Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 24. April 2024 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Der Kläger wendet sich gegen die Rückforderung von Beitragszuschüssen zu einer freiwilligen gesetzlichen Krankenversicherung (KV) und gegen eine rückwirkende Veranlagung zu Beiträgen für eine Pflichtversicherung in der KV und der sozialen Pflegeversicherung (PV).
Er ist im Jahre 1959 geboren und war langjährig im Bergbau unter Tage beschäftigt. Seit Januar 2010 bezog er Rente für Bergleute. Am 28.09.2015 beantragte er bei der Beklagten Knappschaftsausgleichsleistung, ferner am 13.11.2015 ausdrücklich (Vordruck R0820) einen Zuschuss zu einer freiwilligen KV bei der Krankenkasse der Knappschaft. In diesem Antragsformular kreuzte er bei der Frage nach dem Bestehen einer Versicherungspflicht in der KV (Nr. 4) weder Ja noch Nein an. Ferner verpflichtete er sich (Nr. 7c), den Beginn einer Versicherungspflicht in der gesetzlichen KV unverzüglich der Beklagten anzuzeigen. Mit Bescheid vom 17.11.2015 bewilligte ihm die Beklagte ab dem 01.01.2016 Knappschaftsausgleichsleistung von € 2.540,05 monatlich, dazu einen Zuschuss zu seinen Beiträgen zur KV von € 185,43 monatlich. Die Knappschaftsausgleichsleistung und den Zuschuss bezog der Kläger bis zum 31.12.2019, zuletzt (Änderungsbescheid vom 16.11.2018) in Höhe von € 2.864,31 und € 209,10 monatlich.
Mit Bescheid vom 11.11.2019 bewilligte die Beklagte dem Kläger auf seinen Antrag vom 04.11.2019 hin (der nicht bei den übersandten Verwaltungsakten liegt) ab dem 01.01.2020 statt der Knappschaftsausgleichsleistung Altersrente für langjährig unter Tage beschäftigte Bergleute (monatlicher Zahlbetrag anfangs € 3.663,30). Ferner wurde ihm weiterhin ein Zuschuss zur freiwilligen KV bewilligt (anfangs € 287,57). Mit Änderungsbescheid vom 15.02.2021 wurden die Zahlbeträge ab 01.03.2021 auf € 3.789,65 und € 306,96 erhöht.
Am 08.07.2021 meldete die Krankenkasse der Knappschaft der Beklagten maschinell, dass für den Kläger bei ihr bereits seit 01.01.2016 eine gesetzliche Pflichtversicherung in der KV der Rentner (KVdR) und der sozialen PV bestand (vgl. Telefonvermerk vom 14.07.2021).
Nach vorheriger Anhörung erließ die Beklagte die Bescheide vom 15. und 16.07.2021.
Mit dem Bescheid vom 15.07.2021 wurde die Knappschaftsausgleichsleistung rückwirkend ab dem 01.01.2017 neu festgesetzt. Dabei wurde die Bewilligung des Zuschusses zu einer freiwilligen KV auf der Grundlage des § 108 Abs. 2 SGB VI aufgehoben. Es ergab sich insoweit eine Überzahlung von € 7.619,28. Ferner wurden für die Zeit des Bezugs der Knappschaftsausgleichsleistung Pflichtbeiträge zur KV und PV in Höhe von zusammen € 11.250,93 festgesetzt und von dem Kläger nachgefordert (Hinweis auf § 255 Abs. 2 SGB V). Die Erstattungsforderung der Beklagten betrug danach insgesamt € 18.870,21. Dieser Betrag sei aus der weiterhin zu zahlenden Rente einzubehalten, bis zur Hälfte des Zahlbetrags, es sei denn, der Kläger weise nach, dass er bereits hilfebedürftig sei oder infolge der Aufrechnung hilfebedürftig werde. Die Beklagte führte ergänzend aus, von einer Aufhebung der Bewilligung es Beitragszuschusses und einer Festsetzung von Pflichtbeiträgen für das Jahr 2016 sehe sie wegen Verjährung ab.
Mit dem Bescheid vom 16.07.2021 setzte die Beklagte auch die Altersrente für Bergleute ab dem 01.01.2020 neu fest, hob die Bewilligung des Zuschusses für eine freiwillige KV in dem Bescheid vom 11.11.2019 auf und verfügte stattdessen für die Zukunft monatliche Abführungen an die Pflichtversicherung in der KV und PV. Die Erstattungsforderung für die Zeit vom 01.01.2020 bis zum 31.07.2021 betrage insgesamt € 13.453,07 (€ 5.640,14 Zuschuss zur freiwilligen KV, € 7.812,93 nachträglicher Einbehalt der Pflichtbeiträge). Auch diese Forderung werde sie in den Grenzen des § 51 Abs. 2 SGB I von der laufenden Rente abziehen.
Der Kläger erhob gegen beide Bescheide Widerspruch. Er habe auf den Bestand der Bewilligung vertrauen dürfen und keinen Anlass gehabt, von einer Überzahlung auszugehen.
Mit zwei getrennten Widerspruchsbescheiden vom 13.10.2021 wies die Beklagte die Widersprüche gegen die Bescheide vom 15. und 16.07.2021 zurück. Sie führte unter Verweis auf die maßgeblichen Rechtsgrundlagen aus, ein Vertrauensschutz bestehe nicht. Die Beiträge für das Jahr 2016 würden wegen Verjährung nicht gefordert. Der Nachforderungsbetrag sei in der Anlage „Berechnung der Rente“ zutreffend ermittelt worden. Nach einer Mitteilung der Krankenkasse der Knappschaft stünden keine Beträge zur Verrechnung zur Verfügung. Die Überzahlung sei daher zu erstatten. Auf Verschulden der Beklagten komme es nicht an.
Am 18.10.2021 hat der Kläger gegen beide Widerspruchsbescheide einheitliche Klage zum Sozialgericht Reutlingen erhoben, die mit Beschluss vom 16.11.2021 an das Sozialgericht Freiburg ([SG] Kammer für Knappschaftsangelegenheiten) verwiesen worden ist.
Der Kläger hat vorgetragen, es seien die Vorgaben aus § 45 Abs. 1, Abs. 2 SGB X anzuwenden. Danach bestehe Vertrauensschutz. Die Bewilligungen hätten nicht auf Angaben beruht, die er vorsätzlich oder grob fahrlässig falsch gemacht habe. Er habe auch nicht erkennen können, dass sie rechtswidrig gewesen seien. Da er „auch bei der Knappschaft“ krankenversichert sei, habe er davon habe ausgehen können, dass die Abteilungen (Krankenkasse und Rentenversicherung) miteinander kommunizierten. Er habe mit den jetzt geltend gemachten Forderungen nicht rechnen müssen. Auch sei die Jahresfrist aus § 45 Abs. 4 SGB X verstrichen.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat insbesondere ausgeführt, § 45 SGB X werde hier durch die - in den Bescheiden genannten - speziellen Regelungen verdrängt.
Auf Nachfrage des SG hat die Krankenkasse der Knappschaft am 05.04.2023 mitgeteilt, der frühere Arbeitgeber habe den Kläger am 22.01.2016 mit Wirkung zum 31.12.2015 aus der vorherigen Beschäftigtenversicherung abgemeldet. Mit Schreiben vom 15.03.2016 sei der Kläger als Pflichtmitglied in der KVdR ab dem 01.01.2016 begrüßt worden. Die maschinelle Meldung an die Beklagte sei am 08.07.2021 erfolgt. Nach der beigefügten Bescheinigung mit selbem Datum war die letzte „Beschäftigtenversicherung“ von Januar 2008 bis Dezember 2015 eine freiwillige KV-Versicherung gewesen.
Mit Schriftsatz vom 27.04.2023 bot die Beklagte den Abschluss eines Vergleichs an. Sie werde auf die Rückforderung des Beitragszuschusses für die Zeit der Altersrente für Bergleute in Höhe von € 5.640,14 verzichten, wenn der Kläger die übrigen Erstattungsforderungen akzeptiere und begleiche. Auf Klägerseite bestand mit diesem Vorschlag kein Einverständnis (vgl. auch Protokoll der mündlichen Verhandlung am 24.04.2024).
Mit Urteil vom 24.04.2024 hat das SG die Klage mit beiden Anträgen abgewiesen. Es hat ausgeführt, die Aufhebung der Bewilligung des Zuschusses für eine freiwillige KV in beiden Bescheiden sei nach § 108 Abs. 2 SGB VI rechtens. Insbesondere erfasse diese Norm nicht nur den Beginn einer Pflichtmitgliedschaft in der KV nach der Bewilligung des Zuschusses, hier also die Knappschaftsausgleichsleistung, sondern auch den Fall, dass eine solche Pflichtversicherung bereits bei der Bewilligung des Zuschusses bestehe, hier also bei der Bewilligung der Altersrente für langjährig unter Tage beschäftigte Bergleute. Hilfsweise, so das SG, lägen hier aber auch die Voraussetzungen für eine Aufhebung der Bewilligung aus §§ 45, 48 SGB X vor. Dem Kläger sei zumindest grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen, wenn ihm verborgen geblieben sei, dass er laufend einen Zuschuss zu einer freiwilligen KV erhalten habe, die er gar nicht unterhalten habe. Ferner sei er auf Grund der Hinweise in dem Antrag auf Knappschaftsausgleichsleistung verpflichtet gewesen, den Beginn der Pflichtversicherung von sich aus mitzuteilen. Zur Nachforderung der Beiträge zur Pflichtversicherung in der KV und PV in den beiden Bescheiden hat das SG ausgeführt, auch bei § 255 Abs. 2 Satz 1 SGB V handele es sich um eine vorrangige Spezialregelung ohne einen Ermessensspielraum des Rentenversicherungsträgers.
Der Kläger hat am 27.07.2024 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Trotz zweier Erinnerungen hat er weder einen Antrag gestellt noch die Berufung begründet.
Die Beklagte beantragt (Schriftsatz vom 25.10.2024),
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat am 22.10.2024 Hinweise zur Sach- und Rechtslage gegeben und angekündigt, ggfs. durch Beschluss zu entscheiden. Die Beklagte hat sich mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt, der Kläger hat nicht reagiert.
II.
Der Senat entscheidet nach § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss und daher auch ohne Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter (§ 33 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 12 Abs. 1 Satz 2 SGG). Die Entscheidung ergeht einstimmig. Die Sache weist keine schwierigen Sach- oder Tatsachenfragen auf, die erneut in mündlicher Verhandlung erörtert werden müssten. Die Beteiligten sind zu dieser Verfahrensweise gehört worden, Einwände haben sie nicht erhoben.
Die Berufung ist angesichts der Streitsumme, die deutlich über € 750,00 liegt, statthaft (§§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG) und auch im Übrigen zulässig (§ 151 SGG), aber nicht begründet. Das SG hat die Klage des Klägers zu Recht abgewiesen. Sie ist zwar (als Anfechtungsklage, § 54 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 SGG) statthaft und zulässig, aber nicht begründet. Die Bescheide des Beklagten sind zu Recht ergangen.
Die Beklagte hat die Aufhebung der Bewilligung des Zuschusses zur freiwilligen KV in beiden Bescheiden (15. und 16.07.2021) zu Recht auf § 108 Abs. 2 SGB VI gestützt und sowohl die mit der Knappschaftsausgleichsleistung als auch die mit der Altersrente für langjährig unter Tage beschäftigte Bergleute verbundenen Zuschüsse aus § 106 Abs. 1, Abs. 2 SGB VI zu Recht nach § 50 Abs. 1 SGB X zurückgefordert.
Nach § 108 Abs. 2 Satz 1 SGB VI ist ein Bescheid über die Bewilligung eines Zuschusses zu einer freiwilligen KV aufzuheben, wenn die Voraussetzungen dieses Zuschusses deswegen entfallen sind, weil die (eine) Krankenkasse rückwirkend eine Pflichtmitgliedschaft in der gesetzlichen KV festgestellt hat. Dies gilt nicht für Zeiten, für die freiwillige Beiträge gezahlt wurden, die wegen § 27 Abs. SGB IV nicht erstattet werden. Bei dieser Aufhebungsentscheidung sind nicht anzuwenden die Vorschriften zur Anhörung Beteiligter (§ 24 SGB X), zur Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes (§ 45 SGB X) und zur Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung bei Änderung der Verhältnisse (§ 48 SGB X), vgl. § 108 Abs. 2 Satz 3 SGB VI. In Folge einer solchen Aufhebung sind die gezahlten Zuschüsse zu einer freiwilligen KV nach § 50 Abs. 1 SGB X zurückzuzahlen (in den Grenzen einer Verjährung), wie sich aus der ausdrücklichen Erwähnung dieser Norm in § 108 Abs. 2 Satz 4 SGB VI ergibt (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 28.02.2023 – L 11 R 2066/22 –, Rn. 30, juris).
Diese Vorschrift fragt nicht nach einem Vertrauensschutz des Zuschussempfängers. Auch ein etwaiges (Mit)verschulden des Rentenversicherungsträgers ist irrelevant. Der Gesetzgeber wollte gerade eine rückwirkende Aufhebung erleichtern. In den Gesetzesmaterialien hat er ausgeführt, dass „abweichend von den §§ 45, 48 SGB X […] der Rentenversicherungsträger im Falle der rückwirkenden Feststellung der KV-Pflicht durch die Krankenkasse auch rückwirkend vom Beginn der Pflichtmitgliedschaft an die Bewilligung des Zuschusses zu den Aufwendungen für die freiwillige gesetzliche KV soll aufheben und den Zuschuss soll zurückfordern können“. Ein Ermessen oder eine Vertrauensschutzprüfung ist nicht vorgesehen; es handelt sich um eine gebundene Entscheidung (Böttiger in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, 3. Aufl., § 108 SGB VI, Rn. 36 ff.; ebenso LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 25.02.2022 - L 4 R 3892/20 -, Rn. 27, juris). Die in der Praxis regelmäßig auftretenden Fälle, in denen die Krankenkasse nach Beginn des Zuschusses nach § 106 Abs. 1 SGB VI zwar dem Rentner den Wechsel in die gesetzliche KV (insbesondere der Eintritt in die KVdR) mitgeteilt hat, aber nicht dem Rentenversicherungsträger, sind gerade von § 108 Abs. 2 Satz 1 SGB VI erfasst (Böttiger, a.a.O., Rn. 41).
Der Kläger war bis Ende 2015 freiwilliges Mitglied der gesetzlichen KV, hat die Zuschüsse der Beklagten also zunächst zu Recht bezogen. Insofern hat er, obwohl er die Frage nach dem Bestehen einer Pflichtversicherung in dem Antrag vom 10.11.2015 gar nicht beantwortet hatte, keine Falschangaben gemacht. Jedoch wurde er nachträglich, ab dem 01.01.2016, in eine Pflichtversicherung, nämlich die KVdR, aufgenommen. Hierüber hat ihn die Krankenkasse bei der Knappschaft im März 2016 informiert. Der Beklagten mitgeteilt hat er diese Änderung trotz seiner entsprechenden Verpflichtung aus dem Antrag nicht. Dieser Ablauf ergibt sich aus der Auskunft der Krankenversicherung bei der Knappschaft, die das SG im Klageverfahren beigezogen hat.
Hiernach hat der Kläger den Zuschuss ab dem 01.01.2016 zu Unrecht bezogen. Dass die Beklagte die Aufhebung der Bewilligung und die Erstattungsforderung erst auf den 01.01.2017 gesetzt hat, weil sie eine Verjährung ihrer Ansprüche für die Zeit davor annahm (vgl. § 25 Abs. 1 i.V.m. § 27 Abs. 2 SGB IV), beschwert den Kläger nicht. Es kann daher hier offenbleiben, ob auf Erstattungsforderungen dieser Art die Verjährungsvorschriften überhaupt anwendbar sind (verneinend LSG Baden-Württemberg, a.a.O., Rn. 28 ff., juris).
Auch für die Aufhebung des Zuschusses zur KV für die Altersrente, die erst nach der Entscheidung der Krankenkasse über die Pflichtmitgliedschaft (März 2016) im November 2019 bewilligt worden war, ist § 108 Abs. 2 SGB VI einschlägig. Der Senat tritt der Ansicht des SG bei, dass auch in diesen Fällen die Norm anwendbar ist. Die Vorschrift differenziert nicht danach, ob der Versicherte schon bei Bewilligung des Zuschusses keine Beiträge zur freiwilligen KV gezahlt hat oder ob die Bewilligung erst später rechtswidrig wurde (so Böttiger, a.a.O., Rn. 42). Diese erweiternde Auslegung der Norm wird dadurch gestützt, dass § 108 Abs. 2 Satz 3 SGB VI ausdrücklich auch auf die Vorschriften zur Aufhebung eines Verwaltungsaktes wegen anfänglicher Rechtswidrigkeit („§ 45 des Zehnten Buches“) verweist. Diese Norm betrifft begünstigende Verwaltungsakte, die bereits bei ihrem Erlass rechtswidrig waren. Daraus ist zu schließen, dass diese Fälle auch hier erfasst sein sollen.
Vor dem Hintergrund dieser speziellen Regelungen, die §§ 45 und 48 SGB X verdrängen, aber ihrerseits keinen Vertrauensschutz des Versicherten und keinen Ermessensspielraum des Rentenversicherungsträgers vorsehen, kann der Senat offenlassen, ob auch die Voraussetzungen einer Bewilligungsaufhebung nach den allgemeinen Vorschriften vorgelegen hätten.
Folge der rückwirkenden Aufhebung der Bewilligung ist, dass der Rentner nach § 50 Abs. 1 SGB X den Zuschuss im aufgehobenen Umfang zu erstatten hat. Die Anwendbarkeit dieser Norm wird in § 108 Abs. 2 SGB VI gerade nicht ausgeschlossen.
Auch die nachträgliche Erhebung der Pflichtbeiträge zur KV und PV aus der Knappschaftsausgleichsleistung und der Altersrente für Bergleute ist in den angegriffenen Bescheiden jeweils rechtmäßig vorgenommen worden.
Nach § 255 Abs. 2 Satz 1 SGB V sind die rückständigen Beiträge durch den Rentenversicherungsträger aus der weiterhin zu zahlenden Rente einzubehalten, wenn bei der Zahlung der Rente die Einbehaltung von Pflichtbeiträgen nach § 255 Abs. 1 SGB V unterblieben ist; § 51 Abs. 2 SGB I gilt entsprechend (vgl. Böttiger, a.a.O., Rn. 49). § 60 SGB XI verweist für die Beiträge zur sozialen PV ebenfalls auf § 255 SGB V. Auch hierbei handelt es sich um eine spezielle Regelung, die die allgemeinen Aufhebungs- und Erstattungsvorschriften der §§ 44 ff. SGB X verdrängt (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 28.02.2023 – L 11 R 2066/22 –, Rn. 30, juris). Die Nacherhebung von Beiträgen unterliegt daher keinem Vertrauensschutz des Versicherten (der die bestehende Pflichtversicherung in der KV und der PV ja auch schon in Anspruch genommen haben kann, ohne dafür Beiträge gezahlt zu haben) und keinem Ermessen des Rentenversicherungsträgers (vgl. etwa BSG, Urteil vom 15.06.2000 - B 12 RJ 5/99 R -, Rn. 14, juris).
Die Beklagte konnte auch entscheiden, ihre beiden Ansprüche in Raten aus den weiteren Rentenzahlungen an den Kläger zu befriedigen. Bei dem Anspruch auf Erstattung des Zuschusses zur freiwilligen KV (§ 50 Abs. 1 SGB X i.V.m. § 108 Abs. 2 SGB VI) handelte es sich um eine übliche Aufrechnung, auf die unmittelbar § 51 Abs. 1 und Abs. 2 SGB I anwendbar ist. Für die rückständigen Beiträge zur KV- und PV-Pflichtversicherung sieht § 255 Abs. 2 Satz 1 SGB V ausdrücklich einen „Einbehalt“ vor. Ob es sich hierbei materiell-rechtlich auch um eine Aufrechnung handelt, kann offenbleiben, weil die Norm einen ausdrücklichen Verweis auf § 51 Abs. 2 SGB I enthält. Die Beklagte konnte daher festsetzen, monatlich bis zur Hälfte der Rente des Klägers einzubehalten, um ihre beiden Ansprüche zu befriedigen. § 51 Abs. 2 SGB I erlaubt in diesen Fällen dem Schuldner, geltend zu machen und ggfs. zu beweisen, dass er durch diese Kürzung hilfebedürftig im Sinne des SGB XII würde; in diesem Fall ist der monatliche Einbehalt entsprechend zu kürzen. Der Kläger hat sich hierauf aber nicht berufen; es sind auch sonst keine Anhaltspunkte für eine Hilfebedürftigkeit zu erkennen.
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens folgt aus § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht ersichtlich.
Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 3 R 3434/21
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 2291/24
Datum
3. Instanz
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Aktenzeichen
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Datum
-
Kategorie
Beschluss
Rechtskraft
Aus
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