L 9 AL 118/22

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 4 AL 35/21
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 9 AL 118/22
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 11 AL 29/24 B
Datum
Kategorie
Urteil

 

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgericht Detmold vom 01.06.2022 wird zurückgewiesen.

 

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Dem Kläger werden Gerichtskosten in Höhe von 225 € auferlegt.

 

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt Arbeitslosengeld ab dem 01.01.2021.

Der 0000 geborene Kläger stand vom 13.06.2006 bis zum 31.12.2020 in einem Arbeitsverhältnis bei der Fa. A. GmbH E.. Er ist der Vater von drei Kindern, das jüngste Kind ist am 00.00.0000 geboren, die anderen beiden Kinder sind 0000 und 0000 geboren. Der Kläger betreute das jüngste Kind ab dem 01.06.2019 und befand sich ab diesem Zeitpunkt in Elternzeit. Das Arbeitsverhältnis wurde aufgrund Personalabbaus einvernehmlich beendet und der Kläger meldete sich am 14.12.2020 zum 01.01.2021 arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld.

Mit Bescheid vom 14.01.2021 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Der Kläger habe die Anwartschaftszeit nicht erfüllt, weil er in den letzten zwei Jahren vor dem 01.01.2021 weniger als zwölf Monate versicherungspflichtig gewesen sei. Mit dem am 28.01.2021 erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, es könne nicht sein, dass nur die Tatsache, dass das zu betreuende Kind in der Elternzeit zu alt war, ihm den Anspruch auf Arbeitslosengeld verwehre. Die Betreuung des Kindes in dieser Zeit sei absolut notwendig gewesen, da seine Frau und er nicht gleichzeitig in Schicht arbeiten konnten. Es könne weiterhin nicht möglich sein, dass er aufgrund der Tatsache, dass er seiner Frau einen Wiedereinstieg in das Berufsleben ermöglicht habe, seinen Anspruch auf Arbeitslosengeld verliere, insbesondere wenn man bedenke, dass er vorher 17 Jahre in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt habe.

Mit Widerspruchsbescheid vom 01.02.2021 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Innerhalb der Rahmenfrist vom 01.01.2019 bis zum 31.12.2020 seien nur 173 Kalendertage anwartschaftsbegründend zu berücksichtigen, in denen der Kläger versicherungspflichtig gewesen sei. Dies seien die Zeiträume 01.01.2019 bis 31.05.2019 (A.) und 01.06.2019 bis 22.06.2019 (Elternzeit). Eine weitergehende Elternzeit könne nicht anwartschaftsbegründend anerkannt werden. Gem. § 26 Abs. 2a SGB III sei die Anerkennung der Elternzeit als versicherungspflichtige Zeit auf die Zeit bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes beschränkt.

Hiergegen hat der Kläger am 04.02.2021 Klage bei dem Sozialgericht Detmold erhoben, die er sinngemäß entsprechend seinem Widerspruch begründet hat

 

Er hat beantragt,

 

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 14.01.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.02.2021 zu verurteilen, ihm ab dem 01.01.2021 Arbeitslosengeld nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu zahlen.

 

Die Beklagte hat beantragt,

 

            die Klage abzuweisen.

 

Sie hat an dem angefochtenen Bescheid festgehalten.

 

Das Sozialgericht hat den Kläger zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört und die Klage mit Gerichtbescheid vom 01.06.2022 unter Bezugnahme auf den Widerspruchsbescheid und das Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 30.08.2016 – L 1 AL 61/14 abgewiesen.

 

Gegen den ihm am 17.06.2022 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 30.06.2022 Berufung eingelegt. Er wiederholt seine Ausführungen aus erster Instanz und beantragt,

 

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Detmold vom 01.06.2022 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 14.01.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.02.2021 zu verurteilen, ihm ab dem 01.01.2021 Arbeitslosengeld nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu zahlen.

 

Die Beklagte beantragt,

 

            die Berufung zurückzuweisen.

 

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.

 

Der Senat hat den Kläger in der mündlichen Verhandlung auf die Möglichkeit hingewiesen, ihm gem. § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG Gerichtskosten iHv 225 € aufzuerlegen.

 

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

 

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid, mit dem ein Anspruch auf Arbeitslosengeld ab dem 01.01.2021 abgelehnt wird und den der Kläger zutreffend mit der Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 4 SGG) anficht, ist nicht rechtswidrig. Der Kläger hat – ungeachtet der sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch (§ 137 SGB III) und der Frage des Eintritts einer Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe – keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld, denn er hat die Anwartschaftszeit (§ 137 Abs. 1 Nr. 3 SGB III) nicht erfüllt.

 

Die Anwartschaftszeit hat erfüllt, wer in der Rahmenfrist (§ 143 SGB III) mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat (§ 142 Abs. 1 Satz 1 SGB III). Die Rahmenfrist beträgt für Personen, die nach dem 31.12.2019 nicht in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden haben, gemäß § 447 Abs. 1 SGB III iVm § 143 Abs. 1 SGB III in der vor dem 01.01.2020 gF zwei Jahre und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld. Ausgehend von der Arbeitslosmeldung zum 01.01.2021 erstreckt sich die zweijährige Rahmenfrist vom 01.01.2019 bis zum 31.12.2020. In dieser Zeit stand der Kläger nicht mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis. Als anwartschaftsbegründend anzuerkennen ist nur der Zeitraum vom 01.01.2019 bis zum 22.06.2019 (weshalb der Kläger entgegen seiner Annahme auch bei Anerkennung einer 30-monatigen Rahmenfrist vom 01.07.2018 bis zum 31.12.2019 die 12-monatige Anwartschaftszeit nicht erfüllt hätte).

 

Zwar stand der Kläger bis zum 31.12.2020 noch in einem Arbeitsverhältnis, nicht aber in einem Beschäftigungsverhältnis iSd § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III. Ein Arbeitnehmer steht regelmäßig nicht mehr in einem Beschäftigungsverhältnis, wenn die Beschäftigung (§ 7 SGB IV) faktisch ein Ende gefunden hat; darauf, ob das Arbeitsverhältnis selbst fortbesteht, kommt es dann für die Beurteilung dieser Frage nicht an (ständige Rechtsprechung; BSG Urteil vom 09.09.1993 - 7 RAr 96/92 mwN).

 

Die Elternzeit kann ab dem 23.06.2019 nicht mehr als versicherungspflichtige Zeit anerkannt werden, weil das Kind ab diesem Zeitpunkt das dritte Lebensjahr vollendet hatte (§ 26 Abs. 2a Satz 1 SGB III). Die Beschränkung der Anerkennung von Kindererziehungszeiten als versicherungspflichtig nur bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Gesetzgeber ist kraft seines ihm zukommenden Gestaltungsspielraums auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit von Verfassungs wegen (etwa Art. 3 Abs. 1, 6 Abs. 4 GG, Art. 2 Abs. 1 GG iVm dem Sozialstaatsprinzip) nicht gehalten, Vergünstigungen, der er in anderen, insbesondere arbeitsrechtlichen Zusammenhängen gewährt (hier § 15 Abs. 2 BEEG), auch auf die Arbeitslosenversicherung zu übertragen (dazu BVerfG Beschluss vom 25.11.2004 - 1 BvR 2303/03). § 15 BEEG regelt das arbeitsrechtliche Verhältnis zwischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu ihrem Arbeitgeber. Demgegenüber bezweckt § 26 Abs. 2a SGB III die Vermeidung von Nachteilen im sozialrechtlichen Versicherungsschutz. Der Gesetzgeber ist berechtigt, an einen Lebenssachverhalt unterschiedliche Regelungen für unterschiedliche Rechtsgebiete zu schaffen. Die vom Kläger angestrebte Regelung – Anerkennung von Versicherungszeiten auch über die Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes hinaus – mag ihm sozialpolitisch wünschenswert erscheinen, verfassungsrechtlich geboten ist sie nicht.

 

Der Senat hat den Kläger angesichts der eindeutigen gesetzlichen und verfassungsrechtlichen Rechtslage, die ihm in der mündlichen Verhandlung noch einmal ausführlich erläutert worden ist, nach einem entsprechenden Hinweis iHv 225 € (§§ 192 Abs. 1 Satz 3, 184 Abs. 2 SGG) an den Gerichtskosten beteiligt. Die weitere Rechtsverfolgung war angesichts der dem Kläger erläuterten und für ihn individuell erkennbaren Sach- und Rechtslage völlig aussichtslos und damit missbräuchlich iSd § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG (dazu Schmidt in Fichte/Jüttner, SGG, 3. Aufl. § 192 Rn. 3 mwN). Gründe, die in der Höhe ein Abweichen von dem gesetzlich vorgesehenen Mindestbetrag der verursachten Kosten erfordern, sind nicht vorgetragen worden oder sonst ersichtlich.

 

Im Übrigen beruht die Kostenentscheidung auf § 193 SGG.

 

Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.

 

 

Rechtskraft
Aus
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