schon am 3. November 2021 ergab sich auch nicht nach § 46 Satz 1 Nr. 1 SGB V wegen der Operation der Klägerin, da diese Operation ambulant und nicht stationär erfolgte.
Gleiches gilt für den 8. Dezember 2021. An diesem Tag bestand nach dem Wortlaut des § 46 Satz 2 und 3 SGB V wegen fehlender nahtloser Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit kein Anspruch auf Krankengeld. Die Augenärztin Dr. G hatte die Arbeitsunfähigkeit zwar wegen derselben Krankheit, jedoch zunächst bis Dienstag, den 7. Dezember 2021 attestiert, die Folgefeststellung erfolgte am Donnerstag, dem 9. Dezember 2021. Auch diese Lücke wurde nicht nach § 46 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 oder Satz 3 SGB V geschlossen.
Es kann dahinstehen, ob die Klägerin nach der Rechtsprechung des BSG ausnahmsweise so zu stellen ist, als wäre am 3. November 2021 und 8. Dezember 2021 jeweils Arbeitsunfähigkeit attestiert worden, weil es die Ärztin unterlassen hat, schon am Operationstag eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung auszustellen, und ob dieses Versäumnis der Krankenkasse zuzurechnen ist (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 21. September 2023 – B 3 KR 11/22 R –, juris Rn. 17ff. m.w.N.).
Denn die Beklagte hat mit bestandskräftigem Bescheid vom 19. Januar 2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. März 2022 die Gewährung von Krankengeld für den 3. November 2021 und 8. Dezember 2021 mit der Begründung abgelehnt, dass der Krankengeldanspruch ruhe. Diese Entscheidung ist durch den Senat nicht überprüfbar, denn die Entscheidung ist nicht Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens. Die – wenn auch tatbestandlich zweifelhafte – Entscheidung der Beklagten über ein Ruhen des Krankengeldanspruchs unterfällt der Anwendung des § 48 Abs. 3 Satz 1 SGB V, so dass beide Tage bei der Berechnung der Höchstbezugsdauer mitgezählt werden. Daran ist der Senat gebunden.
e.
Bis einschließlich 16. Januar 2022 hatte die Beklagte auf einen Krankengeldanspruch der Klägerin Krankengeld geleistet bzw. werden nach § 48 Abs. 3 Satz 1 SGB V Tage ohne Auszahlungsanspruch wie Zeiten des Bezugs von Krankengeld berücksichtigt. Damit war am 16. Januar 2022 die Höchstbezugsdauer von 546 Tagen erreicht. Ab dem 17. Januar 2022 bestand kein weiterer Krankengeldanspruch der Klägerin.
3.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG, sie berücksichtigt den Ausgang des Verfahrens.
4.
Die Revision war zuzulassen, da die Rechtsfrage grundlegende Bedeutung hat, ob eine schon länger bestehende Krankheit, die jedoch erstmals am Tag nach dem Ende einer ersten Arbeitsunfähigkeit ihrerseits Arbeitsunfähigkeit begründet, eine hinzugetretene Krankheit im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB V darstellt (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).