- Bei einem Lipödem im Stadium II besteht kein Anspruch gegen die Krankenkasse, eine ambulant durchführbare Liposuktion als Sachleistung zu gewähren.
- Ein solcher Anspruch ergibt sich auch nicht aus § 2 Abs. 1a SGB V.
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Tatbestand
Vorliegend begehrt die Klägerin von der Beklagten, ihr eine entweder ambulant oder stationär durchzuführende Liposuktion der Arme und Beine als Sachleistung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zu gewähren.
Die im Mai 1999 geborene, bei der Beklagten krankenversicherte Klägerin beantragte am 30.05.2023 die Übernahme der Kosten für eine Liposuktion der Arme und Beine. Zur Begründung trug sie im Wesentlichen vor, seit ihrer Pubertät leide sie an Schmerzen in ihren Beinen und an immer dicker werdenden Oberschenkeln, Gesäß und Oberarmen sowie extremer Druckempfindlichkeit und einem Schweregefühl in ihren Beinen. Bei einem Termin im Orthopädisch Chirurgischen Zentrum ….. (OCC) bei Frau ..... sei bei ihr ein Lipödem vom Ganzbeintyp und Ganzarmtyp (Typ IV) im Stadium II mit Betonung der Oberschenkel diagnostiziert worden. Nach deren Aussage sei die einzige langfristige Lösung zur Linderung die Liposuktion, die eine dauerhafte Umfangsreduktion sowie die Reduktion der Schmerzsymptomatik erreiche. Laut dem im September 2022 erstellten Kostenvoranschlag würden die Kosten für die Operation ihrer Beine sich auf ca. 8.900 € belaufen, eine Summe, die sie nicht aufwenden könne. Sie beantrage daher die Übernahme der Kosten. Es sei nachgewiesen, dass auch Personen, welche sich z.B. im Stadium II befinden würden, an schlimmen, teils auch schlimmeren Schmerzen leiden würden als Personen im Stadium III. Daher sei es für sie mehr als unverständlich, weshalb bei der Kostenübernahme in den Stadien unterschieden werde. Die Folgeschäden und die daraus resultierenden Kosten sowie die lebenslange Kompressionsversorgung und Lymphdrainage seien ihres Erachtens deutlich höher als die einmalige Übernahme der Operationskosten. Die extreme Druckempfindlichkeit sowie das Schweregefühl seien kaum auszuhalten. Auch dürfe die extreme psychische Belastung nicht vergessen werden. Auch ihre Beziehung leide täglich darunter. Durch ihre Beinschmerzen, die vor allem abends auftreten würden, leide sie auch an Schlafmangel, sei den ganzen Tag müde und schaffe dadurch ihre täglichen Aufgaben kaum. Trotz aller Versuche durch Sport und Ernährungsumstellung sowie zweimal wöchentlicher Lymphdrainage und dem Tragen ihrer Kompressionsversorgung sei kein längerfristiger Erfolg eingetreten.
Dem Antrag beigefügt waren
- Arztbrief des Facharztes für Gefäßchirurgie .....vom 27.10.2021
- Schreiben der Frau ..... vom 11.04.2022 und vom 12.09.2022
- Kostenvoranschlag des OCC vom 12.09.2022 über insgesamt 8.899,00 € mit Messblatt
- Befundbericht der Physiotherapeuten ……. und ……… vom 30.03.2023
- Ärztliche Stellungnahme des Landkreises ……… vom 17.05.2023
- Fotodokumentation.
In der daraufhin auf Veranlassung der Beklagten erstellten Sozialmedizinischen Fallberatung vom 05.06.2023 gelangte Dr. ..... vom Medizinischen Dienst Baden-Württemberg (MD) zu dem Ergebnis, die sozial-medizinischen Voraussetzungen für die beantragte Liposuktion zulasten der GKV seien bei einem Lymphödem im Stadium II unabhängig davon, ob dies im ambulanten oder stationären Setting durchgeführt werden solle, nicht gegeben.
Gestützt hierauf lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 07.06.2023 die beantragte Kostenübernahme einer Liposuktion bei Lipödem Stadium II ab.
Hiergegen legte die Klägerin am 05.07.2023 Widerspruch im Wesentlichen mit der Begründung ein, die Vorschrift des § 137c Abs. 3 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V) erlaube auch außerhalb von Stadium II eine Liposuktion. Bei ihr bestehe ein fortgeschrittenes Lipödem, das sich unter konservativen Therapiemaßnahmen resistent zeige, mit besonders ausgeprägter Schmerzsymptomatik mit erheblichen Auswirkungen auf den Alltag und die berufliche Tätigkeit mit Einschränkung der Arbeitsfähigkeit. Eine konservative Behandlungsmethode sei nicht mehr verfügbar, sie habe alles versucht. Die Operationen seien zudem wirtschaftlich günstiger als langjährige Lymphdrainage und Kompressionsbehandlung. Auch habe die Liposuktion das Potenzial einer erfolgreichen Behandlungsalternative.
Der bei der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuss wies mit Widerspruchsbescheid vom 07.11.2023 den Widerspruch als unbegründet im Wesentlichen mit der Begründung zurück, die beantragte Liposuktion gelte insgesamt als neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode, bei der nicht feststehe, dass die Behandlungsmethode den Kriterien der evidenzbasierten Medizin entspreche. Aufgrund der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) sei die Behandlung eines Lipödems im Stadium III unter bestimmten Voraussetzungen seit 01.01.2020, befristet bis zum 31.12.2024, Teil der vertragsärztlichen Versorgung. Die Kostenübernahme einer Liposuktion im Stadium II – wie bei der Klägerin – sei gegenwärtig für den ambulanten vertragsärztlichen Bereich nicht möglich. Eine solche ambulante Maßnahme habe die Klägerin beantragt, dies schon deshalb, da das OCC als Leistungserbringer nicht über eine Zulassung nach § 108 SGB V verfüge. Darüber hinaus liege bei der Klägerin eine stationäre Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit nach Bestätigung des ärztlichen Gutachters des MD vom 05.06.2023 auch gar nicht vor.
Mit ihrer hiergegen am 26.11.2023 beim Sozialgericht Reutlingen (SG) erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren, gerichtet auf die Übernahme der Kosten für eine ambulant oder stationär durchzuführende Liposuktion der Arme und Beine, weiter. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen vorgetragen, dem Antrag noch der Verwaltungsakte lasse sich nicht entnehmen, dass sie nur eine ambulante Maßnahme beantragt habe. Sie wünsche eine Behandlung, wobei es ihr auf die Art, also ob ambulant oder stationär, nicht ankomme. Andere Krankenkassen hätten das Kriterium des Potenzials einer Behandlungsalternative auch beim Stadium II bzw. unabhängig vom Stadium ausdrücklich als erfüllt angesehen. Die Erprobungsstudie des GBA sei für alle drei Stadien in Auftrag gegeben worden und nicht nur für Stadium III. Eine Differenzierung des Potenzials nach Stadien sei nicht vorgenommen worden. Sie verweise zudem auf die seit dem 22.01.2024 bestehende Leitlinie „Lipödem“, wonach eine Indikationsstellung zur Liposuktion sich nicht mehr an der herkömmlichen Stadieneinteilung orientieren solle. Weiter sei die Liposuktion die operative Methode der Wahl zur nachhaltigen Reduktion des betroffenen Unterhautfettgewebes an Beinen und Armen. Überdies liege bei ihr eine schwerwiegende, die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigende Erkrankung vor.
Wie sich aus dem in der mündlichen Verhandlung am 14.08.2024 vorgelegten Arztbrief des Universitätsklinikums ………, Medizinische Klinik, Abteilung Innere Medizin II vom 29.06.2021 über eine dortige ambulante Vorstellung an diesem Tag ergebe, liege bei ihr eine Blutgerinnungsstörung vor, bei der eine ambulante Liposuktion nicht möglich sei. Auch das voraussichtliche Entnahmevolumen wie auch etwaige auftretende Probleme bei der Anästhesie würden für eine stationäre Behandlungsbedürftigkeit sprechen.
Ergänzend hierzu hat sie das Attest der Fachärzte für Allgemeinmedizin Dres. ….. und …… vom 04.09.2024 vorgelegt, wonach bei ihr aus gesundheitlichen Gründen eine Liposuktion nur unter stationären Bedingungen erfolgen solle, um eine mögliche Komplikation durch eine mögliche Thrombose mit möglicher Embolie frühzeitig zu erkennen.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 07.06.2023 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.11.2023 zu verurteilen, ihr als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung eine ambulante oder stationäre Liposuktion der Arme und Beine zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat sie vorgetragen, die Klägerin habe lediglich eine ambulante Maßnahme beantragt. Eine Kostenübernahme für eine Liposuktion im Rahmen einer ambulanten Intervention könne nur dann in Betracht kommen, wenn ein Lipödem mit dem Stadium III vorliege, was jedoch bei der Klägerin nicht der Fall sei. Ein Nachweis einer stationären Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit liege hier nicht vor. Diese bestehe bei der Klägerin nach Auffassung des ärztlichen Gutachters des MD auch gar nicht. Ein Ausnahmefall im Sinne des § 2 Abs. 1a SGB V liege nicht vor.
Die Kammer hat zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts die Fachärztin für Allgemeinmedizin u.a. mit der Zusatzqualifikation „Lymphologie“ ..... vom OCC als sachverständige Zeugin schriftlich angehört.
Diese hat unter dem 11.03.2024 angegeben, die Klägerin befinde sich seit März 2022 bei ihr in ambulanter Behandlung, Wiedervorstellungen seien im September 2022 sowie im August 2023 erfolgt. Bei der Klägerin finde sich ein Lipödem vom Ganzbeintyp und Ganzarmtyp, Typ IV, Stadium II mit Betonung der Oberschenkel. Mittels konservativer Maßnahmen wie manuelle Lymphdrainagen und Kompressionstherapie lasse sich nur eine kurzzeitige Entlastung der Stauungssymptomatik erzielen. Eine Reduktion der Umfangsvermehrung und eine Reduktion der Dysproportion lasse sich mit konservativen Maßnahmen nicht erreichen. Die Liposuktion stelle derzeit die einzige therapeutische Möglichkeit dar, die Dysproportion und Schmerzsymptomatik zu beheben. Somit könne durch die operative Reduktion des Fettgewebes eine deutliche Verbesserung der Mobilität erreicht werden. Die Liposuktion sei die wirksamste Therapie des Lipödems. Die Liposuktion im Bereich der Arme und Beine könne unter ambulanten Bedingungen durchgeführt werden, eine stationäre Behandlung sei nicht erforderlich.
In ihrer ergänzenden sachverständigen Zeugenaussage vom 02.09.2024 hat sie angegeben, dass sich unter den von ihr operierten Patienten jedes Jahr mehrere Patienten mit einer heterozygoten Faktor V-Leiden-Mutation befänden, die wie die übrigen Patienten auch ambulant operiert würden. Allerdings erfolge eine intensivere und länger andauernde Heparinisierung. So eine Thromboseprophylaxe postoperativ sei auch nach einer Liposuktion üblich und möglich. Eine Liposuktion wäre bei der Klägerin auch weiterhin unter ambulanten Bedingungen möglich.
Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der vorgelegten Verwaltungs- und der Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht beim sachlich und örtlich zuständigen SG erhobene Klage ist zulässig, jedoch unbegründet. Die Entscheidung der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Diese hat keinen Anspruch gegen die Beklagte, ihr eine ambulant oder stationär durchzuführende Liposuktion der Arme und Beine als Sachleistung der GKV zu gewähren.
Nach § 2 Abs. 2 SGB V erhalten die Versicherten die Leistungen der GKV grundsätzlich als Sach- und Dienstleistungen, soweit dieses oder das Neunte Buch nichts Abweichendes vorsehen. Die Klägerin kann nach § 11 Abs. 1 Nr. 4 SGB V i.V.m. § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V Krankenbehandlung verlangen, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Hierbei umfasst die Krankenbehandlung nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 und 5 SGB V sowohl die ärztliche Behandlung als auch die Krankenhausbehandlung. Dabei besteht nach § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V ein Anspruch auf Krankenhausbehandlung nur dann, wenn diese nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel u.a. nicht durch ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann.
Die Leistungspflicht der Krankenkassen unterliegt den in §§ 2 Abs. 1 und 12 Abs. 1 SGB V gesetzlich festgelegten Einschränkungen. Danach müssen die Leistungen der Krankenkassen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen (§ 12 Abs. 1 SGB V). Außerdem müssen Qualität und Wirksamkeit der Leistungen dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen (§ 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V).
Diese allgemeinen Vorgaben werden für den ambulanten Bereich durch § 135 SGB V konkretisiert. Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung dürfen gemäß § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V in der vertragsärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn der GBA nach § 91 Abs. 1 Satz 1 SGB V in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V u.a. Empfehlungen über die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der Methode sowie deren medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit – auch im Vergleich zu bereits zu Lasten der Krankenkassen erbrachte Methoden – nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse in der jeweiligen Therapierichtung abgegeben hat und der Bewertungsausschuss sie zudem zum Gegenstand des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä) gemacht hat (ständige Rechtsprechung – stRspr. -, vgl. zum Ganzen z.B. Bundessozialgericht – BSG -, Urteile vom 16.05.2001 - B 6 KA 20/00 R - , vom 17.06.2008 - B 1 KR 24/07 R - und vom 07.05.2013 - B 1 KR 44/12 R – alle juris -). Durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 i.V.m. § 135 Abs. 1 SGB V wird nicht nur geregelt, unter welchen Voraussetzungen die zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Leistungserbringer (Ärzte, Zahnärzte u.s.w.) neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zu Lasten der Krankenkassen erbringen und abrechnen dürfen. Vielmehr wird durch diese Richtlinien auch der Umfang der den Versicherten von den Krankenkassen geschuldeten ambulanten Leistungen verbindlich festgelegt (stRspr., vgl. BSG, Urteile vom 07.11.2006 - B 1 KR 24/06 R - und vom 03.07.2012 - B 1 KR 6/11 R – beide juris -; zur Bindungswirkung gegenüber allen Systembeteiligten vgl. § 91 Abs. 6 SGB V; zur Verfassungsmäßigkeit und ihrer Überprüfung vgl. nunmehr BSG, Urteil vom 11.05.2017 - B 3 KR 6/16 R – juris -; siehe ferner BSG, Urteil vom 15.12.2015 - B 1 KR 30/15 R – juris - zur Arzneimittel-Richtlinie des GBA). Der Einwand des einzelnen Versicherten, eine nicht empfohlene Untersuchungs- bzw. Behandlungsmethode sei gleichwohl zweckmäßig und in seinem konkreten Fall wirksam bzw. lasse einen Behandlungserfolg als möglich erscheinen, ist nicht beachtlich. Vielmehr ist die gegenständliche Untersuchung bzw. Behandlung gemäß § 135 Abs.1 SGB V deshalb grundsätzlich ausgeschlossen.
Nach § 1 Abs. 1 der auf der Grundlage des § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V erlassenen Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung benennt diese Richtlinie in ihrer Anlage I die vom GBA anerkannten ärztlichen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden der vertragsärztlichen Versorgung. Ärztliche Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, die nach Überprüfung gemäß § 135 Abs. 1 SGB V aus der vertragsärztlichen Versorgung ausgeschlossen wurden, sind nach § 1 Abs. 2 der Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung in der Anlage II dieser Richtlinie aufgeführt; Methoden, deren Bewertungsverfahren ausgesetzt ist, sind in Anlage III genannt.
§ 2 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung bestimmt, dass diese Richtlinie nach § 91 Abs. 9 SGB V für die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Leistungserbringer, für die gesetzlichen Krankenkassen und deren versicherte verbindlich sind. Nach § 2 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung sind vom GBA nicht anerkannte Untersuchungs- und Behandlungsmethoden von der vertragsärztlichen Versorgung zu Lasten der GKV ausgeschlossen, sofern kein Ausnahmefall nach § 2 Abs. 2 dieser Richtlinie vorliegt.
Ärztliche bzw. ärztlich verordnete Behandlungsmethoden im Sinne der GKV sind medizinische Vorgehensweisen, denen ein eigenes theoretisch-wissenschaftliches Konzept zugrunde liegt, das sie von anderen Therapieverfahren unterscheidet und das ihre systematische Anwendung in der Behandlung bestimmter Krankheiten rechtfertigen soll (vgl. nur BSG, Urteil vom 07.05.2013 - B 1 KR 44/12 R – juris – m.w.N.). "Neu" ist eine Methode, wenn sie (bisher) nicht als abrechnungsfähige ärztliche Leistung im EBM-Ä enthalten ist (stRspr, vgl. nur BSG, Urteile vom 17.02.2010 - B 1 KR 10/09 R – und vom 11.05.2017 - B 3 KR 6/16 R – beide juris -).
Unter Beachtung der dargestellten gesetzlichen Grundlagen und Grundsätze ist die hier von der Klägerin begehrte ambulant durchzuführende Liposuktion bei dem bei ihr vorliegenden Stadium II des Lipödems nicht Gegenstand der GKV. Die Beklagte hat es daher zurecht abgelehnt, der Klägerin dieses Behandlungsverfahren als Sachleistung zu gewähren.
Auf den Antrag der Patientenvertretung nach § 140f SGB V vom 20.03.2014 fasste der GBA am 22.05.2014 den Beschluss, zur Bewertung der Liposuktion bei Lipödem ein Beratungsverfahren nach §§ 135 Abs. 1 und 137c SGB V einzuleiten. Der Unterausschuss Methodenbewertung wurde mit der Durchführung der Bewertung der Liposuktion bei Lipödem beauftragt.
Mit Beschluss des GBA vom 20.07.2017 wurde die Liposuktion bei Lipödem als Nummer 13 in Anlage III der Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung als eine Methode, deren Bewertungsverfahren ausgesetzt ist, aufgenommen.
Ebenfalls mit Beschluss vom 20.07.2017 wurde die Liposuktion bei Lipödem unter Nr. 3.1 in Anlage II der Richtlinie Methoden Krankenhausbehandlung als eine Methode, deren Bewertungsverfahren ausgesetzt ist, aufgenommen.
Zugleich wurde in beiden Beschlüssen das Beratungsverfahren zur Richtlinie zur Erprobung gemäß § 137e SGB V der Liposuktion bei Lipödem eingeleitet.
Demgemäß wurde mit Beschluss vom 18.01.2018 vom GBA die Richtlinie zur Erprobung der Liposuktion zur Behandlung des Lipödems (Erp-RL Liposuktion) beschlossen. Nach § 1 Satz 1 Erp-RL Liposuktion sollen hierdurch die notwendigen Erkenntnisse über die Bewertung des Nutzens der Liposuktion zur Behandlung des Lipödems gewonnen werden, um den GBA in die Lage zu versetzen, eine abschließende Bewertung des Nutzens durchzuführen. Dabei soll die Studie nach § 1 Satz 2 Erp-RL Liposuktion durch eine unabhängige wissenschaftliche Institution nach Maßgabe der Erp-RL Liposuktion entworfen, durchgeführt und ausgewertet werden. Der Beginn der danach von Zentrum für Klinische Studien der Universität zu Köln gemeinsam mit der Hautklinik des Klinikums Darmstadt betreuten Studie war der 15.12.2020, der primäre Abschluss am 01.09.2024. Als Datum für die Fertigstellung der Studie ist der 01.09.2025 vorgesehen
Mit Beschluss vom 19.09.2019 wurde vom GBA die Liposuktion bei Lipödem im Stadium III als Nr. 32 in Anlage I der Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung als anerkannte Untersuchungs- oder Behandlungsmethode, zunächst befristet bis zum 31.12.2024, dann mit Beschluss vom 19.09.2024 befristet bis zum 31.12.2025 aufgenommen.
Ebenfalls am 19.09.2019 beschloss der GBA die Liposuktion bei Lipödem im Stadium III als Nr. 14 in Anlage I zur Richtlinie Methoden Krankenhausbehandlung als Methode, die für die Versorgung mit Krankenhausbehandlung erforderlich ist, aufzunehmen. Die zunächst ausgesprochene Befristung bis 31.12.2024 wurde ebenfalls mit Beschluss vom 19.09.2024 vom GBA bis zum 31.12.2025 verlängert.
Zeitgleich beschloss der GBA die Richtlinie über Maßnahmen zur Qualitätssicherung bei Verfahren der Liposuktion bei Lipödem im Stadium III, wonach u.a. die Liposuktion zur Behandlung des Lipödems im Stadium III als Tumeszenz-Liposuktion zu erfolgen hat.
Entsprechend dem GBA-Beschluss vom 19.09.2019 wird lediglich die Liposuktion bei Lipödem Stadium III als abrechnungsfähige vertragsärztliche Leistung im EBM-Ä aufgeführt. Die Liposuktion bei einem Lipödem im Stadium I oder im Stadium II ist dort nicht enthalten.
Bei der Klägerin liegt unstreitig ein Lipödem im Stadium II vor. Die von ihr begehrte ambulant durchzuführende Liposuktion bei einem Lipödem im Stadium II ist im EBM-Ä nicht enthalten und somit keine vertragsärztliche, ambulant zu erbringende Leistung. Eine positive Feststellung des GBA zu einer Liposuktion bei Lipödem im Stadium II liegt nicht vor. Vielmehr hat der GBA – wie dargestellt – ausdrücklich am 19.09.2019 beschlossen, dass lediglich die Liposuktion bei einem Lipödem im Stadium III bei Erfüllung der in der Richtlinie über Maßnahmen zur Qualitätssicherung genannten näheren Voraussetzungen nunmehr befristet bis zum 31.12.2025 eine anerkannte Untersuchungs- oder Behandlungsmethode ist, die als Sachleistung im Rahmen der GKV vom Beklagten zu erbringen ist.
Auch ein Ausnahmefall im Sinne des § 2 Abs. 1a SGB V liegt nicht vor. Danach können Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, auch eine Leistung beanspruchen, die nicht dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Dabei genügt das subjektive Empfinden des Versicherten, gegebenenfalls gestützt durch die Einschätzung oder Empfehlung behandelnder Ärzte oder deren Behandlungserfahrung im Einzelfall, für sich allein regelmäßig nicht.
Das bei der Klägerin vorliegende Lipödem im Stadium II ist keine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung. Auch stellt diese bei der Klägerin vorliegende Gesundheitsstörung keine damit wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung dar. Hierbei verkennt die Kammer keinesfalls, dass das Lipödem Stadium II bei der Klägerin zu erheblichen Schmerzen und psychischen Belastungen führt, die sie bei ihrer beruflichen Tätigkeit als auch im Alltag erheblich beeinträchtigen. Allerdings unterscheidet sich das Lipödem doch in erheblichem Maße von seiner Schwere und seinen Auswirkungen von einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung. Wertungsmäßig damit kann das Lipödem somit nicht gleichgesetzt werden.
Ein Anspruch der Klägerin auf eine ambulant durchzuführende Liposuktion scheidet somit aus.
Auch ein Anspruch auf eine stationär durchzuführende Liposuktion ist nicht gegeben. Entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung ist die Kammer durchaus der Überzeugung, dass die Klägerin sowohl eine ambulant als auch eine stationär durchzuführende Liposuktion begehrt hat. Zwar deuten die von der Klägerin vorgelegten Schreiben der Frau ..... vom 11.04. und vom 12.09.2022 sowie der von dieser erstellte Kostenvoranschlag vom 12.09.2022 darauf hin, dass die Kläger primär eine ambulante Liposuktion durchführen lassen wollte. Allerdings enthält der bei der Beklagten gestellte Antrag auf Gewährung einer Liposuktion als Sachleistung im Rahmen der GKV keine entsprechende Einschränkung. Auch im weiteren Verfahren hat die Klägerin ihr Begehren nicht allein auf eine ambulant durchzuführende Liposuktion gerichtet. So hat sie im Klagverfahren vortragen lassen, sie begehre eine Behandlung des bei ihr bestehenden Lipödems, wobei es ihr auf die Art, also ob ambulant oder stationär, nicht ankomme.
Allerdings scheidet auch ein Anspruch auf eine stationär durchzuführende Liposuktion bei dem bei der Klägerin bestehenden Lipödem im Stadium II aus.
Wie dargestellt wurde vom GBA mit Beschluss vom 19.09.2019 die Liposuktion bei einem Lipödem im Stadium III als eine für die Versorgung mit Krankenhausbehandlung erforderliche Methode in Anlage I zur Richtlinie Methoden Krankenhausbehandlung aufgenommen. Auch dieser Beschluss des GBA betrifft jedoch ausschließlich eine Liposuktion bei einem Lipödem im Stadium III. Im Umkehrschluss hierzu ergibt sich, dass bei einem Lipödem im Stadium I oder - wie bei der Klägerin – im Stadium II die Liposuktion gerade keine Methode ist, die für die Versorgung mit Krankenhausbehandlung erforderlich ist.
Soweit die Klägerin darauf verweist, auch bei einer Liposuktion bei einem Lipödem im Stadium I oder im Stadium II handle es sich um eine Potenzialleistung im Sinne des § 137c Abs. 3 SGB V ergibt sich hieraus ebenfalls kein entsprechender Anspruch der Klägerin. Ob die vom BSG aufgestellten Voraussetzungen für einen Leistungsanspruch bei einer Potenzialleistung (vgl. hierzu Urteil vom 18.08.2022 – B 1 KR 29/21 R) hier erfüllt sind, bedarf keiner weiteren Erörterung. Es fehlt im Falle der Klägerin nämlich bereits an der Notwendigkeit, die von ihr begehrte Liposuktion im Rahmen einer stationären Krankenhausbehandlung durchführen zu lassen. Zur Begründung der stationären Notwendigkeit hat die Klägerin auf den von ihr in der mündlichen Verhandlung am 14.08.2024 vorgelegten Arztbrief der Abteilung Innere Medizin II der Medizinischen Klinik des Universitätsklinikums …. vom 29.06.2021 verwiesen. Danach ergab sich bei der dortigen Vorbestellung der Klägerin in der hämatologisch-onkologischen Ambulanz als Hauptdiagnose eine heterozygote Faktor-V-Leiden-Mutation G1691A, also ein genetisch bedingter Gerinnungsdefekt (vgl. www.flexikon.doccheck.com/de/Faktor-V-Leiden-Mutation).
Diese bei der Klägerin vorliegende Blutgerinnungsstörung erfordert jedoch entgegen der von ihr vertretenen Auffassung keine stationäre Durchführung einer Liposuktion. Dies ergibt sich zur Überzeugung der Kammer bereits aus dem von ihr vorgelegten Arztbrief der Abteilung Innere Medizin II der Medizinischen Klinik des Universitätsklinikums ………. vom 29.06.2021. Nach den dortigen Angaben ist bei der Klägerin bislang keine Thrombose erfolgt, eine Allergie sei bei ihr nicht bekannt, Nikotin werde von ihr nicht, Alkohol selten konsumiert. Zum Procedere wird in diesem Arztbrief angegeben, dass bei der Klägerin ohne stattgehabtes thromboembolisches Ereignis keine Antikoagulation erforderlich sei. In Risikosituationen wie beispielsweise einer Operation sei eine Prophylaxe mit niedermolekularem Heparin zu diskutieren, alternativ könnten konservative Maßnahmen mit ausreichender Flüssigkeit, regelmäßiger Bewegung und Kompressionsstrümpfen erfolgen. Weiterhin sollte eine hormonelle Kontrazeption unbedingt vermieden werden, die Einnahme der Pille sollte beendet werden.
Diesen Ausführungen entnimmt die Kammer, dass bei der Klägerin bei bevorstehenden Operationen, wie dies die Liposuktion darstellt, zwar eine Prophylaxe entweder mit niedermolekularem Heparin oder mit alternativen konservativen Maßnahmen durchzuführen ist, eine Operation unter stationären Bedingungen jedoch für nicht erforderlich gehalten wird. Entsprechende Ausführungen hierzu fehlen.
Vor allem die hierzu eingeholte sachverständige Zeugenaussage der Ärztin für Allgemeinmedizin ..... vom OCC führt zur Überzeugung der Kammer, dass die von der Klägerin begehrte Liposuktion auch weiterhin unter ambulanten Bedingungen durchgeführt werden kann. Frau ....., eine der erkennenden Kammer aus zahlreichen entsprechenden Klagverfahren als bei der Durchführung von Liposuktionen überaus kompetent und erfahren bekannte Ärztin, weist in ihrer sachverständigen Zeugenaussage vom 02.09.2024 darauf hin, dass sich unter den von ihr operierten Patienten mehrere Patienten befinden, bei denen ebenfalls eine heterozygote Faktor-V-Leiden-Mutation besteht, die auch ambulant operiert werden. Allerdings erfolgt bei diesen Patientinnen nach Angaben von Frau ..... eine intensivere und länger andauernde Heparinisierung, also die bereits im Arztbrief des Universitätsklinikums ……. angesprochene Thromboseprophylaxe. In ihrer sachverständigen Zeugenaussage weist sie ausdrücklich darauf hin, dass eine Liposuktion bei der Klägerin auch unter ambulanten Bedingungen möglich wäre. Dieser Auffassung schließt sich die Kammer an, zumal sich aus der von der Klägerin vorgelegten Bescheinigung der Dres. .....und......vom 04.09.2024 nichts Abweichendes ergibt. Laut dieser Bescheinigung sollte bei der Klägerin zwar aus gesundheitlichen Gründen eine Liposuktion nur unter stationären Bedingungen erfolgen, um eine mögliche Komplikation durch eine mögliche Thrombose mit möglicher Embolie frühzeitig zu erkennen. Bereits die gewählte Wortwahl „sollte“ zeigt für die Kammer, dass selbst Dres. .....und......eine stationär durchzuführende Liposuktion bei der Klägerin nicht für unbedingt erforderlich hielten. Den von ihnen angesprochenen möglichen Komplikationen durch eine mögliche Thrombose mit möglicher Embolie kann durch eine entsprechende Prophylaxe mit intensiverer und länger andauernder Heparinisierung, wie im Arztbrief des Universitätsklinikums und in der sachverständigen Zeugenaussage der Frau ..... angesprochen, begegnet werden. Um diese Risiken auszuschließen bedarf es nach Überzeugung der Kammer keiner stationär durchzuführenden Liposuktion. Es bestand daher, entgegen der Anregung der Kläger, kein Anlass zur Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage, ob eine Liposuktion bei der Klägerin nur stationär durchgeführt werden kann.
Auch ein Anspruch auf eine stationär durchzuführende Liposuktion ist somit nicht gegeben.
Die Klage war daher mit der sich aus § 193 des Sozialgerichtsgesetzes ergebenden Kostenfolge abzuweisen.