1. Bei Kindern ist es unter anderem wegen einer geringeren Compliance und Strangulationsgefahr in der Regel erforderlich, Polysomnographien stationär in einem Krankenhaus durchzuführen.
2. Unabhängig davon ist die stationäre Durchführung von Polysomnographien bei Kindern erforderlich, wenn kein Kinderschlaflabor zur Verfügung steht, in dem Polysomnographie mit dem gebotenen, pädiatrischen Sachverstand ambulant durchgeführt werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 16. Mai 2021, B 3 KR 14/11 R, zitiert nach juris, Rn. 9).
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. Januar 2021 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Vergütung einer vollstationären Krankenhausbehandlung.
Bei dem am 2016 geborenen und seinerzeit in Berlin lebenden Versicherten der Beklagten LK wurde im Krankenhaus der Klägerin (Klinik für Kinder- und Jugendmedizin) zunächst vom 18. September 2016 bis zum 20. September 2016 (im Alter von etwa 2 ½ Monaten) stationär ein kardiorespiratorisches Monitoring einschließlich eines EEGs mit simultaner Videodokumentation, einer Sonographie des Schädels und eines augenärztlichen Konsils durchgeführt. Grund für die Untersuchung war, dass der Versicherte nach den Angaben seiner Mutter auf dem Bauch geschlafen habe, weiß geworden sei, vermutlich nicht mehr geatmet habe und von ihr im Affekt geschüttelt worden sei, woraufhin die Atmung wieder eingesetzt habe. Die Untersuchungen erfolgten daher wegen des Verdachts auf Apnoe nach einem idiopathischen ALTE (Apparent life threatening event = lebensbedrohliches Ereignis ohne ausreichende klinische Erklärung).
Die Untersuchungen ergaben keine Auffälligkeiten. Im Überwachungszeitraum traten keine Apnoen auf und die Vitalparameter bewegten sich im Rahmen der Norm. Zur Komplettierung der Diagnostik und zum Ausschluss relevanter schlafbezogener Atmungsstörungen wurde eine stationäre Schlaflaboruntersuchung (Polysomnographie) geplant und bis zu deren Beginn eine Heimmonitorüberwachung veranlasst.
Die geplante Polysomnographie wurde vom 19. Oktober 2016 bis zum 20. Oktober 2016 (im Alter von etwa 3 ½ Monaten) ebenfalls im Krankenhaus der Klägerin (Klinik für Kinder- und Jugendmedizin) im Rahmen seines Versorgungsauftrags durchgeführt. Ursprünglich, zur Zeit der Aufnahme am 19. Oktober 2016, war eine Untersuchungs- und Behandlungsdauer von zwei Tagen geplant. Auch diese Untersuchung einschließlich des Auslesens des Heimmonitors ergab keine relevanten Auffälligkeiten. Im schlafmedizinischen Befundbericht heißt es dazu: „Keine gehäuften oder verlängerten zentralen Apnoen, keine relevanten Zeichen einer gestörten Atemregulation. Insgesamt 2 kurze obstruktive Ereignisse (1 Apnoe, 1 Hypopnoe), jedoch kein Anhalt für ein relevantes frühkindliches obstruktives Schlafapnoesyndrom“. Ferner wird darin ausgeführt, dass aus schlafmedizinischer Sicht kein zwingender Grund mehr für eine Fortsetzung der Heimüberwachung bestehe, dass die Beendigung jedoch aus elterlicher Sicht derzeit noch undenkbar sei.
Am 28. Oktober 2016 übermittelte die Klägerin der Beklagten eine Rechnung für den Krankenhausaufenthalt in Höhe von 848,79 Euro unter Zugrundelegung der DRG E63A (Schlafapnoesyndrom oder kardiorespiratorische Polysomnographie oder Polygraphie bis 2 Belegungstage, Alter < 16 Jahre). Sie teilte der Beklagten außer dem Alter des Versicherten folgende Daten mit: Aufnahme Mittwoch, 19.10.2016, 18:57, Grund KH-Bhdl. vollstat., Anlass Normalfall, Aufnahmediagnose G47.8 (sonstige Schlafstörungen), Entlassung Donnerstag, 20. Oktober 2016, 13:00, Entlassungsdiagnose R06.88 (sonstige und nicht näher bezeichnete Störungen der Atmung), OPS 1-790 (Kardiorespiratorische Polysomnographie) am 19. Oktober 2016.
Mit Schreiben vom 2. November 2016 lehnte die von der Beklagten mit der Abrechnungsprüfung beauftragte C GmbH die Bezahlung der Rechnung mit der Begründung ab, dass die kardiorespiratorische Polysomnographie der vertragsärztlichen – ambulanten – Versorgung zugewiesen sei.
Am 16. April 2018 hat die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht Berlin erhoben, mit der sie die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung der 848,79 Euro nebst Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem Diskontsatz der Deutschen Bundesbank seit dem 11. November 2016 begehrt. Sie hat geltend gemacht: Der Versicherte sei im Zeitpunkt der streitigen Untersuchung 3 Monate alt gewesen. Er sei zum Ausschluss relevanter schlafbezogener Atmungsstörungen im Säuglingsalter untersucht worden. Die Polysomnographie sei nicht ausschließlich dem vertragsärztlichen Bereich zugeordnet. Der Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) zur Polygraphie und Polysomnographie vom 15. Juni 2004/21. September 2004 enthalte keine Aussage zur Behandlung von Kindern. Nach Auffassung der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) sei bei Säuglingen und Kindern eine ambulante Polysomnographie-Ableitung wegen der alters- und entwicklungsbedingten Besonderheiten und der damit verbundenen besonderen technischen und personellen Anforderungen grundsätzlich nicht möglich.
Dem hat die Beklagte (unter Verweis auf BSG, Urteil vom 16. Mai 2012, B 3 KR 14/11 R; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26. April 2013, L 1 KR 280/11; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 8. September 2020, L 5 KR 795/18) entgegengehalten: Die Versorgungsziele seien mit ambulanter Diagnostik erreichbar gewesen. Den Abrechnungsdaten sei keine Begründung zu entnehmen gewesen, warum die Polysomnographie ausnahmsweise stationär habe durchgeführt werden müssen. Die Angabe des Geburtsdatums genüge insoweit nicht. Eine nachträglich eingereichte Begründung könne die Verletzung der Informationsobliegenheiten nicht heilen. Stellungnahmen der DGSM hätten keinen rechtsverbindlichen Charakter. Ob eine stationäre Behandlung erforderlich gewesen sei, könne dahinstehen.
Mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 27. Januar 2021 hat das Sozialgericht die Beklagte verurteilt, an die Klägerin die geltend gemachten 848,79 Euro nebst Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11. November 2016 zu zahlen. Die Durchführung der Polysomnographie sei bei dem Versicherten der Beklagten erforderlich gewesen. Dies habe die Beklagte nicht bestritten. Die Polysomnographie habe auch stationär durchgeführt werden müssen. Nach dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 16. Mai 2012 (B 3 KR 14/11 R) sei eine Polysomnographie unter anderem dann ausnahmsweise stationär durchzuführen, wenn ein Versicherter an gravierenden gesundheitlichen Beschwerden leide, die nur mit den spezifischen Mitteln eines Krankenhauses zu bewältigen seien. Die Behandlung eines drei Monate alten Säuglings sei mit diesem Ausnahmefall vergleichbar. Auch dabei entstehe ein deutlicher Betreuungsmehraufwand. Die Stellungnahme der DGSM, wonach bei Säuglingen die ambulante Polysomnographie-Ableitung wegen der alters- und entwicklungsbedingten Besonderheiten und den damit verbundenen besonderen technischen und personellen Anforderungen grundsätzlich nicht möglich sei, überzeuge, auch wenn sie keinen rechtsverbindlichen Charakter habe. Die Klägerin sei auch nicht deshalb mit ihrem Anspruch ausgeschlossen, weil sie die Umstände, aus denen sich die Erforderlichkeit der stationären Behandlung ergebe, nicht mitgeteilt habe. Die stationäre Behandlungsbedürftigkeit werde durch das Alter begründet. Das Alter habe die Klägerin der Beklagten mitgeteilt.
Gegen das ihr am 3. Februar 2021 zugestellte Urteil des Sozialgerichts hat die Beklagte am 17. Februar 2021 Berufung eingelegt.
Am 30. Oktober 2024 hat der Medizinische Dienst (MD) auf Veranlassung der Beklagten ein Gutachten erstattet. Dieser ist zu dem Ergebnis gekommen, dass im Behandlungsfall mit unauffälliger schlafmedizinischer Stufendiagnostik und unauffälligem Datensatz des Heimmonitors keine individuellen medizinischen Gründe vorlägen, die die Durchführung einer Schlaflabordiagnostik unter vollstationären Bedingungen begründen könnten. Die Durchführung der Diagnostik unter ambulanten Bedingungen sei ausreichend und zweckmäßig gewesen. Die notwendige Überwachung und Fachkompetenz, auch in Bezug auf die alterstypischen Patientenbedürfnisse, hätten in einem akkreditierten Schlaflabor sowohl stationär als auch ambulant gewährleistet werden können. Wegen der Einzelheiten des Gutachtens wird auf Bl. 211 bis 222 der Gerichtsakte verwiesen.
Die Beklagte trägt zur Begründung der Berufung vor: Der Zahlungsanspruch bestehe nicht, weil den Abrechnungsdaten keine Begründung dafür habe entnommen werden können, weshalb es ausnahmsweise erforderlich gewesen sei, die Polysomnographie stationär durchzuführen. Die Angabe des Geburtsdatums sei in Bezug auf das Begründungserfordernis nicht ausreichend gewesen. Dieses Versäumnis könne nicht geheilt werden. Jedenfalls habe das Sozialgericht die Notwendigkeit stationärer Behandlung prüfen müssen, da die Klägerin die Notwendigkeit erst im Klageverfahren begründet habe. Ein Systemversagen hinsichtlich ambulanter Behandlungsmöglichkeiten liege nicht vor. Sie verweist auf das Gutachten des MD.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. Januar 2021 aufzuheben und die Klage abzuweisen,
hilfsweise die Revision zuzulassen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das sozialgerichtliche Urteil für zutreffend. Der Versicherte sei avital gewesen. Die Behandlung habe wegen des Alters des Versicherten stationär durchgeführt werden müssen. Die Abrechnungsunterlagen hätten das Geburtsdatum enthalten. Die Beklagte unterliege einem Einwendungsausschluss.
Die Klägerin hat eine Stellungnahme der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin vom 23. September 2022 mit folgendem Inhalt eingereicht:
„teilen [wir] mit, dass derzeit insgesamt 17 Vertragsärzte/Vertragsärztinnen über
die Genehmigung zur Durchführung und Abrechnung der Polysomnographie
gemäß GOP 30901 verfügen. Eine Abfrage der Abrechnungsdaten aller
Genehmigungsinhaber für das 2. Quartal 2022 hat ergeben, dass die Leistung
lediglich 1 Mal bei Patienten unter 18 Jahren (hier: geboren 2005 – jugendlich)
abgerechnet wurde. Eine Spezialisierung zur Durchführung der vorgenannten
Leistung bei Kindern in der ambulanten Versorgung ist somit nicht erkennbar.“
Der Senat hat zum vorliegenden Verfahren Gutachten des Facharztes für Kinder- und Jugendmedizin Dr. K aus den Verfahren vor dem Landessozialgericht L 1 KR 248/22 und L 1 KR 437/21 beigezogen, die ebenfalls die Durchführung einer Polysomnographie bei Kindern betreffen. Wegen der Einzelheiten der Gutachten wird auf Bl. 127 bis 136 der Gerichtsakte Bezug genommen.
Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht i.S.d. § 151 SGG eingelegte Berufung der Beklagten ist unbegründet. Das Sozialgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben.
Die vom klagenden Krankenhaus erhobene (echte) Leistungsklage ist im hier bestehenden Gleichordnungsverhältnis zulässig (vgl. nur BSG, Urteil vom 12. Dezember 2023, B 1 KR 1/23 R, zitiert nach juris, Rn. 12).
Die Klage ist begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von 848,79 Euro nebst Zinsen für die stationäre Behandlung vom 19. Oktober 2016 bis zum 20. Oktober 2016.
Rechtsgrundlage des von der Klägerin geltend gemachten Vergütungsanspruchs sind § 109 Abs. 4 Satz 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V), § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG), §§ 7 und 9 Abs. 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) und der Berliner Vertrag über Allgemeine Bedingungen der Krankenhausbehandlung (§ 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V) vom 1. November 1994 in der Fassung vom 22. Dezember 1997. Nach diesen Regelungen entsteht die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse unabhängig von einer Kostenzusage unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten, wenn die Versorgung – wie hier – in einem zugelassenen Krankenhaus im Rahmen seines Versorgungsauftrags durchgeführt wird, i.S. von § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V erforderlich ist und die Leistungen insgesamt wirtschaftlich (§ 12 Abs. 1 SGB V) erbracht werden (vgl. nur BSG, Urteile vom 25. Juni 2024, B 1 KR 20/23 R, zitiert nach juris, Rn. 11, und vom 25. März 2021, B 1 KR 25/20 R, zitiert nach juris, Rn. 8).
Erforderlich ist die Krankenhausbehandlung i.S. von § 39 SGB V dann, wenn die Behandlung dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht und notwendig ist. Der Anspruch auf Krankenbehandlung hat sich generell daran auszurichten, welche Behandlung unter Beachtung des Qualitätsgebots und des umfassenden Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit notwendig und ausreichend ist, um das angestrebte Behandlungsziel zu erreichen (§ 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 3, Abs. 4, § 12 Abs. 1 SGB V). Grundsätzlich fordert das auch für die stationäre Behandlung geltende Qualitätsgebot (§ 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V), dass die große Mehrheit der einschlägigen Fachleute (Ärzte, Wissenschaftler) die Behandlungsmethode befürwortet und von einzelnen, nicht ins Gewicht fallenden Gegenstimmen abgesehen über deren Zweckmäßigkeit Konsens besteht (vgl. BSG, Urteil vom 16. August 2021, B 1 KR 18/20 R, zitiert nach juris, Rn. 9 f.).
Die Aufnahme des Versicherten muss nach Prüfung durch das Krankenhaus zudem erforderlich sein, weil das Behandlungsziel nicht durch vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann. Ob einem Versicherten voll- oder teilstationäre Krankenhausbehandlung zu gewähren ist, richtet sich dabei allein nach den medizinischen Erfordernissen (vgl. BSG, Beschluss vom 28. September 2022, B 1 KR 30/22 B, zitiert nach juris, Rn. 7).
Ausgehend davon hat die Klage Erfolg. Die Durchführung der Polysomnographie bei dem erst drei Monate alten Versicherten war notwendig (1.). Der Versicherte wurde von der Klägerin stationär behandelt (2.). Die stationäre Behandlung war ebenfalls erforderlich (3.). Es wurde auch eine vollstationäre Behandlung durchgeführt (4.), die erforderlich war (5.). Der Vergütungsanspruch ist zudem fällig (6.).
1. Die Durchführung einer Polysomnographie war im vorliegenden Fall, nachdem der Versicherte im Säuglingsalter nach den Angaben seiner Mutter im Schlaf nicht mehr geamtet hatte und ein ALTE vorlag, zur Komplettierung der Diagnostik von Apnoen erforderlich (vgl. auch Positionspapier der DGSM „Diagnostik von Schlafstörungen und schlafbezogenen Atmungsstörungen im Kindes- und Jugendalter im Schlaflabor“, Monatsschrift Kinderheilkunde 2012, Seite 62, wonach eine Polysomnographie bei einem ALTE indiziert ist). Dies ist soweit ersichtlich unstreitig geblieben. Auch der MD hat die Erforderlichkeit der Polysomnographie in seinem Gutachten vom 30. Oktober 2024 nicht in Abrede gestellt.
2. Die Klägerin hat den Versicherten in der Zeit vom 19. Oktober 2016 bis zum 20. Oktober stationär behandelt.
In Abgrenzung zur ambulanten Behandlung ist insoweit maßgeblich, wie intensiv ein Versicherter die besonderen Mittel des Krankenhauses in Anspruch nimmt bzw. nach dem zum Zeitpunkt der Aufnahmeentscheidung aufgestellten Behandlungsplan nehmen soll. Als besondere Mittel des Krankenhauses hat die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts eine apparative Mindestausstattung, geschultes Pflegepersonal und jederzeit präsentes oder rufbereites ärztliches Personal herausgestellt. Eine Inanspruchnahme der besonderen Mittel des Krankenhauses liegt auch dann vor, wenn diese während der Durchführung einer ärztlichen Behandlung wegen des damit verbundenen Risikos schwerwiegender Komplikationen für einen Versicherten exklusiv vor- und freigehalten werden. Denn auch in diesem Fall werden die besonderen Mittel des Krankenhauses ausschließlich für den Versicherten eingesetzt und dadurch verbraucht, dass sie in dieser Zeit nicht anderweitig verwendet werden konnten. Darauf, ob die vor- und freigehaltenen Ressourcen tatsächlich zum Einsatz gekommen sind, kommt es insofern nicht an (vgl. BSG, Urteil vom 20. März 2024, B 1 KR 37/22 R, zitiert nach juris, Rn. 16 ff.).
Die Polysomnographie wurde gemessen daran hier stationär durchgeführt, weil der drei Monate alte Versicherte die Hintergrundabsicherung der Kinderklinik der Klägerin in Anspruch nahm. Unter anderem hätte eine Strangulation des Säuglings durch die Verkabelung, die im Positionspapier der DGSM „Diagnostik von Schlafstörungen und schlafbezogenen Atmungsstörungen im Kindes- und Jugendalter im Schlaflabor“ und von Dr. K als möglich beschrieben wird, das sofortige Ergreifen weiterer, insbesondere auch intensivmedizinischer Behandlungsmaßnahmen der Kinderklinik erfordert (vgl. zur stationären Behandlung bei einer möglichen Nabelschnurstrangulation des Kindes BSG, Urteil vom 20. März 2024, B 1 KR 37/22 R, zitiert nach juris, Rn. 19).
3. Es war auch erforderlich, die Polysomnographie bei dem zum Zeitpunkt der Untersuchung drei Monate alten Versicherten stationär durchzuführen. Nach dem Positionspapier der DGSM „Diagnostik von Schlafstörungen und schlafbezogenen Atmungsstörungen im Kindes- und Jugendalter im Schlaflabor“, das als Empfehlung einer einschlägigen Fachgesellschaft besondere Bedeutung bei der Feststellung des allgemein anerkannten Standes der wissenschaftlichen Erkenntnisse hat und geeignet ist, medizinische Standards zu definieren (vgl. BSG, Urteil vom 16. August 2021, B 1 KR 18/20 R, zitiert nach juris, Rn. 25), ist die Polysomnographie bei Kindern in der Regel stationär durchzuführen. Dafür werden im Positionspapier verschiedene nachvollziehbare Gründe genannt, etwa Signalausfälle aufgrund einer geringeren Compliance und eines erhöhten Bewegungsdranges bei Kindern und Strangulationsgefahren. Auch aus den beigezogenen Gutachten Dr. K folgt, dass eine stationäre Durchführung der Polysomnographie erforderlich war. Dr. K hat unter anderem angegeben, mehrfach Kinder erlebt zu haben, die sich in den Kabeln verdreht hätten, sich nicht selber hätten befreien können, panisch geworden seien und auf die ständige Anwesenheit des diensthabenden Personals angewiesen gewesen seien. Die Beklagte hat diesen Einschätzungen keine anderslautenden wissenschaftlichen Erkenntnisse entgegengesetzt. Soweit der MD in seinem Gutachten vom 30. Oktober 2024 pauschal feststellt, dass die notwendige Überwachung und insbesondere die sofortige Intervention eines Arztes bei Strangulation rund um die Uhr auch im ambulanten Setting gewährleistet sei, ist dies nicht unterlegt worden und für den Senat insgesamt nicht nachvollziehbar.
Nichts anderes ergibt sich aus dem Beschluss des GBA vom 15. Juni 2004/21. September 2004. Zwar ist die Polysomnographie aufgrund dieses Beschlusses und der Ergänzung der BUB-RL in der Regel Gegenstand der vertragsärztlichen Versorgung und daher ambulant durchzuführen (vgl. BSG, Urteil vom 16. Mai 2012, B 3 KR 14/11 R, zitiert nach juris, Rn. 9). Der Beschluss bezieht sich jedoch nicht auf Kinder, insbesondere nicht auf Säuglinge.
Unabhängig davon war es auch deshalb erforderlich, die Polysomnographie stationär durchzuführen, weil ein ambulantes Schlaflabor nicht zur Verfügung stand. Als stationäre Leistung kann die Schlaflabordiagnostik unter anderem dann erbracht und abgerechnet werden, wenn eine entsprechende ambulante Versorgung für den Versicherten nicht in dem notwendigen Maße zur Verfügung steht (vgl. BSG, Urteil vom 16. Mai 2012, B 3 KR 14/11 R, zitiert nach juris, Rn. 9). So liegt der Fall hier. Die Klägerin hat nachvollziehbar ausgeführt, dass es keine Kinderschlaflabore gibt, in denen eine Polysomnographie mit dem gebotenen pädiatrischen Sachverstand ambulant hätte durchgeführt werden können. Dies hat der Gutachter Dr. K bestätigt (siehe z.B. Gutachten vom 22. Februar 2024 zum Verfahren L 1 KR 248/22, Seite 3: „Mir ist kein Kinderschlaflabor bekannt, welches ambulante Polysomnographien anbietet“). Dem entspricht auch die Stellungnahme der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin vom 23. September 2023, wonach eine Abfrage der Abrechnungsdaten aller 17 Inhaber einer Genehmigung zur Durchführung und Abrechnung der Polysomnographie für das zweite Quartal 2022 ergeben hat, dass diese Leistung bei unter 18 Jahren lediglich einmal, bei einem Jugendlichen, abgerechnet worden ist. Dass ein Schlaflabor zur Verfügung stand, das die streitige Leistung ambulant hätte erbringen können, wird auch von der Beklagten nicht substantiiert behauptet. Der MD ist darauf in seinem Gutachten nicht eingegangen. Zu keinem Zeitpunkt wurde von der Beklagten ein konkretes Schlaflabor benannt, in dem die Polysomnographie ambulant hätte durchgeführt werden können.
4. Die Polysomnographie wurde auch vollstationär und nicht nur teilstationär durchgeführt. Von einer vollstationären Krankenhausbehandlung ist jedenfalls dann auszugehen, wenn der Patient nach der Entscheidung des Krankenhausarztes mindestens einen Tag und eine Nacht ununterbrochen im Krankenhaus versorgt werden soll. Maßgeblich ist hierbei nicht die tatsächliche Behandlungsdauer im Krankenhaus, sondern die zur Zeit der Aufnahmeentscheidung auf Grundlage des hierbei getroffenen Behandlungsplans prognostizierte (vgl. BSG, Urteil vom 20. März 2024, B 1 KR 37/22 R, zitiert nach juris, Rn. 23). Nach diesen Maßstäben wurde der Versicherte im vorliegenden Fall vollstationär behandelt. Zur Zeit der Aufnahmeentscheidung war geplant, dass der Versicherte zwei Tage lang (auch über Nacht) untersucht und behandelt wird. Dass sich der Behandlungsplan nachträglich geändert hat und der Versicherte tatsächlich bereits nach der ersten Nacht entlassen wurde, ist unerheblich.
5. Die (geplant zweitägige) vollstationäre Behandlung war aus der maßgeblichen Ex-ante-Sicht im Hinblick auf den mit Polysomnographien bei Kindern verbundenen Untersuchungsaufwand, die zu erwartende fehlende Compliance des versicherten Kindes (vgl. BSG, Urteil vom 20. März 2024, B 1 KR 37/22 R, zitiert nach juris, Rn. 33) und der „first-night effect“ bzw. den „reverse first-night effect“ bei Schlafstörungen (vgl. Positionspapier der DGSM „Diagnostik von Schlafstörungen und schlafbezogenen Atmungsstörungen im Kindes- und Jugendalter im Schlaflabor“, Monatsschrift Kinderheilkunde 2012, Seite 65) auch medizinisch erforderlich.
6. Der Vergütungsanspruch der Klägerin ist fällig. Grundvoraussetzung der Fälligkeit eines entstandenen Anspruchs auf Vergütung von Krankenhausbehandlung eines Versicherten ist eine formal ordnungsgemäße Abrechnung. Eine formal ordnungsgemäße Abrechnung setzt eine ordnungsgemäße Information der Krankenkasse über die vom Krankenhaus abgerechnete Versorgung nach Maßgabe der Informationsobliegenheiten und ggf. -pflichten voraus, insbesondere aus § 301 SGB V sowie ggf. ergänzenden landesvertraglichen Bestimmungen. Fehlt es an einer dieser Angaben, so tritt mangels formal ordnungsgemäßer Abrechnung bereits die Fälligkeit der abgerechneten Forderung nicht ein. Die Vergütungsforderung wird in diesem Falle erst später fällig, wenn das Krankenhaus seine Informationsobliegenheiten und ggf. -pflichten gegenüber der Krankenkasse erfüllt hat. Zur hiernach gebotenen Information gehört, dass das Krankenhaus in Fällen, in denen regelhaft ambulante Behandlung ausreichend ist, nicht nur eine Aufnahmediagnose benennt, die ärztliche Behandlung rechtfertigen kann, sondern Angaben zu Begleiterkrankungen oder zu sonstigen Gründen macht, die Anlass für die stationäre Versorgung des Versicherten hätten geben können (vgl. zum Ganzen BSG, Urteil vom 21. April 2015, B 1 KR 10/15 R, zitiert nach juris, Rn. 10 f.).
Im vorliegenden Fall hat die Klägerin der Beklagten von Anfang an die für eine formal ordnungsgemäße Abrechnung erforderlichen Informationen übermittelt. Insbesondere konnte die Beklagte aus der Altersangabe ersehen, dass die Polysomnographie regelhaft wegen der bei Kindern bestehenden Untersuchungsbesonderheiten stationär durchzuführen war (siehe oben). Die Erforderlichkeit stationärer Behandlung ergab sich unter Berücksichtigung des angegebenen Alters zudem daraus, dass ein Kinderschlaflabor, das die Polysomnographie ambulant hätte durchführen können, nicht zur Verfügung stand (siehe oben).
Die Höhe der Forderung ist nicht zu beanstanden. Sie steht auch nicht in Streit.
Der Zinsanspruch ab dem 11. November 2016 folgt aus § 12 Abs. 4 und 5 des Berliner Vertrages über Allgemeine Bedingungen der Krankenhausbehandlung vom 1. November 1994 in der Fassung der Ergänzungsvereinbarung vom 22. Dezember 1997.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.