L 7 SO 3379/21

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7.
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 16 SO 3290/17
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SO 3379/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Eine ambulant betreute Wohnmöglichkeit kann auch bei Pflegestufe 0 gegeben sein, wenn demenzbedingte erhebliche Einschränkungen der Alltagskompetenz vorliegen. Örtlich zuständig ist der Sozialhilfeträger, in dessen Bereich sich der Leistungsberechtigte vor Eintritt in das ambulant betreute Wohnen tatsächlich aufgehalten hat. Unerheblich ist dabei die Dauer des Aufenthaltes, sofern ein Rückkehrwille zum vorherigen Aufenthaltsort nicht vorhanden ist und ob dort auch ein gewöhnlicher Aufenthalt begründet worden ist.

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 20. September 2021 aufgehoben und die Klage insgesamt abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen.

Die Revision wird zugelassen.



Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist ein Erstattungsanspruch der Klägerin für an die Leistungsempfängerin K1 (zukünftig nur noch M. K.) seit dem 1. Oktober 2014 erbrachte Leistungen der Hilfe zur Pflege streitig.

Die 1954 geborene M. K. leidet insbesondere unter einer Demenz (Erstdiagnose Juli 2012). Nach dem Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) S1 vom 25. September 2014 lag bei ihr zunächst ab September 2014 eine erhebliche Einschränkung der Alltagskompetenz bei einer Pflegebedürftigkeit unterhalb der Pflegestufe I vor. Ab 1. Januar 2015 wurde bei ihr die Pflegestufe I, ab 1. Januar 2017 Pflegegrad 3 festgestellt. Die Barmer GEK gewährte der M. K. entsprechend ab dem 1. Oktober 2014 Leistungen für die häusliche Pflegehilfe in Höhe von 225,00 EUR monatlich und ab dem 1. Januar 2015 in Höhe von bis zu 468,00 EUR monatlich. Die M. K. war bis zum 28. September 2014 in O1 wohnhaft und bezog dort von dem Beklagten Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des Zwölften Buchs Sozialgesetzbuch (SGB XII). Ab dem 1. Februar 2013 bezog die M. K. zunächst eine befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung, ab September 2014 erhielt sie eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer. Zwischenzeitlich bezieht sie eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen.

Mit E-Mail vom 5. September 2014 wandte sich die Tochter der M. K. als Bevollmächtigte ihrer Mutter (zukünftig nur noch N. K.) – wohl auf Anraten des Klägers, mit dem sie zuvor Kontakt aufgenommen hatte – an den Kommunalen Sozialverband S1 (KSV) und stellte einen Antrag auf Übernahme der Kosten für die Aufnahme der M. K. in die betreute Pflegewohngemeinschaft für Menschen mit Demenz „G1 e. V.“ in T1. Am 10. September 2014 teilte der KSV der N. K. mit, dass seine Zuständigkeit nicht bestünde, da es sich bei der Wohngemeinschaft nicht um eine ambulant betreute Wohnform im Sinne des § 98 Abs. 5 SGB XII handele. Bei den ambulant betreuten Wohnmöglichkeiten gehe es um die wohnbezogene Betreuung des Menschen. Hauptzielrichtung müsse die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft sein und nicht vorwiegend die medizinische oder pflegerische Betreuung. Aus dem Konzept der Pflegewohngemeinschaft für Menschen mit Demenz „G1 e. V.“ gehe hervor, dass es sich vorrangig um Pflegeleistungen handele. Damit richte sich die Zuständigkeit nach § 98 Abs. 1 SGB XII. Es sei der Sozialhilfeträger zuständig, in dessen Bereich sich die M. K. tatsächlich aufhalte.

Am 18. September 2014 sprach die N. K. (wohl erneut) bei dem Kläger vor und erhielt Antragsunterlagen.

Am 29. September 2014 zog die M. K. zunächst in die Wohnung der N. K. in T1, wo sie bis zu ihrem Umzug in die Wohngemeinschaft am 1. Oktober 2014 auch polizeilich gemeldet war.

Am 1. Oktober 2014 zog die M. K. in ein Zimmer der Pflegewohngemeinschaft für Menschen mit Demenz „G1 e. V.“ in T1 ein. Nach dem Konzept der Wohngemeinschaft handelt es sich um eine ambulante Wohngemeinschaft für Menschen mit Demenz mit der pflegerischen Versorgung durch einen ambulanten Pflegedienst. Zudem verpflichtet sich einer der Angehörigen jedes aufgenommenen Pflegebedürftigen, monatlich 20 Stunden Eigenleistung zu erbringen. Allgemeine Zielsetzung ist u.a. die Alltagsorientierung und ein hoher Grad an Selbstbestimmung. Im Vordergrund sollen nicht aktive eingreifende Pflegemaßnahmen stehen, sondern die unterstützende Pflegehandlung, welche die noch vorhandenen alltagspraktischen Fähigkeiten bestärken und verloren gegangene aktivieren soll. Die Wohngemeinschaft bietet Platz für bis zu acht Bewohner. Bei dem Einzug schließt jeder Bewohner mit dem Verein „G1 e.V.“, der die Räumlichkeiten selbst lediglich angemietet hat, einen Untermietvertrag ab. Die Bewohner bilden eine Auftraggebergemeinschaft, um die eigenen Interessen in Selbstvertretung wahrzunehmen. Die Auftraggebergemeinschaft trifft eine Vereinbarung, die von allen Mitgliedern bzw. deren Betreuern unterschrieben wird. Des Weiteren schließt jeder Bewohner einen Pflegevertrag mit dem Pflegedienst ab.

Die N. K. stellte am 5. Dezember 2014 einen Antrag auf Übernahme der Pflege- und Betreuungskosten beim KSV, welcher diesen mit Schreiben vom 16. Dezember 2014 (Eingang am 19. Dezember 2014) an den Kläger zur Entscheidung weiterleitete.

Bereits am 9. Dezember 2014 ging dem Kläger zudem der am 18. September 2014 an die N. K. ausgehändigte Antrag auf Leistungen nach dem SGB XII ausgefüllt und unterschrieben zu. Mit Schreiben vom 14. Januar 2015 übersandte der Kläger diesen Antrag sowie Unterlagen zur Pflegewohngemeinschaft für Menschen mit Demenz „G1 e. V.“ an den Beklagten mit der Bitte, als sachlich und örtlich zuständiger Träger über den Antrag zu entscheiden. Der Beklagte lehnte mit Schreiben vom 20. Januar 2015 die Übernahme des Falles ab. Bei der Wohngemeinschaft handele es sich nicht um eine ambulante Wohnform im Sinne des § 98 Abs. 5 SGB XII. Die Zuständigkeit richte sich vielmehr nach § 98 Abs. 1 SGB XII, entscheidend sei daher allein der tatsächliche Aufenthalt im Landkreis des Klägers.

Mit Bescheid vom 9. Februar 2015 bewilligte der Kläger der M. K. sodann Leistungen der Hilfe zur Pflege für die Zeit ab dem 1. Oktober 2014 und wies dabei darauf hin, dass die Leistungen vom Kläger gemäß § 43 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) als vorläufiger Leistungsträger erbracht würden. Einen entsprechenden Hinweis enthielten auch die Bewilligungsbescheide vom 3. März 2015, 15. September 2015 und 1. August 2017. Die in der Folge erlassenen Bewilligungsbescheide vom 6. Juli 2018, 29. März 2019, 8. Juli 2019, 18. September 2019, 4. November 2020, 2. August 2021, 17. September 2021 und 15. Juni 2022 enthielten anders als zuvor keinen Zusatz hinsichtlich einer vorläufigen Bewilligung nach § 43 SGB I.

Bereits mit Schreiben vom 5. März 2015 machte der Kläger bei dem Beklagten einen Erstattungsanspruch geltend und führte zur Begründung aus, es handele sich bei der Wohngemeinschaft um eine ambulant betreute Wohnform im Rahmen der Hilfe zur Pflege im Sinne des § 98 Abs. 5 SGB XII. Es sei zwar keine Leistungs- und Vergütungsvereinbarung geschlossen worden, jedoch dürften nach § 75 Abs. 4 SGB XII dennoch Leistungen erbracht werden, wenn dies nach der Besonderheit des Einzelfalls geboten sei. Bei ambulant betreuten Wohnformen sei der Träger der Sozialhilfe zuständig, der vor Eintritt in diese Wohnform zuletzt örtlich zuständig gewesen sei. Da die M. K. vor ihrem Einzug in die ambulant betreute Wohngemeinschaft im Landkreis B1 wohnhaft gewesen sei, sei die örtliche Zuständigkeit des Beklagten gegeben. Eine Bezifferung des Sozialhilfeaufwands werde nach Anerkennung einer Kostenerstattungspflicht erfolgen.

Mit Schreiben vom 10. März 2015 leitete der Beklagte die Anmeldung des Erstattungsanspruchs an den KSV weiter, weil dieser nach § 13 Sächsisches Gesetz zur Ausführung des Sozialgesetzbuches (SächsAGSGB) für alle teilstationären und stationären Leistungen für Personen, die das 18. Lebensjahr, aber noch nicht das 65. Lebensjahr vollendet haben, zuständig sei. Mit Schreiben vom 18. März 2015 lehnte der KSV gegenüber dem Kläger den Erstattungsanspruch wegen fehlender sachlicher Zuständigkeit ab.

Am 13. Juni 2017 hat der Kläger Klage bei dem Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben und zur Begründung angeführt, Rechtsgrundlage für den Erstattungsanspruch sei § 102 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Er – der Kläger – habe im Wege der Vorleistung nach § 43 SGB I für die Zeit vom 1. Oktober 2014 bis 30. Juni 2017 einen Betrag von 42.846,00 EUR für Leistungen der Hilfe zur Pflege aufgewendet. Die Aufwendungen seien für den Aufenthalt der M. K. in der ambulant betreuten Pflegewohngemeinschaft für Menschen mit Demenz „G1 e. V.“ entstanden. Diese Hilfeform stelle ein betreutes Wohnen im Sinne des § 98 Abs. 5 SGB XII dar, wofür der Beklagte örtlich und sachlich zuständig sei. Daran ändere sich auch nichts dadurch, dass die M. K. vom Landkreis B1 zunächst in die Wohnung ihrer Tochter, der N. K. in T1 gezogen und dort für zwei Tage polizeilich gemeldet gewesen sei. Dieser Zwischenaufenthalt sei nach Auskunft der N. K. nur deshalb erfolgt, weil der Umzug nicht an einem Termin habe durchgeführt werden können. Es habe bereits ab August 2014 festgestanden, dass die M. K. zum 1. Oktober 2014 in die Wohngemeinschaft ziehen werde.

Der Beklagte hat erwidert, die M. K. habe mit ihrem Umzug ihren Wohnsitz und tatsächlichen Aufenthalt in den räumlichen Zuständigkeitsbereich des Klägers verlegt. Die Zuständigkeit des Klägers ergebe sich damit aus § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB XII. Zudem habe eine Pflegebedürftigkeit nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) weder vor noch nach dem Umzug nach T1 vorgelegen. Ein Anspruch der M. K. auf Leistungen der Hilfe zur Pflege gemäß § 61 SGB XII habe folglich nicht bestanden. Dies ergebe sich bereits aus dem Gutachten des MDK S1 vom 25. September 2014. Danach sei die M. K. neben einer vollen hauswirtschaftlichen Versorgung auf einige kleinere Hilfeleistungen in den Grundpflegebereichen angewiesen gewesen. Ein geringfügiger Pflegeaufwand sei mit 6 Stunden und 46 Minuten pro Woche festgestellt worden. Die Gewährung von Leistungen der Hilfe zur Pflege ab dem 1. Oktober 2014 sei zu Unrecht erfolgt. Des Weiteren sei die M. K. in eine normale Wohngemeinschaft gezogen. Es handele sich nicht um eine Einrichtung des betreuten Wohnens. Der Kläger habe zudem auch nicht nach § 43 Abs. 1 SGB I geleistet. Der Antrag auf vorläufige Leistungen nach § 43 Abs. 1 SGB I sei auf Anraten des Klägers durch die N. K. beim KSV gestellt worden. Der Kläger sei somit nicht verpflichtet gewesen, vorläufig zu leisten.

Mit Urteil vom 20. September 2021 hat das SG den Beklagten verurteilt, dem Kläger die zuletzt für den Zeitraum vom 1. Oktober 2014 bis 31. März 2020 auf 89.949,00 EUR bezifferten Leistungen der Hilfe zur Pflege sowie die der M. K. für die Zeit ab 1. April 2020 gewährten Leistungen der Hilfe zur Pflege dem Grunde nach zu erstatten.

Gegen das ihm am 4. Oktober 2021 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 3. November 2021 Berufung bei dem Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt und zur Begründung vorgetragen, es liege ein Verstoß gegen den Grundsatz der mündlichen Verhandlung und der Unmittelbarkeit der Urteilsfindung vor. Im erstinstanzlichen Verfahren habe am 12. März 2020 ein nichtöffentlicher Erörterungstermin stattgefunden. Auf der Grundlage der in diesem Termin erörterten Rechtsfragen, hätten die Parteien auf eine mündliche Verhandlung verzichtet und das Einverständnis zur Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt. Das Urteil sei jedoch 1,5 Jahre später ohne Beteiligung der am Erörterungstermin beteiligten Richterin ergangen. Es liege mithin ein Verstoß gegen wesentliche Verfahrensvorschriften vor. Das Urteil beschäftige sich zudem nicht mit der eigentlichen im Raum stehenden Rechtsfrage, nämlich ob § 98 Abs. 5 SGB XII a.F. auf den vorliegenden Fall der festgestellten Pflegestufe 0 zu Lasten des Beklagten überhaupt anwendbar sei. Das Urteil gehe an keiner Stelle auf die in zwei Gutachten des MDK festgestellten konkreten Pflegebedarfe ein. Hiernach sei festzustellen, dass in beiden Gutachten lediglich ein Pflegebedarf von wöchentlich 6 Stunden und 46 Minuten festgestellt worden sei. Die Rundumversorgung, die neben den Leistungen des unstreitig in der Wohngemeinschaft auftauchenden ambulanten Pflegedienstes erbracht worden sei, sei daher nicht als Hilfe zur Pflege zu qualifizieren. Damit habe der Kläger zu Lasten des Beklagten Leistungen bewilligt, die zumindest im Rahmen der Hilfe zur Pflege nicht erforderlich gewesen seien. Die Höhe der erbrachten Leistungen sei zudem bis zum Erlass des Urteils streitig gewesen. Insbesondere fehlten nachvollziehbare Unterlagen zur Abrechnung der außerhalb des externen Pflegedienstes in der WG erbrachten Betreuungsleistungen. Insofern liege weder ein entsprechender Vertrag mit der Leistungsempfängerin vor, noch entsprechende Abrechnungen für die tatsächlich erbrachten Leistungen.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 20. September 2021 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

            die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

Er hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.

Die Berichterstatterin hat mit den Beteiligten am 29. Februar 2024 einen Erörterungstermin durchgeführt;
hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Niederschrift über die nichtöffentliche Sitzung Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen sowie der beigezogenen Verwaltungsakten des Klägers und des Beklagten Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Die gemäß § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung des Beklagten ist auch im Übrigen zulässig. Insbesondere ist sie gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegt worden. Die Berufung bedurfte auch nicht der Zulassung, da der gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG maßgebliche Beschwerdewert bei Erstattungsstreitigkeiten in Höhe von 10.000,00 EUR überschritten ist.

Die Berufung ist auch gegen das hinsichtlich der Zeit ab dem 1. April 2020 ergangene (Teil-)Zwischenurteil über den Grund nach § 202 Satz 1 SGG i. V. m. § 304 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) zulässig. Neben der Erstattung von Leistungen der Hilfe zur Pflege für die Zeit vom 1. Oktober 2014 bis zum 31. März 2020 in Höhe von 89.949,00 EUR ist Streitgegenstand des Berufungsverfahrens eine Erstattung der vom Kläger für die M. K. für die Zeit ab dem 1. April 2020 aufgewendeten Leistungen der Hilfe zur Pflege dem Grunde nach. Nach § 130 Abs. 1 Satz 1 SGG kann zur Leistung nur dem Grunde nach verurteilt werden, wenn nach § 54 Abs. 4 oder 5 SGG eine Leistung in Geld begehrt wird, auf die ein Rechtsanspruch besteht. Ein Grundurteil auf eine reine Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG erledigt den Rechtsstreit zwar nicht abschließend, sondern ist ein Zwischenurteil. Rechtsgrundlage hierfür ist § 202 Satz 1 SGG i. V. m. § 304 Abs. 2 ZPO, nicht dagegen § 130 Abs. 2 SGG, da das Grundurteil nicht über einzelne Sach- oder Rechtsfragen, sondern über den Grund vorab entscheidet (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl. 2023, § 130, Rdnr. 4e). Das Zwischenurteil steht aber hinsichtlich der Rechtsmittel einem Endurteil gleich (vgl. § 202 Satz 1 SGG i. V. m. § 304 Abs. 2 ZPO), so dass die Berufung hiergegen statthaft ist. Der Rechtsstreit bleibt allerdings bei dem erstinstanzlichen Gericht bis zur Durchführung des Nachverfahrens über die Höhe der Leistungen anhängig, sofern der Rechtsstreit nicht, z. B. nach Einigung der Beteiligten, für erledigt erklärt wird (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, Kommentar, 14. Aufl. 2023, § 130, Rdnr. 4e). Dementsprechend ist auch die Höhe des Erstattungsanspruchs für die Zeit ab dem 1. April 2020 nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 25. September 2014 – B 8 SO 7/13 R – juris Rdnr. 16).

Der Senat konnte auch über die Sache entscheiden, ohne dass die Leistungsempfängerin notwendig nach § 75 Abs. 2 SGG beizuladen war. Deren Rechtsposition wird durch den Erstattungsstreit mehrerer Sozialhilfeträger nicht berührt (vgl. BSG, Urteil vom 1. März 2018 – B 8 SO 22/16 R – SozR 4-3250 § 14 Nr. 28 m. w. N.).

Auch der Leistungserbringer war nicht beizuladen, weil dessen finanzielle Forderungen durch den Kläger beglichen wurden und er somit kein berechtigtes Interesse i.S. § 75 SGG hat, das durch die Entscheidung berührt werden kann.

Die Berufung ist auch begründet.

Allerdings liegt der von dem Beklagten geltend gemachte Verfahrensfehler nicht vor, so dass eine Zurückverweisung an das SG gemäß § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG, welche im Übrigen auch von dem Beklagten nicht begehrt wurde, schon nicht in Betracht kommt.

Soweit der Beklagte einen Verstoß gegen den Grundsatz der mündlichen Verhandlung rügt, ergibt sich ein solcher nicht daraus, dass nicht die am Erörterungstermin beteiligte Kammervorsitzende, der gegenüber das Einverständnis zur Entscheidung ohne mündliche Verhandlung abgegeben worden war, sondern deren Nachfolgerin im Amt an der Entscheidung gemäß § 124 Abs. 2 SGG als Vorsitzende beteiligt war. Das – hier im Rahmen des Erörterungstermins am 12. März 2020 – erklärte Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung verliert nur dann seine Wirksamkeit, wenn eine wesentliche Änderung der Prozesslage eintritt, weil die Einverständniserklärung unter dem Vorbehalt der im wesentlichen unveränderten Prozesslage steht (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl. 2023, § 124 Rdnr. 3e). Allein ein nach Erklärung des Einverständnisses eingetretener Wechsel des zuständigen Richters ist nicht geeignet, eine entsprechende Änderung der Prozesslage zu begründen (BSG, Beschluss vom 1. August 2013 – B 12 R 2/13 B – juris Rdnr. 7 m. w. N.).

Soweit der Beklagte sinngemäß auch eine § 129 SGG widersprechende Besetzung des Gerichts rügt, liegt auch ein solcher Verstoß nicht vor. Gemäß § 129 SGG kann das Urteil nur von Richtern gefällt werden, die an der dem Urteil zugrundeliegenden Verhandlung teilgenommen haben. Hierbei ist zunächst zwischen einem Erörterungstermin (§ 106 Abs. 3 Nr. 7 SGG) und einer mündlichen Verhandlung (§ 112 SGG), aufgrund derer nach § 124 Abs. 1 SGG das Gericht regelmäßig entscheidet, zu unterscheiden. Ohnehin gilt jedoch die Vorschrift des § 129 SGG nicht, wenn die Beteiligten – wie im vorliegenden Fall – auf mündliche Verhandlung verzichtet haben (BSG, Urteil vom 16. Februar 2006 – B 7a AL 246/05 B – juris Rdnr. 6).

Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.

Der Kläger verfolgt sein Ziel zutreffend mit der Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 5 SGG auf Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von Erstattungsforderungen in bestimmter Höhe für bestimmte bereits abgerechnete und dem Grunde nach für spätere Leistungszeiträume (vgl. oben zur Zulässigkeit eines Zwischenurteils über den Grund nach § 202 Satz 1 SGG i. V. m. § 304 Abs. 2 ZPO). Soweit der Kläger im erstinstanzlichen Verfahren die bis 31. März 2020 aufgewendeten Leistungen der Hilfe zur Pflege weiter beziffert hat, ist dies nach dem maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont als eine (zulässige) Klageerweiterung auszulegen (§§ 133, 157 Bürgerliches Gesetzbuch). Die Erweiterung des Zahlungsantrages um die zwischen dem 1. Juli 2017 und dem 31. März 2020 angefallenen Kosten der Leistungen der Hilfe zur Pflege stellt dabei keine Klageänderung dar (§ 99 Abs. 3 Nr. 2 SGG). Sie war daher statthaft, ohne dass sich der Beklagte rügelos einlassen musste oder nach ihrer Sachdienlichkeit zu fragen war.

Der Kläger hat gegen den Beklagten jedoch keinen Anspruch auf Erstattung der von ihm an die M. K. gewährten Leistungen. Der Beklagte war unter keinem erdenklichen Gesichtspunkt der (eigentlich) zur Leistung verpflichtete Träger.

Ob Rechtsgrundlage für den Erstattungsanspruch tatsächlich § 102 SGB X i.V.m. § 43 Abs. 1 SGB I ist, wie vom Kläger angenommen, kann dahingestellt bleiben, weil Voraussetzung für den Erstattungsanspruch jedenfalls ist, dass derjenige Träger, gegen den sich der Erstattungsanspruch richtet, materiell-rechtlich für die als Grundlage der Erstattung maßgebliche Leistung zuständig ist.

Die örtliche Zuständigkeit des Beklagten lässt sich vorliegend nicht feststellen. Diese bestimmt sich nach § 98 SGB XII (in der hier maßgeblichen Fassung vom 20. Dezember 2012). Nach § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB XII ist der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig, in dessen Bereich sich die Leistungsberechtigten tatsächlich aufhalten. Sonderregelungen hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit bestehen u. a. für Leistungen des ambulant betreuten Wohnens (§ 98 Abs. 5 SGB XII).

Nach § 98 Abs. 5 Satz 1 SGB XII ist für Leistungen nach diesem Buch an Personen, die Leistungen nach dem Sechsten bis Achten Kapitel in Form ambulanter betreuter Wohnmöglichkeiten erhalten, der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig, der vor Eintritt in diese Wohnform zuletzt zuständig war oder gewesen wäre. Diese besondere Zuständigkeitsregelung des § 98 Abs. 5 Satz 1 SGB XII bezieht sich auf alle Sozialhilfeleistungen, die während des betreuten Wohnens zu erbringen sind (BSG, Urteil vom 25. August 2011 – B 8 SO 7/10 R – juris Rdnr. 13).

Der Begriff der betreuten Wohnmöglichkeiten, der gesetzlich nicht näher definiert wird, orientiert sich nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 15/1514) zur ursprünglichen Normfassung an § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX a.F. Diese Vorschrift definiert nicht abschließend („insbesondere“) Leistungsbereiche von Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft und dabei in Abs. 2 Nr. 6 Hilfen zum selbstbestimmten Leben in betreuten Wohnmöglichkeiten. Daraus hatte das BSG zunächst geschlossen, dass es sich bei der Art der Betreuung um Leistungen zur Teilhabe an der Gemeinschaft handeln müsse und nicht um vorwiegend medizinische oder pflegerische Betreuung (BSG, Urteil vom 25. August 2011 – B 8 SO 7/10 RBSGE 109, 56ff.). Diese einschränkende Rechtsauslegung hat das BSG jedoch modifiziert und klargestellt, dass sämtliche Leistungen der ambulanten Betreuung nach dem Sechsten bis Achten Kapitel des SGB XII mit der Zielrichtung der Förderung der Selbständigkeit und Selbstbestimmung bei Erledigung der alltäglichen Angelegenheiten im eigenen Wohn- und Lebensbereich gleichgestellt sind. Die pflegerische Versorgung wird oftmals bei chronischen Erkrankungen in den Vordergrund rücken, hat aber nach § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB XI wie die Eingliederungshilfe eine möglichst selbständige und selbstbestimmte Lebensführung zum Ziel (BSG, Urteil vom 30. Juni 2016 – B 8 SO 6/15 R – juris Rdnr. 13, 14). Es ist daher systematisch ausgeschlossen, § 98 Abs. 5 SGB XII nur für Eingliederungshilfeleistungen des betreuten Wohnens anzuwenden (BSG, Urteil vom 30. Juni 2016 – B 8 SO 6/15 R – juris Rdnr. 13).

Die Eingrenzung der von dieser Leistungsform umfassten Hilfen hat deshalb in erster Linie anhand des Zwecks der Hilfen zu erfolgen. Sinn der Betreuungsleistungen beim betreuten Wohnen ist nicht die gegenständliche Zurverfügungstellung der Wohnung, sondern die Förderung der Selbständigkeit und Selbstbestimmung bei Erledigung der alltäglichen Angelegenheiten im eigenen Wohn- und Lebensbereich in Form einer kontinuierlichen Betreuung. Es ist das Ziel des Gesetzgebers, durch die offene, der Auslegung fähige Begrifflichkeit der „ambulant betreuten Wohnmöglichkeiten“, die vielfältigen und unterschiedlichen Betreuungsleistungen entweder in der eigenen Wohnung, in Wohngruppen oder Wohngemeinschaften zu erfassen, wobei im Regelungszusammenhang des § 98 Abs. 5 SGB XII vollstationäre Erbringungsformen ausgeschlossen sind (vgl. BSG, Urteil vom 23. Juli 2015 – B 8 SO 7/14 R – juris Rdnrn. 14 ff.). Der Art nach darf es sich bei der Betreuung aber nicht um eine vorwiegend medizinische Betreuung handeln, sondern Hauptzielrichtung der Leistungen muss eine möglichst selbständige und selbstbestimmte Lebensführung sein (BSG, Urteil vom 30. Juni 2016 – B 8 SO 6/15 R – juris Rdnr. 14). Leistungen des ambulant betreuten Wohnens sind nicht auf unmittelbar wohnungsbezogene Hilfen, z.B. die Hilfe zum Sauberhalten der Wohnung, beschränkt. Vielmehr soll der behinderte Mensch dazu befähigt werden, alle wichtigen Alltagsverrichtungen in seinem Wohn- und Lebensbereich möglichst selbständig vorzunehmen (BSG, Urteil vom 30. Juni 2016 – B 8 SO 7/15 R – juris Rdnr. 19).

In Anwendung dieser Maßstäbe wird M. K. seit dem 1. Oktober 2014 im Rahmen einer ambulant betreuten Wohnform betreut. Der Einordnung als ambulant betreutes Wohnen steht dabei nach der maßgeblichen Rechtsprechung des BSG nicht entgegen, dass die Wohnung, in der die ambulanten Leistungen erbracht werden, nicht vom Anbieter der ambulanten Pflegeleistungen organisiert ist. Es bedarf keiner Koppelung von Wohnungsgewährung und Betreuung. Dass die M. K. die Wohnung als Untermieterin von dem Verein „G1 e.V.“ angemietet hat und die Betreuung u.a. durch den Pflegedienst F1 erfolgte, führt daher nicht zu einem Ausschluss der Anwendbarkeit des § 98 Abs. 5 SGB XII.

Zweck der erbrachten Pflegeleistungen ist – nach dem zugrundeliegenden Gesamtkonzept der Pflegewohngemeinschaft für Menschen mit Demenz „G1 e. V.“ – die Förderung größtmöglicher Selbständigkeit und Eigenbestimmtheit bei der Erledigung der alltäglichen Angelegenheiten im eigenen Wohn- und Lebensbereich. Im Vordergrund sollen dabei nicht aktive eingreifende Pflegemaßnahmen stehen, sondern unterstützende Pflegehandlungen, wie ermuntern, auffordern und vormachen, welche die noch vorhandenen alltagspraktischen Fähigkeiten bestärken und verloren gegangene aktivieren.

Auch Qualität und Quantität der gewährten Betreuungsleistungen begründen das Vorliegen einer ambulant betreuten Wohnform. Dabei darf es sich zwar nicht um sporadische, situativ bedingte Betreuungsleistungen handeln, sondern diese müssen in einer regelmäßigen Form erbracht werden und in eine Gesamtkonzeption eingebunden sein, die auf die Verwirklichung einer möglichst selbständigen und selbstbestimmten Lebensführung ausgerichtet ist (LSG NRW, Urteil vom 25. Juni 2015 – L 9 SO 24/13 – juris Rdnr. 69). Denn der durch § 98 Abs. 5 SGB XII gegebene Schutz des Leistungsortes bedarf hinsichtlich der Intensität der Betreuung einer Abgrenzung zu lediglich niederschwelligen oder unregelmäßigen Hilfeleistungen (LSG Bayern, Urteil vom 20. Dezember 2016 – L 8 SO 119/15 – juris Rdnr. 64; Senatsurteil vom 18. April 2024 – L 7 SO 1581/22 – juris Rdnr. 48).

Hier waren aber sowohl der Umfang der gewährten Hilfen als auch die fachliche Qualität der Leistungserbringer derart, dass diese Vorgaben erfüllt sind. Nach der Konzeption der betreuten Pflegewohngemeinschaft für Menschen mit Demenz „G1 e. V.“ wird gemeinsam mit den Alltagsbetreuern, Pflegefachkräften und Angehörigen der Alltag nach den individuellen Gewohnheiten, Vorlieben und Möglichkeiten der Bewohner gestaltet. Die allgemeine Lebensführung (Einkaufen, Aufräumen, Wäsche, Zubereitung von Mahlzeiten) wird unterstützt, wobei die Bewohner entsprechend ihrer Fähigkeiten einbezogen werden. Im Übrigen finden gemeinschaftliche Aktivitäten statt, die sich an den Wünschen und Möglichkeiten der Bewohner orientieren. In der Wohngemeinschaft stehen 24 Stunden Alltagsbegleiter zu Verfügung. Alle Mitarbeiter, Angehörige und Freiwillige erfahren nach der Konzeption eine gründliche Schulung im Umgang mit Menschen mit Demenz und werden durch beständige Fortbildungen und Fallbesprechungen geschult. Es besteht das Angebot zur Supervision.
Die Sicherstellung der Qualität in der Wohngemeinschaft leistet der Verein „G1 e.V.“, wobei er u. a. die Qualität der häuslichen Versorgung und der Einrichtung sicherstellt, die Kommunikation mit den jeweiligen ambulanten Anbietern übernimmt und eine fachliche Begleitung und Beratung des Teams durch den sozialpsychiatrischen Dienst für alte Menschen koordiniert. Aus dieser Struktur der Betreuungsleistung ist klar erkennbar, dass es sich um regelmäßige, fachlich qualifiziert erbrachte Leistungen handelt, denen eine Gesamtkonzeption zugrunde liegt.


Soweit bei der M. K. bei Aufnahme in die Wohngemeinschaft die Pflegestufe 0 festgestellt war, steht dies der Annahme eines ambulant betreuten Wohnens nicht entgegen (offen gelassen in BSG, Urteil vom 30. Juni 2016 – B 8 SO 6/15 R – juris Rdnr. 13).

Nach dem Gutachten des MDK S1 vom 25. September 2014 benötigte die M. K. bei Einzug in die Wohngemeinschaft neben voller hauswirtschaftlicher Versorgung einige kleinere Hilfeleistungen in den Grundpflegebereichen, vordergründig in Form von Aufforderung und Motivation. Der Gesamtaufwand wurde mit 6 Stunden und 46 Minuten pro Woche festgestellt, wobei der Zeitaufwand für die Grundpflege mit 13 Minuten pro Tag, der Zeitaufwand für die Hauswirtschaft mit 45 Minuten pro Tag berücksichtigt wurde. Dabei war die M. K. bei der Begutachtung zeitlich leicht beeinträchtigt und zeigte in unregelmäßigen Abständen Verwirrtheitszustände sowie Orientierungsstörungen in fremder Umgebung. Der Antrieb war gemindert, Interesse an langjährig gewohnten Aktivitäten bestand nicht mehr. Aufmerksamkeit und Konzentrationsvermögen waren kurzfristig gegeben, die M. K. war jedoch schnell ablenkbar. Das Kurzzeitgedächtnis war beeinträchtigt. Es bestanden Wahrnehmungs- und Denkstörungen in Form einer Denkverlangsamung. Die Wahrnehmung komplexer Vorgänge war erschwert. Entsprechend stellte der MDK S1 in seinem Gutachten vom 25. September 2014 eine Einschränkung der Alltagskompetenz in erheblichen Maße im Sinne des § 45a SGB XI in der Fassung vom 23. Oktober 2012 fest, wobei bei der M. K. Störungen der höheren Hirnfunktionen und eine Unfähigkeit, eigenständig den Tagesablauf zu planen und strukturieren zugrunde gelegt wurden. Eine Sicherstellung der häuslichen Pflege könne nur bei Umzug in eine betreute Wohnanlage bejaht werden. Entsprechend erhielt die M. K. ausweislich der Rechnung des Pflegedienstes F1 vom 3. November 2014 bereits im Oktober 2014 ergänzende Hilfen bei der kleinen und großen Toilette, bei Ausscheidungen sowie bei der Zubereitung einfacher und warmer Mahlzeiten.

Insbesondere vor dem Hintergrund der bei der M. K. festgestellten demenzbedingten erheblichen Einschränkung der Alltagskompetenz benötigte diese in einem Umfang Hilfeleistungen, die die Annahme eines ambulant betreuten Wohnens rechtfertigen.

Maßgeblich für die Bestimmung des örtlich zuständigen Sozialhilfeträgers ist damit vorliegend die Sonderregelung des § 98 Abs. 5 Satz 1 SGB XII. Zuständig ist danach derjenige Träger der Sozialhilfe, der vor Eintritt in diese Wohnform zuletzt zuständig war oder – soweit vor Eintritt in die betreute Wohnform keine Sozialhilfe geleistet wurde – hypothetisch zuständig gewesen wäre (BSG, Urteil vom 25. August 2011 – B 8 SO 7/10 R – juris Rdnr. 17). Maßgeblich ist insoweit nur eine objektiv-rechtlich bestehende Zuständigkeit, nicht die irrtümlich angenommene (vgl. Senatsurteil vom 27. April 2017 – L 7 SO 2669/15 – juris Rdnr. 39). Für die (hypothetische) Zuständigkeitsbestimmung ist damit vorliegend auf die Regelung des § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB XII abzustellen.
Nach dieser Bestimmung ist für die Sozialhilfe örtlich zuständig der Träger der Sozialhilfe, in dessen Bereich sich der Leistungsberechtigte tatsächlich aufgehalten hat. Entgegen der Auffassung des SG ist insoweit unbeachtlich, ob dort auch ein gewöhnlicher Aufenthalt begründet worden ist.

Ab dem 29. September 2014 hat sich die M. K. tatsächlich im Zuständigkeitsbereich des Klägers aufgehalten, so dass bei Eintritt in das ambulant betreute Wohnen am 1. Oktober 2014 die Zuständigkeit des Klägers gegeben war. Dabei ist es unerheblich, dass die M. K. lediglich deshalb nicht direkt von ihrem ursprünglichen Wohnort im Zuständigkeitsbereich des Beklagten in die ambulant betreute Wohnform im Zuständigkeitsbereich des Klägers verzogen ist, weil ein Umzug aus Sicht ihrer Tochter nicht in einem Tag zu bewerkstelligen war. Die zum Zeitpunkt des Eintritts in diese Wohnform bestehende örtliche Zuständigkeit wird nicht dadurch beseitigt, dass ein früherer Zeitpunkt des Eintritts in diese Wohnform möglich gewesen wäre oder dass gegebenenfalls zu diesem früheren Zeitpunkt ein anderer Leistungsträger örtlich zuständig gewesen wäre. Für eine gegenteilige Auffassung fehlt es an einer Rechtsgrundlage. § 98 Abs. 5 Satz 1 SGB XII stellt gerade nicht darauf ab, wer vor Beginn des Sozialhilfebezugs örtlich zuständig gewesen wäre, sondern auf den Zeitpunkt des Eintritts in diese Wohnform (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 22. Juni 2022 – L 2 SO 3221/21 – juris Rdnr. 43). Darüber hinaus hat die M.K. ihren Aufenthalt in O1 mit dem Einzug in die Wohnung der Tochter auch dauerhaft beendet. Eine Rückkehr war nicht beabsichtigt. Es handelte sich mithin nicht lediglich um einen vorübergehenden Kurzaufenthalt an einem anderen Ort, der die Zuständigkeit des bisherigen Trägers ggf. noch nicht beendet (vgl. hierzu Schlette in Hauck/Noftz, SGB XII, 5. Ergänzungslieferung 2024, § 98 Rdnr. 28). Vielmehr stand zum Zeitpunkt des Einzugs der M.K. in die Wohnung der Tochter in T1 fest, dass sich die M.K. zukunftsoffen in T1 aufhalten wird.

Unter Berücksichtigung des Zwecks von § 98 Abs. 5 Satz 1 SGB XII kann auch eine entsprechende Anwendung des § 98 Abs. 2 Satz 1 SGB XII, wonach ein Zweimonatszeitraum vor dem Eintrittszeitpunkt liegend herangezogen wird, bei § 98 Abs. 5 Satz 1 SGB XII nicht erfolgen. Der Normzweck des § 98 Abs. 5 Satz 1 SGB XII allein rechtfertigt es nicht, losgelöst von seinem Wortlaut, wonach für die örtliche Zuständigkeit eines Sozialhilfeträgers auf den Zeitpunkt des Eintritts in die ambulant betreute Wohnform abgestellt wird, auf einen Zeitraum von zwei Monaten vor dem Zeitpunkt des Eintritts in diese Wohnform abzustellen. § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB XII legt fest, dass sich die örtliche Zuständigkeit grundsätzlich nach dem tatsächlichen Aufenthaltsort des Leistungsberechtigten richtet. Dieser Regelung liegt der Gedanke zugrunde, dass vor allem der ortsnahe Träger eine effektive und schnelle Beseitigung der gegenwärtigen Notlage ermöglichen kann. Davon abweichend regeln § 98 Abs. 2 SGB XII für Leistungen in stationären Einrichtungen sowie § 98 Abs. 5 SGB XII für Leistungen des ambulant betreuten Wohnens Sonderzuständigkeiten nach dem sogenannten Herkunftsprinzip. Damit stellt § 98 SGB XII selbst unterschiedliche Regelungen für die örtliche Zuständigkeit bei stationären Leistungsfällen und bei solchen des ambulant betreuten Wohnens auf. Anders als § 98 Abs. 4 SGB XII (für die örtliche Zuständigkeit bei Aufenthalt in Einrichtungen zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung) verweist § 98 Abs. 5 SGB XII nicht umfassend auf die Abs. 1 und 2 des § 98 SGB XII, sondern ist von § 98 Abs. 2 SGB XII erkennbar abweichend formuliert (so bereits BSG, Urteil vom 25. April 2013 – B 8 SO 6/12 R – juris Rdnr. 15). Eine vollständige Gleichstellung mit den Regelungen über die örtliche Zuständigkeit für Einrichtungen hat der Gesetzgeber daher normintern gerade nicht gewählt (vgl. zum Ganzen LSG
Baden-Württemberg, Urteil vom 22. Juni 2022 – L 2 SO 3221/21 – juris Rdnr. 44).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 SGG i. V. m. §§ 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Nachdem die Kostentragungspflicht durch die Klageabweisung endgültig feststeht, war eine Kostenentscheidung zu treffen.

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassen (§ 160 Abs. 1, 2 Nr. 1 SGG).

 

Rechtskraft
Aus
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