Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 23.08.2023 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren auf 129.458,62 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Vergütung für häusliche Krankenpflege.
Die Klägerin betreibt einen ambulanten Pflegedienst, der seit März 2019 Mitglied des Landesverbandes freie ambulante Krankenpflege NRW e.V. und im gleichen Jahr dem nordrhein-westfälischen Vertrag gemäß §§ 132, 132a Abs. 2 SGB V zwischen der Vertragsarbeitsgemeinschaft der Verbände privater ambulanter Pflegedienste in NRW (VAG NW) und den Landesverbänden der gesetzlichen Krankenkassen (nachfolgend: Landesrahmenvertrag) beigetreten ist.
Der Pflegedienst erbrachte seit dem 01.04.2019 Leistungen der häuslichen Krankenpflege nach § 132a SGB V für den bei der beklagten Krankenkasse versicherten T. (nachfolgend: Versicherter). Hierzu vereinbarten die Beteiligten unter dem 04.04.2019 für die intensivpflegerische Versorgung des Versicherten, bei dem es sich um einen Beatmungspatienten handelt, in der Häuslichkeit einen Stundensatz i.H.v. 32,32 € „für den Einsatz von dreijährig examinierten Pflegefachkräften“ und die Verpflichtung der Klägerin, auf Verlangen entsprechende Nachweise über das eingesetzte Personal, die entsprechende Handzeichenliste und die dazugehörigen Qualifikationsnachweise einzureichen. Zudem sollten die Aus- und Durchführungsbestimmungen des jeweils gültigen Landesrahmenvertrages gelten.
Jedenfalls in der Zeit von März 2020 bis November 2021 setzte der Pflegedienst, was die Klägerin ausdrücklich einräumt, für die intensivpflegerische Versorgung des Versicherten keine dreijährig examinierten Pflegefachkräfte ein. Vielmehr wurde u.a. die Pflegehilfskraft A. (nachfolgend: S), Bruder der jetzigen Geschäftsführerin und Sohn des seinerzeitigen Geschäftsführers E., eingesetzt. Die Klägerin rechnete hierfür gleichwohl einen Stundensatz i.H.v. 32,32 € und im einzelnen folgende Beträge, die von der Beklagten in vollem Umfang vergütet wurden, mit einem Gesamt-Betrag i.H.v. 106.656 € ab:
03/2020 -> 96 Std. = 3.102,72 €
04/2020 -> 168 Std. = 5.429,76 €
05/2020 -> 192 Std. = 6.205,44 €
06/2020 -> 180 Std. = 5.817,60 €
07/2020 -> 192 Std. = 6.205,44 €
08/2020 -> 204 Std. = 6.593,28 €
09/2020 -> 192 Std. = 6.205,44 €
10/2020 -> 192 Std. = 6.205,44 €
11/2020 -> 180 Std. = 5.817,60 €
12/2020 -> 192 Std. = 6.205,44 €
01/2021 -> 204 Std. = 6.593,28 €
02/2021 -> 180 Std. = 5.817,60 €
03/2021 -> 192 Std. = 6.205,44 €
04/2021 -> 180 Std. = 5.817,60 €
05/2021 -> 204 Std. = 6.593,28 €
06/2021 -> 168 Std. = 5.429,76 €
07/2021 -> 192 Std. = 6.205,44 €
09/2021 -> 192 Std. = 6.205,44 €.
Die von der Klägerin ebenfalls abgerechneten Leistungen für die Monate August, Oktober und November 2021 i.H.v. insgesamt 22.802,62 € vergütete die Beklagte nicht.
Im September 2021 nahm die Beklagte eine stichprobenartige Überprüfung des Pflegedienstes vor und forderte in diesem Zusammenhang mit Schreiben vom 03.11.2021 Qualifikationsnachweise für S und eine Handzeichenliste der Pflegekräfte, die den Versicherten im August 2021 betreuten, an. Nach Übersendung derselben wies die Beklagte den Pflegedienst mit Schreiben vom 06.12.2021 darauf hin, dass der Stundensatz von 32,32 € ausschließlich für dreijährig examinierte Pflegefachkräfte (z.B. Gesundheits- und Krankenpfleger/innen usw.) vereinbart worden sei. S sei nur eine Pflegehilfskraft, keine zertifizierte Pflegefachkraft. Es seien für März 2020 bis Juli 2021 und für September 2021 Überzahlungen i.H.v. insgesamt 106.656 € entstanden.
Die Klägerin hat am 16.03.2022 Zahlungsklage zum Sozialgericht Duisburg in Höhe des nicht vergüteten Betrages für die Monate August, Oktober und November 2021 und zugleich Klage dahingehend erhoben, festzustellen, dass sie nicht verpflichtet sei, der Beklagten geleistete Zahlungen i.H.v. 106.656 € zu erstatten. Aufgrund der vorliegenden Qualifikationen und der langjährigen Erfahrungen des S sei es gerechtfertigt, dessen Leistungen mit dem vereinbarten Stundensatz zu vergüten. Die Versorgung des Versicherten sei ordnungsgemäß erbracht worden. Der Vereinbarung vom 04.04.2019 lasse sich nicht entnehmen, dass ausschließlich dreijährig examinierte Kräfte eingesetzt werden dürften; lediglich der Stundensatz sei nur für diesen Personenkreis vereinbart. Die gesetzlichen Vorgaben verlangten nicht, in der Intensivpflege nur dreijährig examinierte Kräfte einzusetzen; auch pflegende Angehörige hätten i.d.R. keine Qualifikationen. Private Krankenversicherer (z.B. die HUK) erlaubten im Übrigen im Einzelfall den Einsatz von einjährig examiniertem Personal. Hilfsweise berufe die Klägerin sich auf bereicherungsrechtliche Ansprüche.
Die Beklagte hat am 02.05.2022 Widerklage auf Zahlung von 106.656 € erhoben. Der Vertrag vom 04.04.2019 sehe eine Versorgung ausschließlich durch Pflegefachkräfte vor.
Mit Urteil vom 23.08.2023 hat das Sozialgericht die Klage der Klägerin abgewiesen und diese zugleich auf die Widerklage verurteilt, an die Beklagte 106.656 € zu zahlen. Die Klägerin habe keinen vertraglichen Vergütungsanspruch, da nach der Entgeltvereinbarung vom 04.04.2019 ein solcher nur für Leistungen durch dreijährig examinierte Pflegekräfte bestehe. Einem bereicherungsrechtlichen Anspruch stehe entgegen, dass die Leistungen unter Verstoß gegen vertragliche Bestimmungen erbracht worden seien. Aus den nämlichen Gründen sei die Widerklage begründet.
Die Klägerin hat gegen das ihr am 23.10.2023 zugestellte Urteil am 13.11.2023 Berufung eingelegt, zu deren Begründung sie ihr bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft und die sie auf die Zahlungsklagen begrenzt hat. Die Beklagte habe schriftlich ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Klägerin für andere als dreijährig examinierte Pflegefachkräfte die Zustimmung der Beklagten benötige, räume also selbst ein, dass mit Zustimmung grundsätzlich auch solche Pflegekräfte eingesetzt und abgerechnet werden könnten. Die Widerklage sei jedenfalls deshalb unbegründet, weil die Beklagte eine Mitschuld an der entstandenen Überzahlung trage und diese nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht geltend machen dürfe. Eine Krankenkasse sei verpflichtet, zeitnah die Qualifikationen der eingesetzten Pflegekräfte zu überprüfen, sonst hätte sie es in der Hand, dies möglichst erst nach Ableben des Patienten (oder nach einem sonstigen Ende der Versorgung) zu überprüfen. Durch die durchgeführte Pflege wäre die Krankenkasse dann von ihrer Aufgabe zur Sachleistung befreit, könne später aber vom Leistungserbringer wegen Nichteinhaltung vertragskonformer Leistung die Vergütung in voller Höhe zurückfordern.
Die Klägerin beantragt, nachdem sie die (negative) Feststellungsklage im Termin der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zurückgenommen hat, noch,
die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Duisburg vom 23.08.2023 zu verurteilen, 1. an sie 22.802,62 € zu zahlen, 2. die Widerklage abzuweisen.
Die Beklagte und Widerklägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Mit Beschluss des Amtsgerichts Essen vom 05.07.2024 (Az.: 163 IN 60/24) wurde aufgrund eines Insolvenzeröffnungsantrages gegen die Klägerin für diese ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt, dessen Zustimmung zu Verfügungen der Klägerin über Gegenstände ihres Vermögens zu deren Wirksamkeit erforderlich ist und der ermächtigt ist, Bankguthaben und sonstige Forderungen der Klägerin einzuziehen sowie eingehende Gelder entgegenzunehmen.
Der Senat hat die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten gegen u.a. die Geschäfts-führerin der Klägerin sowie den ehemaligen Geschäftsführer E. wegen Verdachts auf Abrechnungsbetrug im Zusammenhang mit der Pflege des Versicherten beigezogen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt dieser Akten sowie desjenigen der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe
Der Senat war trotz des Insolvenzeröffnungsantrages gegen die Klägerin und des hierauf ergangenen Beschlusses des Amtsgerichts Essen vom 05.07.2024 nicht an einer Sachentscheidung gehindert. Eine Unterbrechung des Verfahrens nach § 240 ZPO ist nicht eingetreten. Weder wurde bislang das Insolvenzverfahren eröffnet (S. 1) noch ist die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen der Klägerin auf den vorläufigen Insolvenzverwalter übergegangen (S. 2). Die Klägerin kann weiterhin über ihr Vermögen verfügen, die Verfügungen sind lediglich an die Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters gebunden. Bei dem sog. "schwachen" vorläufigen Insolvenzverwalter treten die Rechtsfolgen des § 240 ZPO nicht ein. Dies gilt auch dann, wenn das Insolvenzgericht gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 InsO anordnet, dass Verfügungen des Schuldners nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind (BFH, Urteil vom 09.12.2014 – X R 12/12 –, BFHE 253, 482, BStBl. II 2016, 852, Rn. 20 – 21; vgl. auch OLG Düsseldorf, Beschluss vom 07.12.2010 – I-24 W 86/10 –, juris Rn. 5).
Streitgegenständlich ist im Berufungsverfahren nur noch der Anspruch der Klägerin auf Zahlung von 22.802,62 € sowie derjenige der Beklagten auf Zahlung von 106.656 €. Ihre (negative) Feststellungsklage hat die Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat zurückgenommen (vgl. zur Frage der fortbestehenden Zulässigkeit einer negativen Feststellungsklage nach Erhebung einer Leistungsklage wegen desselben Anspruchs BGH, Urteil vom 07.07.1994 – In ZR 30/92 –, juris Rn. 22f.; Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 22.04.2021 – L 6 KR 111/18 –, juris Rn. 33; Greger in: Zöller, Zivilprozessordnung, 35. Auflage 2024, § 256 ZPO, Rn. 17).
Die so begrenzte Berufung der Klägerin ist zulässig, aber unbegründet.
Das Sozialgericht hat zu Recht die Zahlungsklage der Klägerin abgewiesen (hierzu 1) und diese auf die Widerklage zur Zahlung von 106.656 € an die Beklagte verurteilt (hierzu 2).
Die auf vollumfängliche Vergütung der in Rechnung gestellten Leistungen der häuslichen Krankenpflege für den Versicherten gerichtete echte allgemeine Leistungsklage der Klägerin ist in dem zwischen den Beteiligten bestehenden Gleichordnungsverhältnis gemäß § 54 Abs. 5 SGG zulässig; entsprechendes gilt für die Widerklage der Beklagten (h.M., vgl. Schneider in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl., § 132a SGB V <Stand: 27.10.2021>, Rn. 80 m.w.N.).
1. Die Zahlungsklage der Klägerin ist unbegründet. Die Klägerin hat weder einen vertraglichen (hierzu a) noch einen bereicherungsrechtlichen (hierzu b) Anspruch auf Vergütung der für die Monate August, Oktober und November 2021 abgerechneten Leistungen für die häusliche Krankenpflege des Versicherten i.H.v. insgesamt 22.802,62 €.
a) Rechtsgrundlage des Vergütungsanspruchs eines Pflegedienstes wegen der Versorgung eines Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung ist § 132a Abs. 4 S. 1 SGB V (in den alten, vom 11.05.2019 bis 19.07.2021 geltenden Fassung durch Artikel 1 G. v. 06.05.2019 BGBl. I S. 646 und vom 20.07.2021 bis 30.06.2023 geltenden Fassung durch Artikel 1 G. v. 11.07.2021 BGBl. I S. 2754 <a.F.>) i.V.m. dem Landesrahmenvertrag, dem die Klägerin gemäß dessen § 3 beigetreten ist. Hinzu tritt als Rechtsgrundlage die einzelvertraglich zwischen den Beteiligten geschlossene Vereinbarung über die häusliche Krankenpflege des Versicherten vom 04.04.2019. Hieraus steht der Klägerin der geltend gemachte Vergütungsanspruch nicht zu.
Nach § 132a Abs. 4 S. 1 SGB V a.F. schließen die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam über die Einzelheiten der Versorgung mit häuslicher Krankenpflege, über die Preise und deren Abrechnung und die Verpflichtung der Leistungserbringer zur Fortbildung Verträge mit den Leistungserbringern. Der entsprechende nordrhein-westfälische Landesrahmenvertrag sieht in § 18 Abs. 1 vor, dass sich die Vergütung der Vertragsleistungen der Pflegedienste nach der gemäß Anlage 1 des Vertrages getroffenen Vergütungsvereinbarung richtet. Dies ist vorliegend die von den Beteiligten unter dem 04.04.2019 getroffene Vereinbarung. Diese sieht ausdrücklich vor, dass die Leistungen der häuslichen Krankenpflege für den Versicherten nur insoweit vergütet werden, als dreijährig examinierte Pflegefachkräfte eingesetzt wurden. Dies ist nicht geschehen, wie die Klägerin selbst einräumt. Die Vereinbarung kann im Hinblick auf ihren ausdrücklichen Wortlaut auch nicht – etwa im Sinne einer ergänzenden Vertragsauslegung – anders verstanden werden; sie ist eindeutig.
Soweit die Klägerin meint, der Vereinbarung lasse sich lediglich entnehmen, dass der vereinbarte Stundensatz nur für dreijährig examinierte Kräfte abgerechnet werden dürfe, räumt sie damit zunächst ausdrücklich selber ein, dass ihre Zahlungsklage jedenfalls der Höhe nach zum Teil unbegründet ist. Ein entsprechender Inhalt kann der Vereinbarung vom 04.04.2019 aber zudem nicht entnommen werden.
Willenserklärungen sind nach den im Rechtsverkehr allgemein geltenden Grundsätzen (§§ 133, 157 BGB) anhand des Wortlauts der Vereinbarung und des dieser zu entnehmenden objektiv erklärten Willens der (Vertrags-) Parteien unter Berücksichtigung der gesetzlichen Vorgaben zu ermitteln (vgl. nur BSG, Beschluss vom 26.06.2024 – B 3 KR 36/23 B –, Rn. 13). Dabei gilt für die Auslegung von Willenserklärungen im Rahmen eines Vertrages, dass nicht der äußere Wortlaut, sondern der „zur Geltung gebrachte Sinn“ der Erklärung maßgebend ist. Der Erklärende muss sich an dem festhalten lassen, was der Empfänger vernünftigerweise verstehen konnte (Reichold in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 10. Aufl., § 133 BGB <Stand: 15.05.2023>, Rn. 7, 8).
Die Auslegung der Vergütungsvereinbarung vom 04.04.2019 dahingehend, dass (subsidiär) im Fall des Versicherten auch andere als die durch dreijährig examinierte Kräfte erbrachte Leistungen – ggf. mit einem niedrigeren Stundensatz – zu vergüten sein könnten, scheidet aus. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats bereits aus der Formulierung
„Mit dieser Stundensatzvergütung sind sämtliche im Zusammenhang mit den erbrachten Leistungen erforderlichen Aufwendungen und Nebenkosten des Leistungserbringers gleich welcher Art abgegolten.“
Im vorstehenden Sinne minderqualifizierte Pflegekräfte können nur „im Einzelfall“ aufgrund einer ausdrücklich getroffenen individualvertraglichen Vereinbarung eingesetzt und vergütet werden. Eine solche Vereinbarung haben die Beteiligten, was unstreitig ist, nicht getroffen; die Klägerin hat das Tätigwerden von S (und ggf. weiterem minderqualifizierten Personal) nicht einmal offengelegt. Insoweit verfängt das Vorbringen der Klägerin, die Beklagte räume selbst ein, es könne grundsätzlich auch für Pflegekräfte mit anderen Qualifikationen eine Zustimmung geben, bereits deshalb nicht, weil es eine solche Zustimmung seitens der Beklagten vorliegend gerade nicht gibt.
Eine Auslegung in dem von der Klägerin gewünschten Sinn wäre im Übrigen mit den (qualitativen) Vorgaben des Landesrahmenvertrages, der bereits durch den Beitritt der Klägerin zu diesem gilt und dessen Geltung im Übrigen im Vertrag vom 04.04.2019 ausdrücklich vereinbart wurde, nicht in Einklang zu bringen. Nach dessen § 17 Abs. 2 stellen die Leistungserbringer sicher, dass Leistungen nach diesem Vertrag, die besonderen krankenpflegerischen Sachverstand erfordern, wie z.B. Infusionen, Krankenpflege für Beatmungspatienten etc. ausschließlich durch Pflegefachkräfte mit dreijähriger Ausbildung erfolgen. Um solche Leistungen handelte es sich vorliegend unzweifelhaft.
Die Befugnis zur Vereinbarung bestimmter Qualitätsstandards insbesondere hinsichtlich der die häusliche Krankenpflege durchführenden Pflegekräfte, von deren Einhaltung die Zusammenarbeit mit der Klägerin abhängt, leitet sich dabei aus der gesetzlichen Verpflichtung der Krankenkassen ab, eine ausreichende und zweckmäßige Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse in der fachlich gebotenen Qualität sicherzustellen (§§ 69 Abs. 1 S. 3, 70 Abs. 1, 132a SGB V) und zwar auch dann, wenn die Versorgung auf Grundlage einer vertraglichen Vereinbarung erfolgt (so auch Sächsisches LSG, Urteil vom 23.10.2018 – L 9 KR 105/15 –, juris Rn. 50).
Den rechtlichen Rahmen gibt insoweit § 132a SGB V a.F. vor. Nach § 132a Abs. 1 S. 1 SGB V a.F. haben der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und die für die Wahrnehmung der Interessen von Pflegediensten maßgeblichen Spitzenorganisationen auf Bundesebene unter Berücksichtigung der Richtlinien nach § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 gemeinsam Rahmenempfehlungen über die einheitliche und flächendeckende Versorgung mit häuslicher Krankenpflege abzugeben; In den Rahmenempfehlungen sind nach § 132a Abs. 1 S. 4 SGB V a.F. insbesondere zu regeln:
1. Eignung der Leistungserbringer einschließlich Anforderungen an die Eignung zur Versorgung nach § 37 Abs. 7,
2. Maßnahmen zur Qualitätssicherung und Fortbildung,
3. Inhalt und Umfang der Zusammenarbeit des Leistungserbringers mit dem verordnenden Vertragsarzt und dem Krankenhaus,
4. Grundsätze der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung einschließlich deren Prüfung,
5. Grundsätze der Vergütungen und ihrer Strukturen einschließlich der Transparenzvorgaben für die Vergütungsverhandlungen zum Nachweis der tatsächlich gezahlten Tariflöhne oder Arbeitsentgelte sowie erstmals bis zum 30. Juni 2019 Grundsätze für die Vergütung von längeren Wegezeiten, insbesondere in ländlichen Räumen, durch Zuschläge unter Einbezug der ambulanten Pflege nach dem Elften Buch und
6. Grundsätze zum Verfahren der Prüfung der Leistungspflicht der Krankenkassen sowie zum Abrechnungsverfahren einschließlich der für diese Zwecke jeweils zu übermittelnden Daten.
§ 132a Abs. 1 S. 7 SGB V a.F. ordnet sodann an, dass die Inhalte der Rahmenempfehlungen den Verträgen nach Absatz 4 zugrunde zu legen sind. Insoweit eingeschlossen sind zweifelsfrei die in den Rahmenempfehlungen zu treffenden Maßnahmen der Qualitätssicherung.
Für die Vergütungsansprüche der zugelassenen Krankenhäuser hat das Bundessozialgericht (BSG) bereits ausdrücklich entschieden, dass eine dem Qualitätsgebot nicht entsprechende Krankenhausbehandlung insgesamt unwirtschaftlich und damit nicht zu vergüten ist (zuletzt: BSG, Urteil vom 26.04.2022 – B 1 KR 26/21 R –, BSGE 134, 142-149, SozR 4-2500 § 15 Nr. 4, SozR 4-2500 § 109 Nr. 86, Rn. 16). Dieser Rechtsgrundsatz ist zur Überzeugung des Senats auf die Leistungserbringer im Bereich der Behandlungs- und häuslichen Krankenpflege, die Pflegedienste, der Sache nach zu übertragen. So wie der Arztvorbehalt des § 15 Abs. 1 S. 1 SGB V Gefahren vorbeugen soll, die sich aus der mangelnden Befähigung eines Heilbehandlers für die Gesundheit der Versicherten und die finanziellen Mittel der Krankenkassen ergeben (BSG, a.a.O., Rn. 19), sollen die Vorgaben des § 132a SGB V i.V.m. dem Landesrahmenvertrag sowie auch den einschlägigen Rahmenempfehlungen nach § 132a Abs. 1 SGB V zur Versorgung mit Häuslicher Krankenpflege vom 10.12.2013 Gefahren vorbeugen, die sich aus der mangelnden Befähigung einer Pflegekraft ergeben können. So regelt § 10 Abs. 3 S. 1 des Landesrahmenvertrages, dass die Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein müssen und das Maß des Notwendigen nicht überschreiten dürfen. Nach Abs. 7 gewährleistet der Leistungserbringer, dass zur Sicherstellung einer fach- und sachgerechten Pflege für die Durchführung der Leistungen nach diesem Vertrag fachlich qualifiziertes Personal eingesetzt wird und eine fach- und sachgerechte Krankenpflege erfolgt.
Der Rechtsprechung des BSG folgend ist es damit auch unerheblich, ob, wie die Klägerin behauptet, die von den von ihr eingesetzten Pflegekräften erbrachten Leistungen für sich genommen mangelfrei waren. Denn erst die Anerkennung einer Forderung durch die Rechtsordnung – im Fall des BSG die Beachtung des Arztvorbehalts, vorliegend die Beachtung der Qualifikationsnachweise der Pflegekräfte –, verleiht dieser den wirtschaftlichen Wert (BSG a.a.O. Rn. 24).
Im Übrigen entspricht es auch weiterer einschlägiger Rechtsprechung des BSG, insbesondere des 3. Senats, dass Leistungserbringer keine Leistungsansprüche für Leistungen haben, die zwar den Behandelten nützlich oder sogar fachlich-technisch beanstandungsfrei gewesen sein mögen, die aber nicht auf dem gesetzlich vorgeschriebenen bzw. (rahmen-)vertraglich vereinbarten Weg erfolgten, z.B. weil der Leistungserbringer bestimmte formale Vorgaben außer Acht ließ oder ihm eine dafür vorgesehene förmliche Qualifikation bzw. Zulassung fehlte (BSG, Beschluss vom 17.01.2018 – B 3 KR 43/17 B –, juris Rn. 9, m.w.N.)
Aus der Tatsache, dass auch pflegende Angehörige i.d.R. keine Qualifikation haben, worauf die Klägerin hinweist, ergibt sich nichts anderes. Anders als an die nach dem Leistungsrecht zulässige Laienpflege können im Leistungserbringerrecht (§ 132a SGB V) an die Anforderungen für den Abschluss eines Versorgungsvertrages mit einem Pflegedienst besondere Anforderungen an die fachliche Qualifikation gestellt werden (Luthe in: Hauck/Noftz SGB V, 7. Ergänzungslieferung 2024, § 37 SGB 5, Rn. 211).
Schließlich kann sich die Klägerin nicht mit Erfolg darauf berufen, die Beklagte habe die Beanstandungsfrist gemäß § 21 Abs. 3 des Landesrahmenvertrages nicht eingehalten. Hiernach müssen Beanstandungen zwar grundsätzlich innerhalb von 12 Monaten nach Rechnungseingang erhoben werden. Dies gilt nach S. 3 allerdings nicht in Fällen, in denen, wie vorliegend, eine Verletzung gesetzlicher oder vertraglicher Pflichten zu Grunde liegt.
b) Der Klägerin steht für die erbrachten Leistungen auch kein Vergütungsanspruch auf bereicherungsrechtlicher Grundlage nach § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, § 818 Abs. 2 BGB in analoger Anwendung zu. Einem solchen Anspruch steht jedenfalls entgegen, dass die Leistungen unter Verstoß gegen vertragliche und gesetzliche Bestimmungen erbracht wurden. Insofern ist es nach herrschender Rechtsprechung, insbesondere der mit dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherung befassten Senate des BSG, ein allgemeines Prinzip, dass Leistungserbringer auch bereicherungsrechtlich die Abgeltung von Leistungen nicht beanspruchen können, wenn diese unter Verstoß gegen Vorschriften, die bestimmte formale oder inhaltliche Voraussetzungen aufstellen, im Übrigen aber ordnungsgemäß, erbracht worden und für den Versicherten geeignet und nützlich sind (BSG, Beschluss vom 17.01.2018 a.a.O. Rn. 9 m.w.N.).
2. Die Widerklage der Beklagten ist in vollem Umfang begründet. Die Beklagte hat Anspruch auf Erstattung der im streitigen Zeitraum an die Klägerin für die erbrachten Leistungen gezahlten Entgelte.
Rechtsgrundlage für diesen Anspruch ist der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch (vgl. etwa auch Ernst-Wilhelm Luthe in: Hauck/Noftz SGB V, 7. Ergänzungslieferung 2024, § 132a SGB 5, Rn. 46 im Zusammenhang mit der vertragswidrigen Leistungserbringung im Rahmen von § 132a SGB V). Dieses aus den allgemeinen Grundsätzen des öffentlichen Rechts hergeleitete Rechtsinstitut setzt voraus, dass im Rahmen eines öffentlichen Rechtsverhältnisses Leistungen ohne rechtlichen Grund erbracht oder sonstige rechtsgrundlose Vermögensverschiebungen vorgenommen worden sind (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 01.08.1991 – 6 RKa 9/89 –, BSGE 69, 158-166, SozR 3-1300 § 113 Nr. 1, Rn. 17, juris).
Ein öffentliches Rechtsverhältnis liegt hier vor. Mit der Neufassung des § 69 SGB V durch Art. 1 Nr. 26 des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Krankenversicherung ab dem Jahr 2000 vom 22.12.1999 (BGBl I 2626) wurde klargestellt, dass die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen und der Leistungserbringer nur noch nach öffentlichem Recht zu bewerten sein sollen (so auch: Sächsisches LSG a.a.O. Rn. 48 juris).
Im Rahmen dieses Rechtsverhältnisses hat die Beklagte für die häusliche Krankenpflege ihres Versicherten Leistungen ohne rechtlichen Grund, die Vergütung für den streitgegenständlichen Zeitraum, erbracht, die sie zurückfordern kann. Der Klägerin stand ein Vergütungsanspruch für die erbrachte Pflege des Versicherten von März 2020 bis Juli 2021 und September 2021 aus den dargelegten Gründen nicht zu.
Dem Erstattungsanspruch steht auch keine Mitschuld der Beklagten entgegen, die es ihr nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehren würde, diesen geltend zu machen. Dem steht bereits entgegen, dass die Klägerin selbst sich in einer gegen die Grundsätze von Treu und Glauben verstoßenden Weise vertragsuntreu und gesetzeswidrig verhalten hat, was ihr nicht zum Vorteil gereichen darf, während der Beklagten allenfalls eine leicht fahrlässige verzögerte Überprüfung der Klägerin vorgeworfen werden könnte. Dafür, dass die Beklagte bewusst auf zeitnahe Überprüfungen verzichtet hat, um durch eine späte Prüfung von ihrer Sachleistungspflicht befreit zu werden und zugleich die Vergütung zurückfordern zu können, gibt es keinerlei Anhaltspunkte. Zudem wertet der Landesrahmenvertrag eine späte – mehr als 12 Monate nach Rechnungseingang erfolgende – Überprüfung mit nachfolgender Beanstandung als rechtskonform, indem er ausdrücklich in § 21 Abs. 3 Fälle, denen eine Verletzung gesetzlicher oder vertraglicher Pflichten zu Grunde liegt, von der 12-Monats-Frist ausnimmt.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 197a Abs. 1 S. 1 SGG, 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 197a SGG, 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 und Abs. 3 S. 1, 63 Abs. 2 GKG.
Anlass, gemäß § 160 Abs. 2 SGG die Revision zuzulassen, besteht nicht.