Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 05.05.2023 aufgehoben, soweit die Beklagte zur Zahlung von Leistungen nach dem SGB XII bis zum 15.12.2020 verurteilt worden ist. Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 05.05.2023 geändert. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 07.12.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.03.2021 verurteilt, dem Kläger für den Zeitraum vom 16.12.2020 bis zum 31.05.2023 auch Kosten für Unterkunft und Heizung in tatsächlicher Höhe nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu zahlen.
Die Beklagte hat dem Kläger auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt Grundsicherung nach dem SGB XII. Umstritten ist das Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft mit der Zeugin V. H..
Der 0000 geborene Kläger bezieht eine Altersrente, die sich ab dem 01.07.2020 auf 96,89 € netto belief. Über weiteres Einkommen und Vermögen verfügt er nicht. Er ist schwerbehindert mit einem GdB von 90 und dem Merkzeichen G. Bei ihm liegt jedenfalls seit 1982 eine ausgeprägte kombinierte Persönlichkeitsstörung vor, bestehend aus paranoiden, dissozialen und instabilen Anteilen. Seit dem 01.11.2020 ist der Pflegegrad 2 bei dem Kläger anerkannt. Pflegeperson ist die Zeugin, die das Pflegegeld erhält.
Der Kläger lernte die 0000+ geborene Zeugin 1998 kennen, als er Mieter in ihrem Haus war. Er bewohnte Räume im Dachgeschoss und hatte dort ein eigenes Bad. Als die Zeugin das Haus im Jahr 2014 verkaufte, zogen der Kläger und die Zeugin gemeinsam nach Neuss. Die Zeugin erklärte dazu, der Kläger sei aufgrund der Persönlichkeitsstörung nicht in der Lage gewesen, eine andere Wohnung zu finden. Da sie sozial eingestellt sei, habe sie ihn bei sich aufgenommen. Der Kläger bevollmächtigte die Zeugin am 25.03.2018, ihn gegenüber Ärzten, medizinischen Einrichtungen und Behörden zu vertreten. Sie war zeitweise auch Verfügungsberechtigte über einzelne Konten des Klägers. Im streitigen Zeitraum bestand diese Verfügungsberechtigung nicht mehr.
Mit Urteil des Amtsgerichts Neuss vom 24.09.2020 wurden der Kläger und die Zeugin zur Räumung der Wohnung in Neuss verurteilt. Das Gericht ging bei seiner Entscheidung davon aus, dass der Kläger die schwangere Tochter des Vermieters mit der Faust gegen die Brust geschlagen habe, was die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses rechtfertige. Der Kläger und die Zeugin mieteten am 06.11.2020 zum 15.12.2020 eine Drei-Zimmer-Wohnung in Meerbusch an, in der sie im streitigen Zeitraum lebten. Die Warmmiete belief sich zunächst auf 1.575 € und wurde am 01.06.2022 aufgrund gestiegener Nebenkosten auf 1.640 € erhöht. Zwischen dem Kläger und der Zeugin besteht eine Vereinbarung, wonach die Zeugin von der Miete einen Anteil von 1.100 € trägt.
Am 11.11.2020 beantragte die Zeugin telefonisch bei der Beklagten Grundsicherung für den Kläger. Auf Anforderung der Beklagten legte der Kläger weitere Unterlagen und das Antragsformular vor. Einen Hausbesuch zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes lehnte er aus gesundheitlichen Gründen ab.
Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 07.12.2020 ab. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung, da er seine Hilfebedürftigkeit nicht nachgewiesen habe. Er lebe in einer eheähnlichen Gemeinschaft mit der Zeugin. Diese sei erwerbstätig und weigere sich, ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse offen zu legen, so dass davon ausgegangen werden müsse, dass der Bedarf gedeckt sei.
Der Kläger beantragte am 16.12.2020 bei dem Sozialgericht Düsseldorf, die Beklagte im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, Leistungen der Grundsicherung zu zahlen (S 63 SO 469/20 ER). Mit Beschluss vom 28.01.2021 wurde die Beklagte aufgrund einer Folgenabwägung verpflichtet, dem Antragsteller Grundsicherung in Höhe der Regelbedarfsstufe 2 bis zum 31.03.2021 zu zahlen. Im Übrigen wurde der Antrag abgelehnt. Auf die Beschwerde des Klägers verpflichtete der Senat die Beklagte in dem Verfahren L 9 SO 98/21 B ER mit Beschluss vom 25.05.2021 Leistungen in Höhe der Regelbedarfsstufe 1 und den Mehrbedarf nach § 30 Abs. 1 SGB XII bis zum Abschluss des erstinstanzlichen Hauptsacheverfahrens gegen den Bescheid vom 07.12.2020 zu zahlen. Unterkunftskosten wurden nicht zugesprochen.
Den Widerspruch des Klägers wies der Rhein-Kreis-Neuss mit Widerspruchsbescheid vom 12.03.2021 zurück. Es liege eine eheähnliche Gemeinschaft mit der Zeugin vor, so dass sich kein Leistungsanspruch ergebe.
Der Kläger hat am 12.04.2021 Klage bei dem Sozialgericht Düsseldorf erhoben. Er habe Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung für einen Alleinstehenden, da er nicht mit der Zeugin in einer eheähnlichen Gemeinschaft lebe. Ihm seien daher der Regelsatz nach der Regelbedarfsstufe 1, der Mehrbedarf aufgrund des Merkzeichens G und angemessene Unterkunftskosten für einen Alleinstehenden iHv 558,50 € zu bewilligen.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 07.12.2020 in der Form des Widerspruchsbescheides vom 12.03.2021 zu verpflichten, ihm ab dem 14.12.2020 Leistungen nach SGB XII für alleinstehende Volljährige in Höhe von derzeit 446 € zuzüglich des Zuschlags von 17 % für den Mehrbedarf bei Vorliegen des Merkzeichens G sowie Kosten der Unterkunft i.H.v. 558,50 € zu bewilligen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist weiterhin vom Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft und einer Bedarfsdeckung durch das Einkommen der Zeugin ausgegangen.
Das Sozialgericht hat am 16.12.2022 Beweis erhoben durch die Vernehmung der Zeugin. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll des Sozialgerichts Bezug genommen. Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 05.05.2023 hat das Sozialgericht die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 07.12.2020 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12.03.2021 verurteilt, dem Kläger unter Anrechnung der bereits im einstweiligen Rechtsschutzverfahren erbrachten Leistungen, Leistungen der Regelbedarfsstufe 1 nach dem 4. Kapitel des SGB XII, Mehrbedarf nach § 30 Abs. 1 SGB XII sowie die Hälfte der angemessenen Kosten der Unterkunft nach den Richtlinien der Beklagten bezogen auf einen Zweipersonenhaushalt ab 11.11.2020 bis Mai 2023 zu gewähren. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Der Kläger könne mit der Rente seinen Bedarf nicht decken und lebe mit der Zeugin nicht in einer eheähnlichen Gemeinschaft. Es bestehe weder eine Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft, noch eine Partnerschaft. Es liege auch kein gegenseitiger Einstandswille vor. Die Kammer gehe von einer von der Zeugin empfundenen sozialen Verantwortung für den Kläger aus, die aber nicht soweit gehe, dass diese bereit wäre, die Lebenshaltung des Klägers aufgrund seiner begrenzten eigenen Mittel gänzlich mitzufinanzieren. Soweit der Kläger einen höheren Anspruch auf Unterkunftskosten geltend mache, sei die Klage abzuweisen. Das Urteil ist dem Kläger am 26.05.2023 und der Beklagten am 30.05.2023 zugestellt worden.
Der Kläger hat am 11.06.2023 Berufung eingelegt. Er macht einen Anspruch auf Übernahme der tatsächlichen Unterkunftskosten iHv 540 € geltend. Es bestehe eine interne Abrede mit der Zeugin, wonach sie von der Miete 1.100 € trage, der Restbetrag entfalle auf ihn und sei bei der Bewilligung der Unterkunftskosten zugrunde zu legen. Darüber hinaus sei die Hälfte der Nachforderung aus der Nebenkostenabrechnung vom 28.04.2022 zu übernehmen.
Die Beklagte hat am 23.06.2023 Berufung eingelegt. Sie geht weiterhin von einer eheähnlichen Gemeinschaft aus, weshalb der Kläger keinen Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung habe.
Die Beklagte beantragt,
1. Das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 05.05.2023 zu ändern und die Klage abzuweisen.
2. Die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
1. Die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
2. Das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 05.05.2023 dahingehend abzuändern, dass die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 07.12.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.03.2021 verurteilt wird, an den Kläger auch Aufwendungen für Unterkunft und Heizung für den Zeitraum vom 16.12.2020 bis zum 31.05.2022 in Höhe von 475,00 EUR und ab dem 01.06.2022 in Höhe von 540,00 EUR jeweils monatlich zu zahlen sowie 50% der mit der Rechnung vom 28.04.2022 nachgeforderten Betriebskosten zu zahlen.
Der Kläger ist der Berufung der Beklagten entgegengetreten. Er hält das Urteil des Sozialgerichts insofern für zutreffend, als es nicht vom Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft ausgegangen sei. Mit der Zeugin bestehe keine Partnerschaft. Er wohne nur deshalb mit ihr zusammen, weil er aufgrund seiner psychischen Erkrankung nicht alleine leben könne.
Der Kläger und die Zeugin sind am 16.10.2023 gemeinsam nach Kaarst umgezogen.
Der Senat hat die Schwerbehindertenakte des Klägers beigezogen, die Beteiligten haben Akteneinsicht erhalten. Weiterhin hat der Senat Beweis erhoben durch die Vernehmung der Zeugin. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll des Senats Bezug genommen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakte der Beklagten, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.
Entscheidungsgründe
I. Die Berufungen sind gem. §§ 143, 144 SGG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Streitig sind Leistungen vom 16.12.2020 bis zum 31.05.2023, so dass ein überjähriger Zeitraum iSv § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG betroffen ist.
II. Die Berufung der Beklagten ist begründet, soweit das Sozialgericht die Beklagte zur Zahlung von Leistungen bereits ab dem 11.11.2020 verurteilt hat. Da der Kläger erstinstanzlich die Verurteilung der Beklagten zur Bewilligung von Leistungen erst ab dem 14.12.2020 beantragt hat, ist eine weitergehende Verurteilung unzulässig (§ 123 SGG, „ne ultra petita“).
III. Im Übrigen ist die Berufung der Beklagten unbegründet. Das Sozialgericht hat den Bescheid vom 07.12.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.03.2021 zu Recht aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger Leistungen der Grundsicherung zu zahlen. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig, der Kläger hat den geltend gemachten Grundsicherungsanspruch.
Streitgegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 07.12.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.03.2021, mit dem die Beklagte die beantragten Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB XII abgelehnt hat. Der streitige Zeitraum reicht entsprechend dem Antrag des Klägers vom 16.12.2020 bis zum 31.05.2023. Der Kläger macht seinen Anspruch zutreffend mit der Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 4 SGG) geltend.
Der Kläger erfüllt im streitigen Zeitraum die Voraussetzungen des § 41 Abs. 1 und 2 SGB XII. Er hatte seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, die Altersgrenze des § 41 Abs. 2 SGB XII überschritten und konnte seinen notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus Einkommen und Vermögen nach § 43 SGB XII bestreiten. Mit der Altersrente konnte der Kläger seinen vom Sozialgericht tenorierten Bedarf nicht decken, über weiteres Einkommen und Vermögen verfügt er nicht.
Einkommen und Vermögen der Zeugin sind nicht auf den Bedarf des Klägers anzurechnen. Gem. § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB XII sind Einkommen und Vermögen des Partners einer eheähnlichen Gemeinschaft, die dessen notwendigen Lebensunterhalt nach § 27a übersteigen, zu berücksichtigen. Eine solche Gemeinschaft besteht zwischen dem Kläger und der Zeugin indes nicht.
Der Begriff der eheähnlichen Gemeinschaft ist bereits zu den Vorläuferregelungen des § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB XII durch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) und das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) näher konturiert worden. Es handelt sich um eine Lebensgemeinschaft, die auf Dauer angelegt ist, daneben keine weitere Lebensgemeinschaft gleicher Art zulässt und sich durch innere Bindungen auszeichnet, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner füreinander begründen, also über die Beziehung in einer reinen Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgeht. Die erforderliche Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft ist nur bei Gemeinschaften gegeben, in denen die Bindungen der Partner so eng sind, dass von ihnen ein gegenseitiges Einstehen in den Not- und Wechselfällen des Lebens erwartet werden kann. Nur wenn sich die Partner so sehr füreinander verantwortlich fühlen, dass sie zunächst den gemeinsamen Lebensunterhalt sicherstellen, bevor sie ihr persönliches Einkommen zur Befriedigung eigener Bedürfnisse verwenden, ist ihre Lage mit derjenigen von nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten vergleichbar (BVerfG Urteil vom 17.11.1992 – 1 BvL 8/87). Diese vom BVerfG seinerzeit zum Arbeitslosenhilferecht ergangene Entscheidung ist vom BVerwG zur Auslegung der Vorgängervorschrift des § 20 Satz 1 SGB XII (§ 122 Satz 1 BSHG) herangezogen worden (BVerwG Urteil vom 17.5.1995 – 5 C 16.93). Dem hat sich das BSG für die Auslegung der § 19 Abs. 2 aF, § 20 Satz 1, § 43 Abs. 1 SGB XII angeschlossen (BSG Urteil vom 18.07.2019 – B 8 SO 6/18 R; BSG Urteil vom 05.09.2019 – B 8 SO 14/18 R). Auch im Bereich des SGB II gelten entsprechende Grundsätze. Eine Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft liegt vor, wenn Partner in einer Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft leben (objektive Voraussetzungen) und zwar so, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen (subjektive Voraussetzung). Von dem Bestehen einer Partnerschaft ist auszugehen, wenn eine gewisse Ausschließlichkeit der Beziehung gegeben ist, die keine vergleichbare Lebensgemeinschaft daneben zulässt. Zudem muss zwischen dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und dem Dritten die grundsätzliche rechtlich zulässige Möglichkeit der Heirat bzw. der Begründung einer Lebenspartnerschaft bestehen. Eine Wirtschaftsgemeinschaft ist gegeben, wenn Haushaltsführung und Bestreiten der Kosten des Haushalts gemeinschaftlich durch beide Partner erfolgen, wobei es nicht zwingend auf gleichwertige Beiträge ankommt; ausreichend ist eine Absprache zwischen den Partnern, wie sie diese zum Wohle des partnerschaftlichen Zusammenlebens untereinander aufteilen (BSG Urteil vom 23.08.2012 - B 4 AS 34/12 R).
Die objektiven Voraussetzungen einer Haus- und Wirtschaftsgemeinschaft liegen vor. Der Kläger und die Zeugin leben gemeinsam in einer Wohnung. Der Senat geht darüber hinaus davon aus, dass der Kläger und die Zeugin auch gemeinsam wirtschaften. Zwar haben der Kläger und die Zeugin versucht, die für eine Haus- und Wirtschaftsgemeinschaft sprechenden Umstände zu verschleiern und insoweit falsche Angaben gemacht. So hat die Zeugin im Rahmen ihrer Vernehmung durch das Sozialgericht angegeben, der Kläger habe in ihrem Haus in einer Dachgeschosswohnung gelebt. Tatsächlich handelte es sich nicht um eine abgeschlossene Wohnung, sondern um die Räume im Dachgeschoss. Der Kläger hat eingeräumt, dass er und die Zeugin am Wochenende gemeinsam Mahlzeiten einnehmen, auch dies ist vor dem Sozialgericht noch anders erklärt worden. Der Kläger und die Zeugin haben widersprüchliche Angaben gemacht, als es um die Frage ging, ob die Haushaltshilfe des Klägers auch das Zimmer der Zeugin putzt. Der Kläger hat dies zunächst bejaht, anschließend war er sich nicht mehr sicher. Die Zeugin hat zunächst erklärt, die Haushaltshilfe putze die ganze Wohnung, auch ihr Zimmer. Damit war offensichtlich ihr Schlafzimmer gemeint, zu dem sie dann aber erklärt hat, dass es nicht von der Haushaltshilfe geputzt werde. Die Zeugin hatte zeitweise Kontovollmacht für den Kläger und trägt einen Großteil der Miete der gemeinsamen Wohnung. Nach alledem und aufgrund des Umstandes, dass der Kläger und die Zeugin einen Hausbesuch durch die Beklagte zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes verweigert haben, geht der Senat vom Vorliegen einer Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft aus.
Das Vorliegen einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft zwischen dem Kläger und der Zeugin wird auch nicht etwa dadurch ausgeschlossen, dass die Zeugin eine anderweitige Partnerschaft hätte und deshalb ihre Beziehung zu dem Kläger nicht das Merkmal der Ausschließlichkeit erfüllen würde. Zwar hat die Zeugin erklärt, sie habe einen „Freund“ in Nürnberg, Herrn P.. Im Rahmen ihrer Vernehmung durch den Senat hat sie indes eingeräumt, dass sie P. zuletzt vor zwei Jahren gesehen hat. Deshalb hält der Senat eine Partnerschaft zu P. mit der Folge, dass eine Partnerschaft mit dem Kläger ausscheidet, nicht für gegeben.
Für die Bejahung einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft fehlt jedoch der subjektive Tatbestand im Sinne eines wechselseitigen Willens, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen. Dabei handelt es sich um eine innere Tatsache, die einer Beweiserhebung naturgemäß nur schwer zugänglich ist, sondern regelmäßig aus Indizien abgeleitet werden muss (LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 09.04.2020 – L 8 SO 270/19 B ER). Das Zusammenleben von Partnern in einer Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft indiziert nach einem gewissen Zeitraum einen solchen Willen. Gem. § 7 Abs. 3a Nr. 1 SGB II wird ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, vermutet, wenn Partner länger als ein Jahr zusammenleben. Diese Vermutung kann im SGB XII entsprechend angewendet werden. Der Kläger und die Zeugin wohnen bereits seit 1998 zusammen und sind mehrfach gemeinsam umgezogen. Für einen Einstandswillen der Zeugin spricht darüber hinaus, dass diese sich umfassend um die Angelegenheiten des Klägers kümmert und auch finanziell für ihn aufkommt, wenn er nicht über ausreichend Mittel verfügt.
Konstitutive Voraussetzung einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft ist aber – insoweit in Anlehnung an § 1353 Abs.1 Satz 2 BGB – die Wechselbezüglichkeit des Einstandswillens füreinander. Hieran fehlt es im vorliegenden Fall. Der Kläger ist aufgrund seiner psychischen Erkrankung nicht in der Lage, Verantwortung für eine andere Person zu übernehmen und einen entsprechenden Willen zu bilden. Bei ihm liegt eine ausgeprägte kombinierte Persönlichkeitsstörung mit paranoiden, dissozialen und instabilen Anteilen vor. Dies folgt aus dem Gutachten des Sachverständigen Y. vom 05.02.2009, das von dem Sozialgericht Düsseldorf in dem Verfahren S 31 SB 20/08 eingeholt wurde und der Senat für schlüssig und überzeugend hält. Der Sachverständige weist darauf hin, dass der Kläger große Schwierigkeiten habe, sich sozial zu integrieren, er lebe einzelgängerhaft. Dies sei Ausdruck der bei ihm bestehenden dissozialen Persönlichkeitsstörung, die sich u.a. durch das Unvermögen zur Beibehaltung längerfristiger Beziehungen, eine sehr geringe Frustrationstoleranz und eine niedrige Schwelle für aggressives und gewalttätiges Verhalten auszeichne. Diesen Eindruck hat der Senat – ebenso wie bereits das Sozialgericht – auch während der mündlichen Verhandlung gewonnen. Anhaltpunkte dafür, dass zwischenzeitlich eine Besserung der gesundheitlichen Situation eingetreten ist, bestehen nicht. Die Unfähigkeit des Klägers, Verantwortung für die Zeugin zu übernehmen, zeigt sich auch daran, dass er sie immer wieder in große Schwierigkeiten bringt. So beruht beispielsweise die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses in Neuss allein auf dem Verhalten des Klägers. Nach den (insoweit glaubhaften) Angaben der Zeugin gibt es auch in Kaarst schon wieder Probleme mit den Nachbarn. Könnte der Kläger Verantwortung für die Zeugin übernehmen, würde er ein solches Verhalten unterlassen, weil er dadurch nicht nur sich selbst, sondern auch sie in Schwierigkeiten bringt. Dafür fehlt ihm jedoch die Steuerungsmöglichkeit.
Es bedarf keiner Entscheidung, ob eine eheähnliche Gemeinschaft auch dann (weiter-)
besteht, wenn zunächst ein wechselseitiger Einstandswille vorhanden ist, einer der Partner dann jedoch aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage ist, einen solchen Willen zu bilden. Denn der Kläger war bereits zum Zeitpunkt des Zusammenziehens im Jahr 1998 so schwer an der kombinierten Persönlichkeitsstörung erkrankt, dass er einen Einstandswillen nicht mehr bilden konnte. Die Erkrankung wird bereits in einem Bericht des Städtischen Krankenhauses X. vom 28.01.1982, einem Bericht der Rheinischen Landesklinik G. vom 27.07.1988 und einem Arztbericht vom 02.04.1998 beschrieben. Für einen Fortbestand des wechselseitigen Einstandswillens spricht allerdings, dass bei Eheleuten die Erkrankung eines Partners und die fehlende Möglichkeit zur Willensbildung, z.B. bei einer Demenzerkrankung, nicht zu einem Getrenntleben führt. Selbst bei einer räumlichen Trennung der Eheleute, zB aufgrund der Heimaufnahme eines Ehepartners, bleibt die eheliche Gemeinschaft bestehen (Urteil des Senates vom 18.02.2016 – L 9 SO 128/14; LSG Saarland Urteil vom 04.04.2019 – L 11 SO 2/18). Dies spricht einerseits im Hinblick auf § 20 SGB XII dafür, auch bei eheähnlichen Gemeinschaften von einem Fortbestehen auszugehen, wenn einer der Partner aus gesundheitlichen Gründen keinen Einstandswillen mehr bilden kann (vgl. LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 02.04.2009 – L 23 SO 37/09 B ER; abweichend insoweit LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 09.04.2020 – L 8 SO 270/19 B ER).
IV. Die Berufung des Klägers ist in dem Umfang, in dem sie in der mündlichen Verhandlung aufrechterhalten worden ist, begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Übernahme der tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung.
Die tatsächlichen Kosten des Klägers belaufen sich vom 16.12.2020 bis 31.05.022 auf 475 € monatlich und ab dem 01.06.2022 auf 540 € monatlich. Zwar sind die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach gefestigter Rechtsprechung des BSG im Regelfall unabhängig von Alter und Nutzungsintensität anteilig pro Kopf aufzuteilen, wenn Hilfebedürftige eine Unterkunft gemeinsam mit anderen Personen nutzen (BSG Urteile vom 08.05.2024 – B 8 SO 18/22 R und vom 22.08.2013 – B 14 AS 85/12 R). Hintergrund für dieses auf das BVerwG (Urteil vom 21.01.1988 – 5 C 68/85) zurückgehende "Kopfteilprinzip" sind Gründe der Verwaltungsvereinfachung sowie die Überlegung, dass die gemeinsame Nutzung einer Wohnung durch mehrere Personen deren Unterkunftsbedarf dem Grunde nach abdeckt und in aller Regel eine an der unterschiedlichen Intensität der Nutzung ausgerichtete Aufteilung der Aufwendungen für die Erfüllung des Grundbedürfnisses Wohnen nicht zulässt.
Die tatsächliche Nutzung einer Wohnung durch zwei Personen führt allerdings dann nicht zu einer Aufteilung der gegenüber dem Vermieter angefallenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Kopfteilen, wenn ihr bindende vertragliche Regelungen anderen Inhalts zugrunde liegen (BSG Urteil vom 29.11.2012 – B 14 AS 161/11 R). Solche vertraglichen Regelungen bestehen hier. Der Kläger und die Zeugin haben vereinbart, dass die Zeugin 1.100 € von der Miete zahlt und er den Rest. Der Bedarf des Klägers beläuft sich daher auf monatlich 475 € bzw. 540 €, dazu kommt die Hälfte der Nachforderung aus der Nebenkostenabrechnung vom 28.04.2022. Sollten sich im streitigen Zeitraum weitere Nachforderungen ergeben haben, wären diese entsprechend zu berücksichtigen, Erstattungen wären hälftig als Einkommen anzurechnen.
Die tatsächlichen Unterkunftskosten des Klägers iHv von 475 € bzw. 540 € sind angemessen. Wenn ein Leistungsberechtigter nach dem SGB XII – wie hier – nicht in einer Einstandsgemeinschaft nach § 19 Abs. 1 oder 2 SGB XII bzw. einer gemischten Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs. 3 SGB II lebt, sondern in einer bloßen Wohngemeinschaft, ist bei der Bestimmung der angemessenen Kosten der Unterkunft nach der Produkttheorie allein auf ihn als Einzelperson abzustellen. Auf das Vorliegen einer Haushaltsgemeinschaft kommt es nicht an (zum SGB II BSG Urteile vom 19.5.2009 - B 8 SO 8/08 R und vom 18.6.2008 - B 14/11b AS 61/06 R; zum SGB XII LSG Hessen Beschluss vom 28.07.2011 – L 7 SO 51/10 B ER).
Dementsprechend ist die Angemessenheitsgrenze für einen Ein-Personen-Haushalt maßgeblich. Diese beläuft sich nach Ansicht der Beklagten hinsichtlich der Bruttokaltmiete ab dem 01.02.2019 auf 417 €, ab dem 01.02.2022 auf 557 € und ab dem 01.02.2023 auf 560 € (Anlage 1 zu dem Schriftsatz vom 23.01.2023). Dazu kommen noch die Heizkosten, so dass sich die Angemessenheitsgrenze zu Beginn des streitigen Zeitraums auf ca. 500 € belief und sich dann entsprechend erhöht hat.
Die tatsächlichen KdU waren daher schon abstrakt angemessen. Selbst wenn dies in einzelnen Zeiträumen nicht der Fall gewesen sein sollte, sind sie jedenfalls konkret angemessen. Nach der Rechtsprechung des Senats besteht eine subjektive Unmöglichkeit zur Kostensenkung, wenn ohne Hilfe bei der Wohnungssuche eine angemessene Unterkunft nicht gefunden werden kann (Urteile des Senates vom 08.09.2022 – L 9 SO 281/21 und vom 15.12.2022 – L 9 SO 429/21). Der Kläger ist aufgrund seiner Erkrankung nicht in der Lage, eine andere Wohnung anzumieten, er kann nicht allein leben. Es kommt nicht darauf an, ob die Zeugin in der Lage gewesen wäre, eine abstrakt angemessene Wohnung für sich und den Kläger zu finden. Dabei kann offenbleiben, ob ein etwaiges Verschulden innerhalb von Einstandsgemeinschaften nach § 27 Abs. 2 SGB XII zugerechnet werden muss (ebenfalls offen gelassen im Urteil des Senates vom 08.09.2022 – L 9 SO 281/21). Die Obliegenheit zur Kostensenkung trifft gem. § 35 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB XII nur Personen, deren Einkommen und Vermögen nach § 27 Abs. 2 zu berücksichtigen sind. Nach § 27 Abs. 2 SGB XII sind bei nicht getrenntlebenden Ehegatten oder Lebenspartnern das Einkommen und Vermögen beider Ehegatten oder Lebenspartner gemeinsam zu berücksichtigen. Gleiches gilt für Personen, die in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftsähnlicher Gemeinschaft leben, denn diese dürfen gem. § 20 SGB XII hinsichtlich der Voraussetzungen sowie des Umfangs der Sozialhilfe nicht bessergestellt werden als Ehegatten. Zwischen dem Kläger und der Zeugin besteht jedoch wie dargelegt weder eine Ehe, noch eine eheähnliche Gemeinschaft.
V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
VI. Gründe, gem. § 160 Abs. 2 SGG die Revision zuzulassen, sind nicht gegeben.