Die Revision des Klägers wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten auch des Revisionsverfahrens nicht zu erstatten.
G r ü n d e :
I
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Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Arbeitslosengeld II (Alg II) für April 2012 bis März 2013.
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Der Kläger war seit dem Wintersemester 2010 an der F J immatrikuliert. Das Studentenwerk Thüringen bewilligte ihm für Oktober 2011 bis September 2012 (Bescheid vom 30.12.2011) und für Oktober 2012 bis März 2013 (Bescheid vom 28.12.2012) Leistungen nach dem Bundesgesetz über die individuelle Förderung der Ausbildung (Bundesausbildungsförderungsgesetz BAföG) in Höhe von monatlich insgesamt 597 Euro. Die Universität beurlaubte den Kläger auf seine Anträge hin für das Sommersemester 2012 (Bescheinigung vom 4.10.2012) und für das Wintersemester 2012/2013 (Bescheinigung vom 26.3.2013) jeweils rückwirkend wegen Krankheit. Daraufhin hob das Studentenwerk die Bewilligung von Ausbildungsförderungsleistungen für die Zeit ab April 2012 auf und ordnete deren Erstattung an und zwar für April bis September 2012 in Höhe von insgesamt 3582 Euro (Bescheid vom 31.1.2013) und für Oktober 2012 bis März 2013 in Höhe von ebenfalls insgesamt 3582 Euro (Bescheid vom 31.5.2013).
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Am 18.4.2013 beantragte der Kläger bei dem Beklagten Leistungen nach dem SGB II für den streitgegenständlichen Zeitraum. Der Beklagte lehnte den Antrag ab (Bescheid vom 26.8.2013 und Widerspruchsbescheid vom 25.3.2014). Der Antrag wirke nicht auf die Zeit vor dem 1.4.2013 zurück.
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Das SG hat die hiergegen gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 9.2.2018), das LSG die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 28.4.2022). Der für eine Rückwirkung des Antrags auf den streitigen Zeitraum nach dem Wortlaut des § 28 Satz 1 SGB X erforderliche Kausalzusammenhang zwischen der Nichtbeantragung der einen und der Geltendmachung der anderen Sozialleistung liege nicht vor. Der Kläger habe den zutreffenden Antrag auf Leistungen nach dem BAföG gestellt, dessen Voraussetzungen auch vorgelegen hätten. Er habe beabsichtigt, sein Studium zu betreiben, womit ein Leistungsausschluss nach § 7 Abs 5 SGB II bestanden hätte. Er habe nicht von der Beantragung der Grundsicherungsleistungen abgesehen, weil er einen Anspruch auf eine andere Sozialleistung geltend gemacht habe.
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Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 28 SGB X. Er ist der Auffassung, eine Kausalität zwischen der Geltendmachung der Leistungen nach dem BAföG und dem Absehen von der Beantragung von Leistungen nach dem SGB II liege stets vor, wenn eine förderungsfähige Ausbildung begonnen worden, einem Betroffenen daher Leistungen nach dem BAföG bewilligt worden und er somit gemäß § 7 Abs 5 SGB II regelmäßig von Alg II ausgeschlossen sei.
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Der Kläger beantragt,
das Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 28. April 2022, das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 9. Februar 2018 und den Bescheid des Beklagten vom 26. August 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. März 2014 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm für April 2012 bis März 2013 Arbeitslosengeld II zu gewähren.
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Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
II
9
A. Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG). Das LSG hat die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil des SG zu Recht zurückgewiesen. Der Kläger hat für April 2012 bis März 2013 keinen Anspruch auf Alg II.
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1. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens ist neben den vorinstanzlichen Urteilen der Ablehnungsbescheid vom 26.8.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.3.2014 (§ 95 SGG), wogegen sich der Kläger mit dem Ziel wendet, für April 2012 bis März 2013 Alg II zu erhalten.
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2. Rechtsgrundlage des geltend gemachten Anspruchs auf Alg II sind §§ 19 ff, §§ 7 ff SGB II (in der jeweils zwischen April 2012 und März 2013 geltenden Fassung). Nach § 19 Abs 1 Satz 1, § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II erhalten erwerbsfähige Leistungsberechtigte Alg II. Es kann dahinstehen, ob der 1989 geborene Kläger im streitigen Zeitraum zum leistungsberechtigten Personenkreis iS des § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II gehörte und ob er als Student gemäß § 7 Abs 5 SGB II von Alg II ausgeschlossen war. Offenbleiben kann insoweit insbesondere, wie sich die rückwirkende Beurlaubung des Klägers wegen Krankheit leistungsrechtlich auswirkt. Ebenso dahinstehen kann, ob einem Anspruch des Klägers gegen den Beklagten (teilweise) die Erfüllungsfiktion des § 107 Abs 1 SGB X entgegenstehen würde, weil der Träger der Leistungen nach dem BAföG einen Erstattungsanspruch gegen den Beklagten hätte und die Leistungen nach dem BAföG nunmehr als Leistungen nach dem SGB II zu gelten hätten (vgl hierzu LSG Berlin-Brandenburg vom 17.1.2024 - L 3 AS 320/21 - juris RdNr 29 ff). Hierauf kommt es vorliegend nicht an, da mit dem Antrag vom 18.4.2013 jedenfalls kein den Anforderungen des § 37 SGB II (idF der Bekanntmachung vom 13.5.2011, BGBl I 850) genügender Leistungsantrag für den streitbefangenen Zeitraum vorlag.
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a) Leistungen nach dem SGB II werden nur auf Antrag (§ 37 Abs 1 SGB II) und nicht für Zeiten vor der Antragstellung (§ 37 Abs 2 Satz 1 SGB II) erbracht, wobei ein Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts auf den ersten Tag des Monats der Antragstellung zurückwirkt (§ 37 Abs 2 Satz 2 SGB II). Der Antrag hat konstitutive Wirkung für einen Leistungsanspruch (BSG vom 2.4.2014 - B 4 AS 29/13 R - BSGE 115, 225 = SozR 44200 § 37 Nr 6, RdNr 12; BSG vom 11.7.2019 - B 14 AS 51/18 R - SozR 44200 § 37 Nr 9 RdNr 25). Damit ist der Antrag vom 18.4.2013 nicht geeignet, einen Leistungsanspruch für die Zeit vor dem 1.4.2013 zu begründen.
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b) Der Antrag vom 18.4.2013 wirkt auch nicht gemäß § 40 Abs 1 Satz 1 SGB II iVm § 28 Satz 1 SGB X (in der bis zum 30.6.2020 geltenden Fassung der Bekanntmachung vom 18.1.2001, BGBl I 130 im Folgenden: aF; ab dem 1.7.2020: § 28 Abs 1 Satz 1 SGB X) und § 40 Abs 5 SGB II (idF der Bekanntmachung vom 13.5.2011, BGBl I 850 im Folgenden: aF; ab dem 1.8.2016: § 40 Abs 7 SGB II) auf den hier streitbefangenen Zeitraum zurück. Nach § 28 Satz 1 SGB X aF wirkt ein nachgeholter Antrag bis zu einem Jahr zurück, wenn ein Leistungsberechtigter von der Stellung eines Antrags auf eine Sozialleistung abgesehen hat, weil ein Anspruch auf eine andere Sozialleistung geltend gemacht worden ist, und diese Leistung versagt wird oder zu erstatten ist und der nachgeholte Antrag innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf des Monats gestellt ist, in dem die Ablehnung oder Erstattung der anderen Leistung bindend geworden ist. In der Grundsicherung für Arbeitsuchende gilt § 28 SGB X gemäß § 40 Abs 5 SGB II aF mit der Maßgabe, dass der Antrag unverzüglich nach Ablauf des Monats nachzuholen ist, in dem die Ablehnung oder Erstattung der anderen Leistung bindend geworden ist.
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aa) Für April bis September 2012 ist bereits zweifelhaft, ob der Kläger den Antrag vom 18.4.2013 unverzüglich nach Ablauf des Monats nachgeholt hat, in dem die Erstattung der Leistungen nach dem BAföG bindend geworden ist. Der einschlägige Erstattungsbescheid des Studentenwerks datiert bereits auf den 31.1.2013. Feststellungen zum Zugang des Bescheides und den sonstigen tatsächlichen Umständen, anhand derer sich die Frage seiner Bestandskraft beurteilen ließe, hat das LSG nicht getroffen; hierauf kam es nach seiner Rechtsauffassung auch nicht an.
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bb) Jedenfalls besteht aber der von § 28 Satz 1 SGB X aF geforderte Ursachenzusammenhang nicht. Nach dem Wortlaut ("weil") muss der Leistungsempfänger deshalb von der Stellung eines Antrags abgesehen haben, weil er sich die Gewährung einer anderen Sozialleistung versprochen hat. Dies setzt zunächst einen Kausalzusammenhang zwischen der Nichtbeantragung der einen und der Geltendmachung der anderen Sozialleistung voraus (BSG vom 19.10.2010 - B 14 AS 16/09 R - SozR 44200 § 37 Nr 3 RdNr 27; BSG vom 6.6.2023 - B 4 AS 86/21 R - SozR 41300 § 28 Nr 3 RdNr 27). Darüber hinaus muss dieser Zusammenhang auf einer bewussten Nichtbeantragung beruhen: "Absehen" ist qualitativ mehr als ein bloßes Unterlassen (vgl auch den unterschiedlichen Wortlaut von § 28 Satz 1 SGB X aF einerseits und § 28 Satz 2 SGB X aF andererseits).
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An dieser bewussten Entscheidung, die im Zeitpunkt der Beantragung der "anderen Sozialleistung" vorliegen muss, fehlt es hier. Nach der Feststellung des LSG hat der Kläger nicht von der Beantragung der Grundsicherungsleistungen abgesehen, weil er einen Anspruch auf eine andere Sozialleistung geltend gemacht hat. Insofern unterscheidet sich der Fall in tatsächlicher Hinsicht von demjenigen, über den der Senat im Urteil vom 6.6.2023 (B 4 AS 86/21 R - SozR 41300 § 28 Nr 3) zu befinden hatte. Diese Feststellung des LSG ist für den Senat bindend, da sie vom Kläger nicht mit einer zulässigen und begründeten Verfahrensrüge angegriffen worden ist (§ 163 SGG).
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Diese Feststellung des LSG steht im Übrigen auch mit den rechtlichen Vorgaben in Einklang. § 28 SGB X dient entgegen der Auffassung der Revision nicht ohne Weiteres dazu, stets Nachteile auszugleichen, die dadurch entstehen, dass aufgrund veränderter Umstände die zunächst vorliegenden Voraussetzungen für eine Leistung rückwirkend wegfallen. Insofern ist von Bedeutung, dass wiederum anders als im Verfahren B 4 AS 86/21 R, wo der Kläger Leistungen nach § 27 SGB II bezog keinerlei Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Kläger zum maßgeblichen Zeitpunkt Anlass gehabt hätte, einen Antrag auf Alg II in Erwägung zu ziehen. Vielmehr beruht das nachträgliche Begehren, für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum Alg II zu beziehen, allein auf der rückwirkenden Beurlaubung vom Studium.
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c) Schließlich liegt auch kein Fall des § 28 Satz 2 SGB X aF vor. Danach gilt § 28 Satz 1 SGB X aF auch dann, wenn der rechtzeitige Antrag auf eine andere Leistung aus Unkenntnis über deren Anspruchsvoraussetzung unterlassen wurde und die zweite Leistung gegenüber der ersten Leistung, wenn diese erbracht worden wäre, nachrangig gewesen wäre. Auch insofern fehlt es - Unkenntnis unterstellt - an der Kausalität zwischen der Unkenntnis und der Nichtbeantragung der Leistungen nach dem SGB II, weil der Kläger ein Studium betreiben und die hierfür zutreffenden Leistungen in Anspruch nehmen wollte.
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B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 Satz 1, Abs 4 SGG.