Für die Kodierung des OPS 8-550.1 ist nicht erforderlich, dass eine Therapeuten-Patienten-Bindung nachgewiesen sein muss und/oder der Therapeut durchgehend anwesend gewesen sein muss. Ein solches Erfordernis lässt sich dem Wortlaut des OPS 8-550.1 nicht entnehmen.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.445,61 EUR nebst zwei Prozentpunkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22.04.2021 zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe der Vergütung einer Krankenhausbehandlung.
Die am 00.00.0000 geborene und bei der Beklagten gegen Krankheit versicherte Q. J. wurde in der Zeit vom 27.01.2020 bis 11.02.2020 vollstationär im Krankenhaus der Klägerin behandelt. Die Aufnahme erfolgte wegen Brustschmerzen. Es fand eine geriatrische Komplexbehandlung statt. Es wurden jeweils insgesamt 20 Therapieeinheiten aus den Bereichen Ergotherapie, physikalische Therapie und Physiotherapie durchgeführt.
Die Klägerin stellte der Beklagten für den stationären Aufenthalt am 17.02.2020 einen Betrag in Höhe von 7.053,79 EUR in Rechnung.
Die Beklagte beglich die Rechnung zunächst vollständig, beauftragte sodann aber den Medizinischen Dienst (MD) mit der Überprüfung des Falles. Dieser kam in seinem Gutachten vom 13.01.2021 zu dem Ergebnis, dass der OPS 8-550.1 (Geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung, mindestens 14 Behandlungstage und 20 Therapieeinheiten) nicht vollständig belegt sei. Es seien nicht 20, sondern lediglich 14 Therapieeinheiten zu berücksichtigen, da hinsichtlich der angesetzten physikalischen Therapien nicht nachvollzogen werden könne, dass eine Therapeuten-Patienten-Bindung vorgelegen hätte.
Unter Bezugnahme auf das Gutachten des MD nahm die Beklagte am 21.04.2021 eine Aufrechnung in Höhe von 7.053,79 EUR gegen andere unstreitige Vergütungsforderungen aus anderen Behandlungsfällen gemäß Zahlungsavis vor und zahlte zeitgleich einen Betrag in Höhe von 4.608,18 EUR auf die Forderung aus dem Behandlungsfall J.
Die Klägerin hat am 28.09.2022 Klage erhoben. Die Auffassung des MD sei nicht haltbar. Den Mindestmerkmalen zum OPS 8-550 lasse sich eine Therapeuten-Patienten-Bindung nicht entnehmen. Der OPS nenne in seinem Wortlaut vielmehr das Vorhandensein bzw. dem teamintegrierten Einsatz von zwei der vier folgenden Therapiebereiche: Physiotherapie/Physikalische Therapie, Ergotherapie, Logopädie/Facio-orale Therapie, Psychologie/Neuropsychologie. Insbesondere bei apparativen Verfahren der physikalischen Therapie sei die ständige Anwesenheit eines Therapeuten medizinisch nicht erforderlich und nicht vorgeschrieben. Es seien daher zusätzlich zu den seitens des MD anerkannten 14 Therapieeinheiten auch die physikalischen Therapien zu berücksichtigten, sodass mindestens 20 Therapieeinheiten verbracht worden seien. Die Mindestmerkmale des OPS seien damit erfüllt.
Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 2.445,61 EUR nebst zwei Prozentpunkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22.04.2021 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte verweist auf die Begründung im Gutachten des MD. Das Vorhandensein der Therapeuten-Patienten-Bindung sei Voraussetzung für die Annahme des Mindestmerkmals. Dies ergebe sich aus den Auslegungshinweisen der MDK-Gemeinschaft zur Kodierprüfung des OPS 8-550 Version 2020. Demnach seien Therapieeinheiten nach Art, Umfang und Erbringungsdatum zu dokumentieren. Dabei verstehe sich die Dauer der Therapieeinheit in Anlehnung an die Klassifizierung therapeutischer Leistungen als Behandlungszeit im Sinne der Therapeuten-Patienten-Bindung.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung der Kammer durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten, die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten sowie die ebenfalls beigezogenen Patientenunterlagen zum Behandlungsfall der Versicherten J. Bezug genommen. Der Inhalt dieser Akten war Gegenstand der Entscheidung.
Entscheidungsgründe
Die Kammer konnte den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheiden, da die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt haben.
Streitgegenstand ist vorliegend nicht die Kostenübernahme für die stationäre Behandlung der Versicherten J. in der Zeit vom 27.01.2020 bis 11.02.2020, weil dieser Anspruch durch Erfüllung erloschen ist. Gegenstand der Klage ist vielmehr die Frage, ob der Beklagten aus diesem Behandlungsfall ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch zusteht, den sie im Wege der Aufrechnung geltend gemacht hat. Bei der zu Grunde liegenden unstreitigen Hauptforderung handelt es sich um eine Vergütung aus einem Behandlungsfall eines anderen Versicherten; um die Vergütung aus diesen Behandlungsfall geht es vorliegend.
Die Klage ist zulässig.
Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG unmittelbar zulässig, denn es geht bei einer auf Zahlung von Behandlungskosten für einen Versicherten gerichteten Klage eines Krankenhauses gegen eine Krankenkasse um einen so genannten Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt (vgl. etwa Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 23.07.2002 – B 3 KR 64/01 R – juris).
Die Klage ist auch begründet.
Die Klägerin kann von der Beklagten die Zahlung von 2.445,61 EUR nebst Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22.04.2021 verlangen.
Es ist zwischen den Beteiligten nicht streitig, dass der Klägerin aufgrund stationärer Behandlungen anderer Versicherter zunächst ein Vergütungsanspruch entstanden ist. Eine nähere Prüfung dieses Vergütungsanspruchs erübrigt sich insoweit (vgl. zur Zulässigkeit dieses Vorgehens z.B. BSG, Urteil vom 30.07.2019 – B 1 KR 31/18 R – juris).
Dieser anderweitige Vergütungsanspruch ist nicht dadurch erloschen, dass die Beklagte mit einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch wegen Überzahlung der Vergütung für die Krankenhausbehandlung des Versicherten J. analog § 387 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) die Aufrechnung erklärte. Schulden nach dieser Norm zwei Personen einander Leistungen, die ihrem Gegenstand nach gleichartig sind, so kann jeder Teil seine Forderung gegen die Forderung des anderen Teils aufrechnen, sobald er die ihm gebührende Leistung fordern und die ihm obliegende Leistung bewirken kann. Ferner darf die Aufrechnung nicht ausgeschlossen sein und muss wirksam erklärt werden.
Die Aufrechnung ist nicht durch ein gesetzliches oder vertraglich vereinbartes Verbot ausgeschlossen. Die Aufrechnung wurde durch die Beklagte auch wirksam erklärt.
Es bestand allerdings keine Aufrechnungslage. Der Vergütungsanspruch der Klägerin (Hauptforderung) und der von der Beklagten geltend gemachte öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch (Gegenforderung) würden zwar grundsätzlich die Voraussetzungen der Gegenseitigkeit und der Gleichartigkeit analog § 387 BGB erfüllen. Die Hauptforderung ist auch erfüllbar. Die Gegenforderung der Beklagten besteht jedoch nicht.
Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch setzt voraus, dass im Rahmen eines öffentlichen Rechtsverhältnisses Leistungen ohne rechtlichen Grund erbracht oder sonstige rechtsgrundlose Vermögensverschiebungen vorgenommen worden sind. Im vorliegenden Fall hat die Beklagte die ihr in Rechnung gestellten und bezahlten Kosten des stationären Aufenthalts ihrer Versicherten J. im Krankenhaus der Klägerin jedoch nicht ohne Rechtsgrund geleistet. Die Klägerin durfte den OPS 8-550.1 kodieren, da die Voraussetzungen dafür vorliegen.
Die von der Klägerin zu beanspruchende Krankenhausvergütung bemisst sich nach vertraglichen Fallpauschalen auf gesetzlicher Grundlage. Rechtsgrundlage für den Vergütungsanspruch eines zugelassenen Krankenhauses gegenüber einem Träger der gesetzlichen Krankenversicherung sind die §§ 109 Abs. 4 Satz 3 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V) i.V.m. § 7 Krankenhausentgeltgesetz (KHentgG) und § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG), die Pflegesatzvereinbarung der Beteiligten, die Vereinbarung zum Fallpauschalensystem für das Jahr 2020 und die von den Vertragsparteien auf Bundesebene getroffene Vereinbarung zu den Deutschen Kodierrichtlinien (DKR) für das Jahr 2020.
Der OPS 8-550.1 (OPS Version 2020) setzt – neben einer Vielzahl zum Teil struktureller Merkmale – mindestens 14 Behandlungstage und 20 Therapieeinheiten voraus. Der therapeutische Anteil umfasst insgesamt mindestens 20 Therapieeinheiten von durchschnittlich 30 Minuten, davon mindestens 18 Therapieeinheiten als Einzeltherapie. Erforderlich ist dabei ein teamintegrierter Einsatz von mindestens zwei der folgenden vier Therapiebereiche: Physiotherapie/Physikalische Therapie, Ergotherapie, Logopädie/fazioorale Therapie, Psychologie/Neuropsychologie.
Diese Voraussetzungen liegen vor.
Ausweislich der Behandlungsdokumentation sind insgesamt vier Therapieeinheiten Ergotherapie, sechs Therapieeinheiten physikalische Therapie und 10 Einheiten Physiotherapie bei der Versicherten J. durchgeführt worden.
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist für die Kodierung des OPS 8-550.1 nicht erforderlich, dass eine Therapeuten-Patienten-Bindung nachgewiesen sein muss und/oder der Therapeut durchgehend anwesend gewesen sein muss. Ein solches Erfordernis lässt sich dem Wortlaut des OPS 8-550 bzw. 8-550.1 nicht entnehmen.
Die Anwendung der normenvertraglichen Abrechnungsbestimmungen ist nicht automatisiert und unterliegt als Mitsteuerung der prozesshaften Tatbestandsbildung im Zusammenspiel mit den Vorgaben zertifizierter Grouper ihrerseits grundsätzlich den allgemeinen Auslegungsmethoden der Rechtswissenschaft. Die Abrechnungsbestimmungen sind gleichwohl wegen ihrer Funktion im Gefüge der Ermittlung des Vergütungstatbestandes innerhalb eines vorgegebenen Vergütungssystems eng am Wortlaut orientiert und unterstützt durch systematische Erwägungen auszulegen. Eine Vergütungsregelung, die für die routinemäßige Abwicklung von zahlreichen Behandlungsfällen vorgesehen ist, kann ihren Zweck nur erfüllen, wenn sie allgemein streng nach ihrem Wortlaut sowie den dazu vereinbarten Anwendungsregeln gehandhabt wird und keinen Spielraum für weitere Bewertungen sowie Abwägungen belässt. Demgemäß sind Vergütungsregelungen stets eng nach ihrem Wortlaut und allenfalls ergänzend nach ihrem systematischen Zusammenhang auszulegen; Bewertungen und Bewertungsrelationen bleiben außer Betracht (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. BSG, Urteil vom 8.11.2011 – B 1 KR 8/11 R –, juris).
Die von der Beklagten angeführten Auslegungshinweise der MDK-Gemeinschaft sind schon dem Wortlaut nach reine Hinweise. Sie sind für das Gericht nicht bindend. Gemäß den obigen Ausführungen hat das Gericht den OPS 8-550 streng nach seinem Wortlaut auszulegen. Das Erfordernis einer Therapeuten-Patienten-Bindung lässt sich dem Wortlaut eindeutig nicht entnehmen.
Der Anspruch auf Verzugszinsen ergibt sich aus § 15 Abs. 1 Satz 1 und 4 des nordrhein-westfälischen Landesvertrages nach § 112 Abs. 2 Satz 1 SGB V i.V.m. §§ 286 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3 (BGB) in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22.04.2021. Die Beklagte hat durch die Aufrechnung am 21.04.2021 die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.