Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 21.12.2021 geändert und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über den Anspruch auf Verzinsung von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung, die nach Befreiung des Klägers von der Versicherungspflicht als Syndikusrechtsanwalt von der Beklagten an den Beigeladenen erstattet worden sind.
Der am 0.00.0000 geborene Kläger ist Jurist. Ab Ende 2010 war er als angestellter Rechtsanwalt tätig und Mitglied der Rechtsanwaltskammer (RAK) O. sowie des Versorgungswerks der Rechtsanwälte im Land I.. 2011 befreite die Beklagte ihn in dieser Tätigkeit von der Rentenversicherungspflicht. Jedenfalls ab April 2012 war der Kläger Mitglied der RAK E. und des Beigeladenen. Am 1.8.2012 begann er eine Tätigkeit als Jurist bei dem M. (M.), wobei der M. sein Einverständnis damit erklärte, dass der Kläger neben dieser Tätigkeit eine Anwaltspraxis ausübe.
Am 21.11.2012 beantragte der Kläger über den Beigeladenen bei der Beklagten die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht für seine Tätigkeit beim M. als Syndikusrechtsanwalt. Die Beklagte lehnte die Befreiung mit der Begründung ab, dass der Kläger beim M. keine berufsspezifische anwaltliche Tätigkeit ausübe. Hiergegen wandte sich der Kläger mit Widerspruch und Klage vor dem Sozialgericht Münster (S 14 R 893/13 = S 14 R 176/19). Im Verlauf des Verfahrens ergingen am 3.4.2014 Entscheidungen des Bundessozialgerichts, wonach die anwaltliche Berufsausübung in der äußeren Form der Beschäftigung bei einem nichtanwaltlichen Arbeitgeber nicht möglich sei (B 5 RE 3/14 R, B 5 RE 9/14 R, B 5 RE 13/14 R). Im Hinblick auf gegen diese Entscheidungen eingelegte Verfassungsbeschwerden sowie gesetzgeberische Aktivitäten wurde das Verfahren zum Ruhen gebracht.
Zum 1.1.2016 trat das Gesetz zur Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte und zur Änderung der Finanzgerichtsordnung in Kraft (BGBl. I 2015, S. 2517). Mit Anträgen vom 21.3.2016 beantragte der Kläger bei der RAK E. die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt und bei der Beklagten die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht für Syndikusrechtsanwälte, die rückwirkende Befreiung sowie die Erstattung zu Unrecht gezahlter Pflichtbeiträge an die berufsständische Versorgungseinrichtung. Mit Beschluss vom 19.6.2018 ließ die RAK E. den Kläger als Syndikusrechtsanwalt für seine Tätigkeit beim M. zu. Die Beklagte befreite den Kläger mit Bescheid vom 30.8.2018 für seine Tätigkeit beim M. ab dem 22.3.2016 von der Rentenversicherungspflicht und mit Bescheid vom 28.11.2018 für dieselbe Tätigkeit nach § 231 Abs. 4b Satz 3 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) auch rückwirkend für die Zeit vom 1.4.2014 bis zum 21.3.2016.
Der Kläger erklärte das Klageverfahren S 14 R 893/13 = S 14 R 176/19 im März 2019 für erledigt.
Mit Bescheid vom 27.3.2019 beanstandete die Beklagte die für den Kläger gezahlten Rentenbeiträge für den Zeitraum 1.4.2014 bis zum 21.3.2016 in Höhe von 20.533,02 €, die unmittelbar an den Beigeladenen gezahlt würden. Ein Anspruch auf Verzinsung des Erstattungsbetrages nach § 27 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) bestehe nach § 286f Satz 2 SGB VI nicht. Der Bescheid wurde bestandskräftig.
Mit Bescheid vom 27.11.2018 lehnte die Beklagte eine rückwirkende Befreiung für den Zeitraum August 2012 bis März 2014 ab. Das Gesetz setze für eine Befreiung für Zeiten vor dem 1.4.2014 in § 231 Abs. 4b Satz 4 SGB VI u.a. die Zahlung einkommensbezogener Pflichtbeiträge an das Versorgungswerk voraus, die im Fall des Klägers nicht vorliege. Der Kläger wandte sich hiergegen mit Widerspruch und Klage (S 24 R 48/19). Das Sozialgericht Münster verpflichtete die Beklagte mit Urteil vom 14.1.2020 dazu, den Kläger für seine Tätigkeit beim M. auch für diesen Zeitraum von der Rentenversicherungspflicht zu befreien. Dagegen legte die Beklagte Berufung ein (L 14 R 122/20), nahm diese aber am 21.12.2020 zurück, nachdem das Bundessozialgericht mit Urteil vom 23.9.2020 (B 5 RE 3/19 R) entschieden hatte, dass auch Zahlungen in Höhe des sogenannten Grundbeitrags einkommensbezogene Zahlungen im Sinne von § 231 Abs. 4b Satz 4 SGB VI seien.
Mit Bescheid vom 16.12.2020 befreite die Beklagte in Ausführung des Urteils des Sozialgerichts vom 14.1.2020 den Kläger für seine Tätigkeit beim M. auch für die Zeit von August 2012 bis März 2014 von der Rentenversicherungspflicht. Mit Bescheid vom 15.1.2021 beanstandete die Beklagte die für den Kläger gezahlten Rentenbeiträge für den Zeitraum August 2012 bis März 2014 in Höhe von insgesamt 14.212,86 €, die unmittelbar an den Beigeladenen gezahlt würden. Ein Anspruch auf Verzinsung des Erstattungsbetrages (§ 27 Abs. 1 SGB IV) bestehe nach § 286f Satz 2 SGB VI nicht. Die Zahlung wurde am 19.1.2021 gebucht und am 21.1.2021 ausgeführt.
Der Kläger legte am 11.2.2021 Widerspruch gegen die fehlende Verzinsung ein. § 286f SGB VI sei verfassungs-, insbesondere gleichheitswidrig.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 28.3.2021 zurück. Sie sei an das Gesetz gebunden.
Am 20.9.2021 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Münster erhoben. Er hat vorgetragen, der Verzinsungsanspruch ergebe sich aus § 27 SGB IV. § 286f Satz 2 SGB VI stehe dem nicht entgegen, da die Norm gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Grundgesetz (GG) verstoße. Als Vergleichspaar seien „normale“ Befreiungsfälle nach § 6 SGB VI und solche nach § 6 SGB VI i.V.m. § 231 Abs. 4b SGB VI zu betrachten. In einem Fall erfolge eine Verzinsung nach § 27 SGB IV, im anderen Fall sei eine Verzinsung nach § 286f Satz 2 SGB VI ausgeschlossen, ohne dass dafür ein sachlicher Grund ersichtlich sei. Die Gesetzesbegründung gebe keinen solchen Grund her. Die Verzinsung sei der Normalfall. Sie gehöre nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (B 10 LW 1/16 R) zur Erstattung dazu, da nur so der wirtschaftliche Nachteil ausgeglichen werden könne, der dadurch entstehe, dass der Betreffende vorübergehend die Beiträge nicht wirtschaftlich nutzen könne. Darüber hinaus werde Art. 14 GG verletzt. Der Zinsanspruch sei vom Schutzbereich der Norm erfasst. Es seien besonders strenge Anforderungen an eine Rechtfertigung des Eingriffs in das Grundrecht zu stellen, da es sich um einen Fall einer Legislativenteignung handele.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 15.1.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.8.2021 zu verurteilen, die erstatteten Beiträge ab dem 1.5.2016 bis einschließlich 15.12.2020 zu verzinsen und diese Zinsen an das Versorgungswerk der Rechtsanwälte des Landes Nordrhein-Westfalen auszuzahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat auf die Gesetzeslage verwiesen.
Das Sozialgericht hat die Beklagte mit Urteil vom 21.12.2021 verurteilt, die erstatteten Beiträge ab dem 1.5.2016 bis einschließlich dem 15.12.2020 zu verzinsen und diese Zinsen an den Beigeladenen auszuzahlen. Es bestehe entsprechend zum rückwirkenden Erstattungsanspruch ein rückwirkender Verzinsungsanspruch aus § 27 SGB IV, da ohne diese Verzinsung die rechtsgrundlose Vermögensverschiebung, die durch die zunächst eingezogenen Beiträge entstanden sei, teilweise fortwirken würde. Durch die Verzinsung werde die zwischenzeitlich fehlende Nutzungsmöglichkeit ausgeglichen. Dies ergebe sich aus der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (B 10 LW 1/16 R). § 286f Satz 2 SGB VI sei teleologisch zu reduzieren. Bei Neuregelung des Rechts der Syndikusrechtsanwälte und Einführung von § 286f SGB VI habe noch eine Rechtsprechung gegolten, nach der eine Verzinsung nur für die Zukunft in Betracht gekommen sei. 2017, also nach Einführung von § 286f SGB VI, sei diese Rechtsprechung vom Bundessozialgericht mit der genannten Entscheidung aufgegeben worden. Bei Einführung von § 286f SGB VI habe der Gesetzgeber dies noch nicht berücksichtigen können. § 286f SGB VI könne sich demnach nur auf den Zeitraum ab Wirksamwerden des Befreiungsbescheides beziehen. Eine solche Auslegung sei auch unter Berücksichtigung von Art. 3 GG geboten, da für einen Verzinsungsausschluss nur im Fall einer Befreiung nach § 231 Abs. 4b SGB IV keine Rechtfertigung ersichtlich sei. Mit der Begrenzung seines Verzinsungsantrags auf die Zeit bis zum 15.12.2020, dem Tag vor Erlass des hier relevanten Befreiungsbescheides, habe der Kläger der einschränkenden Auslegung von § 286f Satz 2 SGB VI Rechnung getragen.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 25.1.2022 zugestellte Urteil am 14.2.2022 Berufung eingelegt. Der Gesetzgeber sei davon ausgegangen, dass der Rentenversicherungsträger die beanstandeten Beiträge „zügig“ erstatte (BT-Drs. 18/5201, S. 47). Nach Klärung des Anwendungsbereichs von § 231 Abs. 4b Satz 4 SGB VI durch das Bundessozialgericht habe die Beklagte die Entscheidung entsprechend umgesetzt und die Beiträge des Klägers zügig erstattet. Der Kläger könne allenfalls einen Amtshaftungsanspruch geltend machen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 21.12.2021 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beigeladene stellt keinen Antrag.
Der Kläger verweist auf das angefochtene Urteil und trägt ergänzend vor, es gehe nicht darum, ob die Beiträge hier zügig nach Erlass des Beanstandungsbescheides erstattet worden seien. Problematisch sei, dass die Beklagte in seinem Fall § 231 Abs. 4b Satz 4 SGB VI zunächst verneint habe, obwohl bereits das Bundesverfassungsgericht sich in seinen Nichtannahmebeschlüssen betreffend Verfassungsbeschwerden gegen die Urteile des Bundessozialgerichts vom 3.4.2014 zu der Frage geäußert habe, was einkommensbezogene Pflichtbeiträge seien (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 19.7.2016 – 1 BvR 2584/14, Rn. 16; Nichtannahmebeschluss vom 22.7.2016 – 1 BvR 2534/14, Rn. 16). Durch die verspätete Gutschrift der Beiträge bei dem Beigeladenen entstehe ein sogenannter Quotientenschaden, da die verspätete Beitragsgutschrift einen geringeren Wert habe. Dieser Schaden werde durch die Zinsen auch nur teilweise ausgeglichen. Eine anderweitige Anspruchsgrundlage sei nicht ersichtlich, insbesondere komme ein Amtshaftungsanspruch nicht in Betracht, da es an der Schuldhaftigkeit einer Amtspflichtverletzung fehle.
Der mit Beschluss vom 3.6.2024 am Rechtsstreit beteiligte Beigeladene hat den vom Kläger geltend gemachten Quotientenschaden näher erläutert und die Auswirkungen der begehrten Zinszahlung auf seinen Rentenanspruch errechnet. Wegen der Einzelheiten wird auf die Schriftsätze des Beigeladenen vom 8.7.2024 und 12.7.2024 sowie die ergänzenden Erläuterungen des Beigeladenen im Termin zur mündlichen Verhandlung am 12.7.2024 verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte des vorliegenden Verfahrens, die beigezogenen Gerichtsakten der Verfahren S 14 R 893/13 = S 14 R 176/19 sowie S 24 R 48/19 = L 14 R 122/20 und auf die ebenfalls beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, deren jeweiliger wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig. Die Beklagte hat die Berufung beim Landessozialgericht am 14.2.2022 und damit innerhalb eines Monats nach Zustellung des angefochtenen Urteils am 25.1.2022 eingelegt (§ 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Die Höhe der vom Sozialgericht ausgeurteilten Zinszahlung beläuft sich nach den Berechnungen des Senats auf 2.652,91 Euro, so dass ein Berufungsausschluss nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG ausscheidet und es bei der grundsätzlichen Statthaftigkeit der Berufung nach § 143 SGG bleibt.
Die Berufung ist auch begründet. Das Sozialgericht hat der als Anfechtungs- und Leistungsklage statthaften (vgl. BSG, Urteil vom 7.9.2017 – B 10 LW 1/16 R, Rn. 21) und auch im Übrigen zulässigen Klage (vgl. zum Sozialrechtsweg Keller, in: Meyer-Ladewig u.a., SGG, 2023, § 51 Rn. 39 a.E.) zu Unrecht stattgegeben, da diese unbegründet ist.
Der Kläger ist durch die allein angefochtene Ablehnung der Verzinsung der Beitragserstattung mit Bescheid vom 15.1.2021 (zur Begrenzung des Streitgegenstandes vgl. BSG, a.a.O., Rn. 23) nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert, da diese rechtmäßig ist. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Verzinsung der von der Beklagten Anfang 2021 erstatteten Rentenversicherungsbeiträge für August 2012 bis März 2014.
Gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB IV ist ein Erstattungsanspruch nach Ablauf eines Kalendermonats nach Eingang des vollständigen Erstattungsantrags, beim Fehlen eines Antrags nach der Bekanntgabe der Entscheidung über die Erstattung bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung mit vier vom Hundert zu verzinsen. Mit „Erstattungsanspruch“ ist ein Anspruch nach § 26 SGB IV gemeint. Gemäß § 26 Abs. 2 SGB IV sind zu Unrecht entrichtete Beiträge zu erstatten. Hier ergibt sich das Fehlen eines Rechtsgrundes für die Beitragszahlung im streitigen Zeitraum aus der nachträglichen Befreiung von der Rentenversicherungspflicht gemäß § 6 SGB VI mit Bescheid vom 16.12.2020.
Der Verzinsung des Erstattungsanspruchs nach § 27 SGB IV steht jedoch im vorliegenden Sachverhalt § 286f Satz 2 SGB IV entgegen. § 286f SGB VI regelt für Befreiungen nach § 231 Abs. 4b SGB VI – wie hier – in Satz 1, dass die zu Unrecht entrichteten Beiträge abweichend von den allgemeinen Regeln unmittelbar an die zuständige berufsständische Versorgungseinrichtung erstattet werden und in Satz 2, dass Zinsen nach § 27 Abs. 1 SGB IV nicht zu zahlen sind (vgl. zur ausschließlichen Geltung der Norm bei rückwirkenden Befreiungen Wehrhahn, in: BeckOGK-SGB VI, § 286f (Stand: 1.12.2020) Rn. 3). Eine einschränkende Anwendung dieser Norm wird, soweit ersichtlich, in der Rechtsprechung – mit Ausnahme des hier angefochtenen Urteils – und in der Literatur nicht vertreten (vgl. Wehrhahn, a.a.O., Rn. 6; Dankelmann, in: jurisPK-SGB VI, § 286f (Stand: 1.4.2021) Rn. 16; Kuszynski, in: Kreikebohm u.a., SGB VI, 2021, § 286f Rn. 4; Wähnelt, in: Hauck/Noftz, SGB VI, § 286f (Stand: Juni 2021) Rn. 1, 14; Gollub, in: Keck u.a., Die Rentenversicherung im SGB, § 286f (Stand: 12.2017) Rn. 6; Reinhardt, in: ders., SGB VI, 2021, § 286f Rn. 2; Minn, in: Figge, Sozialversicherungs-Handbuch Beitragsrecht, Stand: 4.2024, 8.7; Henssler/Deckenbrock, Die Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte, DB 2016, S. 215, 224; Freudenberg, B+P 2016, S. 199, 206).
Soweit das Sozialgericht für eine teleologische Einschränkung des Anwendungsbereichs der Norm plädiert, stellt sich bereits im Ansatz die Frage, welches telos dafür herangezogen werden soll, wenn und zumal der Gesetzgeber eine Verzinsung ausdrücklich und ohne jedwede Einschränkung ausgeschlossen hat. Der § 27 SGB IV zugrunde liegende Gedanke, dass die Verzinsung im Fall einer Beitragserstattung kompensieren soll, dass der Betreffende seine für die Beiträge aufgewendeten Mittel zwischenzeitlich wirtschaftlich nicht habe verwerten können (vgl. dazu BSG, a.a.O., Rn. 31; Waßer, in: jurisPK-SGB IV, § 27 (Stand: 1.8.2021) Rn. 16), kann bei ausdrücklichem Ausschluss dieser Norm kaum fruchtbar gemacht werden. Der Gedanke der dem Erstattungsberechtigten (vgl. § 26 Abs. 3 SGB IV) entgangenen wirtschaftlichen Verwertbarkeit verfängt umso weniger, als nach § 286f Satz 1 SGB VI eine Beitragserstattung gerade nicht an den Kläger selbst erfolgt, sondern an das Versorgungswerk. Der Gesetzgeber will auf Grundlage eines von §§ 26 f. SGB IV abweichenden Erstattungsmechanismus lediglich rückwirkend eine Zuordnung der gezahlten Mittel zu einem anderen Versorgungssystem sicherstellen. Der vom Gesetzgeber angestrebte Zustand ist also nicht eine Verfügungsmöglichkeit des erstattungsberechtigten Beitragszahlers über die für die Beiträge aufgewendeten Mittel und deren etwaige wirtschaftliche Verwertung.
Zutreffend weist das Sozialgericht zwar darauf hin, dass der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung zu § 286f Satz 2 SGB VI die Erwartung formuliert hat, dass die Beiträge zeitnah erstattet werden. So heißt es in BT-Drs. 18/5201, S. 47 wörtlich: „Der zuständige Träger der Rentenversicherung wird zügig nach Durchführung des Befreiungsverfahrens die beanstandeten und erstattungsfähigen Pflichtbeiträge an das zuständige Versorgungswerk zahlen.“ Aus dieser allgemeinen Erwartungshaltung kann aber nicht gefolgert werden, dass immer dann, wenn im Einzelfall keine „zügige“ Erstattung erfolgt, der Ausschluss der Verzinsung nicht mehr greifen sollte. Unabhängig von der Schwierigkeit der Bestimmung, nach welchen Maßstäben im Einzelfall eine „zügige“ Beanstandung und Auszahlung an das Versorgungswerk angenommen werden kann, ist eine solche Einschränkung nicht im Gesetzeswortlaut enthalten. Es liegt vielmehr nahe, dass der Gesetzgeber gerade mit Blick auf die Möglichkeit von Verzögerungen bei der im Verantwortungsbereich der Rechtsanwaltskammern liegenden Zulassungsentscheidung nach § 46a BRAO eine Verzinsung ausschließen wollte (so wohl Wähnelt, a.a.O., Rn. 13). Immerhin ging der Gesetzgeber von „geschätzt rund 40.000 betroffenen Syndizi“ aus (BT-Drs. 18/5201, S. 1). Im vorliegenden Fall ist die Zulassungsentscheidung der RAK E. auch tatsächlich erst gut zwei Jahre nach deren Beantragung erfolgt, was ungefähr die Hälfte des Zeitraums zwischen Antragstellung und Beitragserstattung ausmacht.
Die Überlegungen des Sozialgerichts zu einer vom Gesetzgeber nicht absehbaren Rechtsprechungsänderung des Bundessozialgerichts im Jahr 2017 als Argument für eine einschränkende Auslegung der Norm sind nicht überzeugend. In der vom Sozialgericht zitierten Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 7.9.2017 (B 10 LW 1/16 R) ging es maßgeblich um die Begründung eines rückwirkenden Erstattungsanspruchs (vgl. BSG, a.a.O., Rn. 25-30). Insofern erfolgte eine Auseinandersetzung mit früherer Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (so auch die Darstellung bei Waßer, a.a.O., § 26 (Stand: 1.8.2021) Rn. 90, auf die das Sozialgericht selbst verweist). Im vorliegenden Fall ist die rückwirkende Erstattung aber vom Gesetzgeber in § 286f Satz 1 SGB VI vorausgesetzt (vgl. dazu etwa auch BT-Drs. 18/5201, S. 22). Den Ausführungen des Bundessozialgerichts im vorgenannten Urteil zur Verzinsung des Erstattungsanspruchs (Rn. 31-33) ist dagegen keine Rechtsprechungsänderung zu entnehmen, vielmehr wird ausdrücklich an frühere Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (konkret BSG, Urteil vom 16.4.1985 – 12 RK 19/83) angeknüpft.
Der Hinweis des Klägers auf einen Quotientenschaden durch die verspätete Gutschrift der Beiträge beim Beigeladenen wirft überdies die Frage auf, ob es sich dabei um eine zwingende Folge der verspäteten Erstattung durch die Beklagte handelt. Zum einen hatte – wie bereits ausgeführt – auch das Befreiungsverfahren bei der RAK E. einen gewichtigen Anteil an der eingetretenen Verzögerung. Zum anderen könnten als maßgebliche Ursache für den Quotientenschaden auch die Regeln der Versorgung der Rechtsanwälte (hier § 33a Nr. 2 der entsprechenden Satzung des Beigeladenen) angesehen werden mit der Konsequenz, dass ggf. dort Änderungen vorzunehmen wären. Dann stellt sich die Frage nach der Geeignetheit einer Zinszahlung nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB IV zur Kompensation des Quotientenschadens, die der Kläger selbst insofern aufwirft, als er nur von einem teilweisen Ausgleich spricht. Soweit der Beigeladene bei der Berechnung des hypothetischen Rentenanspruchs des Klägers einmal unter Annahme einer früheren Beitragszahlung und einmal unter Annahme einer Zinszahlung in 2021 zu fast identischen Werten kommt, dürfte es sich schon um ein zufälliges Ergebnis handeln. Vor allem aber ist die Berechnung des hypothetischen Rentenanspruchs unter Annahme einer früheren Beitragszahlung insofern unzutreffend, als der Beigeladene dabei – wie von ihm im Termin zur mündlichen Verhandlung am 12.7.2024 selbst eingeräumt – eine Beitragszahlung bereits in den Jahren 2012 bis 2014 zugrunde gelegt hat. Dabei wäre eine nachträgliche Beitragszahlung frühestens nach der Gesetzesänderung Anfang 2016 möglich gewesen. Dies könnte bedeuten, dass der Quotientenschaden tatsächlich geringer ist und die Zinszahlung an den Beigeladenen nicht nur einen teilweisen Ausgleich des Quotientenschadens, sondern eine Überkompensation bewirkte. Dies kann jedoch im Ergebnis dahinstehen.
Ist – unter Berücksichtigung der Bedürfnisse der Verwaltungsvereinfachung (vgl. Udsching, in: Hauck/Noftz, SGB IV, § 27 (Stand: Juni 2023) Rn. 6) – mit einer vierprozentigen Verzinsung eine Annäherung an ansonsten bestehende wirtschaftliche Verwertungsmöglichkeiten plausibel, fehlt es an jedweder Korrelation einer solchen Verzinsung und der komplizierten Berechnung des in der berufsständischen Versorgung ggf. entstehenden Quotientenschadens. Im Übrigen erfordert nicht jedweder aus einer Normanwendung resultierende Nachteil, der vom Gesetzgeber möglicherweise nicht bedacht worden ist, eine einschränkende Auslegung der Norm. Daher kommt bei nicht wie vom Gesetzgeber erwarteter zügiger Beitragserstattung allenfalls ein Schadensersatzanspruch in Betracht (so auch Wehrhahn, a.a.O., Rn. 6), den der Kläger ausdrücklich und mit nachvollziehbarer Argumentation nicht geltend macht.
Eine einschränkende Auslegung von § 286f Satz 2 SGB VI ergibt sich schließlich nicht aus Verfassungsrecht, insbesondere liegt kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vor. Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Er gilt sowohl für ungleiche Belastungen als auch für ungleiche Begünstigungen. Dabei verwehrt Art. 3 Abs. 1 GG dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung. Differenzierungen bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Der Gleichheitssatz ist dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können (vgl. BSG, Urteil vom 26.2.2020 – B 5 RE 2/19 R, Rn. 41 m.w.N. aus der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung). Der Kläger selbst sieht als relevante Vergleichsgruppe solche Personen, bei denen eine Befreiung nach § 6 SGB VI erfolgt, ohne dass der Ausschluss der Verzinsung nach § 286f Satz 2 SGB VI greift. Relevantes und tragfähiges Differenzierungskriterium sind aber die Besonderheiten der Neuordnung des Berufsrechts der Syndikusrechtsanwälte und der sozialrechtlichen Folgeregelungen. In diesem Zuge hat der Gesetzgeber in § 286f SGB IV regelungskonzeptionell einen von §§ 26 f. SGB IV abweichenden Erstattungsmechanismus geschaffen, der maßgeblich dem Zweck dient, Verwaltungsaufwand zu reduzieren und Kosten auf Arbeitgeber- und auf Arbeitnehmerseite zu vermeiden. Die Erstattung des Beitrags direkt an die berufsständische Versorgungseinrichtung gemäß § 286f Satz 1 SGB VI und nicht an denjenigen, der den Beitrag getragen hat, wie grundsätzlich in § 26 Abs. 3 Satz 1 SGB IV vorgesehen, zeigt die Besonderheit dieser Neuordnung. Es ging nicht um eine Einzelfallentscheidung und den Ausgleich einer falschen bzw. verzögerten rentenrechtlichen Beurteilung durch den Rentenversicherungsträger, sondern um eine auf erheblichen standespolitischen Druck (vgl. Henssler/Deckenbrock, a.a.O., S. 215) erfolgte „Korrektur“ der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts durch den Gesetzgeber, die sogar mit einer rückwirkenden Beitragserstattung verbunden wurde. Bei einem durchaus erheblichen Entgegenkommen des Gesetzgebers gegenüber der (Syndikus-) Anwaltschaft einerseits und absehbarem erheblichem Verwaltungsaufwand andererseits mit entsprechenden Risiken verzögerter Abwicklung (vgl. erneut Wähnelt, a.a.O., Rn. 13 und BT-Drs. 18/5201, S. 1) ist der Ausschluss der Verzinsungsmöglichkeit sachlich gerechtfertigt.
Soweit ein Verzinsungsanspruch nach § 27 SGB IV wie der zugrunde liegende Erstattungsanspruch nach § 26 SGB IV (vgl. hierzu Udsching, a.a.O., § 26 SGB IV (Stand: Juli 2015) Rn. 1a m.w.N.) vom Schutzbereich von Art. 14 GG erfasst ist, stellt § 286f Satz 2 SGB VI aus den vorgenannten Gründen eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dar (vgl. zum Maßstab BSG, Urteil vom 18.10.2023 – B 5 R 49/21 R, Rn. 16 ff.).
Eine Verzinsung nach anderen Vorschriften kommt nicht in Betracht. § 44 SGB I betrifft soziale Geldleistungsansprüche. Beitragserstattungsansprüche sind keine solchen sozialen Geldleistungsansprüche (vgl. Waßer, a.a.O., § 27 Rn. 11). Prozesszinsen nach § 291 BGB analog kommen im Sozialrechtsverhältnis grundsätzlich nicht in Betracht (vgl. BSG, Urteil vom 8.2.2023 – B 5 LW 1/21 R, Rn. 24; Schmidt, in: Meyer-Ladewig u.a., SGG, 2023, § 94 Rn. 5a mit Verweis auf die vorrangigen sozialrechtlichen Regelungen gerade in § 44 SGB I und § 27 SGB IV).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Anlass, die Revision nach § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, besteht angesichts der eindeutigen Gesetzeslage, eines einhelligen Meinungsstandes in Literatur und Rechtsprechung außerhalb dieses Verfahrens sowie dem Umstand, dass § 286f SGB VI „Übergangscharakter“ hat (Wähnelt, a.a.O., Rn. 15), nicht. Gegen eine allgemeine Bedeutung der hier aufgeworfenen Rechtsfragen, die das Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berühren (vgl. zu diesem Maßstab auch Schmidt, a.a.O., § 160 Rn. 7a) spricht zur Überzeugung des Senats auch, dass nach Kenntnisstand aller Beteiligten lediglich zwei weitere, bei demselben Arbeitgeber des Klägers tätige Syndikusrechtsanwälte vergleichbare Forderungen erhoben haben.