Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts
Neuruppin vom 29. März 2022 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten um die Höhe der Beiträge des Klägers zur freiwilligen Kranken- und zur sozialen Pflegeversicherung in den Jahren 2018 und 2019.
Der Kläger ist hauptberuflich selbständig. Er ist bei der Beklagten zu 1. als freiwilliges Mitglied gesetzlich krankenversichert und bei der Beklagten zu 2. pflegeversichert.
Zunächst setzten die Beklagten die vom Kläger für die Zeit ab 1. Januar 2018 zu zahlenden Beiträge auf der Grundlage des jeweils zuletzt erlassenen Einkommenssteuerbescheides vorläufig fest.
Im Dezember 2019 legte der Kläger den im November 2019 erstellten Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2018 bei den Beklagten vor (Gesamtbetrag der Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit: 54.478 Euro, 1/12 = 4.539,83 Euro).
Mit Bescheid vom 17. Dezember 2019 setzten die Beklagten hierauf die Beiträge des Klägers für die Zeit vom 1. Januar 2018 bis 31. Dezember 2018 unter Orientierung an der Beitragsbemessungsgrenze von 4.425,00 Euro endgültig auf 809,78 Euro monatlich fest. Die Festsetzung der Beiträge für die Zeit ab 1. Januar 2019 blieb weiter vorläufig. Für die Zeit bis 17. Dezember 2019 setzten die Beklagten eine Nachzahlung in Höhe von 4.005,07 Euro fest. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein.
Den Widerspruch wiesen die Beklagen mit Widerspruchsbescheid vom 14. Juli 2020 zurück. Zum 1. Januar 2018 sei es zu einer Rechtsänderung gekommen. Bis Ende 2017 sei das Einkommen freiwillig Versicherter Selbständiger zeitversetzt berücksichtigt worden, nämlich jeweils erst von der Erteilung des aktuellen Einkommenssteuerbescheides an. Das habe sich zum 1. Januar 2018 mit der Einführung von § 240 Abs. 4a SGB V geändert. Nun erfolge die Festsetzung jahresweise vorläufig und werde nach Vorlage des jeweiligen Einkommenssteuerbescheides durch eine endgültige, am konkret in dem Jahr erzielten Einkommen orientierte Festsetzung ersetzt, hier geschehen durch den Bescheid vom 17. Dezember 2019 für das Jahr 2018. Dies führe dazu, dass überzahlte Beiträge erstattet und zu wenig gezahlte Beiträge nacherhoben werden könnten. Auf dieser Grundlage sei der angefochtene Bescheid zu Recht ergangen.
Hiergegen hat der Kläger am 7. August 2020 Klage erhoben.
Im Verlauf des Klageverfahrens hat der Kläger bei den Beklagten den im Mai 2021 erstellten Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2019 eingereicht (Gesamtbetrag der Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit: 22.136 Euro, 1/12 = 1.844,67 Euro).
Auf dieser Grundlage setzten die Beklagten die Beiträge des Klägers für das Jahr 2019 durch Bescheid vom 12. August 2021 endgültig auf monatlich insgesamt 346,79 Euro fest. Das Beitragsguthaben des Klägers wurde mit 5.152,96 Euro berechnet.
Mit seiner Klage hat der Kläger die Rechtmäßigkeit der von den Beklagten vorgenommenen endgültigen Beitragsfestsetzungen in Frage gestellt und beantragt, die Höhe seiner Beiträge auch ab 1. Januar 2018 gegebenenfalls entsprechend der bis Ende 2017 geltenden Regelung vorzunehmen. Die gesetzliche Neuregelung stelle ihn schlechter, denn auf Grundlage des alten Rechts hätte er für das Jahr 2018 ca. 5.500 Euro weniger Beiträge zahlen müssen.
Mit Urteil vom 29. März 2022 hat das Sozialgericht Neuruppin die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Bemessung der Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung und zur Pflegeversicherung nach dem Arbeitseinkommen richte sich seit 1. Januar 2018 nach § 240 Abs. 4a SGB V. Der Gesetzgeber habe erreichen wollen, dass auch bei freiwillig versicherten Selbständigen die tatsächlichen Einnahmen Grundlage der Beitragsbemessung seien. Die bislang teilweise um Jahre verzögerte Berücksichtigung der tatsächlichen Einnahmen habe aufgegeben werden sollen. Zu Recht hätten die Beklagten die für die Jahre 2018 und 2019 zunächst vorläufig festgesetzten Beiträge nach Vorlage des jeweiligen Einkommenssteuerbescheides endgültig festgesetzt. Für beide Jahre sei die Berechnung der Beiträge nicht zu beanstanden. Die Beklagten hätten jeweils ein Zwölftel der in dem betreffenden Jahr tatsächlich erzielten Einnahmen herangezogen und hierauf die jeweils geltenden Beitragssätze angewandt. Eine Härtefallregelung sähen die Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler des GKV-Spitzenverbandes für den Fall des Klägers nicht vor. Unabhängig davon liege beim Kläger auch keine besondere Härte vor. Nach § 240 Abs. 1 Satz 2 SGB V sei für die Beitragsbemessung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Mitglieds zu berücksichtigen. Anhaltspunkte für eine Überforderung des Klägers bestünden nicht. Im Gegenteil trage die gesetzliche Neuregelung seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit in ganz besonderem Maße Rechnung.
Hiergegen hat der Kläger am 25. April 2022 Berufung eingelegt. Er führt im Wesentlichen an: Er unterliege einer nicht zumutbaren Härte. Gegenüber angestellten Versicherten werde er ungleich behandelt. Es hätte einer gesetzlichen Übergangsregelung bedurft. Auch führe die gesetzliche Neuregelung zu steuerlichen Nachteilen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 29. März 2022 aufzuheben,
den Bescheid der Beklagten vom 17. Dezember 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Juli 2020 sowie den Bescheid der Beklagten vom 12. August 2021 zu ändern und
die Beklagten zu verurteilen, dem Kläger die für den Zeitraum 1. Januar 2018 bis 31. Dezember 2019 überzahlten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zu erstatten.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie halten die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Die zum 1. Januar 2018 erfolgte gesetzliche Neuregelung greife auch für den Kläger. Nunmehr habe die Beitragsfestsetzung im Nachhinein jahresweise endgültig auf der Grundlage des tatsächlich erzielten Einkommens zu erfolgen. Eine Übergangsregelung habe der Gesetzgeber nicht vorgesehen.
Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Entscheidungsfindung war.
II.
Der Senat konnte die Berufung gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Beschluss zurückweisen, da er sie einstimmig für unbegründet sowie eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält und die Beteiligten vorher angehört worden sind.
Die zulässige Berufung bleibt ohne Erfolg. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat nach eigener Sachprüfung Bezug auf die Gründe der erstinstanz-lichen Entscheidung (§ 153 Abs. 2 SGG). Das Sozialgericht hat sein Urteil, mit dem es die Klage abgewiesen hat, zutreffend und stichhaltig begründet.
Zu ergänzen und zu betonen bleibt:
Ohne Zweifel ist für den Kläger im hier streitigen Zeitraum das ab 1. Januar 2018 geltende Recht anzuwenden, nämlich § 240 Abs. 4a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) in der Fassung des Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetzes vom 4. April 2017 (BGBl. I S. 778 [785]). Dessen Sätze 1 bis 3 lauten:
1Die nach dem Arbeitseinkommen zu bemessenden Beiträge werden auf der Grundlage des zuletzt erlassenen Einkommensteuerbescheides vorläufig festgesetzt; dabei ist der Einkommensteuerbescheid für die Beitragsbemessung ab Beginn des auf die Ausfertigung folgenden Monats heranzuziehen; Absatz 1 Satz 2 zweiter Halbsatz gilt entsprechend. 2Bei Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit werden die Beiträge auf der Grundlage der nachgewiesenen voraussichtlichen Einnahmen vorläufig festgesetzt. 3Die nach den Sätzen 1 und 2 vorläufig festgesetzten Beiträge werden auf Grundlage der tatsächlich erzielten beitragspflichtigen Einnahmen für das jeweilige Kalenderjahr nach Vorlage des jeweiligen Einkommensteuerbescheides endgültig festgesetzt.
Von diesem Mechanismus der zuerst vorläufigen und später (rückwirkend) endgültigen jahresgleichen Festsetzung hat die Beklagte für die Zeit ab 1. Januar 2018 beanstandungsfrei Gebrauch gemacht. Es liegt auf der Hand, dass auf diese Weise die tatsächlich im jeweiligen Kalenderjahr erzielten beitragspflichtigen Einnahmen sowie Einkommensschwankungen vollständig berücksichtigt werden; auf diese Weise kommt es nicht mehr zu einer zeitverzögerten, nur zukunftsgerichteten Berücksichtigung von Einkommensänderungen (so der erklärte Wille des Gesetzgebers, vgl. BT-Drs. 18/11205, S. 71). Unter Gerechtigkeitsaspekten ist hiergegen nichts zu erinnern. Insbesondere ist nicht nachvollziehbar, warum der Kläger sich gegenüber abhängig Beschäftigten willkürlich ungleich behandelt sieht. Die jahresbezogenen, auf dem jeweiligen Einkommenssteuerbescheid beruhenden „Abrechnungen“ führen (wie dies auch bei abhängig Beschäftigten der Fall ist) zu einer passgenauen Berücksichtigung der im jeweiligen Kalenderjahr bestehenden Einkommensverhältnisse. So unterliegt der Kläger hier zwar für das Jahr 2018 einer Beitragsnachforderung in Höhe von 4.005,07 Euro, erhält aber für das Jahr 2019 eine Erstattung in Höhe von 5.152,96 Euro. Sofern hauptberuflich Selbständige, wie der Kläger, über stark schwankendes Einkommen verfügen, lässt sich an dem Risiko einer Beitragsnachforderung für einkommensstarke Jahre nichts ändern; die Lösung wird darin bestehen, im Verlauf einkommensstarker Jahrgänge gegebenenfalls Rücklagen zu bilden für eine Beitragsnachforderung der Krankenkasse.
Sofern der Kläger ausdrücklich begehrt, für seinen individuellen Fall Abstand zu nehmen von der Geltung des geschriebenen Rechts, läge gerade hierin Willkür. Er kann nicht verlangen, anders behandelt zu werden als alle anderen Normadressaten.
Übergangsregelungen waren verfassungsrechtlich nicht geboten. Das ab 1. Januar 2018 geltende Beitragsbemessungsrecht ist offensichtlich sachgerecht, willkürfrei und transparent. Entsprechend dem intertemporalen Sozialrecht ist es auch nur auf solche Sachverhalte anwendbar, die sich vollständig nach Inkrafttreten des neuen Rechts verwirklicht haben vgl. (Bundessozialgericht, Beschluss vom 13. November 2018, B 12 KR 31/18 B, zitiert nach juris, dort Rdnr. 7). Dementsprechend ist die Höhe der Beiträge, die der Kläger bis zum 31. Dezember 2017 schuldete, auch nur auf der Grundlage des alten Rechts zu beurteilen. Weder ist dieser vorgelagerte Zeitraum streitgegenständlich noch ist irgendetwas dafür ersichtlich, dass die Beklagten das Beitragsrecht bis 31. Dezember 2017 zu Lasten des Klägers fehlerhaft angewendet haben könnten.
Der Kläger kann sich auch nicht auf Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes berufen und mit Blick auf vermeintliche Beitragsnachteile eine Übergangsregelung fordern. Tatsächlich unterliegt das Finanzierungssystem der gesetzlichen Krankenversicherungen von jeher deutlichen Veränderungen und steht zudem unter einem ständigen Kostendruck. Ein Vertrauen in den dauerhaften Bestand einer für den Kläger gegebenenfalls günstigeren Rechtslage im Bereich des Beitragsrechts hatte nie eine ausreichende Grundlage (vgl. etwa den Nichtannahmebeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 28. Februar 2008 zur Berücksichtigung von Versorgungsbezügen seit 2004, 1 BvR 2137/06, zitiert nach juris, dort Rdnr. 43).
Eine Unverhältnismäßigkeit der zu leistenden Beiträge ist angesichts der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Klägers im Übrigen nicht ersichtlich. Es sind auch keine steuerrechtlichen Verwerfungen ersichtlich. So geht schon die Annahme des Klägers fehl, seine Beitragszahlungen würden versteuert. Im Gegenteil können diese Ausgaben steuermindernd wirken.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung. Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).