I. Die Klage gegen den Bescheid vom 17.06.2022 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 13.10.2022 wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
T a t b e s t a n d :
Streitig ist die Anerkennung eines Ereignisses vom 06.12.2021 als Arbeitsunfall.
Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Der 1997 geborene Kläger war zum Unfallzeitpunkt Auszubildender zur Fachkraft für Lagerlogistik bei der Fa. M. in E. Er wohnte im Haus seiner Eltern in A-Stadt, A-Straße und besuchte neben seiner betrieblichen Ausbildung die Berufsschule, wobei die Berufsschultage jeweils blockweise stattfanden.
Im Februar 2020 hatte der Kläger einen Wegeunfall mit Schädel-Hirn-Trauma und intrazerebralen Blutungen erlitten. Es bestand für einen längeren Zeitraum Arbeitsunfähigkeit. Nach einer stufenweisen betrieblichen Wiedereingliederung war der Kläger ab dem 11.06.2021 wieder voll arbeitsfähig.
Da dem Kläger aufgrund seiner Krankheitszeiten noch Urlaub aus dem Jahr 2020 zustand, war die Fa. M. bestrebt, dass er diesen bis zum Jahresende 2021 einbringt. Ferner stand dem Kläger der Urlaub des Jahres 2021 zu. Dem Kläger wurde im August und im September 2021 für eine längere Zeit Urlaub gewährt.
Sodann wurde ihm nochmals Urlaub gewährt vom 18.10. bis 05.11.2021 und vom 15.11. bis 26.11.2021, wobei zwischen den beiden Urlaubsabschnitten ein Berufsschulblock von fünf Tagen (8. bis 12.11.2021) lag.
Während des ersten Urlaubsabschnittes im Oktober 2021 erkrankte der Kläger an Covid19. Nachdem am 27.10.2021 der Nachweis der Infektion erfolgt war, ordnete das Landratsamt des Landkreises B-Stadt am 29.10.2021 eine häusliche Quarantäne bis zum 09.11.2021 an.
Zu einem nicht mehr näher bestimmbaren Zeitpunkt, jedenfalls aber vor dem 06.12.2021, teilte der Kläger dem Betrieb telefonisch mit, dass er während des Urlaubs an Covid19 erkrankt und eine Quarantäne verhängt worden sei. Nach Aussage der entsprechenden Mitarbeiterin der Personalabteilung, der Zeugin E., schlug sie daraufhin dem Kläger vor, dass die durch die Quarantäne freiwerdenden Urlaubstage im Anschluss an den Berufsschulblock vom 29.11. bis 03.12.2021 gewährt werden. Damit war der Kläger einverstanden.
Der Kläger blieb dann bis zum 26.11.2021 im Urlaub und besuchte in der darauffolgenden Woche bis zum Freitag, den 03.12.2021 die Berufsschule.
Am folgenden Montag, dem 06.12.2021, befuhr der Kläger gegen 6.30 Uhr als Fahrer eines Pkw Seat Leon die Kreisstraße zwischen W. und P. in nördlicher Richtung. Aus ungeklärten Gründen geriet sein Fahrzeug dabei auf die Gegenfahrbahn und prallte frontal mit einem entgegenkommenden Pkw zusammen. Dabei erlitt der Kläger schwere Verletzungen, insbesondere eine schwere Hirnverletzung. Es erfolgte die operative Behandlung im Klinikum E-Stadt. Zum 04.01.2022 erfolgte die Verlegung in die Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik M. zur Weiterbehandlung. Aufgrund der Schwere der Verletzungen ist der Kläger nicht wieder zu Bewusstsein gekommen, muss per Sonde ernährt werden und befindet sich im sog. Wachkoma.
Die Beklagte stellte direkt nach der Meldung des Unfalls entsprechende Ermittlungen an. Sie erhielt von der Fa. M. am 07.12.2021 die Auskunft, dass der Kläger ab 06.12.2021 Urlaub gehabt hätte. Er hätte nach einem Berufsschulblock vom 20. bis 23.12.2021 und den Weihnachtsferien erst wieder am 03.01.2022 im Betrieb anfangen sollen.
Die Mutter des Klägers teilte mit, sie verstehe dies nicht. Ihr Sohn sei am Unfalltag wie üblich in der Früh aufgestanden und habe mitgeteilt, dass er zur Arbeit fahren wolle. Er habe evtl. seinen Urlaub vergessen. Sie teilte weiter mit, dass ihr Sohn einer Bekannten nach deren Auskunft noch am 04.12.2021 gesagt habe, er müsse am Montag wieder arbeiten. Der Vater des Klägers gab an, dieser habe 05.12.2021 abends noch die Scheiben des Autos abgedeckt, um am nächsten Morgen mit freier Sicht fahren zu können.
Der Arbeitgeber des Klägers bestätigte nochmals ausdrücklich, dass telefonisch vereinbart worden sei, den durch die Corona-Erkrankung aufgesparten Urlaub bis einschließlich 17.12.2021 (an den vorausgehenden Urlaub) anzuhängen. Einen Urlaubsantrag oder Urlaubsschein gebe es nicht. Der Arbeitgeber übersandte Kopien der Urlaubsanträge für die Zeit vom 18.10. bis 05.11. und die Zeit vom 15.11. bis 26.11.2021 sowie einen Auszug aus der Urlaubskartei.
Auch die Zeugin E. schilderte die telefonische Urlaubsvereinbarung noch einmal ausführlich.
Mit Bescheid vom 17.06.2022 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Unfalls vom 06.12.2021 als Arbeitsunfall ab. Sie führte aus, grundsätzlich habe der bis zur Unfallstelle zurückgelegte Weg dem Arbeitsweg entsprochen. Es bestünden jedoch Zweifel, ob der Kläger tatsächlich auf dem Weg zum Arbeitsplatz gewesen sei. Das Zurücklegen eines versicherten Arbeitsweges müsse im Vollbeweis nachgewiesen werden. Dies sei aber nicht der Fall.
Weiter verwies sie darauf, dass auch dann, wenn der Kläger tatsächlich den Urlaub vergessen habe und die Arbeit habe aufnehmen wollen, kein Arbeitsunfall vorliege. Es fehle der innere Zusammenhang des Weges mit der versicherten Tätigkeit, wenn der Versicherte im Irrtum über einen Urlaubstag trotzdem den Weg zum Arbeitsplatz antrete, denn das Zurücklegen des Weges sei keine dem Unternehmen dienliche Handlung. Sie verwies insofern auf ein Urteil des Bundessozialgerichts vom 27.03.1990, Az. 2 RU 37/89.
Es sei auch nicht anzunehmen, dass es sich bei dem Unfall vom 06.12.2021 um eine mittelbare Unfallfolge des Unfalls vom 10.02.2020 handele. Nach den Gutachten und Befunden zum Unfall vom 10.02.2020 habe eine relevante Merkfähigkeitsstörung nicht vorgelegen. Es sei daher kein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem ersten und dem zweiten Unfall nachzuweisen.
Dagegen erhob der Bevollmächtigte des Klägers fristgerecht Widerspruch. Er brachte vor, der Kläger habe sich auf seinem direkten Arbeitsweg befunden. Im Auto habe sich der Rucksack mit Trinkflasche, Brotzeit und frisch gewaschener M-Arbeitskleidung befunden. Er habe seiner Mutter und einige Tage vorher einer Bekannten mitgeteilt, dass er ab der nächsten Woche wieder arbeiten müsse. Auch habe er die Scheiben seines Autos abgedeckt, um in der Früh nicht die Scheiben freikratzen zu müssen. Es gebe keinen Grund, warum der Kläger um diese Uhrzeit seinen Arbeitsweg zurückgelegt hätte, wenn er Urlaub gehabt hätte. Zudem gebe es keinen Nachweis darüber, dass er am Unfalltag Urlaub gehabt hätte.
Der Bevollmächtigte verwies weiter auf das Vorliegen einer objektivierten Handlungstendenz des Klägers, einen Arbeitsweg zurückzulegen. Aus den Umständen sei eindeutig ersichtlich, dass der Kläger eine dem Unternehmen dienende Tätigkeit habe ausführen wollen.
Wenn er sich dabei über das Vorliegen eines Urlaubstags geirrt habe, sei der Irrtum nicht auf eigenwirtschaftliche Gründe zurückzuführen. Es habe nur eine telefonische Absprache und keinen schriftlichen Beleg gegeben. Gerade bei einem Auszubildenden, der nach sehr langer Abwesenheit wieder im Betrieb anfange, erscheine es betriebsbedingt, dass der Urlaub vergessen werde. Deshalb sei auch das Urteil des Bundessozialgerichts vom 27.03.1990 nicht anwendbar. Die Ursache des Irrtums sei von der Beklagten weder festgestellt noch berücksichtigt worden. Es sei ferner nicht ausreichend überprüft worden, ob der Unfall durch die Folgen des Unfalls vom 10.02.2020 mitverursacht worden sei.
Der Bevollmächtigte des Klägers verwies auf ein für die private Unfallversicherung erstelltes Gutachten von Dr. P. vom 09.08.2021, wonach sich aus dem Unfall vom 10.02.2020 neurokognitive Defizite im Bereich der Aufmerksamkeit, der Konzentrationsleistung und der Lernfähigkeit ergäben, die sich im Alltag leichtgradig auswirkten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 13.10.2022 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie stützte sich bei der Begründung auf die gleichen Erwägungen wie im Ausgangsbescheid. Das Zurücklegen eines versicherten Arbeitsweges sei nicht nachgewiesen, da nicht aufzuklären sei, aus welchen Gründen der Kläger die Arbeitsstätte habe aufsuchen wollen. Selbst wenn der Kläger den vereinbarten Urlaub vergessen habe und die Arbeitsstätte habe aufsuchen wollen, bestehe für diesen Weg kein Versicherungsschutz, da keine dem Unternehmen objektiv dienende Handlung ausgeführt worden sei. Es sei nicht zu belegen, dass die geringe Merkfähigkeitsstörung, die als Folge des Unfalls vom 10.02.2020 aus den Gutachten zu entnehmen sei, ursächlich für das Vergessen des Urlaubs gewesen sei.
Hiergegen richtet sich die Klage zum Sozialgericht Landshut. Ziel der Klage ist die Anerkennung des Ereignisses vom 06.12.2021 als Arbeitsunfall.
Der Bevollmächtigte des Klägers bringt weiter vor, dass sich der Kläger am 06.12.2021 auf einem versicherten Arbeitsweg befunden habe. Er habe zum Arbeitsplatz fahren und die Arbeit antreten wollen. Die subjektive Handlungstendenz, gestützt durch die objektiven Umstände sei nachgewiesen.
Es liege weder ein Urlaubsantrag noch ein Urlaubsschein für den 06.12.2021 vor. Bei dem Telefonat mit der Zeugin E. sei eine mündliche Anordnung von Urlaub nicht erkennbar. Diese habe mit dem Kläger nur darüber gesprochen, dass der Urlaub aufgrund der Corona-Erkrankung nicht verfalle und ab dem 06.12.2021 genommen werden könne. Es sei jedoch nicht vereinbart worden, dass der Urlaub am 06.12.2021 beginne.
Das Gericht hat im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 18.07.2024 die Zeugin A., die Mutter des Klägers und die Zeugin E., Personalsachbearbeiterin der Fa. M. einvernommen. Beide Zeuginnen haben den Sachverhalt im Wesentlichen so, wie er aus den Akten der Beklagten ersichtlich war, bestätigt. Bezüglich der Einzelheiten der Aussage wird ergänzend auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.
Der Bevollmächtigte des Klägers beantragt,
den Bescheid vom 17.06.2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 13.10.2022 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, das Ereignis
vom 06.12.2021 als Arbeitsunfall anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Akten der Beklagten verwiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
Der Bescheid vom 17.06.2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.10.2022 ist nicht rechtswidrig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Zu Recht hat die Beklagte es abgelehnt, den Verkehrsunfall des Klägers vom 06.12.2021 als versicherten Arbeitswegeunfall anzuerkennen. Die Voraussetzungen dafür liegen nicht vor.
Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit. Unfälle sind dabei zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper wirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 S. 2 SGB VII). Ein Arbeitsunfall setzt daher voraus, dass die Verrichtung zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer oder sachlicher Zusammenhang), sie zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht hat (Unfallkausalität und haftungsbegründende Kausalität) (vgl. etwa BSG, Urt. v. 07.05.2019, B 2 U 31/17 R, Rn. 10, juris).
Versicherte Tätigkeit ist dabei nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit. Damit verlangt die gesetzliche Regelung einen sachlichen Zusammenhang des unfallbringenden Weges mit der eigentlichen versicherten Tätigkeit, wobei nicht der Weg als solcher, sondern dessen Zurücklegen versichert ist, also der Vorgang des Sichfortbewegens auf einer Strecke, die durch einen Ausgangs- und einen Zielpunkt begrenzt ist (vgl. etwa BSG, Urt. v. 07.05.2019, B 2 U 31/17 R, Rn. 10, juris).
Der Kläger war zum Unfallzeitpunkt Auszubildender im Rahmen eines Ausbildungsverhältnisses und damit als Beschäftigter im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII gesetzlich unfallversichert.
Der Kläger befand sich jedoch, wie die Beweisaufnahme ergeben hat, nicht auf einem gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII versicherten Arbeitsweg, denn es fehlt der sachliche Zusammenhang des unfallbringenden Weges mit der eigentlichen versicherten Tätigkeit.
1. Die Kammer kommt auf Grundlage der durchgeführten Beweisaufnahme zu der Überzeugung, dass der Kläger den unfallbringenden Weg mit dem Ziel zurückgelegt hat, seinen Ausbildungsbetrieb, die Fa. M. in E. aufzusuchen. Aller Wahrscheinlichkeit nach ging der Kläger nicht davon aus, Urlaub zu haben, sondern plante, dort entsprechend der Verpflichtung aus dem Ausbildungsvertrag seine Arbeit zu verrichten.
Wie die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft E-Stadt belegen, befuhr der Kläger zum Zeitpunkt des Unfalls die Kreisstraße zwischen W. und P. in nördlicher Richtung. Die glaubhafte Aussage der Zeugin A. belegt, dass es sich bei dieser Strecke um eine der Routen handelte, die der Kläger gewöhnlich für das Erreichen des Arbeitsplatzes nutzte. Aufgrund der Uhrzeit der Fahrt und aufgrund des mitgeführten Gepäcks in Form eines Rucksacks mit Trinkflasche, Brotzeitdose und frischer Arbeitskleidung ergeben sich in Zusammenschau aller ermittelten Umstände keine vernünftigen Zweifel, dass der Kläger zum Zeitpunkt des Unfalls seinen Arbeitsplatz bei der Fa. M. in E. als Ziel hatte.
Mit hoher Wahrscheinlichkeit nahm der Kläger dabei irrtümlich an, dass er an diesem Tag zur Arbeitsleistung verpflichtet war. Offenbar war ihm nicht bewusst, dass ihm für den 06.12.2021 Urlaub gewährt worden war. Hierfür spricht insbesondere die von der Zeugin A. glaubhaft geschilderte Ankündigung des Klägers wenige Tage vor dem Unfall, in der kommenden Woche wieder zu arbeiten.
Denkbar ist jedoch aus, dass der Kläger vom Vorliegen eines Urlaubstages wusste, aber trotzdem im Betrieb seine Arbeitsleistung anbieten und den Urlaub "stornieren" wollte. Dies wäre mit Einverständnis des Arbeitgebers möglich gewesen. Der Kläger hätte jedoch nicht von sich aus den Urlaub "zurückgeben" und seine Arbeit anbieten können; in einem solchen Fall wäre der Arbeitgeber nicht in Annahmeverzug im Sinne von § 615 S. 1 BGB geraten (Schinz, in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht, BUrlG, § 7 Rn. 42).
Weitere Ermittlungsansätze dazu, ob dem Kläger bei der unfallbringenden Fahrt das Vorliegen eines Urlaubstages bewusst war, bestehen nicht, sodass dazu keine abschließende Feststellung getroffen werden kann.
2. Es fehlt jedoch der, nach den oben Gesagten, erforderliche sachliche Zusammenhang des unfallbringenden Weges mit der eigentlichen versicherten Tätigkeit. Dabei spielt es im Ergebnis keine Rolle, ob dem Kläger das Vorliegen eines Urlaubstages bewusst war oder nicht.
Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme, insbesondere der glaubhaften Aussage der Zeugin E., kommt die Kammer zu der Überzeugung, dass der Unfall vom 06.12.2021 in einen Zeitraum fällt, für den dem Kläger durch den Arbeitgeber Urlaub gewährt worden war.
Der Urlaubsgewährung liegt eine mündliche Abrede des Klägers mit der Zeugin E. bei den Telefonaten anlässlich der Corona-Erkrankung des Klägers von Ende Oktober 2021 zugrunde. Wie die Zeugin E. glaubhaft angegeben hat, hat sie dem Kläger vorgeschlagen den "freigewordenen" Urlaub im Anschluss an den Berufsschulblock vom 29.11. bis 03.12.2021 zu nehmen. Sie hat dazu, wie sie bei ihrer Aussage im Verhandlungstermin vom 18.07.2024 übereinstimmend mit dem Telefonvermerk der Beklagten vom 08.03.2022 ausgesagt hat, drei Telefonate geführt. Dabei handelte es sich beim ersten Telefonat um den Anruf des Klägers, der seine Corona-Erkrankung meldete. Bei diesem holte die Zeugin E. das Einverständnis des Klägers dazu ein, den freigewordenen" Urlaub an den nächsten Berufsschulblock anzuhängen, d.h. ab dem 06.12.2021 bis zum 17.12.2021. Das zweite Telefonat erfolgte durch die Zeugin E. zur Rücksprache mit der Leiterin Logistik Frau S., die als Vorgesetzte des Klägers der Urlaubsgewährung zustimmen musste. Im dritten Telefonat bestätigte die Zeugin E. dem Kläger die Urlaubsgewährung vom 06.12. bis zum 17.12.2021.
Die Angaben sind glaubhaft und plausibel. Gemäß § 9 Bundesurlaubsgesetz (BurlG) werden, wenn ein Arbeitnehmer während des Urlaubs erkrankt, die durch ärztliches Zeugnis nachgewiesenen Tage der Arbeitsunfähigkeit auf den Jahresurlaub nicht angerechnet. Der Arbeitgeber des Klägers war daher nachdem er von der Corona-Erkrankung des Klägers Kenntnis hatte, verpflichtet, den entsprechenden Urlaub nachzugewähren, weil damit die betroffenen Tage im Oktober/November 2021 nicht mehr als Urlaub gelten konnten. Ferner ist es plausibel, dass der Arbeitgeber bestrebt war, dem Kläger noch möglichst viel Urlaub im Jahr 2021 zu gewähren.
Die Angaben stimmen zudem überein mit dem Auszug aus dem elektronisch geführten Abwesenheitskalender der Personalabteilung. Insoweit konnte die Zeugin E. sich erinnern, dass die Quarantänezeit teilweise in einen Berufsschulblock fiel. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger mit einer Urlaubsgewährung für den Zeitraum ab dem 06.12. bis zum 17.12.2021 nicht einverstanden gewesen wäre. Die Tatsache, dass kein Urlaubsschein erstellt wurde, spricht nicht gegen die von der Zeugin E. geschilderte Abrede. Wie diese nachvollziehbar geschildert hat, wurde im Fall des Klägers der Urlaub direkt von der Personalabteilung in den Abwesenheitskalender eingepflegt und damit war die Sache erledigt.
Weitere Ermittlungsansätze sind nicht ersichtlich, da keine weiteren Zeugen oder Zeugen vom Hörensagen für die zwischen dem Kläger und der Zeugin E. geführten Telefonate vorhanden sind. Der Kläger selbst kann aufgrund seines Gesundheitszustandes auf absehbare Zeit nicht zu dem Hergang befragt werden.
Bei dieser Sachlage bestand für den Kläger am Unfalltag für den Kläger objektiv gesehen keine Verpflichtung zur Arbeitsleistung. Infolgedessen kann ein sachlicher Zusammenhang zwischen dem unfallbringenden Weg und der versicherten Tätigkeit nur unter besonderen Voraussetzungen angenommen werden.
Der Zusammenhang des Weges mit der versicherten Tätigkeit setzt nicht nur eine äußere - zeitliche und räumliche - Beziehung zwischen Weg und Tätigkeit voraus; es muss vielmehr auch ein innerer Zusammenhang bestehen, d.h. das Zurücklegen des Weges muss der Aufnahme der versicherten Tätigkeit dienen (BSG, Urt. v. 27.03.1990, 2 RU 37/89, juris). Folge der fehlenden Verpflichtung zur Arbeitsleistung am entsprechenden Tag ist, dass das Zurücklegen des Weges objektiv nicht der versicherten Tätigkeit dient.
In einem solchen Fall kann zwar ein innerer bzw. sachlicher Zusammenhang des zurückgelegten Weges mit der versicherten Tätigkeit auch daran angeknüpft werden, dass der Versicherte gleichwohl der Meinung war, dass eine Arbeitspflicht bestanden habe. Allein die subjektive Vorstellung des Versicherten reicht jedoch dafür nicht aus, um den erforderlichen Zusammenhang zwischen dem Weg und der Tätigkeit herzustellen. Vielmehr ist zusätzlich erforderlich, dass diese Vorstellung in den objektiv gegebenen Verhältnissen im Einzelfall eine ausreichende Stütze findet (BSG, Urt. v. 27.03.1990, 2 RU 37/89, juris).
Dies ist insbesondere der Fall, wenn aufgrund von Umständen, die der versicherten Tätigkeit bzw. den betrieblichen Verhältnissen zuzurechnen sind, der Versicherte zur Zeit der Verrichtung und nach Treu und Glauben berechtigterweise annehmen durfte, zur Arbeitsleistung verpflichtet zu sein (BSG, Urt. v. 15.05.2012, B 2 U 8/11 R, Rn. 57, juris; BSG Urt. v. 27.03.1990, 2 RU 37/89, juris; Köhler, Der Arbeitsunfall in der Land- und Forstwirtschaft, S. 90 f.).
Beruht die irrige Annahme einer Arbeitsverpflichtung dagegen auf Gründen, die allein in der Person des Versicherten liegen, so begründet dies keinen sachlichen Zusammenhang zwischen Verrichtung und versicherter Tätigkeit. Insoweit hat das Bundessozialgericht in einem Urteil vom 27.03.1990 bei einem Versicherten, der trotz gewährten Urlaubs irrtümlich am Arbeitsplatz erschienen, sich dort seines Irrtums bewusst geworden und auf dem Rückweg zu seiner Wohnung verunglückt war, Versicherungsschutz verneint (BSG, Urt. v. 27.03.1990, 2 RU 37/89, juris). Grund dafür war, dass der Irrtum allen in der Person des Versicherten begründet war.
Im vorliegenden Fall waren keine Umstände zu ermitteln, aufgrund derer der Kläger annehmen konnte, am 06.12.2021 zur Arbeitsleistung verpflichtet zu sein. Dafür, dass die Erklärungen der Zeugin E. bei dem Telefonat zur Covid19-Erkrankung des Klägers missverständlich gewesen wären, finden sich keine Anhaltspunkte. Insbesondere der Ablauf mit einem zweimaligen Telefongespräch und die Begleitumstände sprechen dafür, dass deutlich zum Ausdruck gekommen ist, dass es darum ging, die freigewordenen Urlaubstage auf den nächstmöglichen Zeitpunkt zu legen. Etwaige Zweifel am Inhalt der Telefonate zwischen der Zeugin E. und dem Kläger gehen nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast zulasten des Klägers.
3. Auch für den unwahrscheinlichen, aber denkbaren Fall, dass dem Kläger das Vorliegen eines Urlaubstages bewusst war, er aber den Urlaub "stornieren" und stattdessen arbeiten wollte, liegt ein sachlicher Zusammenhang zwischen dem unfallbringenden Weg und der versicherten Tätigkeit nicht vor. Wie oben dargelegt lebt in einem solchen Fall die Verpflichtung zur Arbeitsleistung erst wieder auf, wenn der Arbeitgeber sich mit der "Verlegung" des Urlaubes einverstanden erklärt. Solange dies nicht der Fall ist, stellt das Aufsuchen der Betriebsstätte eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit dar. Da betriebsfremde Motive im Vordergrund stehen, besteht kein Versicherungsschutz. Das Überwiegen eigenwirtschaftlicher Motive hat die Rechtsprechung etwa auch für den Fall bejaht, dass ein Betrieb für ein Vorstellungsgespräch aufgesucht wurde (vgl. BSG, Urt. v. 20.01.1987, 2 RU 15/86, juris). Diese Wertung kann auf die hier in Betracht kommende Konstellation übertragen werden.
4. Der Unfall des Klägers vom 06.12.2021 stellt auch keinen Folgeunfall in Bezug auf die bei dem Arbeitsunfall vom 10.02.2020 erlittenen Gesundheitsschäden dar.
Bezüglich der unmittelbaren Verursachung des Unfalls vom 06.12.2021 ist nicht mehr aufzuklären, aus welchem Gründen der Kläger auf die Gegenfahrbahn geriet. Es ist zwar denkbar, dass dabei geistige Beeinträchtigungen oder Sinnesbeeinträchtigungen eine Rolle gespielt haben. Solche Beeinträchtigungen können beim Kläger ggf. auch unerkannt als Folgen des Unfalls vom 10.02.2020 bestanden haben. Die bloße Möglichkeit eines ursächlichen Zusammenhanges reicht jedoch nicht aus. Vielmehr müsste eine hinreichende Wahrscheinlichkeit zwischen einer unfallbedingten Gesundheitsstörung und dem schadensbringenden Verhalten bzw. Ablauf nachzuweisen sein. Wenn jedoch die Ursache des schadensbringenden Verhaltens völlig unklar ist, ist eine derartige Wahrscheinlichkeit nicht zu belegen. Weitere Ermittlungsansätze bestehen nicht.
Bezüglich der Tatsache, dass der Kläger sich am 06.12.2021 überhaupt auf den Weg zum Arbeitsplatz gemacht hat, besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass er den an diesem Tag bestehenden Urlaub vergessen hat. Zwar kommt auch hier in Betracht, dass die Folgen des Unfalls vom 10.02.2020 einen Irrtum beim Kläger begünstigt haben. Über die bloße Möglichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen etwaigen Unfallfolgen vom 10.02.2020 und dem Irrtum des Klägers kommt man jedoch auch hier nicht hinaus. Da derartige Irrtümer auch allgemein bei Personen ohne irgendwelche Hirnschäden vorkommen können, lässt sich im Nachhinein nicht feststellen, dass im konkreten Fall des Klägers der Irrtum auf den Folgen der am 10.02.2020 erlittenen Verletzungen beruhte. Auch hierzu ergeben sich keine Ermittlungsansätze mehr.
Insgesamt waren nach Abschluss der Beweisaufnahme die Voraussetzungen eines versicherten Wegeunfalls nicht nachzuweisen.
Eine Entscheidung im Sinne des Klagebegehrens war nicht zu begründen, die Klage musste abgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 183, 193 SGG.
-------------------------
Rechtsmittelbelehrung
Dieses Urteil kann mit der Berufung angefochten werden.
Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim Bayer. Landessozialgericht, Ludwigstraße 15, 80539 München, oder bei der Zweigstelle des Bayer. Landessozialgerichts, Rusterberg 2, 97421 Schweinfurt, schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder beim Bayer. Landessozialgericht in elektronischer Form einzulegen. Rechtsanwälte, Behörden oder juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse müssen die Berufung als elektronisches Dokument übermitteln (§ 65d Satz 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Gleiches gilt für die nach dem Sozialgerichtsgesetz vertretungsberechtigten Personen, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 65a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 SGG zur Verfügung steht (§ 65d Satz 2 SGG).
Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist beim Sozialgericht Landshut, Seligenthaler Straße 10, 84034 E-Stadt, schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder beim Sozialgericht Landshut in elektronischer Form eingelegt wird.
Die elektronische Form wird durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments gewahrt, das für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet ist und
- von der verantwortenden Person qualifiziert elektronisch signiert ist oder
- von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 65a Abs. 4 SGG eingereicht wird.
Weitere Voraussetzungen, insbesondere zu den zugelassenen Dateiformaten und zur qualifizierten elektronischen Signatur, ergeben sich aus der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung - ERVV) in der jeweils gültigen Fassung.
Die Berufungsschrift soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung der Berufung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.
Der Berufungsschrift und allen folgenden Schriftsätzen sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden; dies gilt nicht im Rahmen des elektronischen Rechtsverkehrs.