L 2 AS 760/23

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
2
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 15 AS 292/22
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 2 AS 760/23
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 4 AS 40/24 AR
Datum
-
Kategorie
Urteil

 

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Detmold vom 29.04.2023 wird zurückgewiesen.

 

Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

  1. Tatbestand

 

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger einen Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für den Zeitraum vom 01.03.2022 bis 31.08.2022 hat.

 

Der am 00.00.0000 geborene Kläger ist alleinstehend und lebt mietfrei bei einem Elternteil. Als Geschäftsführer der O. erzielt er einen monatlichen Verdienst in Höhe von 10,00 EUR. Mit Bescheid vom 03.09.2021 bewilligte der Beklagte dem Kläger Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum September 2021 bis Februar 2022 in Höhe eines monatlichen Regelbedarfs von 446 €. Nach Neufestsetzung der Regelbedarfe erließ der Beklagte einen Änderungsbescheid vom 27.11.2021, mit dem dem Kläger ab dem 01.01.2022 einen monatlichen Regelbedarf von 449 € gewährte. Die Leistungen gingen dem Kläger jeweils monatlich im Voraus zu. Am 19.01.2022 beantragte der Kläger online beim Beklagten die Weiterbewilligung der Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum ab März 2022. Mit Schreiben vom 28.01.2022 informierte die Bundesagentur für Arbeit den Beklagten darüber, dass dem Kläger für die Zeit vom 01.09.2019 bis 26.07.2020 Arbeitslosengeld nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) i.H.v. insgesamt 5.255,12 € (kalendertäglich 16,12 €) nachgezahlt werde. Ausweislich der sodann auf Anfrage vom Kläger vorgelegten Kontoauszüge floss diese Nachzahlung dem Konto des Klägers am 02.02.2022 zu. Mit Bescheid vom 11.03.2022 lehnte daraufhin der Beklagte den Weiterbewilligungsantrag ab. Es fehle an der Hilfebedürftigkeit nach § 7 Abs. 1 Nr. 3 SGB II. Die am 02.02.2022 erhaltende Nachzahlung sei gemäß § 11 Abs. 3 SGB II in der bis zum 30.06.2023 geltenden Fassung (a.F.) anteilig auf sechs Monate zu verteilen und als Einkommen anzurechnen. Hiergegen legte der Kläger zunächst per Mail am 17.03.2022 und sodann mit Schreiben vom 25.03.2022 Widerspruch ein. Es handele sich bei der Nachzahlung um einen bewilligten Anspruch für den Zeitraum vom 01.09.2019 bis 26.07.2020, der einen anderen Zeitraum betreffe. Zudem sei noch sein Darlehen zur Finanzierung seines vorhergegangenen Studiums i.H.v. 13.000 € offen.

 

Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 06.04.2022 zurück. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, der monatliche Regelbedarf des Klägers i.H.v. 449 € sei durch dessen Einkommen gedeckt. Die Nachzahlung des Arbeitslosengeldes nach dem SGB III für die Zeit vom 01.09.2019 bis zum 26.07.2020 i.H.v. 5.255,12 € sei als Einkommen auf die Leistung nach dem SGB II anzurechnen. Die Nachzahlung sei dem Kläger im Februar 2022 zugeflossen und damit zu einem Zeitpunkt, an dem er Leistungen nach dem SGB II bezogen habe. Es sei unerheblich, dass sich die Nachzahlung auf Zeiten ohne Leistungsbezug im SGB II bezöge. Entscheidend sei lediglich, dass die Nachzahlung während des Leistungsbezugs beim Widerspruchsführer eingegangen sei. Bei der Nachzahlung nach § 11 Abs. 3 S. 2 SGB II a.F. handele es sich um eine einmalige Einnahme, die ab März 2022 anzurechnen sei, da die Leistungen für Februar 2022 bereits ohne die Berücksichtigung der Nachzahlung ausgezahlt worden seien. Diese Nachzahlung sei gemäß § 11 Abs. 3 S. 4 SGB II a.F. auf sechs Monate zu verteilen, da durch ihre Anrechnung auch unter Abzug einer Versicherungspauschale von 30 € der Leistungsanspruch im März 2022 entfallen würde. Es ergebe sich daher ein monatlicher Anrechnungsbetrag in Höhe von 875,85 € (5.255,12 € / 6 Monate) der auch unter Abzug einer Versicherungspauschale in Höhe von 30 € den monatlichen Regelbedarf in Höhe von 449 € übersteige. Auch könne die Nachzahlung nicht mit der Forderung aus dem Darlehen zur Finanzierung des Studiums i.H.v. 13.000 € „verrechnet“ werden. Eine solche Verrechnung sehe das SGB II nicht vor.

 

Hiergegen hat der Kläger am 13.04.2022 Klage beim Sozialgericht Detmold (SG) erhoben (Az.: S 15 AS 292/22) und die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II ab März 2022 begehrt. Er hat weitestgehend die bereits im Widerspruchsverfahren von ihm vorgetragenen Gründe wiederholt und zudem vorgetragen, dass nach § 11a Abs. 1 Nr. 1 SGB II in der bis zum 30.06.2023 geltenden Fassung (a.F.) Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch nicht als Einkommen zu berücksichtigen seien. Zudem sei die Nachzahlung des Arbeitslosengeldes für den Zeitraum vom 01.09.2019 bis 26.07.2020 ausgezahlt worden und diene daher ausdrücklich dem Zweck, die finanzielle Hilfebedürftigkeit für diesen Zeitraum abzudecken. Entsprechend § 11a Abs. 3 S. 1 SGB II a.F. seien jedoch Leistungen, die aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften zu einem ausdrücklich genannten Zweck erbracht würden, nur soweit als Einkommen zu berücksichtigen, als die Leistungen nach diesem Buch im Einzelfall demselben Zweck dienten. Dies sei hier aufgrund der unterschiedlichen Zeiträume nicht der Fall. Zudem sei noch ein Darlehen in Höhe von 13.000 € aus seinem vorangegangenen Studium offen. Dieses sei jeglichen Einkünften gegenzurechnen. Zum Nachweis des Darlehens hat der Kläger ein Schreiben der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) vom 09.03.2022 vorgelegt, ausweislich dessen der Kapitalsaldo des Studienkredits zzgl. rückständiger Nebenkosten 13.920,67 € betrug.

 

Der Kläger hat sinngemäß schriftsätzlich beantragt,

 

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 11.03.2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.04.2022 zu verurteilen, ihm ab März 2022 Leistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

 

Der Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,

 

die Klage abzuweisen.

 

Er hat sich im Wesentlichen auf die Gründe seines Widerspruchsbescheids bezogen.

 

Nachdem der Kläger am 01.09.2022 einen erneuten Antrag auf SGB II-Leistungen gestellt hatte, hat der Beklagte mit Bescheid vom 08.11.2022 für die Zeit vom 01.09.2022 bis 28.02.2023 Leistungen in Höhe des vollständigen Regelbedarfs bewilligt.

 

Das SG hat mit Schreiben vom 31.05.2022 und mit weiterem Schreiben vom 17.10.2022 auf die fehlenden Erfolgsaussichten der Klage hingewiesen, da die im Februar 2022 zugeflossenen Leistungen nach dem SGB III von Gesetzes wegen als Einkommen zu berücksichtigen seien und § 11a Abs. 1 Nr. 1 SGB II a.F. nicht anwendbar sei. Ferner hat der zuständige Richter im Schreiben vom 17.10.2022 für den Fall der Fortsetzung des Verfahrens auf die zu erwägende Verhängung von Gerichtskosten wegen rechtsmissbräuchlicher Prozessführung hingewiesen.

 

Mit Gerichtsbescheid vom 29.04.2023 hat das SG sodann die Klage abgewiesen und dem Kläger Verschuldenskosten i.H.v. 150 € auferlegt. Auf die Einzelheiten der Entscheidung wird Bezug genommen.

 

Gegen den ihm am 06.05.2023 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 24.05.2023 Berufung eingelegt und die „sofortige“ Bewilligung seines Arbeitslosengelds II für den Zeitraum vom 01.03.2022 bis 31.08.2022 in Höhe von insgesamt 2.694 € (6 x    449 €) begehrt. Er ist weiterhin der Auffassung, dass die Nachzahlung des Arbeitslosengeldes zeitlich zweckgebunden für den Anspruchszeitraum vom 01.09.2019 bis zum 26.07.2020 gewesen sei.

 

Der ausweislich der Postzustellungsurkunde vom 14.02.2024 ordnungsgemäß zum Termin zur mündlichen Verhandlung am 27.02.2024 geladene Kläger ist zum Verhandlungstermin nicht erschienen.

 

Er beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

 

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Detmold vom 29.04.2023 zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, ihm unter Aufhebung des Bescheids vom 11.03.2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.04.2022 Leistungen für den Zeitraum vom 01.03.2022 bis 31.08.2022 nach dem SGB II in Höhe von insgesamt 2.694 € zu gewähren.

 

Der Beklagte beantragt,

           

die Berufung zurückzuweisen.

 

Er nimmt im Wesentlichen Bezug auf den erstinstanzlichen Gerichtsbescheid. Hintergrund der Regelung des § 11a Abs. 3 S. 1 SGB II a.F. sei unter anderem, Doppelleistungen für einen identischen Zweck zu verhindern. Sowohl das Arbeitslosengeld als auch das Arbeitslosengeld II dienten aber der Sicherung des Lebensunterhalts. Eine ausdrückliche – anderweitige – Zweckbindung liege beim Arbeitslosengeld nicht vor.

 

Mit Schreiben vom 22.08.2023 hat die Vorsitzende auf die fehlenden Erfolgsaussichten der Berufung hingewiesen und die Rücknahme der Berufung angeregt. Es sei für die Anrechenbarkeit von Einkommen nicht entscheidend, für welchen Zeitraum es bestimmt sei, sondern ausschließlich, wann es zufließe.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der den Kläger betreffenden Verwaltungsakte und den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen. Die Akten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

 

II. Entscheidungsgründe

 

Der Senat konnte trotz Nichterscheinens des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung aufgrund einseitiger mündlicher Verhandlung entscheiden. Denn der Kläger ist in der ordnungsgemäß erfolgten Ladung (§ 63 Abs. 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz   - SGG -) auf die Möglichkeit hingewiesen worden, dass auch im Falle seines Ausbleibens verhandelt und nach Lage der Akten entschieden werden kann (§§ 153 Abs. 1, 110 Abs. 1 S. 2, 126 SGG). Gründe für eine Vertagung der Verhandlung liegen nicht vor. Die Anordnung des persönlichen Erscheinens des Klägers ist mit Beschluss vom 27.02.2024 aufgehoben worden.

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist unbegründet. Zu Recht hat das SG die zulässige Klage als unbegründet abgewiesen. Der Bescheid vom 11.03.2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.04.2022 ist rechtmäßig und beschwert den Kläger nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 S. 1 SGG. Der Kläger hat keinen Anspruch auf SGB II-Leistungen für die Zeit vom 01.03.2022 bis zum 31.08.2022, da eine Hilfebedürftigkeit nicht gegeben war.

 

1.

Nach § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II erhalten Personen nach dem SGB II Leistungen, die 1. das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht haben, 2. erwerbsfähig sind, 3. hilfebedürftig sind und 4. ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).

 

Eine Hilfebedürftigkeit des Klägers nach § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB II für den Zeitraum März 2022 bis August 2022 besteht nicht. Hilfebedürftig im Sinne von § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB II ist nach § 9 Abs. 1 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.

 

Der – durchgehend identische – monatliche Bedarf des Klägers beträgt für den streitigen Zeitraum von März 2022 bis August 2022 449 € (insgesamt 6 x monatlich 449 € = 2.694 € -Regelbedarf). Kosten der Unterkunft und Heizung sind unbestritten nicht als Bedarf angefallen. Dem Gesamtbedarf ist das erzielte Einkommen (§ 11 SGB II a.F.) gegenüberzustellen. Entgegen der Ansicht des Klägers ist hierbei die streitige Nachzahlung des Arbeitslosengeldes in Höhe von 5.255,12 €, aufgeteilt auf 6 Monate, dem monatlichen Regelbedarf von 449 € entgegenzuhalten. Mit dem Zufluss des Geldes auf dem Konto des Klägers stand dieses ihm als bereites Mittel zur Verfügung.

 

Als Einkommen zu berücksichtigen sind gemäß § 11 Abs. 1 S. 1 SGB II a.F. Einnahmen in Geld abzüglich der nach § 11b SGB II in der bis zum 30.06.2023 geltenden Fassung (a.F.) abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11a SGB II a.F. genannten Einnahmen.

 

Eine in § 11a SGB II a.F. genannte Ausnahme ist nicht gegeben.

 

Soweit der Kläger sich zunächst auf § 11a Abs. 1 Nr. 1 SGB II a.F. berufen hat, wonach „Leistungen nach diesem Buch“ nicht als Einkommen zu berücksichtigen sind, verkennt er, dass es sich hierbei ausschließlich um Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch handelt, das streitige Arbeitslosengeld seine Rechtsgrundlage jedoch im Sozialgesetzbuch Drittes Buch findet.

 

Auch die von ihm geltend gemachte Regelung des § 11a Abs. 3 S. 1 SGB II a.F. ist vorliegend nicht einschlägig. Nach § 11a Abs. 3 S. 1 SGB II a.F. werden Leistungen, die aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften zu einem ausdrücklich genannten Zweck erbracht werden, nur soweit als Einkommen berücksichtigt, als die SGB II-Leistungen im Einzelfall demselben Zweck dienen. Zwar handelt es sich bei der Leistung von Arbeitslosengeld um eine Leistung aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften, diese wird jedoch nicht zu einem ausdrücklich genannten Zweck erbracht. Eine Zahlung dient nur dann einem ausdrücklich genannten Zweck im Sinne des § 11a Abs. 3. S. 1 SGB II a.F., wenn jedenfalls in der öffentlich-rechtlichen Vorschrift, aufgrund derer sie erbracht wird, ein über die Sicherung des Lebensunterhalts hinausgehender Zweck der Leistung ausdrücklich genannt ist (Bundessozialgericht – BSG –, Urteil v. 11.11.2021, Az.: B 14 AS 15/20 R, juris Rn. 26, BeckOGK/Striebinger, SGB II, Stand: 01.08.2021, § 11a Rn. 21). Dies ist bei Arbeitslosengeld, das nach den §§ 136 ff SGB III gewährt wird, nicht der Fall. So ist der Kläger vorliegend auch bereits weder rechtlich noch tatsächlich daran gehindert, das Arbeitslosengeld zur Deckung seines Bedarfs einzusetzen (s. insoweit auch die Gesetzesbegründung in BT-Drs 17/3404, 94, s. auch BSG, Urteil v. 23.08.2011, Az.: B 14 AS 165/10 R, juris Rn. 21). Vielmehr soll mit der Zahlung des Arbeitslosengeldes im Einklang mit den SGB II-Leistungen die Sicherung des Lebensunterhalts gewährleistet werden. Wenn sich der Kläger hier insbesondere darauf beruft, dass die Leistungen des Arbeitslosengeldes zwar ebenfalls der Sicherung des Lebensunterhalts dienten, aber für einen anderen Zeitraum bestimmt waren, ist dies keine ausreichende anderweitige Zweckbestimmung. Allein maßgeblich ist die bedarfsbezogene Verwendungsmöglichkeit, also hier der Zufluss im Februar 2022, nicht, ob die Zahlung für einen bestimmten (anderen) Zeitraum geleistet wurde (BSG, Urteil v. 07.05.2009, Az.: B 14 AS 4/08 R, juris Rn. 16; BSG, Urteil v. 16.12.2008, Az.: B 4 AS 70/07 R, juris Rn. 26). Die höchstrichterliche Rechtsprechung ist von der sogenannten, früher vertretenen „Zeitraumidentität“ im Sinne der Identitätstheorie seit langem und ausdrücklich abgerückt (Bundesverwaltungsgericht – BVerwG –, Urteil v. 18.02.1999, Az.: 5 C 35/97, juris Rn. 9). Es ist allein entscheidend, ob mit den eingehenden geldwerten Mitteln ein notwendiger Hilfebedarf gedeckt werden kann.

 

Zu Recht hat daher der Beklagte die Nachzahlung als Einkommen berücksichtigt und dieses ab dem Monat März 2022 auf 6 Monate aufgeteilt.

 

Nach § 11 Abs. 2 S. 1 SGB II a.F. sind laufende Einnahmen für den Monat zu berücksichtigen, in dem sie zufließen. Auch einmalige Einnahmen sind nach § 11 Abs. 3 S. 1 SGB II a.F. in dem Monat zu berücksichtigen, in dem sie zufließen. Gemäß § 11 Abs. 3 S. 2 SGB II a.F. gehören zu den einmaligen Einnahmen auch als Nachzahlung zufließende Einnahmen, die nicht für den Monat des Zuflusses erbracht werden (s. auch BSG, Urteil v. 13.12.2023, Az.: B 7 AS 15/22 R, juris Rn. 29). Sofern für den Monat des Zuflusses bereits Leistungen ohne Berücksichtigung der einmaligen Einnahme erbracht worden sind, werden sie im Folgemonat berücksichtigt (§ 11 Abs. 3 S. 3 SGB II a.F.). Entfiele der Leistungsanspruch durch die Berücksichtigung in einem Monat, ist die einmalige Einnahme auf einen Zeitraum von sechs Monaten gleichmäßig aufzuteilen und monatlich mit einem entsprechenden Teilbetrag zu berücksichtigen (§ 11 Abs. 3 S. 4 SGB II a.F.).

 

Bei der hier streitigen Nachzahlung des Arbeitslosengeldes handelt es sich gem. § 11 Abs. 3 S. 2 SGB II a.F. um eine einer einmaligen Einnahme gleichzustellende Nachzahlung, da sie für den Zeitraum 01.09.2019 bis 26.07.2020 von der Bundesagentur für Arbeit in Summe gezahlt wird, aber erst im Februar 2022 dem Kläger zugeflossen ist.

 

Diese Einnahme ist nach § 11 Abs. 3 S. 3 SGB II a.F. erst ab März 2022 zu berücksichtigen. Der Zufluss der Nachzahlung am 02.02.2022 erfolgte gemäß § 11 Abs. 3 S. 3 SGB II a.F., nachdem bereits Leistungen für Februar 2022 erbracht worden waren. Ausweislich des Bewilligungsbescheids gingen die SGB II-Leistungen bereits im Voraus für den kommenden Monat (siehe auch § 42 Abs. 1 SGB II) zu.

 

Die Nachzahlung ist zudem nach § 11 Abs. 3 S. 4 SGB II a.F. auf 6 Monate aufzuteilen. Auch unter Berücksichtigung einer anzurechnenden allgemeinen Versicherungspauschale in Höhe von 30 € nach § 11b Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB II a.F. i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 1 Arbeitslosengeld II / Sozialgeld-Verordnung in der entsprechenden bis zum 31.12.2022 geltenden Fassung (nun § 6 Bürgergeld-Verordnung) ist der monatliche Gesamtbedarf des Klägers in Höhe von 449 € durch das bereinigte Sechstel der Nachzahlung von insgesamt 5.255,12 € bei weitem gedeckt.

 

Es kann auch dahinstehen, ob von den monatlichen Teilbeträgen der einmaligen Einnahme weiter monatliche Versicherungspauschalen abzusetzen sind, da auch nach Bereinigung des auf 6 Monate aufgeteilten Einkommens um die nach § 11b Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB II abzusetzenden Versicherungspauschale in Höhe von 30 € der jeweilige monatliche Regelbedarf im Zeitraum März 2022 bis August 2022 stets gedeckt ist (5.255,12 € : 6 = 875 €; 875 € - 30 € = 845 € > 449 €).

 

Aufgrund dieser den Regelbedarf weit übersteigenden Deckung wirken sich auch die zusätzlich dem Kläger monatlich als Geschäftsführer einkommenserhöhend aus Erwerbstätigkeit zufließenden 10 € nicht aus, zumal diese, weil sie innerhalb des Grundfreibetrages nach § 11b Abs. 2 S. 1 SGB II a.F. liegen, ohnehin nicht anzurechnen sind. Abgesehen davon, dass sich dies wegen der Höhe des monatlich anzurechnenden Sechstels des Nachzahlbetrages, das deutlich über dem grundsicherungsrechtlichen Bedarf des Klägers liegt, nicht einmal rechnerisch auswirken würde, kann der nicht verbrauchte Teil (90 €) des sog. Erwerbstätigengrundfreibetrages ohnehin nicht auf eine andere Einkommensart (hier: Nachzahlung von Arbeitslosengeld) übertragen werden (BSG, Urteil v. 05.06.2014, Az.: B 4 AS 49/13 R, juris Leitsatz).

 

Entgegen der Ansicht des Klägers ist auch das noch offene Darlehen in Höhe von 13.920,67 € nicht der Nachzahlung entgegenzuhalten. Denn Zahlungen zur Tilgung von Schulden können im Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende nicht vom Einkommen abgesetzt werden. Die Leistungen nach dem SGB II dienen der Überbrückung einer akuten Notlage. Dies rechtfertigt auch die Erwartung, dass vorhandenes Einkommen zunächst zur Deckung des eigenen Bedarfs eingesetzt wird, bevor bestehende Verpflichtungen erfüllt werden (BSG, Urteil v. 19.09.2008, Az.: B 14/7b AS 10/07 R, juris Rn. 26, vgl. auch BSG, Urteil v. 29.04.2015, Az.: B 14 AS 10/14 R, juris Rn. 32.)

 

2.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.

 

3.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Gründe hierfür nicht ersichtlich sind.

 

 

 

 

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Aus
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