L 26 BA 14/22

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
26
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 122 BA 407/18
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 26 BA 14/22
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 18. Januar 2022 wird zurückgewiesen.

 

Die Klägerin trägt die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 1) für das Berufungsverfahren. Im Übrigen sind für das Berufungsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

 

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

 

 

 

Tatbestand

 

 

Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens über die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1) in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung im Zeitraum vom 23. November 2000 bis zum 12. Juli 2011.

 

Der 1949 geborene Beigeladene zu 1) ist ausgebildeter Diplom-Ingenieur. Er ist bei den Beigeladenen zu 2) und 3) kranken- und pflegeversichert.

 

Die Klägerin ist eine Ingenieurgesellschaft. Diese bestand seit 1995 zunächst in der Rechtsform der Gesellschaft bürgerlichen Rechts, seit 23. November 2000 in der Rechtsform der GmbH (Eintragung beim Amtsgericht am 7. Februar 2001). Sie erbringt Leistungen der Baustatik, u.  a. bei Neuerrichtung, bei Umbau und Sanierungen von Bauwerken. Zu ihren Leistungen gehört u.  a.  die Tragwerksplanung für bauliche Anlagen. Dazu rechnen alle Leistungsphasen, d. h. die Aufstellung statischer Berechnungen einschließlich sämtlicher Vorarbeiten sowie die Erstellung von Konstruktionszeichnungen bzw. Schal-/Bewehrungsplänen. Bezogen auf historische Baukonstruktionen gehört dazu bei Bedarf auch die Ertüchtigung. Zudem führt das Unternehmen Untersuchungen baulicher Anlagen des Bundes mit Blick auf ihre Verkehrssicherheit durch (vgl. www.zernikau.de, recherchiert am 30. August 2024). Darüber hinaus werden Leistungen der Bauphysik, wie z.  B.  Energieberatung, und die Begutachtung von Holzbauteilen und Konstruktion auf Schädlingsbefall und die Beratung im Bereich von Brandschutz und Feuerwiderstandsdauer angeboten. Neben statischen Berechnungen für die Genehmigung der Bauten leistet die Klägerin – insbesondere bei Umbaumaßnahmen – tragwerksrelevante Beratungen für die Architekten.

 

Die Vergütung der Leistungen der Baustatik erfolgt grundsätzlich nach Aufwand. Konkret bemisst sie sich gemäß den Honorarregelungen der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure – HOAI – vom 4. November 1971. Gemäß HOAI richtet sich das Honorar für Leistungen der Objekt- und der Fachplanung, insbesondere der Tragwerksplanung (Teil 3 und Teil 4 HOAI), die zur ordnungsgemäßen Erfüllung eines Auftrags im Allgemeinen erfasst sind, nach den Honorartafeln für die in der HOAI ausgewiesenen Teilbereiche. Eingangswerte in den Honorartafeln sind die für die entsprechenden Vorhaben anrechenbaren Kosten des (Bau-)Objekts nach Flächengrößen und Verrechnungseinheiten und die Honorarzone. Letzteres bewertet die Schwierigkeit der Planung im konkreten Vorhaben. Für zusätzliche besondere Leistungen eines Auftrags wird regelmäßig eine Stundenvergütung gemäß der in § 6  HOAI geregelten Entgeltspannen vereinbart.

 

In den Verträgen der Klägerin, die sie mit ihren Kundinnen und Kunden, darunter die Bundesrepublik Deutschland, in dem streitigen Zeitraum abgeschlossen hat, verpflichtete sie sich regelmäßig, die von ihr angefertigten Unterlagen als (Entwurfs)Verfasserin zu unterzeichnen und ihr übertragene Leistungen in ihrem Büro zu erbringen. Nur mit vorheriger schriftlicher Zustimmung des Auftraggebers war eine weitere Übertragung zulässig. War die entsprechende Regelung nicht explizit in den Verträgen aufgenommen, so ergab sie sich aus den Allgemeinen Vertragsbestimmungen zu den Verträgen für freiberuflich Tätige (AVB), die Bestandteil der Verträge waren.

 

In den Verträgen über die Tragwerksplanung aus der streitigen Zeit berechnete die Klägerin als Auftragnehmerin ihren Auftraggebern für Leistungen, die nach Zeitaufwand vergütet wurden (§ 6 HOAI) für den Auftragnehmer selbst (die Klägerin) 56,00 Euro pro Zeitstunde, für Mitarbeiter 49,00 Euro pro Stunde und für technische Zeichner 36,00 Euro pro Stunde; teilweise berechnete die Klägerin für ihre Leistungen auch einen einheitlichen Stundensatz in Höhe von 60,00 Euro. 

Der Beigeladene zu 1) hat ab August 1995 bis Juli 2011 für die Ingenieurgesellschaft schwerpunktmäßig statische Berechnungen, daneben Konstruktionszeichnungen und Positionspläne für Auftraggeber/Auftraggeberinnen der Ingenieurgesellschaft erstellt. Er war von Anfang an auch bei der Beratung der Kundschaft und Ausführung der Baumaßnahme beteiligt. Er nahm im Rahmen seiner Tätigkeit auch Termine auf Baustellen wahr, die er regelmäßig mit seinem eigenen PKW aufsuchte. Der Beigeladene zu 1) war – insbesondere bei Umbaumaßnahmen – auch mit örtlichen Feststellungen der vorhandenen Bausubstanz und Erstellung von Aufmaßzeichnungen betraut. Er nutzte für seine Arbeitsleistung, damit u.  a.  für die (statischen) Berechnungen, einen Schreibtisch sowie den PC und Software (Statikprogramm) in den Räumen der Klägerin. Die von ihm erstellten statischen Berechnungen wurden auf dem PC gespeichert. Er besaß dauerhaft einen Büroschlüssel zu den genannten Räumlichkeiten (Büro). Der Beigeladene zu 1) erhielt von der Klägerin eine Visitenkarte mit dem Logo und der Anschrift der Klägerin und der Bezeichnung „Dipl.-Ing. F R“. Diese Visitenkarte nutzte er z.  B.  bei Besprechungen mit Architekten oder Gewerken auf Baustellen. Später wurden diese Visitenkarten von der Klägerin auch dem Beigeladenen zu 1) ohne Namen zur Verfügung gestellt, d.  h.  nur mit dem Logo und den Kontaktdaten der Klägerin versehen. Die Sekretärin der Klägerin war nicht während der gesamten Öffnungszeiten im Büro anwesend. In Zeiten ihrer Abwesenheit nahm der Beigeladene zu 1) neben anderen Anwesenden im Einzelfall Telefonanrufe von Kunden/Kundinnen und sonstigen Dritten im Büro der Klägerin entgegen. Nach einem Hörsturz stellte er diese Tätigkeit ein. Alle Statik-Berechnungen des Beigeladenen zu 1) wurden vom Geschäftsführer der Klägerin vor Übergabe an die Auftraggeber und Auftraggeberinnen der Klägerin auf Vollständigkeit geprüft und von ihm für die Klägerin unterzeichnet.

 

Der Beigeladene zu 1) wurde von der Klägerin mündlich mit den oben genannten Leistungen für Bauvorhaben fortlaufend beauftragt. Schriftliche Verträge über seine Tätigkeit oder eine entsprechende Auftragserteilung existieren nicht. Ein undatierter handschriftlich ergänzter Entwurf eines Rahmenvertrages, den der Beigeladene zu 1) im Verwaltungsverfahren bei der Beklagten eingereicht hat, benennt den Beigeladenen zu 1) als Vertragspartner nicht, der Entwurf trägt keine Unterschriften. Eine weitere schriftliche Vereinbarung über die Erbringung von Ingenieurleistungen im Bereich Tragwerksplanung weist überhaupt keine Namen für einen Auftraggeber auf der einen Seite und den selbständigen Bauingenieur auf der anderen Seite aus. Er ist auch nicht unterzeichnet. Die Klägerin informierte den Beigeladenen zu 1), sobald ein Auftrag zu bearbeiten war, der die statischen Berechnungen erforderte, die der Kläger erbrachte. Der Beigeladene zu 1) hat die übernommenen Einzelaufträge persönlich ausgeführt und keine Dritten mit der Leistungserbringung beauftragt. Wenn es keinen Auftrag gab, ging er nach Hause.

 

Der Beigeladene zu 1) schloss selbst keine Verträge mit den Kunden und Auftraggebern/Auftraggeberinnen der Klägerin. Er erhielt für seine Arbeitsleistung von der Klägerin eine dauerhaft fest mündlich vereinbarte Vergütung pro Stunde in Höhe von zuletzt 35,00 Euro, in Teilzeiträumen davor waren es 38,00 Euro, zuzüglich Mehrwertsteuer von zuletzt 19 %. Der Beigeladene zu 1) erhielt von der Klägerin die Zahlungen auf der Grundlage von monatlichen oder zweimonatlichen, teilweise auch dreimonatlich von ihm erstellten schriftlichen Abrechnungen (z. B.  „1/00, „2/00“, „1/01“, wobei die letzte Zahl für das Kalenderjahr steht). In den Jahren 2000/2001 erfolgten die Rechnungsstellungen unter der Angabe der Projektbezeichnung in Kurzform ohne Stundenangaben, jeweils mit dem Zusatz „AKonto“ (=  gängige Abkürzung für Abschlagszahlung) oder „Pauschal“ in unterschiedlicher Höhe zwischen Beträgen von 11.600 DM und 26.000 DM, ab dem Jahr 2002 in entsprechender Höhe in Euro-Beträgen ausgewiesen. Die fortlaufend nummerierten Abrechnungen enthielten neben dem Gesamtbetrag überwiegend die Bezeichnung von Bauvorhaben (z.  B. „BV: Rstraße , Grstr.  u. a.“) sowie – nachweislich ab Dezember 2002 – auf einem gesonderten Blatt die Angabe der Anzahl der Gesamtzahl der Arbeitsstunden, jeweils bezogen auf einzelne Zeiträume. Zu einem nicht näher ermittelbaren späteren Zeitpunkt, mindestens aber ab Dezember 2009, wurden die Stundenangaben und Einzelzeiträume konkret einzelnen Projekten zugeordnet, nämlich mittels tabellarischer Aufstellungen als „Anlage“ zur jeweiligen Rechnung.

 

Mindestens ab dem Kalenderjahr 2006 trug der Beigeladene zu 1) seine Arbeitsstunden in vorgefertigte Vordrucke ein, die mit „Stundenzettel“ überschrieben waren. In diesen tabellarischen Auflistungen, unterteilt nach Tagen und Bauprojekten, waren die Arbeitsstunden in einer Spalte, überschrieben mit „Mitarbeiter: F R“ festgehalten. Diese Vordrucke stellte ihm die Klägerin zur Verfügung.

 

Die Klägerin verwendete die Anzahl der vom Beigeladenen zu 1) abgerechneten Stunden ihrerseits, um gegenüber ihren Kundinnen und Kunden den Bearbeitungsaufwand zu dokumentieren, konkret zur Darlegung ihres Bearbeitungsaufwandes bezogen auf das einzelne Bauprojekt. Dafür erhielt sie bereits vor Vollendung eines Bauprojekts von ihren Kundinnen und Kunden Abschlagszahlungen. Eine Schlussabrechnung mit dem Beigeladenen zu 1) erfolgte hernach nicht.

 

Der Beigeladene zu 1) unterhielt keine eigene Berufshaftpflichtversicherung, sondern war über die Haftpflichtversicherung der Klägerin abgesichert. Weitere Auftraggeber und Auftraggeberinnen hatte der Beigeladene zu 1) in dem streitigen Zeitraum nicht.

 

Der Beigeladene zu 1) erkrankte im Juli 2011 infolge eines Schlaganfalles dauerhaft arbeitsunfähig und war danach für die Klägerin nicht mehr tätig. Der Beigeladene zu 1) bezieht seit 2014 von der gesetzlichen Rentenversicherung eine Altersrente. Er forderte in mehreren E-Mails an den Geschäftsführer der Klägerin zwischen November 2013 und Ende Mai 2017 Schadensersatz in Höhe von zunächst 100.000 Euro, später 40.0000 Euro wegen seines gesundheitlichen Schadens. Am 3. Mai 2017 teilte er auf diesem Wege mit, er werde am 10. Mai 2017 einen Statusantrag bei der Clearingstelle der Beklagten einreichen. Am 12. Mai 2017 schrieb er an den Geschäftsführer, er sei darauf aus, das „Schuldenkonto begleichen“ zu wollen. Und weiter: Da der Geschäftsführer scheinbar kein Interesse daran habe, ihm entgegen zu kommen, sehe er sich gezwungen, den Antrag bei der DRV zu stellen und abzuwarten, was die Clearingstelle entscheide. Der Geschäftsführer solle noch einmal in Ruhe nachdenken und ihm Bescheid geben. Am 16. Mai 2017 fragte der Beigeladene zu 1) nach, welche Summe die Klägerin bereit wäre ihm anzubieten. Am 30. Mai 2017 teilte der Beigeladene zu 1) dem Geschäftsführer der Klägerin mit, er bleibe wegen der Scheinselbständigkeit dabei, diese bei der DRV überprüfen zu lassen. Er formulierte wörtlich: „ich gebe uns noch endgültig bis zum 20. Juni 2017 Zeit, um konkrete Vorschläge zu machen“.

 

Der Beigeladene zu 1) stellte am 27. Juni 2017 bei der Beklagten einen Antrag auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status für seine Tätigkeit für die Ingenieurgesellschaft in der Zeit vom August 1995 bis zum Juli 2011.

 

Auf die Frage der Beklagten, warum der Statusfeststellungsantrag erst im Jahr 2017 erfolgte, teilte der Beigeladene zu 1) mit, ab ca. 1999 hätten öfters Besprechungen im Büro der Klägerin wegen Scheinselbständigkeit stattgefunden. Auf seine Anfrage im Jahr 2003, ein Statusfeststellungsverfahren zu beantragen, hätte die Klägerin gemeint, dies sollte nicht erfolgen. Im Jahr 2005 seien ihm Maßnahmen für den Fall angedroht worden, wenn er „nicht mitmache“. Seit seiner Erkrankung sei er geistig nicht belastbar.

 

Im Rahmen der Anhörung der Klägerin zur Feststellung der Versicherungspflicht ab August 1995 wies diese die Beklagte darauf hin, dass sie erst zum 23. November 2000 als GmbH gegründet worden sei. Wegen der Einzelheiten der schriftlichen Angaben des Beigeladenen zu 1) und der Klägerin im Verwaltungsverfahren wird im Übrigen auf die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.

 

Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 6. Februar 2018 gegenüber der Klägerin fest, dass die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) als Diplom-Ingenieur und Statiker bei der Klägerin in der Zeit vom 23. November 2000 bis zum 12. Juli 2011 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt wurde und in diesem Rechtsverhältnis Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestand.

 

Gegen den Bescheid erhoben sowohl die Klägerin als auch der Beigeladene zu 1) jeweils Widerspruch. Der Beigeladene zu 1) nahm seinen Widerspruch zurück.

 

Mit weiterem Bescheid vom 31. August 2018 stellte die Beklagte gegenüber der Klägerin fest, dass die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) als Diplom-Ingenieur und Statiker bei der Ingenieurgemeinschaft B. Z M. A in der Zeit vom 1. August 1995 bis zum 22. November 2000 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt wurde und in diesem Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestand. Die Klägerin erhob auch gegen diesen Bescheid Widerspruch. Diesen wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19. März 2019 zurück, die Klägerin erhob dagegen Klage zum Sozialgericht Berlin. Das Klageverfahren S 223 BA 89/19 ruht im Hinblick auf das streitgegenständliche Verfahren.

 

Die Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 6. Februar 2018 und betreffend die darin getroffene Feststellung zur Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1) ab dem 23. November 2000 bis zum 12. Juli 2011 mit Widerspruchsbescheid vom 19. November 2018 zurück.

 

Die Klägerin hat am 22. November 2018 Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 19. November 2018 erhoben. Der von ihr als Zeuge benannte A. A habe – wie der Beigeladene zu 1) – in der Zeit vom November 2000 bis zum Juli 2011 für die Klägerin Aufträge kraft mündlicher Beauftragung ausgeführt. Seine Tätigkeit ähnele derjenigen des Beigeladenen zu 1), auch er habe selbständig Ingenieurleistungen, insbesondere statische Berechnungen, erbracht. Herrn A habe die Beklagte (damals noch als BfA) mit Bescheid vom 2. Juni 1999 als arbeitnehmerähnlicher Selbständiger von der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung befreit. Es habe für den Beigeladenen zu 1) keine Pflicht bestanden, die Tätigkeiten höchstpersönlich zu erbringen, es habe ihm vielmehr freigestanden, mit den Ingenieursleistungen Dritte zu beauftragen. Es habe außerdem keine Teamarbeit und keine Besprechungen mit Mitarbeitern der Klägerin stattgefunden, sondern nur mit verschiedenen Gewerken bei bestehendem Abstimmungsbedarf. Es seien ihm gegenüber keine Weisungen hinsichtlich Zeit und Ort der Tätigkeit erfolgt, es hätten keine Anwesenheitspflichten im Büro der Klägerin bestanden. So habe der Beigeladene zu 1) auch nicht ausschließlich im Büro der Klägerin gearbeitet, sondern auch in seiner Wohnung sowie an seinem Wohnsitz in R-D. Der Beigeladene zu 1) habe keinen Anspruch auf einen Arbeitsplatz in den Räumen der Klägerin gehabt. Er habe verschiedene ihm angetragene Aufträge abgelehnt. Er müsse schließlich weitere Auftraggeber gehabt haben, denn zeitweise sei er nur im Umfang von 60 Stunden pro Monat für die Klägerin tätig gewesen. Die Tätigkeit eines Auftragnehmers im Namen des Auftraggebers bei Erfüllung von dessen Dritten gegenüber bestehenden Pflichten stelle kein taugliches Abgrenzungskriterium dar. Denn dieses Merkmal erfüllten auch Subunternehmen auf einer Baustelle. Nur bei mangelfreier Erfüllung der Ingenieursleistungen seien die vereinbarten Vergütungssätze von der Klägerin auch gezahlt worden. Die Ingenieursleistungen, mit denen der Beigeladene zu 1) beauftragt worden sei, würden nach der Verkehrsauffassung nicht typischerweise von abhängig Beschäftigten erbracht. Etwaige Ansprüche auf Beiträge seien zudem verjährt. Mit Blick auf den o.  g.  Bescheid der BfA gegenüber dem Zeugen A aus dem Jahr 1999 könne jedenfalls nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin die Beiträge vorsätzlich vorenthalten habe.

 

Zur Vorbereitung der Prüfung gemäß § 28p Sozialgesetzbuch Viertes Buch SGB IV für den Zeitraum 1. Januar 2009 bis zum 31. Dezember 2012 habe die Klägerin seinerzeit angegeben, dass sie freie Mitarbeiter beauftrage, die Beklagte habe aber in ihrer Betriebsprüfung nicht festgestellt, dass der Beigeladene zu 1) als Beschäftigter tätig sei.

 

Der Beigeladene zu 1) hat im Klageverfahren mitgeteilt, er habe nur nach dem Steuerrecht selbständig sein wollen. Zwei Schriftstücke, unterzeichnet vom Geschäftsführer der Klägerin, betreffend die Erstreckung der Haftpflichtversicherung und seine Weisungsgebundenheit, ausgestellt noch von der GbR am 17. Dezember 1996 und am 20. Februar 1997, belegten eindeutig, dass er von Anfang an wie ein Angestellter behandelt werden sollte. Wenn er zwischendurch keine Aufgabe gehabt habe, habe er im Büro der Klägerin die Ablage gemacht, er habe dabei u.  a.  alte Zeichnungen geordnet, Unterlagen im Keller gesucht, um die Leerzeiten zu überbrücken. Diese endeten damit, dass der Geschäftsführer Z ihm Aufträge gegeben habe, die typischerweise mit einer Besprechung im Büro des Geschäftsführers begannen, in welcher ihm die wesentlichen Informationen des Vorhabens oder auch Vorabsprachen mit dem jeweiligen Architekten eröffnet worden seien. Weisungen im engeren Sinne habe es nicht gegeben, da die Tätigkeit von den DIN-Normen bestimmt gewesen sei. Unklarheiten zur Planung habe er auf Weisung und im Auftrag des Geschäftsführers der Klägerin mit Planern und Architekten besprochen. Honorarverhandlungen hätten nicht stattgefunden, der Stundensatz von 35,00 Euro habe festgestanden. Wenn keine Aufträge zu bearbeiten waren, sei er nicht im Büro der Klägerin gewesen, sondern zuhause. Auf einen Anruf aus dem Büro wegen eines neuen Vorhabens sei er dann dort erschienen. Es habe von Anfang an festgestanden, dass er im Büro der Klägerin arbeiten sollte, damit die statischen Berechnungen mit der Bürosoftware berechnet und auf den dortigen Speichermedien gespeichert waren und im Büro jeder die Möglichkeit hatte, darauf zuzugreifen und ein einheitliches Layout sichergestellt war. Arbeiten, die er nicht erledigen konnte, seien im Büro der Klägerin verteilt worden, er habe keine dritten Personen zur Erledigung einsetzen dürfen. Seine eigene handgeschriebene Statik sei von der Bürosekretärin der Klägerin maschinengeschrieben worden und kontrolliert worden, erst danach sei das Deckblatt erstellt und die Statik ausnahmslos von dem Geschäftsführer Z freigegeben worden. Die Unterschrift auf der Statik weise auf denjenigen hin, der die Verantwortung dafür übernehme, das sei der Geschäftsführer Z. Beteiligt an der Statik seien aber mehrere Personen gewesen, bei Bedarf auch andere freie Mitarbeiter, deren Ergebnisse der Beigeladene zu 1) übernommen habe. Es sei auch vorgekommen, dass er seinerseits auf Anweisung des Geschäftsführers der Klägerin einen Teil aus dem von ihm zu bearbeitenden Auftrag herausgelöst und Bürokollegen wie A. A zur Bearbeitung übergeben habe oder selbst von Anderen einen Teil eines Projekts übernommen habe. Bis August 2009 habe er seine (Stunden-)Abrechnungen ohne Bezug zu einem konkreten Projekt gefertigt, danach auf Anweisung der Klägerin mit Angabe des Projekts.

 

Mit Urteil vom 18. Januar 2022 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) sei in der Zeit ab dem 23. November 2000 bis zum 12. Juli 2011 als Beschäftigung im Sinne des § 7 (SGB IV) zu qualifizieren. Der Beigeladene zu 1) habe auf einer mündlichen Kooperation in dem streitigen Zeitraum von der Klägerin einzelne Aufträge fortlaufend zur Übernahme angeboten bekommen und übernommen. Diese Praxis sei bereits mit der vormals (bis November 2000) bestehenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) erfolgt und nach Gründung der Klägerin unverändert weitergeführt worden. Beide Beteiligten hätten eine selbständige Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) gewollt und übersehen, dass in sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht nicht allein der Wille der Kooperierenden maßgebend sei, sondern nur ein Indiz. Gemessen daran sei der Beigeladene zu 1) weitgehend weisungsgebunden gewesen. Er habe im Rahmen der Einzelaufträge als Statiker von der Klägerin konkrete Vorgaben zu Terminen erhalten, die auf Baustellen wahrzunehmen waren. Außerdem habe er eine konkrete Aufgabenbeschreibung vom Geschäftsführer der Klägerin erhalten. Dieser sei letztlich für die Statikberechnungen den Kunden gegenüber verantwortlich gewesen, denn er habe die Unterlagen unterzeichnet. Mithin habe der Geschäftsführer diese auch auf Vollständigkeit überprüfen müssen. Ohne Belang für die Weisungsabhängigkeit des Beigeladenen zu 1) im Verhältnis zur Klägerin bleibe der Umstand, dass ggf. auch noch eine inhaltliche Prüfung der Statikberechnungen durch die Bauaufsicht erfolgt sei. Die Kammer lasse offen, ob und inwieweit auch hinsichtlich Zeit und Ort der Tätigkeit eine Weisungsgebundenheit bestanden habe, denn dieser Aspekt sei gerade bei Diensten höherer Art von untergeordneter Bedeutung. Insoweit divergierten die Ausführungen in der mündlichen Verhandlung des Geschäftsführers der Klägerin auf der einen Seite, der von freiwilliger Anwesenheit in den Räumlichkeiten der Klägerin berichtet habe, und des Beigeladenen zu 1) auf der anderen Seite, der feste (verpflichtende) Büroanwesenheitszeiten behauptet habe. Entscheidend sei dagegen für die Kammer, dass es eine klare und unstreitige Eingliederung in den Betrieb der Klägerin gegeben habe. Dem Beigeladenen zu 1) habe ein Schreibtisch in den Räumen der Klägerin zur Verfügung gestanden wie auch Software zur Berechnung der Statik und zur Abrechnung der Arbeitsstunden. Wie jeder andere Mitarbeiter habe er einen Büroschlüssel besessen. Nach außen hin, bei Terminen auf Baustellen, sei er (für Dritte) als Mitarbeiter der Klägerin erkennbar gewesen. Er habe von der Klägerin eine Visitenkarte mit deren Logo und seinem Namen erhalten und genutzt, die ihn als Mitarbeiter der Klägerin ausgewiesen habe. Im Innenverhältnis habe er für einen gewissen Zeitraum mit Wissen der Klägerin Telefondienste übernommen. Ob diese Übernahme auf einer Weisung beruht habe, wofür eine von ihm vorgelegte Namensliste (mit Foto des Telefons) spreche, sei für die Frage einer Eingliederung unerheblich. Schließlich sei ein Unternehmerrisiko für den Beigeladenen zu 1) nicht erkennbar. Ihm seien alle Arbeitsmittel, die er zur Erledigung der Aufgaben benötigt habe, von der Klägerin zur Verfügung gestellt worden. Im Vordergrund habe daher der Einsatz seiner eigenen Arbeitskraft gestanden. Da er nach Arbeitsstunden bezahlt worden sei, halte sich das Risiko für ihn in einem überschaubaren Rahmen. Eine von der Klägerin behauptete erfolgsabhängige Bezahlung habe anhand der aktenkundigen Abrechnungen des Beigeladenen zu 1) nicht belegt werden können. Dies habe der Geschäftsführer der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht bestätigt, indem er ausgeführt habe, er habe die Abrechnungen des Beigeladenen zu 1) seinerseits benötigt, um den Auftraggebern der Klägerin gegenüber laufend Abschlagsrechnungen erstellen zu können. Auch die Berufshaftpflicht für den Beigeladenen zu 1) habe die Klägerin übernommen. Aus welchen Gründen der Beigeladene zu 1) den Statusfeststellungsantrag erst 2017 gestellt habe, sei ohne Bedeutung.

 

Die Klägerin hat gegen das ihr am 7. Februar 2022 zugestellte Urteil am 4. März 2022 Berufung eingelegt. Sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Eine Bindung des Beigeladenen zu 1) an Weisungen sei weder vereinbart noch praktiziert worden. Er sei auch nicht in den Betrieb der Klägerin eingegliedert gewesen, es habe keine Teamarbeit mit A. A stattgefunden, da beide nicht im Zusammenhang mit den gleichen Baustellen beauftragt gewesen seien.

 

Die Ingenieurgesellschaft habe an Dritte ein Produkt verkauft, das sie zuvor vom Beigeladenen zu 1) erworben habe. Dieser sei ihr gegenüber im vollen Umfang verantwortlich gewesen. Eine für Arbeitnehmerverhältnisse typische Haftungsbeschränkung sei nicht vereinbart gewesen, ebenso wenig seien Urlaubs- oder Krankengeldansprüche vereinbart worden. In der Geschäftsbeziehung hätten nur werkbezogene Weisungen bestanden, diesen hätten auch die vereinzelten Besprechungen gedient. Das Sozialgericht habe im Übrigen an keiner Stelle begründet, dass es sich bei den Tätigkeiten um Dienste höherer Art gehandelt habe. Der Beigeladene zu 1) habe nur kurz, nämlich wenige Wochen, Telefondienst verrichtet, hingegen nicht schwerpunktmäßig. Dieser Dienst habe seiner Tätigkeit nicht das Gepräge gegeben. Außerdem habe er selbst entschieden, dies nicht mehr zu tun. Es habe ein Unternehmerrisiko bestanden, denn bei reinen Dienstleistungen sei ein erfolgsabhängiges Entgelt regelmäßig nicht zu erwarten. Der Beigeladene zu 1) habe kein unabhängig vom Umfang seines Arbeitseinsatzes monatliches Pauschalentgelt erhalten, sondern projektbezogen die von ihm erbrachten Ingenieursleistungen abgerechnet. Auch die Klägerin rechne ihren Auftraggebern gegenüber ihre Leistungen nach entstandenem Bearbeitungsaufwand ab. Bei einer nicht zufriedenstellenden Leistung hätte der Beigeladene zu 1) das Risiko gehabt, keine Anschlussaufträge zu erhalten. So habe er stets das Risiko der Auftragsnichterteilung getragen. Die zwei vom Beigeladenen zu 1) in Bezug genommenen schriftlichen Erklärungen der beiden (damaligen) Geschäftsführer der seinerzeit bestehenden GbR, u.  a. eine von dem Beigeladenen zu 1) handschriftlich gefertigte Erklärung (vom 20. Februar 1997), hätten allein der Erstreckung der Haftpflichtversicherung auf die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) gedient. Der Beigeladene zu 1) sei – entgegen seinem Vortrag –  in seiner Urlaubsplanung in keiner Weise von der Klägerin abhängig gewesen. Er habe nicht zusätzlich an Freitagen Frühdienst im Büro der Klägerin zu verrichten gehabt. Es sei auch unzutreffend, dass der Beigeladene zu 1) von Seiten der Klägerin keine Dritten mit der Erledigung der Aufträge habe einschalten dürfen.

 

Ein Indiz für die selbständige Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) sei schließlich die Vergütungshöhe. Diese liege deutlich über derjenigen eines sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Insoweit habe das Sozialgericht keine Feststellungen zur Höhe des Entgelts, konkret der Vergleichbarkeit mit abhängig Beschäftigten auf der einen sowie Selbständigen auf der anderen Seite getroffen, obwohl dies zwingend erforderlich sei (nach Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 27. Oktober 2022 – L 19 AS 1826/21). Ein abhängig beschäftigter Statiker hätte im streitgegenständlichen Zeitraum nicht 6.000,00 Euro brutto verdient, sondern der Durchschnittsverdienst hätte unter 4.000,00 Euro monatlich gelegen, dies belege die Tariflohnentwicklung für das Land Nordrhein-Westfalen sowie bundesweit in der Zeit zwischen 1990 und 2016. Weisungen hätten auch in fachlicher Hinsicht nicht vorgelegen, der Geschäftsführer Z habe dem Beigeladenen zu 1) nur die äußeren Umstände der Aufträge erläutert, die für die Übernahme der Aufträge erforderlich gewesen seien. Auch habe über die Jahre ein fachlicher Austausch stattgefunden.

 

Der Statusfeststellungsantrag hätte von der Beklagten nicht ohne Weiteres berücksichtigt werden dürfen, denn im Fall von bereits beendeten Tätigkeiten sei ein erst danach gestellter Antrag nach § 7a SGB IV von gesteigerten Anforderungen abhängig. Unabdingbar sei, dass die Feststellung in ihrer Reichweite noch gegenwärtig Wirkung entfalte (so Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 18. November 2022 – L 1 BA 91/19, Rn. 41 f.). Gemessen daran sei die Feststellung der Versicherungspflicht für den Beigeladenen zu 1) bereits zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Bescheides mit Blick auf die Verjährung der Beiträge ohne Relevanz. Die Klägerin sei fest davon ausgegangen, dass der Beigeladene zu 1) selbständig tätig sei. Ihre Überzeugung sei dadurch bestärkt worden, dass der vergleichbar tätige Mitarbeiter A. A nach Überprüfung seines Status 1999 die Bestätigung erhalten habe, arbeitnehmerähnlicher Selbständiger zu sein. Das mit dem Statusantrag verfolgte Ziel des Beigeladenen zu 1) sei zudem unter Berücksichtigung seines vorprozessualen Verhaltens rechtsmissbräuchlich, das Verfahren werde (von ihm) zur Verfolgung von Zielen eingesetzt, die außerhalb des Sozialrechts liegen und sachfremd sind. So setze der Beigeladene zu 1) – viele Jahre nach Ende des Auftragsverhältnisses – das Instrument der Statusfeststellung als Druckmittel ein, um seine abwegigen Schadensersatzforderungen gegen die Klägerin durchzusetzen.

 

 

Die Klägerin beantragt,

 

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 18. Januar 2022 sowie den Bescheid der Beklagten vom 6. Februar 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. November 2018 aufzuheben und festzustellen, dass der Beigeladene zu 1) in seiner Tätigkeit als Diplom-Ingenieur und Statiker bei der Klägerin in der Zeit vom 23. November 2000 bis zum 12. Juli 2011 nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung, der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag.

 

 

Die Beklagte beantragt,

 

            die Berufung zurückzuweisen.

 

Sie verweist auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils. Der Telefondienst des Beigeladenen zu 1) sei nur ein signifikantes Beispiel für die Zusammenarbeit im Team mit den Arbeitsmitteln der Klägerin und unter deren Kontrolle.

 

Der Beigeladene zu 1) hat gegen das ihm am 15. Februar 2022 zugestellte Urteil am 25. Februar 2022 Berufung eingelegt und diese auf Hinweis des Senats am 1. Juli  2022 zurückgenommen.

 

Er beantragt,

 

die Berufung zurückzuweisen und keine Revision zuzulassen.

 

Sein Statusfeststellungsantrag sei nicht rechtsmissbräuchlich. Der Geschäftsführer der Klägerin selbst habe eine Abfindung für ihn in einem Gespräch (am 6. Mai 2011) ins Spiel gebracht. Die Klägerin habe sowohl Personal, darunter den Beigeladenen  zu  1), als auch die Büroräume samt technischer Einrichtung am 23. November 2000 von der vormaligen GbR übernommen. Es liege damit eine tatsächliche Übernahme des Betriebes der GbR vor. Kraft der schriftlichen Vereinbarungen vom 12. Dezember 1996 und vom 20. Februar 1997, die auch der Geschäftsführer der Klägerin unterzeichnet habe, habe dieser bestätigt, dass die streitige Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) eine solche als weisungsgebundener Ingenieur gewesen sei. Er habe regelmäßig Abrechnungen der für die Projekte aufgewendeten Arbeitsstunden erstellt, hingegen keine einzelnen Projekte abgerechnet. Er habe sich – wie die übrigen Mitarbeitenden – in einen Urlaubskalender im Büro der Klägerin einzutragen und sich vor allem mit dem weiteren Mitarbeiter A abzustimmen gehabt. Jedes Jahr sei eine Weihnachtsfeier abgehalten worden, an der er teilzunehmen hatte, die Weihnachtskarten an die Kunden der Klägerin habe er wie die anderen Büromitarbeiter mitunterschrieben. Praktisch habe er mit dem Geschäftsführer und A. A im Team zusammengearbeitet. Mit Einführung des entsprechenden Computerprogramms habe er dieses für seine Stundenabrechnung zu nutzen gehabt, zum ersten Mal am 2. September 2002. Eine Festanstellung habe der Geschäftsführer der Klägerin nicht gewollt, da er dann im Fall einer Flaute an Aufträgen den Beigeladenen zu 1) nicht kostenfrei hätte pausieren lassen können. Der Tarifvertrag für Ingenieure und Architekten sei in Anbetracht von freien Gehaltsverhandlungen nicht maßgeblich.

 

Die Beiträge zur Sozialversicherung seien nicht verjährt, da in seinem Fall die dreißigjährige Verjährungsfrist zur Anwendung komme. Seine Scheinselbständigkeit sei dem Geschäftsführer der Klägerin wohlbekannt gewesen. Dies könne der Zeuge K bestätigen. Als die neue Regelung für Selbständige im Jahr 1999 in Kraft trat, sei sie im Büro der Klägerin diskutiert worden. Er besitze Tonaufnahmen mit Gesprächen mit dem Geschäftsführer der Klägerin, die zur Abwehr einer Bedrohung durch die Klägerin entstanden seien.

 

Die Beigeladenen zu 2) bis 4) stellen keine Anträge.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte (4 Bände) sowie des Verwaltungsvorgangs der Beklagten.

 

 

Entscheidungsgründe

 

 

Die Berufung der Klägerin, die insbesondere fristgerecht nach § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingelegt worden ist, ist zulässig, aber unbegründet.

Gegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens ist allein noch die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 18. Januar 2022 sowie ihre Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 6. Februar 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. November 2018. Der Beigeladene zu 1) hat seine Berufung auf richterlichen Hinweis am 1. Juni 2022 zurückgenommen.

 

I. Die von der Klägerin erhobene Anfechtungsklage ist gemäß § 54 Abs. 1 SGG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie richtet sich zulässigerweise allein gegen den Bescheid der Beklagten vom 6. Februar 2018 und nicht auch gegen den weiteren Bescheid vom 31. August 2018. Mit diesem letzten Bescheid stellte die Beklagte gegenüber der Klägerin fest, dass die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) (auch) bei der Ingenieurgemeinschaft B. Z M. A, der GbR, in der Zeit vom 1. August 1995 bis zum 22. November 2000 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt wurde und in diesem Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung bestand. Die hier streitgegenständliche Klage wurde aber ohne Zweifel allein gegen den Bescheid vom 6. Februar 2018 erhoben. Der Beigeladene zu 1) hat seinen Antrag auf Statusfeststellung vom 27. Juni 2017 zwar ausdrücklich für die Tätigkeit und die Zeit bereits ab August 1995 gestellt. Tatsächlich hat die Beklagte auf den Hinweis der Klägerin im Verwaltungsverfahren, dass sie erst zum 23. November 2000 als GmbH gegründet worden sei, die Feststellung mit dem Bescheid vom 6. Februar 2018 auf die Zeit ab Gründung der GmbH und damit das unmittelbar zur Klägerin bestehende Rechtsverhältnis des Beigeladenen zu 1) beschränkt. Erst mit dem späteren Bescheid hat sie die Feststellung auf die Zeit vor der Gründung der GmbH erweitert. Da die Zeiträume bereits klar datumsmäßig abgrenzbar sind, ist auch eine auf sie bezogene Feststellung teilbar.

 

Schließlich ist der spätere Bescheid nicht nach § 86 SGG kraft Gesetzes Gegenstand des Widerspruchs- und damit auch des Klageverfahrens geworden. Voraussetzung einer solchen Einbeziehung kraft Gesetzes wäre, dass während des Vorverfahrens der Verwaltungsakt abgeändert wurde. Das ist im vorliegenden Fall nicht erfolgt. Ein Verwaltungsakt wird dann (durch einen späteren) abgeändert, wenn in einen Verfügungssatz des früheren Bescheids durch den späteren Bescheid eingegriffen wird. Das setzt voraus, dass sich die Regelungsbereiche der Verwaltungsakte zumindest teilweise überschneiden, d.h. die Verwaltungsakte müssen zumindest teilweise denselben Streitgegenstand betreffen. Im vorliegenden Fall ist davon nicht auszugehen. Beide Ausgangsbescheide der Beklagten betreffen zwar eine möglicherweise inhaltlich unveränderte Tätigkeit des Beigeladenen zu 1). Sie beziehen sich aber auf unterschiedliche Zeiträume. Selbst soweit es sich bei der GbR tatsächlich um die Rechtsvorgängerin der Klägerin handelt, liegt auch ein anderer Lebenssachverhalt vor, weil das Auftragsverhältnis des Beigeladenen zu 1) ab 1995 zu einer anderen Rechtsperson bestand. Ob insoweit der Tatbestand einer Rechtsnachfolge gegeben war, ist unbeachtlich. Es kann mithin offenbleiben, ob die Klägerin tatsächlich Rechtsnachfolgerin der bis zu ihrer Gründung bestehenden GbR ist und ob es daher rechtmäßig ist, auch für den früheren Zeitraum Feststellungen im Statusfeststellungsverfahren gegenüber der Klägerin zu treffen. Dies ist allein Gegenstand des Verfahrens S 223 BA 89/19 vor dem Sozialgericht Berlin.

 

II. Die Klage der Klägerin ist, wie vom Sozialgericht zu Recht und mit zutreffenden Gründen entschieden worden ist, unbegründet. Die Beklagte hat zu Recht festgestellt, dass der Beigeladene zu 1) in seiner Tätigkeit für die Klägerin ab deren Gründung am 23. November 2000 bis zu deren Ende im Juli 2011 der Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung bis zu seinem letzten Arbeitstag unterlag. Der Senat verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Entscheidungsgründe in dem Urteil des Sozialgerichts (§ 153 Abs. 2 SGG).

 

Die Begründung der Berufung und das umfangreiche Vorbringen der Beteiligten im Berufungsverfahren führt zu keinem anderen Ergebnis. Ergänzend zu den Entscheidungsgründen des Sozialgerichts führt der Senat in Kenntnis und Würdigung des Beteiligtenvorbringens aus:

 

1. Die Beklagte war berechtigt und verpflichtet gemäß § 7a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) in der bis zum 31. März 2022 geltenden Fassung (der Bekanntmachung vom 12. November 2009, BGBl I 3710) auf den Antrag des Beigeladenen zu 1) über die Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung zu entscheiden. Die zum 1. April 2022 in Kraft getretene Neufassung von § 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV durch Art. 2c Nr. 2 des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/882 des Europäischen Parlamentes und des Rates über die Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen und anderer Gesetze vom 16. Juli 2021 (BGBl. I, S. 2970) findet auf das vorliegende Verfahren keine Anwendung. Gemäß der Neufassung können die Beteiligten bei der Deutschen Rentenversicherung Bund schriftlich oder elektronisch eine Entscheidung beantragen, ob bei einem Auftragsverhältnis eine Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit vorliegt. Das Gesetz sieht damit seit dem 1. April 2022 eine abstrakte Feststellung des Erwerbsstatus vor. Dies führt indes nicht dazu, dass angefochtene, noch nicht bestandskräftige Bescheide für die Zeit ab dem 1. April 2022 rechtswidrig geworden sind. Denn die Neuregelung betrifft nach ihrem Sinn und Zweck nur Bescheide der Beklagten, die ab dem 1. April 2022 ergehen (Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 14. Dezember 2023 – L 8 BA 9/22 –, Rn. 23, juris, in diesem Sinne im Ergebnis auch ohne Begründung: BSG, Urteil vom 20. Juli 2023 – B 12 BA 1/23 R – juris). Nach dem Willen des Gesetzgebers soll „künftig“ nur noch über den Erwerbsstatus als Elementenfeststellung entschieden werden (vgl. BT- Drs. 19/29893 S. 28 „Feststellung des Erwerbstatus künftig“), also keine Korrektur bereits ergangener Entscheidungen erfolgen (so auch Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13. Januar 2023 – L 1 BA 67/19 – Rn. 55; Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 14. Dezember 2022 – L 8 BA 159/19 –, Rn. 58, juris).

 

Der Durchführung des Statusfeststellungsverfahrens steht im vorliegenden Fall nicht entgegen, dass das zu beurteilende Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1) bei Antragstellung im Juni 2017 bereits (seit 2011) sechs Jahre beendet war. Verwaltungsakte über das (Nicht-)Bestehen von Versicherungspflicht können unabhängig davon ergehen, ob die in Frage stehende Tätigkeit noch ausgeübt wird oder bereits beendet ist (vgl. BSG, Urteil vom 4. Juni 2009 – B 12 KR 31/07 R – Rn. 32, juris). Daraus folgt, dass selbst der erforderliche Antrag nach § 7a SGB IV noch nach Beendigung einer Tätigkeit gestellt werden kann. Dies gilt auch deshalb, weil im Einzelfall auch eine nicht ununterbrochen ausgeübte Tätigkeit zu beurteilen sein kann (BSG, aaO, Rn. 32).

 

Es kann für den Senat offen bleiben, ob zur Beachtlichkeit eines Antrag gemäß § 7a SGB IV für eine beendete Tätigkeit – bereits nach Sinn und Zweck der Statusfeststellung – von den Beteiligten oder den Antragstellenden im Einzelfall dargelegt werden muss, dass noch Fortwirkungen bestehen (so Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 18. November 2022 – L 1 BA 91/19 –, Rn. 38 ff., juris). Solche Fortwirkungen sind hier jedenfalls nicht ausgeschlossen. Erwächst die Feststellung der Beklagten in Bestands- und Rechtskraft, haben die Einzugstellen im Nachgang zu prüfen, ob Beiträge von der Klägerin nachzuerheben sind (dazu sogleich). Eine „natürliche“ Grenze des Antrags für beendete Rechtsverhältnisse dürfte praktisch dann erreicht sein, wenn eine Beschäftigung und die sie bedingenden Umstände aufgrund des Zeitablaufs schlicht nicht mehr ermittelbar sind und im Einzelfall Beweisnot hinsichtlich ihrer maßgebenden Merkmale eintritt. Davon kann im vorliegenden Fall aber nicht ausgegangen werden.

 

Der Antrag des Beigeladenen zu 1), eines Beteiligten gemäß § 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV, – hier in der bis zum 31. März 2022 geltenden Fassung – ist nicht deshalb unbeachtlich, weil er rechtsmissbräuchlich gestellt oder verwirkt ist. Der Senat kann offenlassen, ob das vor der Antragstellung vom Beigeladenen zu 1) gegenüber der Klägerin gezeigte Verhalten, konkret das Absenden mehrerer E-Mails an den Geschäftsführer ab November 2013 bis unmittelbar vor Antragstellung, diesem gegenüber nötigenden oder sogar erpresserischen Charakter aufweist. Insbesondere kann offenbleiben, ob der Beigeladene zu 1) in den aktenkundigen E-Mails die Stellung eines Antrags auf Statusfeststellung bei der Beklagten gegenüber der Klägerin und ihrem Geschäftsführer unmissverständlich davon abhängig gemacht hat, dass die Klägerin ihrerseits Schadensersatzansprüche, deren er sich ihr gegenüber berühmt, anerkannte oder sogar eine Zahlung leistete. Denn selbst wenn dies nach dem Empfängerhorizont bejaht werden könnte, lässt es den Antrag nach § 7a SGB IV im Verhältnis zur Beklagten nicht als rechtsmissbräuchlich gemäß § 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) erscheinen. In vertraglichen Beziehungen setzt Rechtsmissbrauch voraus, dass ein Vertragspartner eine an sich rechtlich mögliche Vertragsgestaltung in einer mit Treu und Glauben unvereinbaren Weise nur dazu verwendet, sich zum Nachteil des anderen Vertragspartners Vorteile zu verschaffen, die nach dem Zweck der Norm und des Rechtsinstituts nicht vorgesehen sind (Urteil des Senats vom 5. November 2021 – L 26 BA 6/20 –, Rn. 46, juris).

 

Übertragen auf den Antrag nach § 7a SGB IV ist im maßgebenden Rechtsverhältnis zwischen dem Beigeladenen zu 1) und der Beklagten der Statusfeststellungsantrag in Berücksichtigung des E-Mail-Verkehrs mit dem Geschäftsführer der Klägerin bereits nicht geeignet, dem Beigeladenen zu 1) Vorteile zu verschaffen, die ihm nach dem Zweck dieser öffentlich-rechtlichen Norm nicht zustehen sollen. Das Statusfeststellungsverfahren nach § 7a SGB IV dient dazu Rechtssicherheit herzustellen und divergierende Entscheidungen unterschiedlicher Versicherungsträger zu vermeiden (BSG, Urteil vom 4. Juni 2009 – B 12 KR 31/07 R – Rn. 18 und Rn. 21). Eine optionale Statusanfrage ist für einen Auftragnehmer grundsätzlich vorteilhaft, da die rechtsverbindliche statusrechtliche Feststellung ihm Gewissheit darüber verschafft, ob für ihn ggf. Leistungsansprüche in der Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung begründet wurden. An Feststellungen, welche die DRV Bund nach § 7a Abs. 1 SGB IV getroffen hat, sind andere Versicherungsträger gebunden (Pietrek in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 4. Aufl., § 7a SGB IV 1. Überarbeitung (Stand: 21.11.2023), Rn. 196). Dieser (gesetzliche) Zweck wird auch dann erreicht, wenn ein Antragsteller vor der Stellung des Antrags seinem Auftraggeber gegenüber mit einer Antragstellung droht, um vermeintliche andere arbeits- oder zivilrechtliche Ansprüche durchzusetzen. Ein Anfrageverfahren nach § 7a SGB IV ist nicht bereits deshalb treuwidrig, weil es bevorzugt mit dem Ziel betrieben wird, sich auf diese Weise – und sei es mittelbar - einen Zugang zu leistungsrechtlichen Positionen zu verschaffen (BSG, Urteil vom 4. Juni 2009 – B 12 KR 31/07 R –, Rn. 31, juris). Abgesehen davon, dass es auf die Motivation eines Antragstellers grundsätzlich nicht ankommt, stellt sich die Frage, ob es sich bei der Ankündigung eines Berechtigten, einen Statusfeststellungsantrag zu stellen, überhaupt um eine Drohung handeln kann. Diese ist bereits nach dem allgemeinen, aber auch dem strafrechtlichen Sprachgebrauch dadurch gekennzeichnet, dass den Adressaten glaubhaft angekündigt wird, eine unangenehme Maßnahme gegen diese vorzunehmen bzw. ihm ein Übel in Aussicht gestellt wird, um die Handlungsweise des Adressaten zu beeinflussen (vgl. allgemein: https://www.bpb.de/kurz-knapp/lexika/recht-a-z/323254/drohung/). Mit Blick auf einen Auftragnehmer und die Androhung einen Statusfeststellungsantrag zu stellen, ist bereits fraglich, ob darin gegenüber einem Auftraggeber eine unangenehme Maßnahme oder ein Übel liegt, denn im Zeitpunkt der Androhung ist nicht absehbar, wie die Clearing-Stelle der Beklagten den Antrag bewertet. Selbst wenn der Auftraggeber in der Folge eines solchen Antrags im Statusfeststellungsverfahren nach dessen Abschluss mit wirtschaftlich belastenden Beitragsnachforderungsansprüchen seitens der Einzugstellen zu rechnen hat, ist ein in diesem Lichte gestellter Antrag nicht treuwidrig. Denn das Vorverhalten ist nicht geeignet den Zweck des gestellten Antrags und einer Feststellung durch die Beklagte zu vereiteln. Die feststellende Entscheidung schafft auch und gerade in diesem Fall für die Beteiligten Rechtssicherheit und bindet andere Sozialversicherungsträger wie auch die Einzugstelle. Mit Blick darauf haben weder die Beklagte noch der Senat zu entscheiden, ob die vor dem Antrag erfolgten E-Mails des Beigeladenen zu 1) die Schwelle zur Strafbarkeit zum Nachteil der Klägerin oder ihres Geschäftsführers überschreiten (§ 240 – Nötigung und § 253 StGB – Erpressung). Selbst ein insoweit widerrechtliches Vorverhalten gegenüber Dritten – hier dem Auftraggeber – stellt sich im Dreiecksverhältnis zwischen Auftragnehmer, Auftraggeber und der DRV Bund nicht als rechtsmissbräuchliche Ausnutzung eines Rechts dar.

 

Der Antrag ist schließlich nicht deshalb ohne Bescheidungsinteresse, weil sich für den Beigeladenen zu 1) selbst im Fall einer seinem Begehren entsprechenden Feststellung von Versicherungspflicht keinerlei Vorteile ergeben können. Die Überlegung liegt nahe, weil Beiträge zur Sozialversicherung möglicherweise bereits bei Antragstellung im Jahr 2017 für das im Jahr 2011 beendete Auftragsverhältnis zur Gänze verjährt sein könnten. Zu berücksichtigen ist allerdings zum einen, dass derzeit offen ist, ob die Klägerin die Verjährungseinrede bereits bei Antragstellung oder erst im laufenden Klageverfahren erhoben hatte. Ungeklärt ist zum anderen, welche Verjährungsfrist im vorliegenden Fall konkret zur Anwendung kommt. Gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV verjähren Beitragsansprüche in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie fällig geworden sind. Ansprüche auf vorsätzlich vorenthaltene Beiträge verjähren nach dieser Vorschrift erst in dreißig Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie fällig geworden sind (Satz 2). Kommt die allgemeine vierjährige Verjährungsfrist zur Anwendung, wären die Beiträge auch des Jahres 2011 mit Ablauf des Kalenderjahres 2016 verjährt. Kommt hingegen die dreißigjährige Verjährungsfrist für vorsätzlich vorenthaltene Beiträge zur Anwendung, wären die Beiträge für den Beigeladenen zu 1) auch seit dem Jahr 2000, der Gründung der Klägerin, noch nicht verjährt. Vorsatz in diesem Sinn liegt auch dann vor, wenn der Beitragsschuldner seine Beitragspflicht nur für möglich gehalten, die Nichtabführung der Beiträge aber billigend in Kauf genommen hat. Allerdings steht das Wissen um die (bloße) Möglichkeit einer Beitragserhebung nicht dem vorsatzindizierenden sicheren Wissen um die rechtliche und tatsächliche Verpflichtung zur Zahlung der Beiträge gleich (BSG, Urteil vom 4. September 2018 – B 12 R 4/17 R –, BSGE 126, 226-235, Rn. 27, juris). Gemessen daran hat regelmäßig die Einzugstelle für die Nacherhebung von Beiträgen zu ermitteln und zu beurteilen, ob ausreichend Anhaltspunkte für eine vorsätzliche Vorenthaltung von Beiträgen besteht. Es ist dagegen nicht Aufgabe der Beklagten im Rahmen der Bearbeitung eines Antrags gemäß § 7a SGB IV abschließend zu beurteilen, ob die aus einer beantragten Feststellung folgenden Pflichtbeiträge verjährt sind. Mit Blick darauf ist für den Senat die Tonaufnahme, auf die sich der Beigeladene zu 1) zum Beleg des Vorsatzes des Geschäftsführers der Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat berufen wollte, ohne Relevanz, da schlichtweg nicht streitentscheidend. Ein ausreichendes Interesse an einer Feststellung im Verfahren der Statusfeststellung ist schließlich immer schon dann zu bejahen, wenn eine streitige Zugehörigkeit zur Sozialversicherung mit dem Statusfeststellungsverfahren nur hinsichtlich des Deckungsverhältnisses verbindlich geklärt werden soll (BSG, Urteil vom 4. Juni 2009 – B 12 KR 31/07 R – Rn. 31).

 

Für die Annahme einer Verwirkung des Antragsrechts fehlt es zumindest an dem erforderlichen Umstandsmoment, denn der Beigeladene zu 1) hat gegenüber der Beklagten kein Verhalten gezeigt, aus welchem diese schließen konnte, er werde keinen Antrag nach § 7a SGB IV stellen. Es kann insoweit offenbleiben, ob das Antragsrecht, welches nicht nur im subjektiven Interesse (des Antragstellenden) steht (dazu oben), überhaupt der Verwirkung unterliegt. Auf den Empfängerhorizont der Klägerin kann es in dem Dreiecksverhältnis insoweit jedenfalls nicht ankommen, ungeachtet der Tatsache, dass auch das Verhalten des Beigeladenen zu 1), konkret sein E-Mail-Verkehr mit der Klägerin, keine klare Haltung zeigte, die entsprechendes schutzwürdiges Vertrauen bei der Klägerin entstehen lassen konnte. Vielmehr spielte er gegenüber der Klägerin in seinen E-Mails geradezu mit der Möglichkeit, einen Antrag bei der Beklagten zu stellen (s. o.).

 

2. Die Beklagte hat zu Recht festgestellt, dass der Beigeladene zu 1) in seiner für die Klägerin fortlaufend ausgeübten Tätigkeit in dem Zeitraum vom 23. November 2000 bis zum 12. Juli 2011 der Versicherungspflicht in allen vier Zweigen der Sozialversicherung unterliegt, weil insoweit eine Beschäftigung vorlag. Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (§ 7 Abs. 1 SGB IV). Ausgehend davon war der Beigeladene zu 1) nach den maßgeblichen Gesamtumständen in den Betrieb der Klägerin eingegliedert und wirkte funktionsgerecht arbeitsteilig dort mit. Gleichzeitig war seine Tätigkeit nicht durch ein eigenes Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte sowie die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft gekennzeichnet. Seine Tätigkeit und die Arbeitszeit waren zur Überzeugung des Senats nicht im Wesentlichen frei gestaltet. Auf einen möglichen, hier aber nicht erwiesenen entgegenstehenden gemeinsamen Willen des Beigeladenen zu 1) und der Klägerin kommt es nicht an.

Ausgangspunkt für die Beurteilung ist zwar grundsätzlich die von den Beteiligten getroffene Vereinbarung, wobei es der besondere Schutzzweck der Sozialversicherung ausschließt, dass die Beteiligten selbst über die Einordnung einer Person als selbständig oder beschäftigt entscheiden. Sie können insoweit nicht über zwingende Normen der Sozialversicherung kraft privatrechtlicher Vereinbarung verfügen. Im vorliegenden Fall lässt sich bereits der Inhalt der Vereinbarung zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1) nicht klar bestimmen. Zum einen fehlt eine schriftliche Vereinbarung zwischen den Beteiligten über die Bedingungen der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) bei der Klägerin. Zum anderen ist auch eine mündliche Vereinbarung zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1) nicht belegt und kann daher im Rahmen der Abwägung schlicht kein eindeutiges Indiz erbringen. Der Senat geht – wie das Sozialgericht – davon aus, dass der Beigeladene zu 1) in der streitigen Zeit ab Gründung der Klägerin (23. November 2000) in dem Betrieb weiter zu den Bedingungen tätig war, die bereits für seine zuvor ab August 1995 ausgeübte Tätigkeit galten. Bereits diese Tätigkeit basierte aber allein auf einer mündlichen Vereinbarung, die der Beigeladene zu 1) mit der vor Gründung der Klägerin bestehenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts, der Z/A GbR, geschlossen hatte. Mit Gründung der Klägerin, deren Gesellschafter-Geschäftsführer Z zuvor Gesellschafter der ehemaligen GbR war, führte der Kläger seine Tätigkeit nunmehr (unverändert) für den Betrieb der Klägerin fort. Eine neue Vereinbarung mit der Klägerin wurde aus diesem Anlass nicht geschlossen. Es kann offenbleiben, ob die Klägerin Rechtsnachfolgerin der ehemaligen GbR ist oder nicht und bereits deshalb die ursprüngliche mündliche Vereinbarung für sie im Verhältnis zum Beigeladenen zu 1) weitergilt (die Frage der Rechtsnachfolge ist im ruhenden Streitverfahren vor dem Sozialgericht Berlin zum Aktenzeichen S 223 BA 89/19 streitig). Denn zum Inhalt und insbesondere zur Frage, ob für den Beigeladenen zu 1) ursprünglich (im Jahr 1995) und weiter ab dem 23. November 2000 eine selbständige Tätigkeit einvernehmlich vereinbart wurde, existieren bis zuletzt im Verfahren gegensätzliche Darstellungen der Vertragspartner, die kein klares Bild ergeben. Ein zugrundeliegender Rahmenvertrag, der entweder weiter gilt oder unverändert konkludent mit der Klägerin geschlossen wurde, lässt sich damit inhaltlich nicht fassen. Sein Inhalt kann somit weder für noch gegen eine Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit sprechen; er ist neutral. Deshalb kommt es im vorliegenden Fall mehr noch als in anderen Fällen entscheidend auf die tatsächliche Ausgestaltung und Durchführung der Rechtsbeziehung an (vgl. BSG, Urteil vom 20. Juli 2023 – B 12 BA 1/23 R – Rn. 14, juris).

 

3. Die Indizien sprechen, wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, hinsichtlich der langjährigen Tätigkeit deutlich für eine tatsächlich und im Wesentlichen unverändert bestehende Eingliederung des Beigeladenen zu 1) in einen fremden Betrieb, nämlich denjenigen der Klägerin.

 

Der Beigeladene zu 1) war Erfüllungsgehilfe der Klägerin. Er war nicht selbst Vertragspartner der Kunden und Kundinnen der Klägerin. Er fertigte für die Klägerin auf ihre Anforderung statische Berechnungen an, die Teil der Leistung waren, die die Klägerin ihrerseits ihren Kundinnen und Kunden, darunter auch die Bundesrepublik Deutschland für deren Liegenschaften/Behörden, schuldete und abrechnete. Der Beigeladene zu 1) trat schließlich nach außen, Dritten gegenüber wie auch Kunden und Kundinnen, den beteiligten Architekten und anderen Gewerken auf den Baustellen als Vertreter und Mitarbeiter der Klägerin auf. Unbestechliches Kennzeichen eines solchen Auftretens nach außen ist die Verwendung von Visitenkarten mit dem Emblem oder Logo und der Adresse sowie Kontaktdaten (Büro) des Auftraggebers, hier der Klägerin. Er nutzte keine eigenen Visitenkarten oder andere Gegenstände, die ihn als selbständigen (Sub-)Unternehmer auswiesen. Der Beigeladene zu 1) war schon deshalb kein externer Experte, dessen Einzelleistungen die Klägerin – auch für ihre Auftraggeber erkennbar – einkaufte und stellvertretend für ihn abrechnete. Der Beigeladene zu 1) war – so die eigenen Angaben des Geschäftsführers der Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht – bei Übernahme eines Auftrags von Anfang an auch bei der Beratung des Auftraggebers und bei der Ausführung eingebunden. Er nutzte Büroräume, Hard- und Software der Klägerin, er besaß dauerhaft einen Schlüssel zu ihrem Büro und damit den Geschäftsräumen. Gleichzeitig hatte er seine statischen Berechnungen nach Fertigstellung dem Geschäftsführer der Klägerin zuzuleiten, der sie auf Vollständigkeit prüfte und unterzeichnete, damit als seine eigenen Leistungen bzw. Leistungen der Klägerin nach außen verwendete. Die statischen Berechnungen waren auf Betriebscomputern der Klägerin abgespeichert, so dass diese jederzeit darauf Zugriff hatte. Der Beigeladene zu 1) hatte Stundenaufzeichnungen über seine Arbeitsleistung zu fertigen. Mindestens ab dem Jahr 2006 trug er die Arbeitsstunden in einen so bezeichneten Stundenzettel ein, in dem er sogar als „Mitarbeiter“ benannt wurde. Diese Vordrucke stellte ihm unstreitig die Klägerin zur Verfügung.

 

Bereits diese Einzelmerkmale weisen ihn klar als Beschäftigten im Betrieb der Klägerin aus. Sowohl die arbeitsteilig erbrachten Arbeitsleistungen des Beigeladenen zu 1) als auch das gesamte „Setting“ seiner Betriebszugehörigkeit tragen im klassischen Sinn alle Merkmale einer (unselbständigen) Zuarbeit von weisungsgebundenen eingegliederten Beschäftigten für ein Gesamtwerk ihres Arbeitgebers. Auf die Frage, ob es andere Beschäftigte gab, die eine vergleichbare Tätigkeit und Stellung im Betrieb der Klägerin hatten oder ob der Beigeladene zu 1) längere Zeit und nicht nur vereinzelt Telefonanrufe arbeitsteilig mit anderen Anwesenden im Büro der Klägerin angenommen hatte, schließlich ob es für ihn eine Pflicht zur Anwesenheit gab, kommt es vor dem Hintergrund dieser Indizien für seine Eingliederung nicht mehr an.

 

4. Dass der Beigeladene zu 1) gerade kein selbständiger Subunternehmer der Klägerin war, zeigen vor allem die Verträge, die die Klägerin selbst mit ihren jeweiligen Auftraggebern geschlossen hat. Wird die im Rahmen des § 7a SGB IV zu prüfende Tätigkeit im Rahmen weiterer Vertragsbeziehungen zwischen dem Auftraggeber und Dritten, damit einem Dreiecksverhältnis, erbracht, sind im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens auch diese weiteren Vertragsbeziehungen zu berücksichtigen (BSG, Urteil vom 14. März 2018 – B 12 KR 12/17 R –, Rn. 33; Urteil vom 4. Juni 2019 – B 12 R 12/18 R –, Rn. 14; jeweils juris; Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26. Januar 2023 – L 4 KR 550/16 –, Rn. 258, juris). Unter Berücksichtigung der für die Abgrenzung zwischen Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit generell geltenden Prüfungsmaßstäbe sind nicht nur die vertraglichen Vereinbarungen zwischen Auftraggeber und einem Auftragnehmer, sondern sämtliche Rechtsbeziehungen zu betrachten, die den konkret zu beurteilenden "projektbezogenen Einsatz" prägen (BSG, Beschluss vom 28. November 2018 – B 12 R 34/18 B –, Rn. 6, Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26. Januar 2023 – L 4 KR 550/16 –, Rn. 258, jeweils juris).

 

Für den vorliegenden Rechtsstreit bedeutet das, dass auch die Vereinbarungen zwischen der Klägerin und ihren Auftraggeberinnen und Auftraggebern von Bedeutung für die Qualifizierung der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) sind. Dies gilt jedenfalls insoweit, als diese den Gegenstand der Leistung und die Einsatzbedingungen des Beigeladenen zu 1) mitbestimmen. Den von der Klägerin selbst im Verwaltungsverfahren vorgelegten Vereinbarungen mit ihren Auftraggebern und Auftraggeberinnen entnimmt der Senat insoweit, dass diese Verträge regelhaft die Klägerin dazu verpflichten, die von ihr angefertigten Unterlagen als (Entwurfs-)Verfasserin zu unterzeichnen, damit die Verantwortung für deren Inhalt den Kundinnen und Kunden gegenüber zu übernehmen und die ihr übertragenen Leistungen in ihrem eigenen Büro zu erbringen. Außerdem formulieren die Verträge entweder als explizite Regelung oder in den Allgemeinen Vertragsbedingungen (AVB) regelhaft die Obliegenheit, dass die Klägerin die Aufträge nur mit vorheriger schriftlicher Zustimmung des Auftraggebers auf Dritte übertragen darf.

 

Diese Verpflichtungen der Klägerin haben wesentliche Auswirkungen auf das Verhältnis der Klägerin zum Beigeladenen zu 1). Mit Blick auf die verantwortungsvollen Ingenieurs- und Statikerleistungen, die die Klägerin ihren Auftraggeberinnen und –gebern, darunter zahlreiche Bundesbehörden, lieferte, ist davon auszugehen, dass sich die Klägerin rechtstreu verhalten hat. Das aber schließt es geradezu aus, dass sie den Beigeladenen zu 1) als selbständig tätigen (Sub-)Unternehmer regelhaft beauftragte. Vielmehr ist davon auszugehen, dass sie sich seine Leistungen jeweils zu eigen machte und diese auch deshalb einer Prüfung und Gegenzeichnung unterwerfen musste (zu einer vergleichbaren Konstellation, vgl. Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26. Januar 2023 – L 4 KR 550/16 –, Rn. 264 und 274, juris).

 

5. Gegen eine Selbständigkeit spricht, dass der Beigeladene zu 1) weit überwiegend in den Räumen der Klägerin arbeitete. Er verfügte über keine eigene Arbeitsstätte im Sinne eines voll ausgestatteten (Ingenieur-)Büros, welches den von der Klägerin bereitgestellten Vorrichtungen entsprach und als Arbeitsstätte an dessen Stelle treten konnte. Ungeachtet des im Fall auch des Beigeladenen zu 1) bestehenden Dienstes höherer Art (dazu sogleich) sprechen Freiheiten bei Ort und Zeit der Tätigkeit in der modernen Arbeitswelt allgemein nicht zwingend für Selbständigkeit (BSG, Urteil vom 27. April 2021 – B 12 KR 27/19 R –, Rn. 15; Urteil vom 18. November 2015 – B 12 KR 16/13 R⁠⁠, Rn. 36; jeweils juris und m.w.N.).

 

Auf die Frage, ob der Beigeladene zu 1) weisungsgebunden arbeitete, kommt es nicht entscheidend an. Zur Überzeugung des Senats unterlag er mit Blick auf seine Tätigkeit als einem Dienst höherer Art und seine Fachkenntnis bei Erstellung der Statik-Berechnungen keinen projektbezogenen Einzelweisungen der Klägerin. Die inhaltlichen Vorgaben ergaben sich aus Vorschriften, wie z. B.  DIN-Normen. Dienste höherer Art sind in Anlehnung an den in § 627 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) verwendeten Begriff im Erwerbsleben Tätigkeiten, die ein überdurchschnittliches Maß an Fachkenntnissen, Kunstfertigkeit oder wissenschaftlicher Bildung, eine hohe geistige Fantasie oder Flexibilität voraussetzen. Der Gesetzgeber (des BGB) wollte vorwiegend solche Tätigkeiten erfassen, die einer akademischen Ausbildung bedürfen und sich durch ein besonders qualifiziertes Berufsbild auszeichnen (BGH, Urteil vom 2. Mai 2019 - IX ZR 11/18 - juris Rn. 13). Im Zusammenhang mit der Weisungsgebundenheit, auf die § 7 SGB IV abstellt, folgt daraus, dass typisierend davon auszugehen ist, dass solche Tätigkeiten weitgehend frei von Einzelweisungen ausgeübt werden. An die Stelle des Weisungsrechts tritt dann die funktionsgerecht dienende Arbeitsteilung und die Eingliederung in den Betrieb. Die in § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV genannten Merkmale sind schon nach dem Wortlaut nur "Anhaltspunkte" für eine persönliche Abhängigkeit und keine abschließenden Bewertungskriterien. Weisungsgebundenheit und Eingliederung in den Betrieb stehen weder in einem Rangverhältnis zueinander noch müssen sie stets kumulativ vorliegen. Eine Eingliederung geht nicht zwingend mit einem umfassenden Weisungsrecht einher. Dies gilt insbesondere für Tätigkeiten, die mit besonderer Eigenverantwortung und fachlicher Selbstständigkeit bei der Aufgabenerledigung verbunden sind. Dennoch kann die Dienstleistung in solchen Fällen fremdbestimmt sein, wenn sie ihr Gepräge von der Ordnung des Betriebes erhält, in deren Dienst die Arbeit verrichtet wird (BSG, Urteil vom 23. April 2024 – B 12 BA 9/22 R –, Rn. 23/24, juris). Klassisches Beispiel für den Dienst höherer Art, der nicht weisungsgebunden, aber dennoch ein eingegliederter, funktionsgerecht dienender Beschäftigter sein kann, ist der Chefarzt eines Krankenhauses (vgl. bereits BSG, Urteil vom 29. September 1965 - 2 RU 169/63 - BSGE 24, 29 ff., Rn. 50, juris).

 

6. Der Beigeladene zu 1) trug kein eigenes relevantes Unternehmerrisiko. Maßgebendes Kriterium für ein unternehmerisches Risiko ist, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist. Allerdings ist ein unternehmerisches Risiko nur dann Hinweis auf eine selbständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft oder größere Verdienstchancen gegenüberstehen. Aus dem (allgemeinen) Risiko, außerhalb der Erledigung einzelner Aufträge zeitweise die eigene Arbeitskraft ggf. nicht verwerten zu können, folgt kein Unternehmerrisiko (BSG, Urteil vom 18. November 2015 – B 12 KR 16/13 R; Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26. Januar 2023 – L 4 KR 550/16 –, Rn. 298, juris).

 

Gemessen daran setzte der Beigeladene zu 1) im Wesentlichen seine eigene Arbeitskraft ein. Kapital in nennenswertem Umfang, z.  B.  für Sachmittel und Ausstattung, setzte er nicht ein, so dass ein spezifisches Kapitalrisiko bereits deshalb nicht bestand. Er setzte aber auch seine Arbeitskraft nicht mit einem ungewissen Erfolg und damit mit Vergütungsrisiko ein, nämlich dem Risiko, trotz geleisteter Arbeit keine Vergütung zu erhalten. Gegen ein solches Unternehmerrisiko spricht, dass der Beigeladene zu 1) von der Klägerin eine nach Stunden bezifferte Vergütung erhielt. Diese erhielt er unabhängig von einer Abnahme der Leistungen, auch Abzüge für Schlechtleistungen erfolgten nicht. Der Beigeladene zu 1) erhielt pro Arbeitsstunde unstreitig eine Vergütung zwischen 35,00 und 38,00 Euro. Er stellte dazu im Abstand von ein bis drei Monaten der Klägerin seine geleisteten Stunden in Rechnung. Diese beruhten auf einer Auflistung der geleisteten Arbeitsstunden, zunächst freihändig auf begleitenden Auflistungen nach Gesamtstundenzahl, später dann, mindestens im Verlauf des Jahres 2006, auf der Angabe von Arbeitsstunden auf Stundenzetteln, die der Beigeladene zu 1) für die Klägerin fertigte. Die erfolgsunabhängige Vergütung nach Zeiteinheiten wird durch die Abrechnungsregularien, welchen die Klägerin ihrerseits unterlag, klar untermauert. Die Klägerin hatte Vereinbarungen mit ihren Auftraggeberinnen und Auftraggebern geschlossen, wonach sie nach Aufwand honoriert wurde. Sie erhielt bei laufenden Projekten nicht erst am Ende eine Vergütung, sondern machte für ihre Leistungen, während das Projekt noch lief, Abschlagszahlungen geltend. Für den darzulegenden Beratungsaufwand, der auch nach den Honorarregelungen der HOAI teilweise nach Zeiteinheiten vergütet werden durfte, benötigte die Klägerin, um ihrerseits den Umfang für Abschlagszahlungen den Kunden gegenüber belegen zu können, eine Aufstellung nach Stunden bzw. Zeiteinheiten der Leistungen, die der Beigeladene zu 1) für sie erbrachte. Der Beigeladene zu 1) lieferte mit seinen nach Stunden bemessenen Rechnungen somit für die Klägerin die Grundlage für deren Abschlagsrechnungen. Diesen Modus beschrieb der Geschäftsführer der Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht klar und eindeutig. Die Funktion der Rechnungen des Beigeladenen zu 1) für die Abschlagszahlungen der Klägerin erklärt für den Senat auch, warum auf den Rechnungen des Beigeladenen zu 1) teilweise der Zusatz „AKonto“ (Abschlagszahlung) oder „pauschal“ vermerkt war. Nach außen hin berechnete er der Klägerin damit einen Abschlag, um ihr ihrerseits den Erhalt von Abschlagszahlungen zu ermöglichen. Anhaltspunkte dafür, dass hernach jeweils ein Ausgleich oder eine Saldierung der in Rechnung gestellten Abschläge, abhängig vom Erfolg der Leistung des Beigeladenen zu 1), stattfand bestehen keine. Soweit die handschriftlichen Ergänzungen auf den Rechnungen bis November 2009 teilweise Verrechnungen vornahmen (z.  B.  im Jahr 2002, Bl. 67 – 87 Verwaltungsakte), handelt es sich um Verrechnungen im engeren Sinne, d. h.  um den Ausgleich von Forderungen aus früheren Monaten. Eine projektbezogene Schlussrechnung fand hingegen im Verhältnis zum Beigeladenen zu 1) nicht statt. Das Risiko, bei Schlechtleistung keine Anschlussaufträge zu erhalten, kennzeichnet nicht den selbständigen Unternehmer. Diesem unterliegt beispielsweise auch eine abhängig beschäftigte Aushilfskraft, die eingesetzt wird, um Belastungsspitzen aufzufangen.

 

Der Beigeladene zu 1) hatte schließlich keine aus seiner freien Stellung ableitbaren Möglichkeiten, seinen Gewinn zu steigern. Er war an dem Gewinn oder nur dem Honorar, welches die Klägerin für die Aufträge erhielt, nicht beteiligt. Eine Möglichkeit, sein Honorar zu steigern, bestand für ihn außer durch die Übernahme weiterer Aufträge nicht. Dass der Beigeladene zu 1) auch für andere Auftraggeber/Auftraggeberinnen tätig werden konnte, ist für die Beurteilung des Vertragsverhältnisses mit der Klägerin grundsätzlich unerheblich. Wie § 8 Abs. 2 und 3 SGB IV belegen, geht der Gesetzgeber davon aus, dass mehrere Beschäftigungen und/oder selbständige Tätigkeiten parallel ausgeübt werden können. Es kommt daher nicht darauf an, ob der Beigeladene zu 1) tatsächlich nicht für andere Auftraggeber/Auftraggeberinnen tätig war, weil nach seinem Vortrag eine solche weitere Tätigkeit in relevantem zeitlichen Umfang neben der Tätigkeit für die Klägerin nicht möglich war.

 

7. Es ist außerdem ohne Bedeutung, dass die Vertragsparteien davon ausgingen, dass keine Entgeltfortzahlungsansprüche bei Krankheit und Urlaub bestehen. Die Überbürdung des Risikos, bei krankheits- oder urlaubsbedingten Ausfällen kein Honorar zu erhalten, wie es die Beteiligten hier möglicherweise übereinstimmend angenommen haben, spricht nur dann für Selbständigkeit, wenn dem auch eine größere Unabhängigkeit oder höhere Verdienstchancen gegenüberstehen. Allein die Belastung eines Erwerbstätigen mit zusätzlichen Risiken rechtfertigt nicht die Annahme von Selbständigkeit.

 

8. Für den Senat ist schließlich nicht entscheidend, ob der Beigeladene zu 1) eine Vergütung erzielte, die im Vergleich zu festangestellten vergleichbaren Ingenieuren/Baustatikern wesentlich höher als ein Tarifentgelt war. Auf die Höhe der Vergütung kommt es nur dann an, wenn die übrigen Umstände gleichermaßen für Selbständigkeit wie für eine Beschäftigung sprechen. Dies ist hier nicht der Fall. Im Übrigen steht den Beteiligten nicht die Dispositionsfreiheit zu, sich von der Sozialversicherungspflicht "freizukaufen" (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2021 – B 12 R 1/21 R –, juris, Rn. 29; Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26. Januar 2023 – L 4 KR 550/16 –, Rn. 304, juris).

 

9. Als ein Indiz von untergeordneter Bedeutung für eine selbständige Tätigkeit könnte angesehen werden, dass der Beigeladene zu 1) seine Arbeitsstunden nebst Umsatzsteuer in Rechnung stellte. Formalen Kriterien dieser Art kommt nur eine sehr geringe Bedeutung zu (LSG Berlin-Brandenburg, Urteile vom 14. Dezember 2016 – L  9 KR 344/13 – und 15. Dezember 2015 – L 9 KR 82/13, juris) oder sie haben keinerlei Indizwert (BSG, Urteil vom 21. April 2021 – B 12 R 16/19 R –, juris, Rn. 24). Vergleichbar den Ansprüchen auf Entgeltfortzahlung folgt die Praxis häufig nur als Konsequenz aus der subjektiven Vorstellung der Vertragsparteien, kein zur Versicherungspflicht führendes Beschäftigungsverhältnis begründen zu wollen (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26. Januar 2023 – L 4 KR 550/16 –, Rn. 306, juris).

 

10. Keine andere Beurteilung rechtfertigt der für Herrn A. A ausgestellte Bescheid der BfA vom 2. Juni 1999 oder die Tatsache, dass für die Klägerin eine Prüfung nach § 28p SGB IV erfolgte und seinerzeit keine Beanstandung erbrachte. Der den Mitarbeiter A betreffende Bescheid betrifft eine andere Person und nicht den Beigeladenen zu 1) und seine Tätigkeit. Er kann schon deshalb keine Tatbestandswirkung oder einen Vertrauensschutz für die vorliegende Beurteilung begründen. Außerdem befreit der Bescheid nach seinem Verfügungssatz den Genannten von der Rentenversicherungspflicht nur für jede Tätigkeit als arbeitnehmerähnlicher Selbständiger, nicht aber für die Tätigkeit bei der Klägerin. Die Befreiung erfolgte schließlich gerade, weil der Mitarbeiter A eine für sich und Hinterbliebene bereits vor dem Stichtag 10. Dezember 1998 abgeschlossene angemessene anderweitige Absicherung für die Altersrente, der Invalidität sowie eine Hinterbliebenenversorgung nachgewiesen hat. Ein früheres Prüfverfahren gemäß §  28p SGB IV, welches keine Beanstandungen, speziell für den Beigeladenen zu 1) auch keine Feststellungen erbrachte, bindet die Feststellung im Statusfeststellungsverfahren nicht (vgl. den allein vorgelegten Erhebungsbogen). Allein ein laufendes Statusprüfverfahren der Einzugstelle hindert die Statusfeststellung (§ 7a Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz SGB IV).

 

III. Die Beklagte hat im Ergebnis zu Recht die Versicherungspflicht ab dem 23.  November 2000 bis zum 12. Juli 2011 festgestellt und nicht für einzelne zeitlich abgegrenzte Auftragsverhältnisse. Sie war dazu zum einen deshalb berechtigt, weil der Senat in Würdigung der Gesamtumstände davon ausgeht, dass tatsächlich keine abgrenzbaren Auftragsverhältnisse vorlagen, sondern ein Dauerschuldverhältnis auf Abruf, in dem die einzelnen Arbeitseinsätze lediglich (einseitige) Konkretisierungen einer Leistungspflicht waren, zu der sich der Beigeladene zu 1) bereits 1995 gegenüber der GbR bereiterklärt hatte. Ab Gründung der Klägerin wurde mit ihr ein inhaltlich deckungsgleiches Dauerrechtsverhältnis begründet (vgl. zum Dauerschuldverhältnis BSG, Urteil vom 23. April 2024 – B 12 BA 9/22 R –, Rn. 18, juris). Dies wird bestätigt durch die fortlaufenden Abrechnungen des Beigeladenen zu 1), die keine einzelnen Zeiträume für einzelne Aufträge erkennen lassen, sondern auf der Basis von Gesamtstunden abrechneten. Ungeachtet dieser Modalitäten ist im vorliegenden Fall entscheidend, dass es der Beklagten anhand der vorgelegten Nachweise schlichtweg gar nicht möglich wäre, für den zurückliegenden Zeitraum exakt kalendertäglich festzustellen und damit zu bestimmen, wann die einzelnen Arbeitseinsätze des Beigeladenen zu 1) begannen und endeten. Es liegt insoweit eine Beweislastverschiebung zugunsten der Beklagten vor. Zwar trägt grundsätzlich die Beklagte die Beweislast für ihre Feststellungen nach § 7a SGB IV. Können die Beteiligten aber nicht belegen, dass eine tatsächlich fortlaufend ausgeübte Tätigkeit an einzelnen Tagen eines abgelaufenen Zeitraums nicht ausgeübt wurde, weil sie keine entsprechenden Unterlagen geführt haben oder sie diese nicht einreichen, ist die Behörde im Verfahren der Statusfeststellung berechtigt, nur Anfang und Ende der Versicherungspflicht festzustellen. Davon hat die Beklagte hier Gebrauch gemacht.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreites. Das Berufungsverfahren ist nicht gerichtskostenpflichtig, weil kein Fall des § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG vorliegt. Gemäß dessen Abs. 1 Satz 1 findet § 193 SGG dann keine Anwendung, wenn in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 SGG genannten (kostenprivilegierten) Personen gehört. Maßgebender Zeitpunkt ist insoweit grundsätzlich der Beginn des jeweiligen Rechtszugs, im Fall einer Berufung damit der Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels (Stotz in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Aufl., § 197a SGG - Stand: 15.06.2022 - Rn. 19). Wird das Rechtsmittel von einem kostenprivilegierten Beteiligten eingelegt, so unterfällt das Rechtsmittelverfahren unabhängig davon, ob auch ein nicht kostenprivilegierter anderer Beteiligter ein weiteres Rechtsmittel einlegt, dem § 193 SGG und kommt § 197a SGG nicht zur Anwendung. Die Herrschaft des § 193 SGG bleibt auch dann für den jeweiligen Rechtszug maßgeblich, wenn die formale Stellung und die Kostenprivilegierung nach dem Beginn des Rechtszugs wechselt. Das ergibt sich u.  a. aus der Regelung des § 183 Satz 2 SGG, der die Kostenfreiheit bei Übernahme des Verfahrens durch sonstige Rechtsnachfolger regelt (vgl. BSG, Urteil vom 3. August 2006 – B 3 KR 24/05 R –, Rn. 23, juris). Gemessen daran hat der Beigeladene zu 1), der zum kostenprivilegierten Kreis der Versicherten gehört, zuerst Berufung eingelegt. Dass er diese später zurückgenommen hat, ändert das kostenrechtliche Regime für das Berufungsverfahren nicht. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 1) trägt die Klägerin, weil dieser mit Erfolg einen Antrag gestellt hat und es der Billigkeit entspricht, die Kosten der unterlegenen Klägerin aufzuerlegen. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2) – 4) tragen diese aus Gründen der Billigkeit selbst, weil sie keine Anträge gestellt haben (vgl. BSG, Urteil vom 27. Juni 2007 – B 6 KA 37/06 R –, juris).

 

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).

 

 

Rechtskraft
Aus
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