Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 02.12.2020 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Zwischen den Beteiligten stehen (noch) die Anerkennung einer Melanomerkrankung als Folge der Berufskrankheit (BK) nach Nr. 1301 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV, nachfolgend BK 1301: „Schleimhautveränderungen, Krebs oder andere Neubildungen der Harnwege durch aromatische Amine“), die Höhe der im Zeitraum 20.02.2014 bis 31.05.2015 gewährten Verletztenrente sowie eine Hinterbliebenenrente im Streit.
Die Klägerin war bis zu seinem Tod 2015 (AID 112/2 VA) mit dem1939 geborenen D1 (im Folgenden: der Versicherte) verheiratet. Der Versicherte - selbst Raucher (AID 14/2 und AID 36/1 VA) - war u.a. von Oktober 1968 bis August 1984 bei der Firma L1 W1, in L2, (später T1 GmbH & Co. KG, W2-str., in T2) - einem Mitgliedsunternehmen der Beklagten - versicherungspflichtig als Textilingenieur beschäftigt und kam u.a. beim Abwiegen von pulverförmigen Farbstoffen in der Textilfärberei mit aromatischen Aminen in Kontakt (AID 23/2, AID 23/6 und AID 54/2 f. VA). Vom 01.09.1984 bis 28.02.2001 - wobei er ab dem 01.01.1998 aufgrund Altersteilzeit freigestellt war (s. AID 123/2 VA) - war er als Textilingenieur bei der Firma E1 GmbH, R1 Str., in L3 (ehemals C1 GmbH bzw. P1 GmbH, AID 20/2 VA) - einem Mitgliedsunternehmen der Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie (BG RCI) - versicherungspflichtig beschäftigt.
Aufgrund von seit dem 12.02.2014 bestehender Beschwerden (Blut im Urin, AID 31/2 VA) stellte sich der Versicherte am 19.02.2014 bei M1 vor (AID 63/1 f. VA), der eine Makrohämaturie diagnostizierte und den Versicherten an den L4 überwies. Dieser stellte die Verdachtsdiagnose eines Urothelkarzinoms der Harnblase (AID 36/2 f. VA) und überwies den Versicherten an die urologische Klinik des Universitätsklinikums U1 zur transurethralen Resektion der Harnblase (TUR-Blase; stationärer Aufenthalt vom 28.02.2014 bis 05.03.2014, AID 63/5 ff. VA). Am 28.02.2014 wurde sodann die TUR-Blase und am 01.03.2014 eine transurethrale Revision bei Hb-relevanter Makrohämaturie durchgeführt (s.a. OP-Sofortprotokolle, AID 79/2 f. VA), woraufhin ein Urothelkarzinom der Harnblase im Stadium pT1, G III, pTis, pTa high grade diagnostiziert wurde. Im Rahmen des am 01.03.2014 erfolgten Eingriffs ergab sich nebenbefundlich u.a. der Verdacht auf (V.a.) ein Analkarzinom (AID 79/3 VA), das durch eine am 04.03.2014 durchgeführte Sigmoidoskopie bestätigt wurde. Es wurde eine Biopsie durchgeführt und die anschließende immunhistologische Untersuchung zeigte u.a., dass die Tumorzellen S-100-Protein und partiell Melan-A sowie HMB45 exprimierten (Bl. 63 SG-Akte).
Am 07.05.2014 wurde das Schleimhautmelanom im Universitätsklinikum U1 mittels transrenaler Exzision entfernt - die anschließende pathologische Untersuchung vom 12.05.2014 ergab zunächst die Tumorformel pT4, V0, L0, Nx, R0, M1 (Bl. 59 f. SG-Akte), wurde jedoch nach Diskussion im Derma-Board und telefonischer Rücksprache zwischen dem B1 und S1 am 11.07.2014 auf pT4b, V0, L0, N2c, Mx, R0 korrigiert (Bl. 57 SG-Akte) - sowie am 16.06.2014 eine Kontroll-Rektoskopie (mit unauffälligem Befund) durchgeführt (s. AID 63/9). Vom 04.07.2014 bis 10.07.2014 befand sich der Versicherte zur Durchführung einer Nachresektion des multilokulären Urothelkarzinoms der Harnblase im Universitätsklinikum T2 (AID 148/1 ff. VA). Dort wurde das Tumorstadium des Urothelkarzinoms abschließend mit pTa, G3, pTis (m) angegeben. Im Rahmen einer am 21.07.2014 im Universitätsklinikum T2 stattgehabten Positronen-Emissions-Tomographie (PET-CT) zeigten sich multiple neu aufgetretene Lebermetastasen und größenprogrediente stoffwechselaktive und damit metastasensuspekte Lymphknoten rechts iliakal und zudem ergab sich der V.a. ossäre Metastasen im linken Femur proximal (AID 123/ 9 f. VA), deren Entstehung im Rahmen des Tumorboard-Konferenzbeschlusses vom 23.07.2014 (AID 148/3 VA) am ehesten auf das Melanom zurückgeführt wurde, weshalb die Behandlung des Harnblasenkarzinoms zurückgestellt und die des Melanoms in den Vordergrund gerückt wurde. Vom 12.08.2014 bis 15.08.2014 befand sich der Versicherte zur erneuten Nachresektion des multilokulären Urothelkarzinoms der Harnblase im Universitätsklinikum T2 (AID 149/ 1 f. VA). Am 18.08.2014 wurde eine Immuntherapie mit Ipilimumab 3mg/kgKG (Total 250 mg) eingeleitet. Am 02.10.2014 zeigten sich auch bipulmonale Lungenmetastasen, woraufhin eine Chemotherapie mit Carboplatin und Paclitaxel eingeleitet wurde. Im Januar 2015 wurde sodann eine PD1-Antikörpertherapie begonnen (s. zum Krankheitsverlauf AID 108/1 f. VA). Vom 27.02.2015 bis 28.02.2015 befand sich der Versicherte zum zweiten Zyklus der Antikörpertherapie im Universitätsklinikum T2 (AID 108/1 ff. VA). Dort wurde schließlich ein metastasiertes Schleimhautmelanom des Rektum 6-7 cm ab ACL, Stadium IV diagnostiziert. Dieselbe Diagnose wurde auch im Rahmen des (erneuten) stationären Aufenthalts des Versicherten im Universitätsklinikum T2 vom 20.03.2015 bis 24.03.2015 gestellt, währenddessen eine Re-Einleitung einer Polychemotherapie mit Carboplatin (AUC 4) und Paclitaxel (175 mg/m² KOF) sowie ein Staging erfolgte. Eine in diesem Rahmen durchgeführte Ganzkörper-CT (GK-CT) zeigte neben einer Progredienz der bereits bekannten Metastasen auch u.a. neu aufgetretene pulmonale und Milzmetastasen sowie eine exzentrische Raumforderung im distalen Rektum vereinbar mit einem stenosierenden Lokalrezidiv des Schleimhautmelanoms mit lokoregionären Lymphknotenmetastasen (AID 145/1 ff. VA). Eine ebenfalls durchgeführte Schädel-CT zeigte links frontal eine metastasensuspekte Raumforderung. Am 25.03.2015 wurde ein Protokoll der Tumorkonferenz erstellt (AID 154/1 f. VA), wonach beim Versicherten ein metastasiertes Melanom, Stadium IV mit hepatischer, lymphogener, pulmonaler und ossärer Ausbreitung vorliege. Es wurde eine Best supportive Care mit heimatnaher palliativer Anbindung empfohlen. 2015 verstarb der Versicherte im häuslichen Umfeld (AID 112/2 VA). In der Todesbescheinigung gab M1 als unmittelbare Todesursache ein Lungenödem als Folge einer kardialen Dekompensation und diese wiederum als Folge eines metastasierenden Schleimhautmelanoms an (AID 156/1 VA).
Mit Schreiben vom 03.04.2014 teilte die T3 Krankenkasse (TK), bei der der Versicherte gesetzlich krankenversichert war, der BG RCI mit, dass der Versicherte an einer bösartigen Neubildung im Bereich der Harnblase, nicht näher bezeichnet, leide und zeigte den Verdacht auf das Bestehen einer BK an. Die BG RCI leitete daraufhin ein entsprechendes Verfahren zur Anerkennung einer BK 1301 ein und holte u.a. die Stellungnahmen zur Arbeitsplatzexposition sowohl von ihrem Präventionsdienst vom 16.06.2014 (AID 20/1 ff. VA) und vom 29.09.2014 (AID 35/1 f. VA) als auch von dem Präventionsdienst der für die Tätigkeit des Versicherten für die L1 W1 zuständigen Beklagten vom 07.08.2014 (AID 23/5 f. VA) ein. Nach der Stellungnahme des Präventionsdienstes der BG RCI, die die Angaben des Leiters „EHS“ der Firma E1 GmbH, M2, (AID 14/1 ff. VA) und des ehemaligen Arbeitskollegen des Versicherten, N1, berücksichtigte, war der Versicherte durchgehend als Applikationsingenieur in der Anwendungstechnik für Fertigprodukte und zu ca. 30 bis 50 % im Ausland, u.a. in Korea und Indonesien, tätig. Diese Produkte hätten Beschichtungen auf Polymer-Basis (Acrylate, Polyurethane und Polyvinylalkohole) sowie Ausrüstung für bügelfreie Gewebe (Fettsäureamide für Weichgriff, Polyethylen, Silikone und Harze auf Harnstoff/Formaldehydbasis) umfasst. Zu einem Einsatz aromatischer Amine sei es bei dieser Tätigkeit nicht gekommen. Bei der Firma E1 seien ebensowenig wie bei den Vorgängerbetrieben Farbstoffe produziert worden; es habe auch keine Textilfärberei gegeben. Laut der Stellungnahme des Präventionsdienstes der Beklagten hatte der Versicherte während seiner Tätigkeit bei der Firma L1 W1 vom Oktober 1968 bis August 1984 hingegen Kontakt zu aromatischen Aminen. Daraufhin gab die BG RCI unter Hinweis auf § 3 der Vereinbarung über die Zuständigkeit bei Berufskrankheiten die weitere Bearbeitung des Verfahrens an die Beklagte ab (AID 1/1 VA).
In seinem für die Beklagte erstellten Gutachten vom 26.11.2014 (AID 46/1 ff. VA) gelangte der B2 zu der Einschätzung, dass das Harnblasenkarzinom mit der zu fordernden Wahrscheinlichkeit auf die versicherte Tätigkeit zurückzuführen sei und daher die Voraussetzungen der BK 1301 gegeben seien. Als BK-Folge bestehe ein Z.n. transurethraler Entfernung des Harnblasentumors. Hingegen sei die Melanomerkrankung unabhängig von der BK entstanden. Aufgrund des vorliegenden Schweregrads des Harnblasenkarzinoms (pT1, G3) betrage die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) für die ersten beiden Jahre (12.02.2014 bis 11.02.2016) der Heilungsbewährung 60 v.H. und für die folgenden drei Jahre (12.02.2016 bis 11.02.2019) 30 v.H.
Mit Bescheid vom 29.01.2015 (AID 66/1 ff. VA) verfügte die Beklagte, dass beim Versicherten eine BK 1301 bestehe (Verfügungssatz 1), der Versicherungsfall voraussichtlich am 19.02.2014 eingetreten sei (Verfügungssatz 2), die Kosten der Heilbehandlung wegen dieser BK übernommen würden (Verfügungssatz 3), voraussichtlich ein Anspruch auf Verletztenrente wegen der BK bestehe (Verfügungssatz 4) und der Versicherte einen weiteren Bescheid erhalte, sobald die Rente berechnet worden sei.
Mit Bescheid vom 26.02.2015 (AID 83/1 ff. VA) verfügte die Beklagte, dass der Versicherungsfall am 19.02.2014 eingetreten sei (Verfügungssatz 1), die MdE wegen der Folgen der BK 60 v.H., voraussichtlich ab 01.03.2016 30 v.H. und ab 01.03.2017 0 v.H. betrage (Verfügungssatz 2) und der Versicherte eine Rente als vorläufige Entschädigung erhalte, die am 20.02.2014 beginne und ab 01.03.2015 monatlich 1.702,56 € betrage (Verfügungssatz 3). Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, dass die BK zu einem Harnblasenkarzinom pT1, G3 und einem Z.n. transurethraler Entfernung des Harnblasentumors im Februar 2014, nicht hingegen zu einer Melanomerkrankung und einer Hydrocele testis geführt habe. Die Rente berechne sich nach der MdE und dem Jahresarbeitsverdienst (JAV) von 31.393,32 €, der in den zwölf Kalendermonaten vor dem 31.08.1984 erzielt worden sei. Dies sei der letzte Tag der gefährdenden Tätigkeit. Es habe lediglich der Verdienst bis zur Höhe der Beitragsbemessungsgrenze der Deutschen Rentenversicherung für den Zeitraum vom 01.08.1983 bis 31.07.1984 herangezogen werden können. Sofern Nachweise vorgelegt würden, aus denen sich das Arbeitsentgelt im maßgeblichen Zeitraum ohne Kürzung auf die Beitragsbemessungsgrenze ergebe, könne der Jahresarbeitsverdienst überprüft und ggfs die Rente neu berechnet werden. Hiergegen erhob der Versicherte Widerspruch (AID 88/1 VA), den er damit begründete, dass die Beklagte den histologischen Befund des Harnblasenkarzinoms nicht richtig bezeichnet habe - dieser laute pT1, G3, pTis, pTa high grade und sei hochaggressiv - und überdies die gefährdende Tätigkeit nicht bereits am 31.07.1984, sondern erst mit seinem letzten Auslandseinsatz im Jahr 1997 geendet habe, weshalb als letzter Tag der gefährdenden Tätigkeit der 31.12.1997 anzuerkennen sei. Außerdem bat er um Übersendung des Gutachtens des B2, da er davon ausgehe, dass dem Gutachter wichtige Befunde nicht vorgelegen hätten. So habe er das hoch aggressive Carcinoma in situ (pTis) nicht berücksichtigt, das nach „inzwischen gesicherten Erkenntnissen“, speziell nach einer Weißlicht-TUR-B, schnell metastasierend wirke (AID 123/4 VA). Darüber hinaus stehe auch die Melanomerkrankung in Zusammenhang mit der BK (AID 123/3 VA).
Die Beklagte veranlasste daraufhin die (weitere) Stellungnahme zur Arbeitsplatzexposition vom 23.03.2015 (AID 102/1 f. VA), wozu erneut Herr N1 befragt wurde. Danach sei der Versicherte im Rahmen seiner Tätigkeit bei der Firma E1 respektive der Vorgängerfirmen zu 20 % bis maximal 50 % seiner regulären Arbeitszeit im Ausland tätig gewesen, wo damals noch Färbemittel mit aromatischen Aminen eingesetzt worden seien. Allerdings hätten diese Auslandsaufenthalte nicht lediglich aus Applikationsversuchen in den Färbereien bestanden, sondern zu einem Drittel aus Besprechungen in Büros sowie Versuchsaufbauten in den Produktionsbereichen, die in der Regel räumlich getrennt von den Färbereien gewesen seien. Lediglich in kleinen Betrieben seien die Färbereien und die Ausrüstungsbereiche in einer Halle ohne Trennung untergebracht gewesen, so dass eine Exposition gegenüber aromatischen Aminen möglich gewesen sei. Deren Art und Ausmaß sei jedoch nicht mehr rekonstruierbar, weshalb insgesamt nicht von einer Exposition ausgegangen werden könne. Auch weitere Ermittlungen des Präventionsdienstes (AID 179/1 f. VA; s.a. AID 22 224/1 VA), die mit einer Befragung weiterer Arbeitskollegen des Versicherten, K1 und S2, einhergingen, bestätigten lediglich, dass der Versicherte auch im Rahmen seiner Tätigkeit bei der Firma E1 GmbH bis zu 50 % seiner Arbeitszeit in Süd-Ost-Europa und im asiatischen Raum in Applikations- und Ausrüstungsabteilungen tätig war, nicht jedoch in Färbereien. Auch konnten die Befragten keine Angaben dazu machen, ob der Versicherte in dieser Zeit noch Arbeiten mit Kontakt zu gefärbten, ungespülten Ausrüstungsteilen und somit zu aromatischen Aminen gehabt hatte.
Am 31.08.2015 erstellte B2 im Auftrag der Beklagten ein weiteres Gutachten (AID 169/1 ff. VA), in dem er zu der Einschätzung gelangte, dass - entsprechend den den Kläger im Universitätsklinikum T2 behandelnden Ärzten - die Metastasierungssituation auf die bk-unabhängige Melanomerkrankung und nicht auf das Urothelkarzinom der Harnblase zurückzuführen sei. Die MdE für das Urothelkarzinom schätzte er weiterhin auf 60 v.H. bis zum Tode des Versicherten ein.
Mit Bescheid vom 07.01.2016 (AID 188/1 ff. VA) verfügte die Beklagte, dass die Klägerin Anspruch auf eine einmalige Hinterbliebenenbeihilfe von 20.430,68 € habe (Verfügungssatz 2). Ein Anspruch auf Hinterbliebenenrente bestehe nicht, da der Tod des Versicherten nicht Folge des Versicherungsfalls (BK 1301) sei. Als Folge des Versicherungsfalls werde ein Harnblasenkarzinom pT1, G3, Z.n. transurethraler Entfernung des Harnblasentumors im Februar 2014, nicht aber die Melanomerkrankung anerkannt (Verfügungssatz 1). Die Beihilfe werde in Höhe von 40 % des (angepassten, s. AID 83/3 f. VA) JAV in Höhe von 51.076,70 € gezahlt, der der Rente zugrunde gelegt worden sei, und werde nach Abschluss des gegen den Bescheid vom 26.02.2015 geführten Widerspruchsverfahrens neu berechnet. Dieser Bescheid enthielt den Hinweis, dass er Gegenstand des anhängigen Widerspruchsverfahrens geworden sei. Gleichwohl erhob die Klägerin hiergegen Widerspruch (AID 194/1 VA).
Nach Vorlage von Verdienstbescheinigungen seitens der Klägerin erließ die Beklagte den Bescheid vom 21.06.2016 (AID 228/1 ff. VA) über die Berichtigung der Berechnung des JAV und teilweise Rücknahme der Bescheide vom 26.02.2015 und vom 07.01.2016 im Rahmen des § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zu Gunsten der Klägerin und legte als JAV in den letzten zwölf Monaten vor dem 31.08.1984 den nach ihrer Satzung gültigen Höchstbetrag von 36.813,02 € (angepasste JAV ab 01.07.2013 in Höhe von 58.055,37 € und ab 01.07.2014 in Höhe von 59.024,89 €) zugrunde, was zu einer Rentennachzahlung zugunsten der Klägerin von 4.040,46 € und zu einer Nachzahlung der Hinterbliebenenbeihilfe in Höhe von 3.179,28 € führte. Auch dieser Bescheid enthielt den Hinweis, dass er Gegenstand des anhängigen Widerspruchsverfahrens geworden sei.
Mit Bescheiden vom 18.08.2016 (AID 237/1 f. und AID 238/1 f. VA) - die ebenfalls den Hinweis enthielten, Gegenstand des anhängigen Widerspruchsverfahrens geworden zu sein - verfügte die Beklagte zu Gunsten der Klägerin zudem Zinszahlungen in Höhe von 210,17 € (Lebzeitenrente) bzw. 189,18 € (einmalige Hinterbliebenenbeihilfe).
Mit Widerspruchsbescheid vom 22.12.2016 (AID 248/1 ff. VA) wies die Beklagte die Widersprüche gegen die Bescheide vom 26.02.2015, 07.01.2016, 21.06.2016 und 18.08.2016 zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 24.01.2017 Klage beim Sozialgericht Ulm (SG) mit dem (zuletzt noch formulierten) Begehren erhoben, die Bescheide vom 26.02.2015, 07.01.2016 und 21.06.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.12.2016 abzuändern und die Beklagte zu verpflichten, ihr als Rechtsnachfolgerin des Versicherten für den Zeitraum 20.02.2014 bis 31.05.2015 eine Rente nach einer MdE von 100 v.H. zu gewähren, die Melanomerkrankung als Folge der BK anzuerkennen und ihr eine Hinterbliebenenrente in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Zur Begründung hat sie abermals ausgeführt, dass der Versicherte auch im Rahmen seiner Tätigkeit bei der Firma E1 GmbH mit giftigen Arbeitsstoffen in Verbindung gekommen sei, da in den von ihm besuchten Produktionshallen Färbevorgänge ungesichert vorgenommen worden und die Chemikalien ungeschützt durch die Produktionshallen ausgeleitet worden seien, so dass es zu Dampfentwicklungen gekommen sei. Ihrer Auffassung nach sei auch das Melanom ursächlich auf das Harnblasenkarzinom zurückzuführen. Aufgrund von dessen Größe sei davon auszugehen, dass der Versicherte schon lange Zeit daran erkrankt gewesen, dieses bereits metastasiert gewesen und das Melanom ausgelöst habe. B2 habe in seinem Gutachten lediglich behauptet, ein Zusammenhang zwischen dem Harnblasenkarzinom und dem Melanom sei nicht offenkundig, habe dies jedoch nicht erklärt. Aus dem niederländischen Krebsregister von 1989 bis 2006 ergebe sich, dass gegenüber anderen Krebsarten nach einem Karzinom des Harntrakts die höchste Prävalenz von Mehrfach-Malignomen, nämlich 15 %, erfasst sei. Es sei daher überwiegend wahrscheinlich, dass das Melanom Folge des Harnblasenkarzinoms sei und daher eine Kausalität zwischen der bereits anerkannten BK und dem Tod des Versicherten bestehe. Im Übrigen ließe sich die Metastasierung des Harnblasenkarzinoms und des Schleimhautmelanoms weder klinisch noch histologisch voneinander abgrenzen. Zudem hätte der seitens des Präventionsdienstes angehörte Herr N1 keine Aussage zum Einsatzgebiet des Versicherten machen können, da er selbst lediglich in Singapur tätig gewesen sei. Sie gehe außerdem davon aus, dass die BG RCI über Studien zum Gefährdungspotenzial in „den betreffenden Ländern“ verfüge.
Sodann hat der Ärztliche Direktor des Instituts für Pathologie und Neuropathologie - Abteilung Allgemeine Pathologie und Pathologische Anatomie - des Universitätsklinikums T2 F1 für das SG das Sachverständigengutachten nach Aktenlage vom 16.06.2017 (Bl. 80 ff. SG-Akte) sowie die ergänzenden Stellungnahmen vom 30.08.2017 (Bl. 89 ff. SG-Akte), vom 19.10.2017 (Bl. 95 SG-Akte) und vom 05.02.2019 (Bl. 114 ff. SG-Akte) erstellt und die Einschätzung des M1 bestätigt, dass das ausgedehnte metastasierte Tumorleiden mit u.a. hepatischen, pulmonalen, lymphogenen, ossären, zerebralen sowie Milzmetastasen zu einem Lungenödem und kardialer Dekompensation geführt habe. Obwohl sich in der Aktenlage kein histologischer Nachweis finde, dass die Metastasen durch das Analschleimhautmelanom entstanden seien, gehe er dennoch aufgrund der höheren Aggressivität des Schleimhautmelanoms - diese sei mit einem TNM-Stadium von pT4b sehr viel höher als diejenige des Harnblasenkarzinoms mit einem TNM-Stadium von pT1, pTis, pTa - davon aus, dass die Metastasierung auf das Analschleimhautmelanom zurückzuführen sei. Hierfür spreche die rasche ausgedehnte Metastasierung und das Auftreten eines Lokalrezidivs des Schleimhautmelanoms. Zwar sei es korrekt, dass eine Karzinomerkrankung die Entstehung eines Zweitkarzinoms begünstige, allerdings in der Regel erst dann, wenn eine chemotherapeutische Behandlung oder Strahlentherapie vorausgegangen sei, welche zu einer Schädigung des gesunden Gewebes geführt habe. Eine derartige Behandlung habe vor der Diagnose des Schleimhautmelanoms jedoch nicht stattgefunden. Überdies habe bei der Diagnosestellung des Harnblasenkarzinoms das Schleimhautmelanom bereits in einem fortgeschrittenen Stadium bestanden, was dafür spreche - und auch seitens der behandelnden Ärzte des Universitätsklinikums T2 vermutet worden sei - dass die ausgedehnte Metastasierung darauf zurückzuführen sei. Zwar sei es korrekt, dass durch die Perforation der Harnblase bei der TUR-B Tumorzellen freigesetzt werden könnten. Vom zeitlichen Ablauf im konkreten Fall sei es allerdings als sehr unwahrscheinlich zu sehen, dass diese Zellen für die Metastasierung verantwortlich seien, da bereits im PET-CT vom 21.07.2014 multiple Lebermetastasen und größenprogrediente Lymphknotenmetastasen festgestellt worden seien. Auch ändere die komplette Entfernung des Schleimhautmelanoms nichts an der sehr hohen Metastasierungsfrequenz. Das anorektale Schleimhautmelanom weise überdies nach der aktuellen Literatur (Verweis auf M.V. Heppt et al. European Journal of Cancer 81 [2017] 36-44) die schlechteste Prognose von Schleimhautmelanomen auf. Ob das Harnblasenkarzinom vor dem Schleimhautmelanom bestanden habe, könne nicht sicher bestätigt werden. Jedenfalls sei es als Zufallsbefund bei der Resektion des Harnblasenkarzinoms entdeckt worden. Ein Nachweis dafür, dass das Schleimhautmelanom als Folge des Harnblasenkarzinoms entstanden sei, existiere nicht.
Mit Urteil vom 02.12.2020 hat das SG die Klage in erster Linie gestützt auf das Sachverständigengutachten des F1, das Gutachten des B2 und die Einschätzung des S3 (Universitätsklinikum T2) in seinem Arztbrief vom 04.07.2014 abgewiesen. Weder sei das Schleimhautmelanom mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit Folge der BK, noch bestehe ein höherer Renten- oder ein Hinterbliebenenrentenanspruch. Der Sachverständige F1 habe überzeugend ausgeführt, dass nicht nur ein direkter Zusammenhang zwischen dem Harnblasenkarzinom und dem Schleimhautmelanom nicht feststellbar, sondern bereits unklar sei, welcher Tumor zuerst vorhanden gewesen sei. Zwar begünstige eine Karzinomerkrankung grundsätzlich die Entstehung eines Zweittumors, eine weitere nachgewiesene Ursache für Zweittumore könne jedoch auch der langjährige Nikotinabusus des Versicherten sein, der mit einem erhöhten Blasenkrebsrisiko einhergehe, nicht jedoch mit einem erhöhten Risiko für Schleimhautmelanome assoziiert sei. Insgesamt sei die Evidenzlage für Risikofaktoren für die Entwicklung von Schleimhautmelanomen aufgrund ihrer Seltenheit sehr dünn. Jedenfalls sei nicht mit der erforderlichen Sicherheit nachweisbar, dass das Schleimhautmelanom Folge des Harnblasenkarzinoms gewesen sei. Dies sei lediglich ebenso möglich, wie das Harnblasenkarzinom Folge des Schleimhautmelanoms sein könne oder beide Erkrankungen voneinander unabhängig entstanden sein könnten. Auch komme eine höhere MdE als 60 v.H. nicht in Betracht. Die MdE richte sich vorwiegend nach den Tumorstadien, dem Malignitätsgrad und der daraus erwachsenen psychischen Belastung. Nach der unfallmedizinischen Literatur (Hinweis auf Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017, S. 1186 ff.) sei ein Harnblasenkarzinom mit der beim Versicherten vorliegenden Tumorklassifikation Stadium 1, G 3 für die ersten zwei Jahre nach Diagnosestellung mit einer MdE von 60 v.H. einzuschätzen. Die von der Beklagten zugrunde gelegte MdE sei daher nicht zu beanstanden. Es bestehe auch kein Anspruch der Klägerin auf Hinterbliebenenrente, da nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit feststellbar sei, dass der Tod des Versicherten infolge der BK eingetreten sei, sondern vielmehr wahrscheinlich auf das metastasierte Schleimhautmelanom zurückzuführen sei. Diese Einschätzung habe S3 bereits in seinem Arztbrief vom 04.07.2014 verlautbart. Zwar sei eine histologische Untersuchung der Metastasen nicht erfolgt, so dass letztlich nicht mehr festgestellt werden könne, welcher Krebs tatsächlich metastasiert habe und damit todesursächlich gewesen sei. Doch habe auch F1 nachvollziehbar ausgeführt, dass die Metastasierung mit Wahrscheinlichkeit von dem Melanom ausgegangen sei, weil dieses eine höhere Wachstumsdynamik und ein aggressiveres Verhalten aufweise. Hierfür sprächen auch das Auftreten eines Lokalrezidivs und die rasche Ausdehnung der Metastasierung. Demgegenüber sei es eher unwahrscheinlich, dass die bereits am 21.07.2014 dokumentierte multiple Metastasierung von Leber und Lymphknoten durch im Rahmen der Durchstechung der Harnblase möglicherweise ausgetretene Tumorzellen erfolgt sei. Zudem weise das anorektale Schleimhautmelanom die schlechteste Prognose aller Schleimhautmelanome auf mit einer 5-Jahres-Überlebensrrate von lediglich 6 - 22 %, während bei einem Harnblasentumor die Überlebensrate bei 88 % liege. Somit sei es lediglich möglich, dass die den Tod des Versicherten verursachenden Metastasen auf das Harnblasenkarzinom zurückzuführen seien. Hinreichend wahrscheinlich sei dies jedoch nicht.
Gegen das - ihrer damaligen Prozessbevollmächtigten am 29.04.2021 zugestellte - Urteil hat die Klägerin am 05.05.2021 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Aus den Leitlinien Version 2.0 für Harnblasenkarzinome von März 2020 ergebe sich, dass dieses trotz neu entwickelter diagnostischer und operativer Verfahren durch seine Aggressivität in Bezug auf die Rezidiv- und Progressionshäufigkeit imponiere und die mediane Gesamtüberlebenszeit des unbehandelten metastasierten Urothelkarzinoms weniger als sechs Monate betrage. Die Leitlinien seien von B2 und dem Sachverständigen F1 nicht in ihre Erwägungen einbezogen worden, weshalb deren Gutachten schon aus diesem Grunde nicht Grundlage der Entscheidung sein könnten. Infolge des Durchstechens der Harnblase seien G3- und high grade-Tumorzellen in den Bauchraum des Versicherten gelangt, was die Gutachter bestätigt hätten. Hierdurch hätten sich Metastasen überall manifestieren können. Aus dem Histologiebefund des Versicherten ergebe sich ebenso wie aus dem Tumorprotokoll, dass es sich um einen „invasiv anmutenden Blasentumor“ gehandelt habe. Es sei unklar, ob auch B2 alle Unterlagen, die ein Austreten von proliferativen Tumoren belegten, zum Zeitpunkt seiner Begutachtung zur Verfügung gestanden hätten. F1 hätten diese Unterlagen jedenfalls zur Verfügung gestanden. Es liege auch kein histologischer Beleg dafür vor, dass die Metastasen auf das Melanom zurückzuführen seien. Daher sei auch die seitens der den Versicherten im Universitätsklinikum T2 behandelnden Ärzte geäußerte Auffassung, die Metastasen könnten „am ehesten“ auf das Melanom zurückgeführt werden, anzuzweifeln. Auch sei es im Rahmen der histologischen Untersuchungen noch zu Lebzeiten des Versicherten zu „erheblichen Differenzen“ zwischen dem M3 (gemeint: B1) und dem S1 gekommen. M3 (gemeint: B1) habe als Tumorformel pT4, V0, L0, Nx, R0, M1 beschrieben, wohingegen S1 behauptet habe, diese laute pT4b, V0, L0, N2c, Mx, R0. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb S1 als nicht für histologische Befunde zuständiger Dermatologe den aus ihrer (der Klägerin) Sicht richtigen histologischen Befund (pT4, V0, Nx, R0, M1) ändere. Die Klassifikation pT4b würde bedeuten, dass das Melanom nicht lokal begrenzt gewesen sei, sondern schon in mehrere Körperregionen in Form von Metastasen gestreut habe. Tatsächlich sei es jedoch lokal begrenzt gewesen, was M3 (gemeint: B1) mit der Klassifikation pT4 richtig beurteilt habe. Die Gutachter hätten ihre Einschätzung jedoch auf die falsche pT4b-Klassifikation gestützt und behauptet, der Versicherte sei nur noch palliativ behandelt worden. Daher sei von Amts wegen ein weiteres Sachverständigengutachten einzuholen, zumal es sich bei dem streitgegenständlichen Melanom nach wissenschaftlichen Erkenntnissen um das seltenste anorektale Melanom handele. Sie hat zudem behauptet, die Beklagte habe in pflichtwidriger Weise den „gesetzlich relevanten Entlassbrief“ nicht angefordert und sie damit in Beweisnot gebracht. Zudem hat sie unter Verweis auf das „epidemiologische Register NRW“ sowie den „BGFA Report 3“ ausgeführt, dass das Melanom eindeutig nach dem Harnblasenkrebs entstanden sei.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 02.12.2020 und die Bescheide der Beklagten vom 26.02.2015, 07.01.2016 und 21.06.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.12.2016 abzuändern und die Beklagte zu verpflichten, ihr als Rechtsnachfolgerin des verstorbenen D2 für den Zeitraum vom 20.02.2014 bis 31.05.2015 eine Rente nach einer MdE von 100 v.H. zu gewähren, die Melanomerkrankung als Folge der Berufskrankheit anzuerkennen und ihr eine Hinterbliebenenrente in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie beruft sich auf den Inhalt der Akten sowie die Ausführungen des SG in seinem Urteil vom 02.12.2020.
Der Senat hat von Amts wegen ein (weiteres) Sachverständigengutachten nach Aktenlage bei der u.a. Sektionsleiterin der Universitätshautklinik H1 H2 eingeholt (S. 49 ff. Senatsakte). H2 hat ausgeführt, dass sehr viele Fakten und Befunde (wissenschaftliche Erkenntnisse, Größe und Tumorklassifikation des Melanoms, stetiger Anstieg des für das Melanom typischen Tumormarkers S100) dafür sprächen, dass die Metastasen durch das Schleimhautmelanom hervorgerufen worden seien, auch wenn dies nicht histologisch gesichert sei. Ihrer Einschätzung nach sei es höchstwahrscheinlich, dass der Versicherte an einem metastasierten Schleimhautmelanom verstorben sei. Bei anorektalen Schleimhautmelanomen handele es sich überdies um eine äußerst kleine Gruppe maligner Melanome unklarer Ätiologie mit infauster Prognose. Berichte über eine berufliche Verursachung oder Verschlimmerung durch bestimmte Substanzen gebe es nicht, weshalb die Berufstätigkeit des Versicherten sicher nicht ursächlich oder verschlimmernd für die Todesursache gewesen sei.
Die ehemalige Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat im Rahmen der mündlichen Anhörung vom 29.02.2024 (S. 60 ff. Senatsakte) einen Antrag auf Begutachtung gem. § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gestellt, an dem die Klägerin nach - auf einer Mandatsentziehung beruhenden (S. 95 Senatsakte) - Mandatsniederlegung ihrer Prozessbevollmächtigten nicht mehr festgehalten hat (S. 108 Senatsakte).
Die Klägerin persönlich hat mit Schriftsatz vom 08.03.2024 (S. 71 ff. Senatsakte) u.a. Einwendungen gegen das Sachverständigengutachten der H2 erhoben, weitere Ausführungen gemacht und behauptet, das Harnblasenkarzinom des Versicherten sei nicht leitliniengerecht behandelt worden, was zu einer Verschlimmerung geführt habe. Dies sei dem Gutachter B2 seitens der Beklagten „pflichtwidrig“ verschwiegen worden. Darüber hinaus habe die Beklagte zu Unrecht den 31.08.1984 als letzten Tag der gefährdenden Tätigkeit angesetzt, da der Versicherte auch bei der Firma E1 GmbH und den Vorgängerunternehmen noch giftigen Stoffen ausgesetzt gewesen sei, insbesondere im Rahmen seiner Tätigkeit in Asien, was gemeinhin bekannt sei und durch deutsche Umwelt- und Textilverbände nachgewiesen worden sei. Deshalb müsse die Einwirkzeit bis 1997 anerkannt werden.
Die Beteiligten wurden mit gerichtlicher Verfügung vom 25.06.2024 - der Beklagten am 25.06.2024 und der Klägerin am 26.06.2024 zugestellt (S. 102 und 105 Senatsakte) - unter Setzung einer Stellungnahmefrist bis zum 26.07.2024 zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss gem. § 153 Abs. 4 SGG angehört (S. 100 f. Senatsakte). Die Klägerin hat daraufhin ihre bisherigen Einwendungen und Behauptungen wiederholt und vertieft (S. 106 ff. Senatsakte).
Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Prozessakten erster und zweiter Instanz verwiesen.
II.
Der Senat entscheidet über die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte und nach den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung der Klägerin nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Im Rahmen der Stellungnahmefrist hat die Klägerin lediglich ihre bisherigen, dem Senat bereits bekannten Einwendungen und Behauptungen wiederholt und keine neuen Argumente vorgebracht, so dass der Senat keine Veranlassung sieht, von der den Beteiligten angekündigten Entscheidungsweise (Beschluss gem. § 153 Abs. 4 SGG) abzurücken.
Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens sind die Bescheide der Beklagten vom 26.02.2015, 07.01.2016 und 21.06.2016 jeweils in der Gestalt (§ 95 SGG) des Widerspruchsbescheids vom 22.12.2016, allerdings - nach einer Beschränkung des Streitgegenstandes durch die Klägerin - nur insoweit, als die Beklagte - jedenfalls im Bescheid vom 07.01.2016 (Verfügungssatz 1) - lediglich das Harnblasenkarzinom pT1, G3 und einen Z.n. transurethraler Entfernung des Harnblasentumors im Februar 2014 und nicht auch die Melanomerkrankung als Folge der BK 1301 anerkannt, eine Verletztenrente bis zum Ablauf des Monats, in dem der Versicherte verstorben ist (sog. Lebzeitenrente) nach einer MdE von 60 v.H. - Bescheid vom 26.02.2015 (Verfügungssatz 2) und Bescheid vom 21.06.2016 - gewährt, einen Anspruch auf Hinterbliebenenrente abgelehnt - Bescheid vom 07.01.2016 (Verfügungssatz 1) - und zur Berechnung der Leistungsansprüche lediglich einen JAV von 36.813,02 € - Bescheid vom 21.06.2016 - zugrunde gelegt hat. Weitere Ansprüche hat die Klägerin nicht geltend gemacht.
Die hier vorliegende Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (§§ 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 i.V.m. § 56 SGG) ist zulässig. Mit der Anfechtungsklage begehrt die Klägerin die Abänderung der Bescheide vom 26.02.2015, 07.01.2016 und 21.06.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.12.2016, mit der Verpflichtungsklage begehrt sie die Verpflichtung der Beklagten, die Melanomerkrankung als Folge der BK anzuerkennen, und mit der Leistungsklage begehrt sie, ihr eine Verletztenrente nach einer MdE von 100 v.H. sowie eine Hinterbliebenenrente in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Die Klägerin ist als Sonderrechtsnachfolgerin (§ 56 Abs.1 Satz 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch
- SGB I -) des Versicherten sowohl für die Geltendmachung einer höheren Verletztenrente als auch für die Verpflichtung der Beklagten, die Melanomerkrankung als Folge der BK anzuerkennen, aktiv legitimiert. Als Ehegattin des Versicherten lebte sie zum Zeitpunkt seines Todes mit ihm in einem gemeinsamen Haushalt. Zwar bezieht sich § 56 Abs. 1 SGB I allein auf fällige Ansprüche auf laufende Geldleistungen, was für eine kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage nicht ohne Weiteres zu bejahen ist. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG - (Urteile vom 05.02.2008, B 2 U 18/06 R, und vom 12.01.2010, B 2 U 21/08 R) ist von einer Sonderrechtsnachfolge nach § 56 Abs. 1 SGB I aber selbst bei einer Feststellungsklage auszugehen, wenn aus der begehrten Feststellung Ansprüche auf (übergegangene) Geldleistungen erwachsen können; nichts Anderes kann für die Verpflichtungsklage gelten. Insoweit ist der Begriff der „Fälligkeit“ in der Weise zu handhaben, dass bereits das Entstehen des Rechtsanspruchs dem Grunde nach für die Erfüllung dieses Tatbestandsmerkmals ausreicht (s. auch Senatsurteile vom 18.10.2012, L 10 U 2542/11 und vom 23.06.2022, L 10 U 1984/21, nicht veröffentlicht). Die Aktivlegitimation der Klägerin für die Geltendmachung einer Hinterbliebenenrente ergibt sich bereits aus § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII).
Das SG hat in den Gründen der angefochtenen Entscheidung die rechtlichen Grundlagen und Maßstäbe für die erhobenen Ansprüche (namentlich Anerkennung der Melanomerkrankung als BK-Folge, höhere Verletztenrente gem. § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII, Hinterbliebenenrente gem. § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Satz 2, 65 Abs. 1 und 2 SGB VII) zutreffend dargelegt und gestützt insbesondere auf das Sachverständigengutachten und die ergänzenden Stellungnahmen des F1, die - urkundsbeweislich verwertbaren - Gutachten des B2 und die Einschätzung des S3 ebenso zutreffend im Einzelnen begründet, dass weder die Melanomerkrankung des Versicherten BK-Folge ist, noch der Klägerin (als Rechtsnachfolgerin des Versicherten) eine höhere Verletztenrente als nach einer MdE von 60 v.H. und ihr (aus eigenem Recht) auch keine Hinterbliebenenrente zusteht. Der Senat sieht daher gemäß § 153 Abs. 2 SGG insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.
Zudem weist der Senat in Bezug auf die Höhe der Verletztenrente darauf hin, dass auch nach der - vom Senat seiner Rechtsprechung regelmäßig zugrunde gelegten - aktuellen unfallmedizinischen Literatur (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 10. Aufl., 2024, S. 1314 und 1075 ff.) eine höhere MdE als 60 v.H. nicht in Betracht kommt. Nach diesen aktuellen Erkenntnissen kommt es bei der Bewertung der MdE nicht mehr - wie noch in der seitens des SG zugrunde gelegten Vorauflage (Schönberger/Mehrtens/Valentin, 9. Aufl., 2017, S. 1186 ff.) - darauf an, welches Tumorstadium beim Harnblasenkarzinom bestanden hat, sondern ausschließlich auf die Funktionseinschränkungen, die damit einhergehen. Danach ist eine höhere MdE als 60 v.H. nur dann zu vergeben, wenn es zu einer Harnblasenentleerungsstörung, insbesondere neurogenen Entleerungsstörungen mit drohender Dekompensation mit Katheterismus + Ach/Brindley mit zusätzlich einer Komplikationskategorie 2 (irreversibler Sekundärschäden der Blasenwand wie z.B. low compliance „Christbaumblase“, rezidivierende Konkrementbildung, Niederdruckreflux, nicht therapierbarer Hochdruckreflux, Stauung oberer Harntrakt, rezidivierende Entzündungen parenchymatöser Organe des Urogenitaltraktes, hochgradige Inkontinenz ohne adäquate Versorgungs- und Behandlungsmöglichkeit, autonome Dysreflexie) oder zusätzlich einer Blasenaugmentation oder Pouchblase oder Ileumkonduit oder wenn es zu einer chronischen Harnblasenentzündung mit Ausbildung einer Schrumpfblase (Fassungsvermögen < 100 ml, Blasentenesmen), einer völligen Harninkontinenz oder Harnableitungen (Harnleiter-Hautfistel, Harnleiter-Darm-Anastomose, Harnableitung über Stoma, Neo-Blase) gekommen ist. Derartige Funktionsstörungen haben beim Versicherten jedoch nicht vorgelegen. Vielmehr ist die Miktion auch nach den Eingriffen im Bereich der Harnblase unauffällig gewesen.
Auch die vom Senat durchgeführte weitere medizinische Sachaufklärung in Form von Einholung des Sachverständigengutachtens der H2 hat weder dazu geführt, ihn davon zu überzeugen, dass die Melanomerkrankung Folge der BK 1301 ist, noch, dass der Tod des Versicherten ursächlich auf die Folgen der BK zurückzuführen ist.
H2 hat in ihrem Sachverständigengutachten für den Senat schlüssig und nachvollziehbar ausgeführt, dass es sich bei den anorektalen Schleimhautmelanomen um eine äußerst kleine Gruppe maligner Melanome unklarer Ätiologie mit infauster Prognose handelt und - unter Verweis auf eine aktuelle Pubmed-Recherche - keine Berichte über eine berufliche Verursachung oder Verschlimmerung dieser Erkrankung durch bestimmte Substanzen existieren, weshalb sie - ebenso wie B2 und F1 - eine berufliche Verursachung - sowohl unmittelbar als auch mittelbar - ausgeschlossen hat.
Darüber hinaus hat H2 - ebenso schlüssig und nachvollziehbar - herausgearbeitet, dass sehr viele Fakten und Befunde dafür sprechen, dass die Metastasen durch das (nicht bk-bedingte) Schleimhautmelanom hervorgerufen worden sind, auch wenn dies nicht histologisch gesichert worden ist. So ist das Schleimhautmelanom nicht nur ausgesprochen groß (2,5 x 3 cm) gewesen, sondern hat mit pT4b auch die höchste Tumorklassifikation erhalten, was für eine hohe Aggressivität des Melanoms spricht. Bereits im Tumorboardbeschluss vom 23.07.2014 haben die behandelnden Ärzte daher die Behandlung des Urothelkarzinoms zurückgestellt und die Behandlung des Melanoms in den Vordergrund gerückt. H2 hat zudem darauf hingewiesen, dass die multiplen hepatischen Metastasen und die iliakalen Lymphknoten-Metastasen sehr typisch für ein metastasiertes Melanom sind und der in Melanomen - und gerade nicht in Blasenkarzinomen - regelhaft exprimierte Tumormarker S100 auch beim Versicherten bereits in dem Pathologiebericht vom 17.03.2014 erhöht gewesen ist und zuletzt (im März 2015) 17,190 µg/l betragen hat (s. AID 145/1 ff. VA), was auf ein ausgedehntes metastasiertes Melanom hinweist. Diese Befunde sprechen - laut der Einschätzung der H2 - in hohem Maße dafür, dass der Versicherte auch an den durch das (nicht bk-bedingte) Schleimhautmelanom hervorgerufenen Metastasen und gerade nicht an dem Harnblasenkarzinom verstorben ist. Auch insoweit bestätigt H2 die Einschätzungen von B2 und F1.
Hieran ändert auch die Behauptung der Klägerin - unter Verweis auf die Leitlinien Version 2.0 für Harnblasenkarzinome von März 2020 - nichts, das Harnblasenkarzinom sei hochaggressiv gewesen und zudem nicht (richtig) behandelt worden, so dass es ebenfalls weiter fortgeschritten und nicht minder gefährlich als das Melanom gewesen sei. Denn selbst wenn diese Behauptung abstrakt zutreffen sollte, liegen im hier konkreten Einzelfall keine objektiven Befunde vor, die diese Annahme stützen. Zwar haben die behandelnden Ärzte nach der Diagnose des Melanoms ausdrücklich die Weiterbehandlung des Harnblasenkarzinoms einstweilen zurückgestellt - freilich ohne diese gänzlich eingestellt zu haben -, dies jedoch einzig aus dem Grund, um sich auf die Behandlung des aus ihrer Sicht sehr viel aggressiveren und bereits metastasierenden Melanoms konzentrieren zu können. Allein der Umstand, dass ein (unbehandeltes) Harnblasenkarzinom abstrakt in der Lage ist zu metastasieren und in der Folge zum Tode zu führen, bedeutet nicht, dass dies auch im konkreten Einzelfall überwiegend wahrscheinlich gewesen ist. Gleiches gilt für den Umstand, dass das Durchstechen der Harnblase - wie beim Versicherten erfolgt - abstrakt geeignet ist, Tumorzellen freizusetzen und eine Metastasierung hervorzurufen. Auch in diesem Fall bleibt ein Kausalzusammenhang zwischen dem Harnblasenkarzinom und der zum Tode führenden Metastasierung - worauf F1 zutreffend hingewiesen hat - lediglich möglich, nicht jedoch überwiegend wahrscheinlich.
Auch die Behauptung der Klägerin, es sei noch zu Lebzeiten des Versicherten zu „erheblichen Differenzen“ zwischen M3 (richtig: B1) und S1 in Bezug auf die Einschätzung der Aggressivität des Melanoms gekommen - diese habe tatsächlich bei „pT4“ und nicht wie später korrigiert bei „pT4b“ gelegen -, ändert hieran nichts. Zum einen vermag der Senat schon nicht nachzuvollziehen, aufgrund welcher medizinischer Expertise die Klägerin die Korrektur der Tumorformel nach telefonischer Rücksprache und Diskussion zwischen B1 und S1 am 10.07.2014 sowie Diskussion des Falles im Derma-Board des CCCU (C2 U1) am 11.07.2014 anzweifelt und aufgrund welcher Umstände sie davon ausgeht, es sei hier zu „erheblichen Differenzen“ gekommen. Der Senat hat jedenfalls keine Anhaltspunkte dafür, dass diese Korrektur, die im Hinblick auf die Abklatschmetastase bei 3 Uhr (Pos. II.) erfolgt ist („Definitiv liegt hier Tumor vor. Nach erneuter Diskussion ist dieser als ein Satellit zu werten [laut TNM innerhalb eines Abstands von 2 cm vom Primärtumor bzw. als in-Transit-Metastase, die mehr als 2 cm vom Primärtumor entfernt ist, aber nicht jenseits des regionären Lymphknotens gelegen ist]“), fehlerhaft erfolgt sein könnte. Im Übrigen würde auch eine geringere Aggressivität des Melanoms von lediglich „pT4“ nicht zum Nachweis führen, dass die zum Tode des Versicherten führenden Metastasen durch das (bk-bedingte) Harnblasenkarzinom und gerade nicht auf das (bk-unabhängige) anorektale Schleimhautmelanom zurückzuführen sind.
Im Übrigen führt auch der Vorwurf der Klägerin, die Beklagte habe es in „pflichtwidriger Weise“ unterlassen, den „gesetzlich relevanten Entlassbrief“ des Universitätsklinikums U1 anzufordern, und sie (die Klägerin) damit in Beweisnot gebracht, weder zum Nachweis eines Kausalzusammenhangs zwischen der Entstehung des Melanoms und der anerkannten BK 1301, noch zwischen dem Tod des Versicherten und der anerkannten BK 1301. Im Übrigen hat der Senat auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte Befundunterlagen pflichtwidrig nicht beigezogen hat und die Aktenlage zum Zeitpunkt der Erstellung des Gutachtens des B2 vom 31.08.2015 bzw. der Sachverständigengutachten des F1 vom 16.06.2017 und seiner ergänzenden Stellungnahmen sowie der H2 vom 11.12.2023 unvollständig gewesen ist.
Auch der Verweis der Klägerin auf das „epidemiologische Register NRW“ und den „BGFA Report 3“ überzeugen den Senat nicht davon, dass das Melanom ursächlich auf die BK 1301 zurückzuführen ist. Zum einem wird im „BGFA Report 3“ ein anorektales Schleimhautmelanom als durch ein Harnblasenkarzinom hervorgerufener Zweittumor nicht einmal auch nur erwähnt. Zudem ist für den Senat schon nicht ersichtlich, aus welchen Ausführungen im „epidemiologischen Register NRW“ die Klägerin einen Beleg für ihre Auffassung sehen will. Zum anderen gilt auch hier wiederum, dass die grundsätzlich abstrakte Möglichkeit, dass das Melanom durch das Harnblasenkarzinom entstanden sein könnte, nicht ausreicht, um auch im konkreten Einzelfall einen Kausalzusammenhang herzustellen.
Letztlich ist es im Rahmen des vorliegenden Verfahrens auch unerheblich und vom Senat nicht zu entscheiden, ob das Harnblasenkarzinom leitliniengerecht behandelt worden ist, was die Klägerin bestreitet. Denn selbst wenn dies nicht der Fall gewesen sein sollte - wovon der Senat jedoch in Anbetracht der während der Blasenresektion am 01.03.2014 festgestellten Melanomerkrankung nicht ausgeht -, würde auch dies nicht per se zu der Annahme führen, dass die zum Tode des Versicherten führenden Metastasen kausal auf das Harnblasenkarzinom zurückzuführen sind. Auch eine behauptete Falschbehandlung führt nicht zu einer Beweiserleichterung zugunsten der Klägerin.
Der Klägerin steht als Rechtsnachfolgerin des Versicherten auch keine höhere Verletztenrente aufgrund eines höheren als seitens der Beklagten zugrunde gelegten JAVs zu. Die Beklagte hat vorliegend zu Recht den (angepassten) JAV-Höchstbetrag - vom 20.01.2014 bis 30.06.2014 in Höhe von 58.055,37 € und vom 01.07.2014 bis 31.05.2015 in Höhe von 59.024,89 € (s. AID 228/3 VA); unangepasst beträgt der damalige JAV-Höchstbetrag 72.000,- DM bzw. 36.813,02 € (s. AID 228/1 VA) - zugrunde gelegt, der in den letzten 12 Monaten vor der Aufgabe der Tätigkeit bei der Firma L1 W1, in L2, am 31.08.1984 gegolten hat. Denn der Senat ist nicht davon überzeugt, dass der Versicherte auch nach August 1984 im Rahmen seiner Tätigkeit bei der Firma E1 GmbH, L3, und deren Vorgängerunternehmen (weiterhin) noch aromatischen Aminen im Sinne der BK 1301 ausgesetzt gewesen ist. Seine Zweifel stützt der Senat auf die Ermittlungsergebnisse des Präventionsdienstes der BG RCI, wonach die von ihm befragten ehemaligen Arbeitskollegen des Versicherten (Herren N1 und S2, Frau K1) sowie der Leiter „EHS“ (Herr M2) eine Exposition des Versicherten gegenüber aromatischen Aminen im Rahmen seiner Tätigkeit bei der Firma E1 GmbH, L3, und deren Vorgängerunternehmen weder im In- noch im Ausland bestätigen konnten. Auch hier gilt, dass allein die abstrakte Erkenntnis, dass jedenfalls von September 1984 bis zum Eintritt in den Ruhestand des Versicherten in den von ihm im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit bereisten Ländern aromatische Amine noch zum Einsatz gekommen sind, nicht gleichzeitig konkret belegt, dass auch der Versicherte in diesem Zeitraum noch Kontakt zu diesen Stoffen gehabt hat. Um einen späteren als den im August 1984 geltenden Höchst-JAV zugrunde zu legen, ist jedoch der Vollbeweis einer auch nach August 1984 stattgehabten Exposition gegenüber aromatischen Aminen erforderlich. Dieser liegt hier jedoch nicht vor, was (wiederum) zu Lasten der Klägerin geht.
Weitere Ermittlungen von Amts wegen hält der Senat nicht für angezeigt, da der Sachverhalt sowohl medizinisch - durch die Beklagte, das SG und den erkennenden Senat - durch die Einholung von insgesamt vier Gutachten und mehreren ergänzenden Stellungnahmen als auch in Bezug auf das Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen durch die Einholung mehrerer Stellungnahmen des Präventionsdienstes seitens der Beklagten umfassend aufgeklärt worden ist. Einen konkreten Anlass, weitere medizinische und/oder arbeitstechnische Ermittlungen durchzuführen, sieht der Senat nicht. Ein solcher ergibt sich auch nicht aus dem seitens der Klägerin in ihrem Schreiben vom 15.07.2024 verlautbarten Begehren, die Beklagte anzuweisen, die von ihr (der Klägerin) in ihrem Schreiben vom 08.03.2024 „genannten unvollständigen Ermittlungsschritte vollständig und gründlich bis zum 20.08.2024 durchzuführen“. Hierbei handelt es sich schon nicht um einen konkreten Beweisantrag, da sich auch aus dem Schreiben vom 08.03.2024 nicht ergibt, welche konkreten Ermittlungen zum Beweis welcher Tatsachen durchgeführt werden sollen. Vielmehr beruft sich die Klägerin in dem Schreiben vom 08.03.2024 u.a. ohne erkennbare eigene medizinische Sachkunde (erneut) auf medizinische Veröffentlichungen, die - ihrer Auffassung nach - belegten, dass der Versicherte letztlich an den Folgen des Harnblasenkarzinoms verstorben sei, spekuliert darüber, dass den Gutachtern medizinische Unterlagen nicht vorgelegen hätten bzw. diese von einem falschen Sachverhalt ausgegangen seien, wirft den den Versicherten im Universitätsklinikum U1 behandelnden Ärzte unterlassene Hilfeleistung und Falschbehandlung vor und behauptet erneut unter bloßer Berufung auf Textil- und Umweltverbände, dass der Versicherte auch nach 1984 noch gegenüber aromatischen Aminen exponiert gewesen sei. Diese Ausführungen veranlassen den Senat nicht zu weiteren Ermittlungen, zumal er zu bloßen Ermittlungen ins Blaue hinein nicht verpflichtet ist (Bundesverfassungsgericht - BVerfG - 09.10.2007, 2 BvR 1268/03; BSG 28.02.2018, B 13 R 279/16 B; 17.10.2018, B 9 V 20/18 B). An dem seitens ihrer vormaligen Prozessbevollmächtigten gestellten Antrag gem. § 109 SGG hat die Klägerin ausdrücklich nicht mehr festgehalten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10.
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 3 U 235/17
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 1617/21
Datum
3. Instanz
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Aktenzeichen
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Datum
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Kategorie
Beschluss
Rechtskraft
Aus
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