Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 24.02.2022 wird zurückgewiesen.
Die Klage gegen die Bescheide vom 16.01.2023, 17.07.2023 und vom 15.01.2024 wird abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander auch im Berufungsverfahren außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob Bezüge des Klägers aus zwei betrieblichen Direktversicherungen der Beitragspflicht unterliegen.
Der am 00.00.0000 geborene Kläger ist Rentner und bei der Beklagten gesetzlich kranken- und pflegeversichert. Vor seinem Renteneintritt war er aufgrund einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung bei der Beklagten kranken- und pflegeversichert.
Am 01. Februar 2018 erhielt der Kläger eine Auszahlung aus einer Direktversicherung von der R. in Höhe von 64.956,00 EUR.
Mit Bescheid vom 15. März 2018 setzte die Beklagte den monatlichen Beitrag zur Kranken- und Pflegeversicherung - auch im Namen der Beigeladenen - ab dem 01. Februar 2018 auf monatlich 98,24 EUR (Krankenversicherung: 84,44 EUR; Pflegeversicherung: 13,80 EUR) fest. Für die Beitragsberechnung ging die Beklagte von einem monatlichen Betrag in Höhe von 541,30 EUR (64.956,00/120) aus.
Der Kläger erhob gegen diesen Bescheid Widerspruch und führte zur Begründung aus, dass es sich nach seiner Auffassung nicht um einen Versorgungsbezug handele.
Im Laufe des Widerspruchsverfahrens teilte die R. der Beklagten mit, der Kläger sei während der Gesamtlaufzeit der Versicherung von Januar 1991 bis Dezember 2017 Versicherungsnehmer und Beitragszahler gewesen. Der vom Kläger eingezahlte Betrag belaufe sich auf 290,42 EUR. Der Arbeitgeberanteil habe 45.714,22 EUR und die Ablaufleistung zum 01.01.2018 habe 65.367,00 EUR betragen. Mit einem weiteren Schreiben vom 01. Juni 2018 teilte die R. der Beklagten mit, dass insgesamt ein Betrag in Höhe von 35.920,23 EUR eingezahlt worden sei, wobei auf den Arbeitgeber 34.910,23 EUR entfielen. Insgesamt ergebe sich eine beitragspflichtige Leistung von 64.956 EUR.
Den gegen den Bescheid erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25. Juli 2018 als unbegründet zurück.
Am 16. August 2018 hat der Kläger Klage erhoben und diese im Wesentlichen damit begründet, dass er verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Verbeitragung habe und auch die „120-Regelung“ – also die Verteilung der Auszahlung aus der Versicherung auf 120 Monate – des § 229 Abs. 2 S. 2 SGB V beanstande. Zudem sei der Vertrag zwischen seinem Arbeitgeber und der R. nichtig. Es sei auch zu berücksichtigen, dass der Versicherungsvertrag schon mit dem 60. Lebensjahr geendet habe.
In der Folgezeit hat die Beklagte - auch im Namen der Beigeladenen - die Beitragsbescheide
- vom 14. Januar 2019 (Erhöhung des Beitrages zur Pflegeversicherung auf 16,51 EUR ab 01. Januar 2019),
- vom 03. April 2020 (Erhöhung des Beitrages zur Krankenversicherung auf 86,07 EUR ab 01. April 2020),
- vom 19. Oktober 2020 (Berücksichtigung des ab 01.01.2020 eingeführten Freibetrages zur Krankenversicherung) und
- vom 19. Januar 2021 (Reduzierung des monatlichen Beitrages zur Krankenversicherung ab 01. Januar 2021 auf 59,91 EUR)
erlassen.
Am 01. Oktober 2021 hat der Kläger eine Einmalzahlung in Höhe von 58.353,71 EUR von der E. erhalten. Daraufhin hat die Beklagte den monatlichen Beitrag des Klägers zur Kranken- und Pflegeversicherung mit Bescheid vom 30. September 2021 ab dem 01. Oktober 2021 auf monatlich insgesamt 168,57 EUR festgesetzt. Dabei entfiel von diesem Betrag ein Betrag in Höhe von 92,15 EUR auf die Zahlung der E. (Krankenversicherung: 77,32 EUR; Pflegeversicherung: 14,83EUR) und ein Betrag in Höhe von 76,42 EUR auf die Zahlung der Provinzial (Krankenversicherung: 59,91 EUR; Pflegeversicherung: 16,51 EUR). Der Bescheid ist auch im Namen der Beigeladenen ergangen.
Der Kläger hat beantragt,
die Bescheide der Beklagte vom 14.01.2019, 03.04.2020, 19.10.2020, 19.01.2021 und 30.09.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.07.2018 aufzuheben.
Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat sich zur Begründung auf ihr Vorbringen im Verwaltungsverfahren bezogen.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 24.02.2022 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, bei den Kapitalzahlungen der R. sowie der E. handele es sich um Leistungen aus betrieblicher Altersvorsorge im Sinne der §§ 226 Abs.1 S.1 Nr.3, 229 Abs.1 S.1 Nr.5 SGB V.
Es müsse sich nicht um laufende Bezüge handeln, auch eine Einmalzahlung genüge. Weshalb der Vertrag mit der R. nichtig sein solle, sei nicht nachvollziehbar. Die Voraussetzungen für das Vorliegen einer Direktversicherung seien gegeben. Die Versicherungen seien von Arbeitgebern für den Kläger abgeschlossen worden. Dass die Leistung der R. schon mit dem Erreichen des 60. Lebensjahres und nicht mit dem Erreichen der Regelaltersgrenze ausgezahlt worden sei, führe nicht zu einer anderen Beurteilung. Das Sozialgericht habe auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Verbeitragung der Leistungen. Die Berechnung der monatlich zugrunde gelegten Leistungen, also 1/120 des Gesamtbeitrages sei zutreffend erfolgt und nicht zu beanstanden.
Der Kläger hat gegen das am 28. Februar 2022 zugestellte Urteil am 04. März 2022 Berufung eingelegt. Zur Begründung führt er aus, die Anwendung des § 229 Abs. 1 S. 3 SGB V auf Kapitaleinmalzahlungen sei möglicherweise verfassungswidrig, was vom Sozialgericht außer Acht gelassen worden sei. Sein Einwand richte sich insbesondere gegen die zeitliche Beschränkung der Beitragserhebung im Zusammenhang mit der gesetzlichen Umrechnung der Kapitaleinmalzahlung nach § 229 Abs. 1 S. 3 SGB V. Die Regelung sei verfassungsrechtlich bedenklich und könne gegen Art.3 Abs.1 GG verstoßen. Es müssten zwei Gruppen der Leistungsempfänger einer betrieblichen Altersversorge verglichen werden: Diejenigen, die eine laufende Rente erhielten und diejenigen, die eine Kapitaleinmalzahlung erhielten.
Der Kläger beantragt seinem Vorbringen entsprechend,
das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 24.02.2022 zu ändern und den Bescheid vom 15.03.2018 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25.07.2018 sowie die Bescheide vom 14.01.2019, 03.04.2020, 19.10.2020, 19.01.2021, 30.09.2021, 16.01.2023, 17.07.2023 und vom 15.01.2024 aufzuheben,
hilfsweise,
das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 24.02.2022 zu ändern und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 15.03.2018 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25.07.2018 sowie der Bescheide vom 14.01.2019, 03.04.2020, 19.10.2020, 19.01.2021, 30.09.2021, 16.01.2023, 17.07.2023 und vom 15.01.2024 zu verurteilen, die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung aus den am 01.02.2018 und am 01.10.2021 ausgezahlten Direktversicherungen auf Basis von jeweils mehr als Einhundertzwanzigstel der aus den jeweiligen Kapitalleistungen fingierten monatlichen Zahlbeträgen neu festzusetzen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
In der Zeit seit der Einlegung der Berufung hat die Beklagte die Beitragsbescheide
- vom 16. Januar 2023 (Erhöhung der Beträge zur Krankenversicherung ab 01. Januar 2023 auf 59, 64 EUR bzw. 78,05 EUR),
- vom 17. Juli 2023 (Erhöhung der Beträge zur Pflegeversicherung ab 01. Juli 2023 auf insgesamt 34,93 EUR) und
- vom 15. Januar 2024 (gleichbleibender Gesamtbeitrag aufgrund Erhöhung des Freibetrages zum 01. Januar 2024).
erlassen.
Der Senat hat mit Beschluss vom 07. März 2024 gemäß 75 Abs. 2 Alt. 1 SGG die BIG direkt gesund - Pflegekasse – zum Verfahren beigeladen, weil die Entscheidung auch ihr gegenüber nur einheitlich ergehen kann.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Der Senat konnte in Abwesenheit des Klägers und seines Bevollmächtigten entscheiden, nachdem diese in ordnungsgemäßer Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden sind (§ 153 Abs. 1 i.V.m. § 110 Abs. 1 S. 1 SGG). Das persönliche Erscheinen der Beteiligten war im Übrigen nicht angeordnet.
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, aber unbegründet.
Das Sozialgericht hat die als Anfechtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 SGG zulässige Klage zurecht als unbegründet abgewiesen. Der angefochtene Verwaltungsakt in der Fassung der Änderungsbescheide ist nicht rechtswidrig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Gegenstand des Rechtsstreits ist zunächst der Bescheid vom 15. März 2018 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25. Juli 2018. Der Senat geht davon aus, dass dieser Bescheid nur versehentlich nicht in den Antrag des Klägers in der mündlichen Verhandlung aufgenommen wurde, zumal er in der Klageschrift ausdrücklich benannt worden war.
Zum Gegenstand des Verfahrens sind auch die Bescheide vom 14. Januar 2019, 03. April 2020, 19. Oktober 2020, 19. Januar 2021, 30. September 2021, 16. Januar 2023, 17. Juli .2023 und vom 15. Januar 2024 geworden, weil diese Bescheide nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen sind und den ursprünglich angefochtenen Bescheid abgeändert haben (§ 96 Abs. 1 SGG).
Der Kläger wendet sich mit der Berufung ausdrücklich nur noch gegen die Regelung des § 229 Abs. 1 S. 3 SGB V und moniert deren Verfassungsmäßigkeit und dabei insbesondere einen angeblichen Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Die Verbeitragung der streitgegenständlichen Kapitalzahlungen bzw. deren Einordnung als Versorgungsbezüge ist jedoch rechtmäßig erfolgt.
Gemäß § 229 Abs. 1 S. 3 SGB V gilt für den Fall einer nicht regelmäßig wiederkehrenden Leistung ein Einhundertzwanzigstel der Leistung als monatlicher Zahlbetrag der Versorgungsbezüge im Sinne des Abs. 1 S. 1.
Das Sozialgericht hat für die beiden hier relevanten Versorgungsbezüge die Regelung zutreffend rechnerisch angewendet. Zu den schon erstinstanzlich vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken des Klägers hat es sich dahingehend geäußert, dass solche nicht ersichtlich sein. Tatsächlich hat das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2008 ausgeführt, dass die Regelung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 7. April 2008 – 1 BvR 1924/07 –, BVerfGK 13, 431-438).
Die Heranziehung von Versorgungsbezügen in der Form der nicht wiederkehrenden Leistung zur Beitragspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung wahrt demnach das Gebot des Art. 3 Abs. 1 GG, Gleiches gleich, Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu behandeln (vgl. BVerfGE 112, 268 <279>; stRspr). Der allgemeine Gleichheitssatz ist verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können (vgl. BVerfGE 104, 126 <144 f.>). Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmal fallen die Anforderungen an den Differenzierungsgrund dabei unterschiedlich aus. Sie reichen vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse (vgl. BVerfGE 99, 367 <388>; stRspr). Eine strenge Prüfung ist vorzunehmen, wenn verschiedene Personengruppen und nicht nur verschiedene Sachverhalte ungleich behandelt werden (vgl. BVerfGE 55, 72 <88>; 88, 87 <96>; 99, 367 <388>).
Das Bundesverfassungsgericht hat zudem entschieden, dass es von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden ist, Versorgungsbezüge im Rahmen der Krankenversicherung der Rentner zur Beitragsbemessung heranzuziehen (vgl. BVerfGE 79, 223 ff.; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 28. Februar 2008 - 1 BvR 2137/06 -, JURIS). Dabei ist die Heranziehung von Versorgungsbezügen nicht nur für die versicherungspflichtigen Rentner, sondern ebenso für die in §§ 226, 232 ff. SGB V genannten Personengruppen (z.B. pflichtversicherte Arbeitnehmer oder Bezieher von Arbeitslosengeld) mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar (vgl. BVerfGK 2, 330 <334 f.>). Denn auch für die Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung, welche noch nicht Rentner sind, bedeutet der Zufluss von Versorgungsbezügen eine Stärkung ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, die ihren entscheidenden Ausgangspunkt in einer Beschäftigung hat (vgl. BVerfGE 79, 223 <238>). Sie werden unter Einsatz der Arbeitskraft erworben und haben Entgeltersatzcharakter (vgl. BVerfGE 102, 68 <95>).
In Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts unterliegt es keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, Kapitalleistungen aus betrieblichen Direktversicherungen, welche die vom Bundessozialgericht aufgestellten Kriterien erfüllen – dies ist im hier vorliegenden Fall unstreitig –, den Versorgungsbezügen nach § 229 Abs. 1 S. 1 SGB V gleichzustellen und damit der Beitragspflicht zu unterwerfen. Soweit vertreten wird, dass einmaligen Kapitalzahlungen die notwendige strukturelle Ähnlichkeit mit den Renten der gesetzlichen Rentenversicherung fehle, dies jedoch der legitimierende Anknüpfungspunkt für die Einbeziehung anderer Versorgungsleistungen in die Beitragspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung sei, kann dieser Ansicht nicht gefolgt werden. So kann kein wesentlicher materieller Unterschied bezüglich der beschäftigungsbezogenen Einnahmen zwischen laufend gezahlten Versorgungsbezügen und nicht regelmäßig wiederkehrenden Leistungen identischen Ursprungs und gleicher Zwecksetzung, insbesondere einmaligen Kapitalleistungen aus Direktversicherungen, festgestellt werden. Beide Leistungen knüpfen an ein Dienst- oder Beschäftigungsverhältnis an und sind Teil einer versicherungsrechtlich organisierten, durch Beiträge gespeisten zusätzlichen Altersversorgung, welche dem Versicherten mit dem Eintritt des Versicherungsfalls einen unmittelbaren Leistungsanspruch vermittelt.
Ausgangspunkte der durch § 229 Abs. 1 S. 3 SGB V angeordneten Gleichbehandlung der nicht wiederkehrenden Leistungen mit den laufenden Versorgungsbezügen sind die mit dem Versicherungsfall eintretende Erhöhung der Einnahmen des Versicherten und ihr Ziel der Alterssicherung. Die im Beschäftigungsverhältnis wurzelnde, auf einer bestimmten Ansparleistung während des Erwerbslebens beruhende einmalige Zahlung einer Kapitalabfindung ist nicht grundsätzlich anders zu bewerten als eine auf gleicher Ansparleistung beruhende, laufende Rentenleistung; sie unterscheiden sich allein durch die Art der Auszahlung. Auch das Betriebsrentengesetz (BetrAVG) wertet Leistungen, die auf eine laufende Altersversorgung (z.B. durch einen Pensionsfonds oder eine Pensionskasse) gerichtet sind, gleich mit Leistungen an eine Direktversicherung, die sich in einer einmaligen Kapitalauszahlung erschöpfen (vgl. § 1 Abs. 2 und § 1b Abs. 2 BetrAVG). Daher ist es nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber diese Leistungen auch beitragsrechtlich in der gesetzlichen Krankenversicherung gleichbehandelt. Anderenfalls würde die privatautonom getroffene Entscheidung über das Versicherungsprodukt in der aktiven Phase der Beschäftigung über die Frage der späteren Beitragspflicht entscheiden und damit die Möglichkeit zu ihrer Umgehung eröffnen (vgl. die Begründung des Fraktionsentwurfs zum GKV-Modernisierungsgesetz, BT-Drucks. 15/1525, S. 139).
Vor Art. 3 Abs. 1 GG ist es ebenfalls nicht zu beanstanden, dass die Empfänger von ausgezahlten Kapitalleistungen der betrieblichen Direktversicherung Beiträge nach dem vollen allgemeinen Beitragssatz ihrer Krankenkasse zu zahlen haben. Aus Art. 3 Abs. 1 GG lässt sich kein verfassungsrechtliches Gebot ableiten, die Pflichtmitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung im wirtschaftlichen Ergebnis so zu stellen, dass sie auf ihre beitragspflichtigen Einkünfte nur den halben Beitragssatz oder einen ermäßigten Beitragssatz zu entrichten hätten. Verfassungsrechtlich ist es nicht geboten, an der Finanzierung des Beitrages aus Versorgungsbezügen Dritte in der Weise zu beteiligen, wie dies im Rahmen der Arbeitnehmerversicherung für die Arbeitgeber (§ 249 SGB V) und im Rahmen der Krankenversicherung der Rentner für die Rentenversicherungsträger (§ 249a SGB V) gesetzlich angeordnet ist (vgl. z.B. BVerfG, Beschluss v. 07.04.2008 – 1 BvR 1924/07 Rn. 33).
Soweit der Kläger im hiesigen Verfahren darauf abstellt, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2008 sei inzwischen nicht mehr anwendbar, ist dieser Ansicht im Ergebnis nicht zu folgen. Es ist nicht ersichtlich, weshalb die seinerzeit aufgestellten Grundsätze nicht mehr anwendbar sein sollten. Zwar moniert der Kläger einen Verstoß vor allem unter dem Gesichtspunkt der zeitlichen Wirkung des § 229 Abs.1 S.3 SGB V. So argumentiert er, dass es sich bei der „120er-Regelung“ um eine „synthetische Sonder-Entscheidung“ des Gesetzgebers handele. Die Regelung weiche vom Prinzip der GKV ab, nachdem Beiträge auf die tatsächlichen monatlichen Einkünfte erhoben würden.
Maßgeblich ist insofern die Frage, ob laufende Versorgungsbezüge und einmalige Zahlungen als „wesentlich Gleiches“ im Sinne des Art.3 Abs.1 GG zu sehen sind. Diese Frage hat das Bundesverfassungsgericht mit dem Verweis auf den identischen Ursprung, und die gleiche Zweckrichtung positiv beantwortet. Das Bundesverfassungsgericht hat diesen Standpunkt im Jahr 2020 noch einmal wiederholt. Die im Beschäftigungsverhältnis wurzelnde, auf einer bestimmten Ansparleistung während des Erwerbslebens beruhende einmalige Zahlung einer Kapitalzahlung ist nicht grundsätzlich anders zu bewerten als eine auf gleicher Ansparleistung beruhende, laufende Rentenleistung. Die Einbeziehung der nicht wiederkehrenden Versorgungsleistungen in die Beitragspflicht sei mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar, insbesondere den Betroffenen zumutbar, weil der Gesetzgeber berechtigt sei, jüngere Krankenversicherte von der Finanzierung des höheren Aufwands für die Rentner zu entlasten und die Rentner entsprechend ihrem Einkommen verstärkt zur Finanzierung heranzuziehen (BVerfG, Beschluss v. 17.06.2020 – 1 BvR 1134/15).
Dass – wie der Kläger vorträgt – die Regelung des § 229 Abs.1 S.3 SGB V zu für den Betroffenen oder die Solidargemeinschaft ungünstigen Ergebnissen führen kann, führt nicht zu einer verfassungsrechtlich anderen Behandlung der Versorgungsbezüge. Es ist ausdrücklich nicht die Aufgabe der Gerichte, politisch tätig zu werden und eine für einzelne Personen oder Personengruppen geeignetere oder weniger einschneidende Regelung zu finden. Die grundsätzliche und verfassungsrechtliche Gleichsetzung der Einmalzahlungen mit laufenden Rentenzahlungen ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.
Auch unter besonderer Berücksichtigung der „120-Regelung“ – also der Verteilung der Einmalzahlung auf einen Zeitraum von 120 Monaten –, die der Kläger mit dem Hilfsantrag angreift, ist ein Verfassungsverstoß nicht ersichtlich. Dem Kläger ist zwar zuzustimmen, dass die Frage der Dauer der Verbeitragung nicht im Mittelpunkt bisheriger verfassungsgerichtlicher und obergerichtlicher Entscheidungen stand. Dies liegt aber insbesondere daran, dass es schon nicht zu einer genauen Betrachtung der Regelung kommen kann, wenn bereits die laufende Rentenzahlung und die einmalige Kapitalzahlung als wesentlich Gleiches eingeordnet werden. Kommt man – wie die ständige Rechtsprechung – dazu, dass es keinen Grund für eine Differenzierung zwischen laufenden und einmaligen Versorgungsbezügen gibt, so bedarf es auch einer genaueren Prüfung der „120-Regelung“ nicht. Abgesehen davon, dass die Rechtsprechung (vgl. BSG, Urteil vom 17.03.2010 - B 12 KR 5/09 R) die zeitliche Regelung aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung nicht beanstandet hat, kann allein diese konkrete Regelung nicht zu einem Verfassungsverstoß führen, wenn - wie hier - kein Grund besteht, laufende und einmalige Versorgungsbezüge unterschiedlich zu behandeln.
Die Beklagte konnte auch durch die Änderungsbescheide vom 14.01.2019, 03.04.2020, 19.10.2020, 19.01.2021, 30.09.2021, 16.01.2023, 17.07.2023 und vom 15.01.2024 die Höhe des jeweiligen Beitrages für die Krankenversicherung gemäß § 48 Abs. 1 S. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ändern und den vorherigen Verwaltungsakt aufheben. Gemäß § 48 Abs. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse soll der Verwaltungsakt aufgehoben werden, soweit (1) die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt, (2) der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist, (3) nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder (4) der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist. Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.
Bei der Anpassung der monatlichen Beiträge zur Krankenversicherung handelt es sich auch dann, wenn sie erst Mitte des Monats zum jeweiligen Monatsersten geändert werden, um eine Aufhebung des vorherigen Verwaltungsaktes für die Zukunft und nicht für die Vergangenheit. Gemäß § 23 Abs. 1 S. 1 SGB IV i.V.m. § 10 Abs. 1 S. 2 der Einheitlichen Grundsätze zur Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung und weiterer Mitgliedergruppen sowie zur Zahlung und Fälligkeit der von Mitgliedern selbst zu entrichtenden Beiträge (Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler) werden die monatlichen Beiträge zur Krankenversicherung grundsätzlich erst zum 15. des jeweiligen Beitragsmonates folgenden Monats fällig. Wird der Beitrag zur Krankenversicherung also etwa mit Bescheid vom 14. Januar für die Zeit ab dem 1. Januar geändert, so wird der geänderte Betrag für den Januar erst zum 15. Februar fällig. Insofern ist die konkrete Belastung für die versicherte Person maßgeblich und nicht der Beginn des Zeitraumes, für den der Beitrag erhoben wird. Sofern die Änderung des Beitrages vor der Fälligkeit des Beitrages erfolgt, handelt es sich daher um eine Änderung für die Zukunft, sodass es auf die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 S. 2 SGB X vorliegend nicht ankam und die Aufhebung gemäß § 48 Abs.1 S.1 SGB X zulässig ist.
Die mit den Bescheiden vom 14. Januar 2019, 03. April 2020, 30. September 2021, 16. Januar 2023 und 17. Juli 2023 geregelten Beitragserhöhungen wurden dem Kläger ersichtlich vor dem 15. des jeweiligen Folgemonats bekannt gegeben. Die Beitragserhöhungen wirkten sich damit erst in der Zukunft aus. Demgegenüber hat die Beklagte die vom Kläger zu tragenden Beträge in den Bescheiden vom 19. Oktober 2020 und vom 19. Januar 2021 reduziert, so dass insoweit die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X erfüllt sind. Im Hinblick auf den Bescheid vom 15. Januar 2024 ist zu berücksichtigen, dass bei gleichbleibendem Gesamtbeitrag jedenfalls im Ergebnis keine Änderung im Sinne des § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X eingetreten ist.
Die Beklagte war nach Maßgabe von § 46 Abs. 2 S. 4 bis 6 SGB XI sachlich befugt, in den angefochtenen Bescheiden über die Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung mitzuentscheiden, weil sie in den streitgegenständlichen Bescheiden jeweils auch im Namen der Pflegekasse entschieden hat. Die Beitragspflicht in der Pflegeversicherung folgt hier der Beitragspflicht in der Krankenversicherung (§ 57 Abs. 1 Satz 1 SGB XI).
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 183, 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision i.S.d. § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.