Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 8. Mai 2024 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Halbierung der Gehaltszahlung an ihre Vorstände.
Der im Jahr 1930 geborene Kläger ist bei der Beklagten sozial pflegeversichert. Er bezieht seit dem 1. März 2021 Pflegegeld nach Pflegegrad 3. Ein am 12. April 2022 gestellter Pflegegraderhöhungsantrag blieb ohne Erfolg (Ablehnungsbescheid vom 10. Mai 2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Juli 2022, klageabweisender Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz [SG] vom 17. Mai 2023 – S 8 P 1225/22; die Berufung zurückweisendes Senatsurteil vom 25. September 2023 – L 4 P 1694/23; verwerfende Beschlüsse des Bundessozialgerichts [BSG] vom 17. November 2023 – B 3 P 18/23 AR – und vom 8. Januar 2024 – B 3 P 1/24 AR).
Nach zunächst fruchtloser Aufforderung zum Nachweis eines Beratungsbesuches durch einen Pflegedienst reduzierte die Beklagte mit Bescheid vom 18. September 2023 ab 1. Oktober 2023 das Pflegegeld des Klägers um die Hälfte (272,50 €). Nach Durchführung des Beratungsbesuches zahlte die Beklagte dem Kläger am 8. November 2023 den gekürzten Betrag für die Monate Oktober und November 2023 nach. Ab Dezember 2023 wurde das Pflegegeld wieder ungekürzt ausgezahlt.
Mit Schreiben vom 9. Februar 2024, Eingang beim SG am 13. Februar 2024, erhob der Kläger Klage gegen die Beklagte mit dem Begehren, dass den „2 höchsten Verwaltungspersonen in Stuttgart der AOK B1 nun von ihrem protzigen Unterhalt die Hälfte von den jedes Jahr gezahlten ½ Million Gesamtsumme gestrichen wird“. Zur Begründung führte er nach Auflistung zahlreicher in der Vergangenheit liegender, als staatliche Ungerechtigkeiten gewerteter Umstände insbesondere aus, dass eine „spektakuläre Verschwendung von Volksgeldern“ vorliege.
Die Beklagte trat der Klage entgegen.
Nach Anhörung der Beteiligten wies das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 8. Mai 2024 ab. Diese sei mangels vorherigen Verwaltungsverfahrens und mangels Klagebefugnis des Klägers bereits unzulässig.
Hiergegen hat der Kläger am 3. Juni 2024 beim SG Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt, zu deren Begründung er unter Wiederholung seines bisherigen Vorbringens und weiterer Auflistung von als Beispiele staatlicher Geldverschwendung gewerteten Umständen insbesondere ausgeführt hat, die 96 Krankenkassenvorstände der Bundesrepublik Deutschland kosteten jährlich ca. 100 Millionen. Er habe das Recht zur Rüge, da er niemals Schulden gemacht habe.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 8. Mai 2024 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Gehaltszahlungen an ihre Vorstände zu halbieren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Der Senat konnte verhandeln und entscheiden, obwohl der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist, da mit der ordnungsgemäßen, ausweislich der Postzustellungsurkunde am 28. Juni 2028 zugestellten Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen wurde (§ 110 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz <SGG>).
1. Die nach § 151 Abs. 1 und 2 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, insbesondere statthaft gemäß §§ 105 Abs. 2 Satz 1, 143 SGG. Sie bedurfte nicht der Zulassung nach § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG; denn die Klage betrifft weder eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung noch einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt.
2. Zutreffend hat das SG als streitgegenständlich das Begehren des Klägers angesehen, die Beklagte zu verurteilen, die Gehaltszahlungen an ihre Vorstände um die Hälfte zu kürzen. Dieses Klagebegehren ergibt sich unmittelbar aus dem Wortlaut der Klage („Das ist hiermit eine Klage gegen die Pflegekasse, wo ich zu Recht verlange, dass die 2 höchsten Verwaltungspersonen in Stuttgart der AOK B1 nun von ihrem protzigen Unterhalt die Hälfte von den jedes Jahr gezahlten ½ Million Gesamtsumme gestrichen wird“). Weitere konkrete Begehren auf eine gerichtliche Entscheidung sind dem Vorbringen des Klägers in beiden Rechtszügen nicht zu entnehmen. Insbesondere spricht angesichts des genannten Wortlauts nichts für die von der Beklagten erstinstanzlich noch geäußerte Vermutung, der Kläger wende sich gegen den Bescheid vom 18. September 2023. Ohnehin lag zum Zeitpunkt der Klageerhebung aufgrund der Nachzahlung der ursprünglich reduzierten Beträge des Pflegegeldes keine Beschwer des Klägers durch diesen Bescheid mehr vor.
3. Die Berufung ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Diese ist mangels Klagebefugnis unzulässig.
a) Die hier erhobene echte Leistungsklage setzt analog § 54 Abs. 1 Satz 2 SGG voraus, dass der Kläger klagebefugt ist, also geltend machen kann, durch die Ablehnung oder Unterlassung der beanspruchten Leistung beschwert zu sein. Die Klagebefugnis fehlt, wenn dem Kläger der geltend gemachte Anspruch unter keinem Gesichtspunkt zustehen kann, die Verletzung seiner subjektiven Rechte nicht möglich erscheint, wenn also dem Kläger das geltend gemachte Recht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zustehen kann (BSG, Urteil vom 16. August 2017 – B 12 KR 19/16 R – juris, Rn. 17 m.w.N.; Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Auflage 2023, § 54 Rn. 41a, 22). Die einschlägige Rechtsnorm darf nicht nur dem allgemeinen Interesse dienen, sondern muss auch den Schutz der Rechtssphäre des Einzelnen bezwecken. Popularklagen sind ausgeschlossen (Keller, a.a.O., Rn. 22, 23, 10 m.w.N.).
b) Ein subjektiv öffentliches Recht des Klägers, das den geltend gemachten Anspruch begründen könnte, liegt nicht vor.
Die Pflegekassen sind rechtsfähige Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung. Organe der Pflegekassen sind die Organe der Krankenkassen, bei denen sie errichtet sind (§ 46 Abs. 2 SGB XI). Organe der Krankenkasse sind nach § 31 Abs. 3a Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) der Verwaltungsrat als Selbstverwaltungsorgan sowie ein hauptamtlicher Vorstand. Die Höhe der Vergütung des hauptamtlichen Vorstands ergibt sich aus § 35a Abs. 6a SGB IV. Danach gilt: Der Abschluss, die Verlängerung oder die Änderung eines Vorstandsdienstvertrags bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der vorherigen Zustimmung der Aufsichtsbehörde. Die Vergütung der Mitglieder des Vorstandes einschließlich aller Nebenleistungen und Versorgungsregelungen hat in angemessenem Verhältnis zur Bedeutung der Körperschaft zu stehen, die sich nach der Zahl der Versicherten bemisst. Darüber hinaus ist die Größe des Vorstandes zu berücksichtigen. Finanzielle Zuwendungen nach Abs. 6 Satz 3 sind auf die Vergütung der Vorstandsmitglieder anzurechnen oder an die Körperschaft abzuführen. Vereinbarungen der Körperschaft für die Zukunftssicherung der Vorstandsmitglieder sind nur auf Grundlage von beitragsorientierten Zusagen zulässig. Die Wirksamkeit der Vorstandsvergütung hängt demnach von der vorherigen Zustimmung der Aufsichtsbehörde ab. Ein individuelles Schutzrecht eines einzelnen Mitglieds lässt sich hieraus nicht ableiten. Mithin kommt ein subjektiv öffentliches Recht eines einzelnen Mitglieds der Kranken- oder Pflegekasse auf eine bestimmte Vergütungshöhe von vornherein nicht in Betracht. Der geltend gemachte Anspruch ist somit unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt möglich.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und Abs. 4 SGG.
5. Die Revision war nicht zugelassen, da Gründe hierfür (§ 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
Land
Bundesrepublik Deutschland
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
4.
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 8 P 298/24
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 P 1773/24
Datum
3. Instanz
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Aktenzeichen
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Datum
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Kategorie
Urteil
Rechtskraft
Aus
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