L 6 AS 74/22

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Darmstadt (HES)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 21 AS 1135/18
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 AS 74/22
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze


Die Bildung des Vergleichsraums auf das Zuständigkeitsgebiet des zuständigen Trägers beschränken, ist nicht zu beanstanden.

Die Einbeziehung von Wohnungen mit einem Ausstattungs-Substandard in die Datensätze steht der Annahme eines schlüssigen Konzepts nur dann entgegen, wenn dies in einem statistisch relevanten Maß erfolgt und deshalb die Mietobergrenzen verzerrend ermittelt werden (vgl. in Anschluss an: BSG, Urteil vom 17. September 2020 – B 4 AS 22/20 R –, Rn. 36, juris).

Die Fortschreibung des Konzepts durch Rückgriff auf den Hessischen Verbraucherpreisindexes für Wohnungsmieten nicht zu beanstanden. Die Fortschreibung des Konzepts nach knapp mehr zwei Jahre erfüllt daher auch (noch) diese Anforderung.
 


1.    Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 26. Januar 2022 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

2.    Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

3.    Die Revision wird nicht zugelassen.

 
Tatbestand

Der Kläger begehrt die vollständige Übernahme seiner tatsächlichen Unterkunfts-und Heizaufwendungen im Rahmen von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch – Zweites Buch – (SGB II) für den Zeitraum vom 1. November 2018 bis 31. Oktober 2019.

Der im Jahr 1973 geborene Kläger steht seit dem Jahr 2013 bei der Beklagten im Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Er übte eine selbständige Tätigkeit aus (Dok 248 Bd 6 eVA) und lebte allein in einer Mietwohnung in der A-Straße, A-Stadt, die etwa 75 qm groß ist (Bl. 206 L 6 AS 73/22) und über drei Zimmer verfügt.

Für die Wohnung war im hier streitgegenständlichen Zeitraum eine Grundmiete i.H.v. 485,00 Euro sowie eine Betriebskostenvorauszahlung i.H.v. 150,00 Euro monatlich zu zahlen.

Nachdem es zuvor bereits verschiedene Streitigkeiten zwischen den Beteiligten über die Angemessenheit der Mietaufwendungen gab, übersandte die Beklagte dem Kläger am 12. Januar 2015 nochmals eine schriftliche Aufforderung, seine Bruttokaltmiete zu senken. Diese liege erheblich über dem Grenzwert i.H.v. 435,60 Euro, welcher sich aus dem von ihr erstellen „Grundsicherungsrelevanten Mietspiegel“ ergebe. Diese Aufforderung verband sie mit der Ankündigung, die tatsächliche Bruttokaltmiete nur noch bis zum 30. Juni 2015 zu übernehmen. 

Mit Bescheid vom 17. April 2015 bewilligte die Beklagte dem Kläger Leistungen für den Zeitraum 1. Mai 2015 bis 31. Oktober 2015. Bei der Bewilligung berücksichtigte sie ab 1. Juli 2015 nur noch Kosten der Unterkunft und Heizung von 524,24 Euro monatlich. Dieser Betrag setzt sich aus der Nettokaltmiete in Höhe von 404,24 Euro und Nebenkosten in Höhe von 120,00 Euro zusammen (Dok 3, 6 von 555 eVA). Nach dem Widerspruchsverfahren (Dok 15 von 555 eVA, Dok 3 von 125 eVA) schloss sich der vor dem Sozialgericht Darmstadt geführte Rechtsstreit S 21 AS 1127/15 an, der mit einer rechtskräftigen Abweisung der Klage endete. 

In den folgenden Bewilligungszeiträumen berücksichtigte die Beklagte nur die Beträge, die nach ihrem jeweils geltenden „Grundsicherungsrelevanten Mietspiegel“ angemessen waren (Bescheid vom 23. Oktober 2015 für den Bewilligungszeitraum November 2015 bis April 2016, Dok 19 Teil 2 eVA; Bescheid vom 18. März 2016 für den Bewilligungszeitraum Mai 2016 bis Oktober 2016, Dok 131 Teil 4 eVA; Bescheid vom 26. September 2016, Dok 701 Teil 5 eVA).

Unter dem 18. September 2017 stellte der Kläger einen Weiterbewilligungsantrag für die Zeit ab 11/2017 (Dok 162 Bd 6 eVA). Er gab folgende Kosten der Unterkunft und Heizung an (Dok 164 Bd 6 eVA):

                   Es folgt eine Tabelle, die aus technischen Gründen nicht dargestellt werden kann (vorhanden unter www.lareda.hessenrecht.hessen.de)
 
Mit Bescheid vom 4. Oktober 2017 bewilligte die Beklagte dem Kläger Leistungen in Höhe von 1.285,95 Euro für den Zeitraum 1. November 2017 bis 31. Oktober 2018. Hierbei berücksichtigte sie neben dem Regelbedarf von 409,00 Euro und einem Zuschuss zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung i.H.v. 332,12 Euro und 20,59 Euro Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe der für angemessen gehaltenen Nettokaltmiete i.H.v. 404,24 Euro und Nebenkosten i.H.v. 120,00 Euro monatlich (Dok 188 Bd 6 eVA). Der Kläger legte Widerspruch ein. Mit Änderungsbescheid vom 8. Januar 2018 bewilligte die Beklagte dem Kläger dann Leistungen für den Zeitraum November 2017 bis Oktober 2018 unter Einbeziehung höherer Kosten der Unterkunft (Dok 256 Bd 6 eVA). Hierbei berücksichtigte die Beklagte die für angemessen gehaltenen Nettokaltmiete i.H.v. 472,81 Euro und Heizkosten i.H.v. 69,00 Euro monatlich. Hierbei legte sie hinsichtlich der Miete den Maximalwert für Ein-Personen-Haushalte ihres „schlüssigen Konzept zur Ermittlung der angemessenen Referenzmiete im Sinne der Rechtsprechung des BSG (Stand 06/2017)“, das ab dem 1. Juli 2017 angewandt wurde, zugrunde. Dieses verweist im Wesentlichen auf ein im Auftrag der Beklagten durch das Institut Wohnung und Umwelt (IWU) erstelltes Gutachten vom 18. Juli 2017 („Grundsicherungsrelevanter Mietspiegel“ – Methodenbericht). Den für die Heizkosten angesetzten Betrag errechnete sie auf Basis der Nebenkosten-Abrechnung für das Jahr 2016, wobei sie zu dem Ergebnis kam, dass die Heizkosten 46 % der Nebenkostenvorauszahlung ausmachen (Dok 253 Bd 6 eVA). Mit Widerspruchsbescheid vom 14. November 2018 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurückgewiesen (Dok 30 Bd 1 eVA). Hiergegen erhob der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Kassel (S 21 AS 1135/18); über das anschließende Berufungsverfahren L 6 AS 73/22 hat der Senat mit Urteil vom heutigen Tag ebenfalls entschieden.

Auf den Weiterbewilligungsantrag des Klägers vom 25. September 2018, in welchem unveränderte Kosten der Unterkunft und Heizung angegeben wurden (Dok 331, 333 Bd 6 eVA), bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 27. September 2018 Leistungen für den Zeitraum vom 1. November 2018 bis 31. Oktober 2019 in Höhe von 1.310,52 Euro monatlich. Hierbei berücksichtigte die Beklagte neben dem Regelbedarf i.H.v. 416,00 Euro und einem Zuschuss zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung i.H.v. 332,12 Euro und 20,59 Euro für die für angemessen gehaltene Nettokaltmiete i.H.v. 472,81 Euro zuzüglich Heizkosten i.H.v. 69,00 Euro monatlich (Dok 349 Bd 6 eVA). Hierbei legte sie hinsichtlich der Miete den Maximalwert für Ein-Personen-Haushalte ihres „schlüssigen Konzepts zur Ermittlung der angemessenen Referenzmiete im Sinne der Rechtsprechung des BSG (Stand 06/2017)“, das ab dem 1. Juli 2017 angewandt wurde, zugrunde. Dieses verweist im Wesentlichen auf ein im Auftrag der Beklagten durch das Institut Wohnung und Umwelt (IWU) erstelltes Gutachten von 18. Juli 2017 („Grundsicherungsrelevanter Mietspiegel“ – Methodenbericht).

Der Kläger legte hiergegen mit Schreiben vom 14. Oktober 2018, eingegangen bei der Beklagten am 15. Oktober 2018, Widerspruch ein (Dok 8 Bd 1 eVA). Er führte aus: „wie auch die letzten Male seit dem Bescheid aus 09/2015 lege ich hiermit Widerspruch ein, da auch in diesem die Übernahme der Miet- und Mietnebenkosten nicht korrekt ist und die Zahlen des JC wissentlich jeder Realität entbehren.“

Durch Änderungsbescheid vom 21. November 2018 für den o.g. Zeitraum erhöhte die Beklagte die bewilligten Leistungen auf insgesamt 1.319,52 Euro monatlich für November und Dezember 2018 und 1.327,52 Euro monatlich für Januar bis September 2019 und dabei die berücksichtigten Heizkosten auf 78,00 Euro monatlich. Hierbei legte sie die Verteilung des Gesamtabschlags auf kalte Betriebskosten und Heizkosten aus der letzten Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2017 zugrunde (Dok 70 Bd 1 eVA; Berechnung Dok 36 Bd 1 eVA).

Mit Widerspruchsbescheid vom 22. November 2018 wurde der Widerspruch schließlich im Übrigen zurückgewiesen. Die Übernahme nur der angemessenen Kosten sei nicht zu beanstanden, da der Kläger seit langem aufgefordert sei, die Kosten zu senken, und ihm dies möglich und zumutbar sei.

Der Kläger hat am 10. Dezember 2018 Klage beim Sozialgericht Darmstadt erhoben (S 21 AS 1135/18). Während das Verfahren S 21 AS 1134/18 den Zeitraum vom 1. November 2017 bis 31. Oktober 2018 umfasst, ist der hiesige Zeitraum vom 1. November 2018 bis 31. Oktober 2019 im Verfahren S 21 AS 1135/18 streitgegenständlich gewesen.

Der Kläger hat sinngemäß vorgetragen, er habe sich in der Vergangenheit ausreichend, aber vergeblich um günstigeren Wohnraum bemüht und dies dem Gericht auch bereits im vorigen Verfahren S 21 AS 1127/15 durch Vorlage entsprechender Bewerbungslisten nachgewiesen. Auch habe die Beklagte bis heute nicht nachweisen können, dass es tatsächlich Wohnraum zu dem von ihr für angemessen gehaltenen Preis gebe. Weiter habe es einer neuen Kostensenkungsaufforderung bedurft, da sich die Angemessenheitsgrenze seit der Aufforderung im Jahr 2015 geändert habe.

Schließlich sei der „Grundsicherungsrelevante Mietspiegel 2017“ kein schlüssiges Konzept zur Ermittlung der Angemessenheitsgrenze im Sinne der BSG-Rechtsprechung, da sog. Substandardwohnungen (ohne Bad, mit Kachelofen, im Souterrain), die für Leistungsberechtigte unzumutbar seien, bei der Berechnung nicht aussortiert worden seien.

Er hat sinngemäß beantragt, den Bescheid vom 27. September 2018 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 21. November 2018 und des Widerspruchsbescheides vom 22. November 2018 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm Leistungen unter Berücksichtigung der vollständigen Aufwendungen für Miete und Betriebskosten i.H.v. insgesamt 635,00 Euro monatlich im Zeitraum 1. November 2018 bis 31. Oktober 2019 zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie macht geltend, der Kläger habe seit dem Jahr 2015 keine schriftlichen Nachweise für Bemühungen um kostengünstigeren Wohnraum eingereicht. Zudem sei auch die Ernsthaftigkeit seiner vorherigen Suche in Zweifel zu ziehen. Einer erneuten Kostensenkungsaufforderung wegen geänderter Grenzwerte habe es nicht bedurft. Auch sei ihr „Grundsicherungsrelevanter Mietspiegel 2017“ ein schlüssiges Konzept. Es bedürfe nach dem Urteil des BSG vom 17. September 2020 – B 4 AS 11/20 R – bereits keiner ins Einzeln gehenden Überprüfung bestimmter Detailfragen, da keine fundierten Einwände erhoben worden seien. Zudem sei ein vergleichbares Konzept bereits vom LSG Nordrhein-Westfalen durch Urteil vom 5. Dezember 2019 – L 7 AS 1764/18 – für rechtmäßig erklärt und dort ausgeführt worden, dass die Nichtaussonderung von Substandardwohnungen unschädlich sei. Dies habe das BSG durch Urteil vom 17. September 2020 – B 4 AS 22/20 R – bestätigt. Sie hat weiter eine ergänzende Stellungnahme des IWU vom 20. Mai 2021 vorgelegt. Darin wird erläutert, bei der Erstellung des Gutachtens sei man davon ausgegangen, dass in Internetannoncen auf Online-Vermietungsplattformen keine Substandardwohnungen angeboten würden. Nach sonstigen Primärerhebungen und dem Stand der Fachdiskussion handele es sich bei online inserierten Wohnungen um solche eines höherpreisigen Marktsegment. Dies bestätige sich auch im vorliegenden Fall anhand eines Vergleichs der zugrunde gelegten Daten, die aus Onlineinseraten stammten, mit den Daten der institutionellen Vermieter. Zudem gebe es nach der letzten Gebäude- und Wohnungszählung im Rahmen des Zensus 2011 in A-Stadt von 43.418 zu Wohnzwecken vermieteten Wohnungen nur 348, die kein WC oder Dusche/Badewanne aufwiesen, und nur 2.657 Wohnungen mit Einzel-/Mehrraumöfen. Es sei zudem davon auszugehen, dass diese Daten veraltet seien und der Anteil der Substandardwohnungen weiter zurückgegangen sei. Der Anteil sei so gering, dass eine Reduktion des Angebotsdatensatzes um diese Wohnung auf das Ergebnis nur marginale Auswirkungen hätte. Zudem sei im Rahmen der Gutachtenerstellung bei statistischen Unsicherheiten grundsätzlich eine Günstigerrechnung erfolgt.

Das Sozialgericht hat, nachdem beide Beteiligte ihr Einverständnis zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt hatten, der Klage ohne mündliche Verhandlung am 26. Januar 2022 stattgegeben. 

Die zulässige Klage sei begründet. 

Der Bescheid vom 27. September 2018 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 21. November 2018 und des Widerspruchsbescheides vom 22. November 2018 sei teilweise rechtswidrig und verletze den Kläger in seinen Rechten. Er habe Anspruch auf Gewährung von Kosten der Unterkunft und Heizung i.H.v. 635,00 Euro monatlich im Zeitraum vom 1. November 2017 bis 31. Oktober 2019. 

Der Kläger habe Anspruch auf Gewährung von Kosten der Unterkunft und Heizung i.H.d. tatsächlichen Bruttowarmmiete (635,00 Euro monatlich). Die Bedarfe für Unterkunft und Heizung seien in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anzuerkennen, soweit diese angemessen seien (§ 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II). Wolle das Jobcenter nicht die tatsächlichen Aufwendungen als Bedarf anerkennen, weil es sie für unangemessen hoch halte, müsse es grundsätzlich ein Kostensenkungsverfahren durchführen und der leistungsberechtigten Person den der Besonderheit des Einzelfalls angemessenen Umfang der Aufwendungen mitteilen (BSG, Urteil vom 17. September 2020 – B 4 AS 11/20 R – Rn. 15). Vorliegend bestünden keine Zweifel, dass der Kläger eine ordnungsgemäße Kostensenkungsaufforderung (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 10. September 2013 – B 4 AS 77/12 R –Rn. 41 ff) erhalten habe. Insbesondere sei die Übersendung einer neuen, weiteren Kostensenkungsaufforderung bei Änderung der örtlichen Referenzmiete nicht erforderlich, da dem Betroffenen bereits durch die erste Aufforderung bekannt gewesen sei, dass seine Unterkunftskosten zu hoch seien und diese zukünftig nicht mehr vollständig übernommen werden könnten. 

Es komme hier mithin allein darauf an, ob der Umfang der angemessenen Kosten der Unterkunft richtig ermittelt worden sei. Die Ermittlung des angemessenen Umfangs der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung habe in zwei größeren Schritten zu erfolgen: Zunächst seien die abstrakt angemessenen Aufwendungen für die Unterkunft, bestehend aus Nettokaltmiete und kalten Betriebskosten (= Bruttokaltmiete), zu ermitteln; dann sei die konkrete Angemessenheit dieser Aufwendungen im Vergleich mit den tatsächlichen Aufwendungen, insbesondere auch im Hinblick auf die Zumutbarkeit der notwendigen Einsparungen, einschließlich eines Umzugs, zu prüfen (stRspr; vgl. etwa BSG, Urteil vom 30. Januar 2019 – B 14 AS 24/18 R – Rn. 19 m.w.N.; BSG, Urteil vom 17. September 2020 – B 4 AS 22/20 R – Rn. 23).

Die Ermittlung der abstrakt angemessenen Aufwendungen habe unter Anwendung der Produkttheorie („Wohnungsgröße in Quadratmeter multipliziert mit dem Quadratmeterpreis“) in einem mehrstufigen Verfahren zu erfolgen, das sich wie folgt zusammenfassen lasse: (1) Bestimmung der (abstrakt) angemessenen Wohnungsgröße für die leistungsberechtigte(n) Person(en), (2) Bestimmung des angemessenen Wohnungsstandards, (3) Ermittlung der aufzuwendenden Nettokaltmiete für eine nach Größe und Wohnungsstandard angemessene Wohnung in dem maßgeblichen örtlichen Vergleichsraum nach einem schlüssigen Konzept, (4) Einbeziehung der angemessenen kalten Betriebskosten (stRspr; zusammenfassend BSG, Urteil vom 30. Januar 2019 – B 14 AS 24/18 R – Rn. 20 m.w.N.; BSG, Urteil vom 17. September 2020 – B 4 AS 22/20 R – Rn. 23).

Vorliegend sei nach Auffassung der Kammer im Konzept der Beklagten der qualitative Wohnstandard der Wohnungen nicht hinreichend berücksichtigt worden, so dass dieses nicht als schlüssig im Sinne der zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung bezeichnet werden könne.

Ein schlüssiges Konzept zur Ermittlung der angemessenen Netto- oder Bruttokaltmiete erfordere ein planmäßiges Vorgehen im Sinne einer systematischen Ermittlung und Bewertung genereller, wenn auch orts- und zeitbedingter Tatsachen für sämtliche Anwendungsfälle im maßgeblichen Vergleichsraum unter Beachtung von mehreren, von der Rechtsprechung des BSG entwickelten Mindestvoraussetzungen, die auch die Festlegung der Art und Weise der Datenerhebung beträfen (BSG, Urteil vom 17. September 2020 – B 4 AS 22/20 R – Rn. 27 m.w.N.). Nach der Rechtsprechung des BSG solle das schlüssige Konzept die Gewähr dafür bieten, dass die aktuellen Verhältnisse des Mietwohnungsmarkts im Vergleichsraum dem Angemessenheitswert zugrunde lägen und dieser realitätsgerecht ermittelt werde. Schlüssig sei ein Konzept, wenn es neben rechtlichen bestimmte methodische Voraussetzungen erfülle und nachvollziehbar sei. Dies erfordere trotz Methodenvielfalt insbesondere eine Definition der untersuchten Wohnungen nach Größe und Standard, Angaben über die Art und Weise der Datenerhebung, Angaben über den Zeitraum, auf den sich die Datenerhebung beziehe, Repräsentativität und Validität der Datenerhebung, Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze bei der Datenauswertung, Vermeidung von „Brennpunkten“ durch soziale Segregation sowie eine Begründung, in der die Ermittlung der Angemessenheitswerte aus den Daten dargelegt werde (BSG, Urteil vom 5. August 2021 – B 4 AS 82/20 R – , Rn. 32).

Für einen angemessenen Wohnungsstandard müsse die Wohnung nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entsprechen und keinen gehobenen Wohnstandard aufweisen, wobei es genüge, dass das Produkt aus Wohnfläche und Standard, das sich in der Wohnungsmiete niederschlage, angemessen sei (BSG, Urteil vom 5. August 2021 – B 4 AS 82/20 R –, Juris, Rn. 17 - 18). Wohnungen mit (Kohle-)Ofenheizung und Wohnungen ohne Bad genügten nicht einfachsten Bedürfnissen im o.g. Sinne. Zur Bildung eines grundsicherungsrelevanten Mietwertes seien diese Werte nicht mit heranzuziehen, denn auf Wohnungen mit diesem untersten Ausstattungsgrad könnten Hilfebedürftige bei der Wohnungssuche grundsätzlich nicht verwiesen werden. Dem lasse sich nicht entgegenhalten, diese Werte seien einzubeziehen, um eine möglichst breite Datenbasis zu erhalten. Wenn solche Wohnungen nicht den unteren, sondern den untersten Standard abbildeten, gehörten sie von vornherein nicht zu dem Wohnungsbestand, der überhaupt für die Bestimmung einer Vergleichsmiete abzubilden sei (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 50/10 R –, Rn. 29). Unklar sei nach der bisherigen BSG-Rechtsprechung, ob auch Wohnungen mit Einraumgasöfen als unzumutbar zu gelten hätten. Dies könne jedoch an dieser Stelle dahinstehen, da die Beklagte Ermittlungen zum Ausstattungsstandard der von ihr berücksichtigten Wohnungen vollständig unterlassen habe.

Vorliegend werde in dem Gutachten des IWU, das die Beklagte ihrem „schlüssigen Konzept“ zugrunde gelegt habe, der qualitative Wohnstandard der berücksichtigten Wohnungen bereits nicht definiert. Konsequenterweise seien aus den verwendeten Datensätzen nicht solche ausgeschieden, die zu Wohnungen mit Ofenheizung und/oder Gemeinschaftsbad gehörten. Laut Ziffer 4.3.2 des Gutachtens des IWU, S. 16, sei dies im verwendeten Datensatz nicht möglich gewesen. Damit würden solche Wohnungen aber nach dem gewählten Ansatz letztlich in die Ermittlung der Vergleichsmiete mit einbezogen. Dies hätten die Beklagte und das IWU im Ergebnis bestätigt.

Die beklagtenseits vorgebrachten Argumente, wonach der fehlende Ausschluss solche sog. Substandardwohnungen auf die ermittelte Referenzmiete für Ein-Personen-Haushalte wie den des Klägers keine Auswirkung haben solle, überzeuge die Kammer nicht. Dies gelte zunächst für die in der ergänzenden Stellungnahme des IWU geäußerte Ansicht, aufgrund des höheren Preisniveaus online inserierter Wohnungen sei es „sehr unwahrscheinlich“, dass ein relevanter Anteil von Substandardwohnungen miterfasst worden sei. Denn wie das IWU zuvor selbst ausführe, stammten die von ihm verwendeten Datensätze gerade nicht nur von Online-Vermietungs-Plattformen (z.B. immobilienscout24.de), sondern beispielsweise auch aus online gestellten Angeboten aus Tageszeitungen. Letztere seien aber gerade die Angebote, die auch in den Print-Ausgaben von Zeitungen vorhanden seien und von den Verlagen zugleich auch online verfügbar gemacht würden, mithin nicht rein „online inseriert“. Weiter lägen der Auswertung des IWU auch Datensätze von Wohnungen „institutioneller Vermieter“ zugrunde, die also nicht zwingend online inseriert worden seien. Hier wäre es zudem leicht möglich gewesen, eventuell enthaltene Substandardwohnungen auszuscheiden. Unter dem Strich erscheine die Datenbasis daher so disparat, dass sie nicht insgesamt als online inseriert und damit als höherpreisig bezeichnet werden könne.

Darüber hinaus sei auch die These des IWU, dass höherpreisige Wohnungen in nicht-berechnungsrelevanter Anzahl einen Substandard aufwiesen, nicht belegt. Es könne zwar richtig sein, dass höherpreisige Wohnungen tendenziell seltener die genannten Merkmale aufwiesen. Dass dies sich jedoch in keiner Weise auf die Ermittlung der Vergleichsmiete ausgewirkt haben könne, erscheine dem Gericht nicht ohne Weiteres plausibel und sei vom IWU auch nicht rechnerisch untermauert worden. Diesbezügliche Zweifel des Gerichts folgten bereits aus den vom IWU selbst zitierten Zahlen des Zensus 2011, die durchaus einen relevanten Anteil solcher Wohnungen am Gesamtwohnungsmarkt in A-Stadt ergeben hätten (dazu siehe noch zugleich). Es erscheine daher selbst bei Annahme eines „höherpreisigen“ Segmentes nicht unmittelbar evident, dass dieses überhaupt keine oder nur vernachlässigbar wenige Substandardwohnungen enthalte. Auch solche Wohnungen könnten bei der allgemeinen großstädtischen Wohnungsnot überteuert angeboten werden.

Auch das zweite Argument aus der ergänzenden Stellungnahme des IWU, wonach es generell nur noch wenige Substandardwohnungen gebe, habe nicht überzeugen können. Aus den genannten Zahlen des Zensus 2011 für Wohnungen ohne Bad und/oder WC und mit Ofenheizung ergebe sich, dass zusammengenommen immerhin knapp sieben Prozent der A-Stadter Mietwohnungen damals diese Merkmale aufgewiesen hätten. Dass deren Anzahl seitdem zurückgegangen sei, sei zwar höchstwahrscheinlich. Wie stark der Rückgang gewesen sei, könne jedoch allenfalls spekuliert werden. Zu berücksichtigen sei jedoch andererseits, dass im Bereich der hier interessierenden Kleinwohnungen (bis 50 qm für Einpersonenhaushalte) des niedrigen Preissegments die Quote solcher Substandardwohnungen eher höher sein dürfte als in der Grundgesamtheit aller Mietwohnungen.

Vor diesem Hintergrund sei nach Überzeugung der Kammer die abschließende Schlussfolgerung des IWU, wonach die Berücksichtigung von Substandardwohnungen auf die ermittelte ortsübliche Vergleichsmiete keine Auswirkungen gehabt haben könne, allenfalls spekulativer Natur. Denn die konkrete Anzahl der berücksichtigten unzumutbaren Wohnungen sei im Ergebnis völlig unklar. Daran vermögen auch statistische „Günstigerrechnungen“ an anderer Stelle nichts zu ändern. Auch aus den von der Beklagten zitierten Urteilen des LSG Nordrhein-Westfalen vom 5. Dezember 2019 – L 7 AS 1764/18 – und nachfolgend des BSG, Urteil vom 17. September 2020 – B 4 AS 22/20 R – ergebe sich nicht, dass ihr Konzept hinsichtlich der Berücksichtigung des Wohnstandards nicht zu beanstanden wäre. Denn im Gegensatz zum hiesigen Verfahren habe die Behörde dort nachvollziehbar dargelegt, dass es sich bei den inserierten Wohnungen um qualitativ angemessene Wohnungen gehandelt habe und Wohnungen ohne Bad und/oder Heizung nicht angeboten worden seien. Dies habe sich dort mit der Qualitätsbeschreibung der ausgewerteten Wohnungen gedeckt, bei denen etwa der Anteil von Wohnungen mit Kohleöfen mit "0%" ausgewiesen gewesen sei (LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 5. Dezember 2019 – L 7 AS 1764/18 –, Rn. 39, juris). An einer solchen nachvollziehbaren Darlegung fehle es hier gerade. Hinsichtlich der zitierten Entscheidung des BSG sei zu beachten, dass dieses die tatsächliche Feststellung des LSG, wonach Substandardwohnung in nicht relevantem Umfang in die Ermittlung der Vergleichsmiete eingeflossen seien, aufgrund der revisionsrechtlichen Beschränkungen ungeprüft übernommen habe und das vorinstanzliche Urteil lediglich auf Rechtsanwendungsfehler hin prüfte.

Zugleich ergebe sich aus den soeben genannten Entscheidungen, dass es durchaus möglich sei, am Markt solche Datensätze zu erhalten, die auch Qualitätsmerkmale der Wohnungen enthielten. Auch die institutionellen Vermieter hätten gezielt darauf hin befragt werden können. Somit werde von der Beklagten hier nichts Unmögliches verlangt. Schließlich sei es nicht richtig, dass nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung eine Prüfung, ob die Vergleichsmiete anhand eines schlüssigen Konzepts ermittelt worden sei, lediglich auf konkrete Beanstandungen der Kläger hin zu erfolgen habe. Vielmehr sei es gerichtlich voll überprüfbar, ob die Ermittlung der abstrakt angemessenen Nettokaltmiete und die Erstellung eines schlüssigen Konzepts im Rahmen der Methodenvielfalt zutreffend erfolgt sei. Die volle gerichtliche Überprüfung des Angemessenheitswerts und des Verfahrens zu seiner Ermittlung schließe nicht aus, dass bei dieser Kontrolle der Verwaltung deren in der Methodenvielfalt zum Ausdruck kommenden Eigenverantwortung Rechnung getragen und die gerichtliche Kontrolle als eine nachvollziehende Kontrolle ausgestaltet werde (sog. Verfahrenskontrolle).

Zur Umsetzung der gerichtlichen Kontrolle sei es auf eine entsprechende Klage hin zunächst Aufgabe des Gerichts, die Rechtmäßigkeit des vom beklagten Jobcenter ermittelten abstrakten Angemessenheitswerts sowohl im Hinblick auf die Festlegung des Vergleichsraums als auch die Erstellung eines schlüssigen Konzepts zu überprüfen.

Sei die Ermittlung dieses abstrakten Angemessenheitswerts rechtlich zu beanstanden, sei dem Jobcenter Gelegenheit zu geben, diese Beanstandungen durch Stellungnahmen, ggf. nach weiteren eigenen Ermittlungen, auszuräumen. Gelinge es dem Jobcenter nicht, die Beanstandungen des Gerichts auszuräumen, sei das Gericht zur Herstellung der Spruchreife der Sache nicht befugt, seinerseits ein schlüssiges Konzept – ggf. mit Hilfe von Sachverständigen – zu erstellen. Vielmehr könne das Gericht zur Herstellung der Spruchreife, wenn ein qualifizierter Mietspiegel vorhanden sei, auf diesen zurückgreifen; andernfalls seien mangels eines in rechtlich zulässiger Weise bestimmten Angemessenheitswerts die tatsächlichen Aufwendungen für die Unterkunft dem Bedarf für die Unterkunft zugrunde zu legen, begrenzt durch die Werte nach dem Wohngeldgesetz (WoGG) plus Zuschlag von 10 %. Dadurch solle den Gegebenheiten des örtlichen Wohnungsmarkts zumindest ansatzweise gemäß gesetzgeberischer Entscheidungen – wenn auch für einen anderen Personenkreis – durch eine "Angemessenheitsobergrenze" Rechnung getragen werden, die die Finanzierung extrem hoher und per se unangemessener Mieten verhindere (BSG, Urteil v. 30.01.2019 – B 14 AS 24/18 R –, BSGE 127, 214-223, SozR 4-4200 § 22 Nr. 101, Rn. 26 - 30).

So liege der Fall aber hier. Das von der Beklagten angewandte Konzept genüge insbesondere hinsichtlich der Definition des qualitativen Wohnstandards der berücksichtigten Wohnungen nicht den Anforderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Auch auf entsprechenden Hinweis des Gerichts sei keine Nachbesserung des Konzeptes erfolgt. Da es in A-Stadt nur einen einfachen und keinen qualifizierten Mietspiegel gebe, folge der Grenzwert vorliegend aus der Tabelle in § 12 WoGG in der im Bewilligungszeitraum geltenden Fassung zzgl. 10 % Sicherheitszuschlag. Hieraus ergebe sich für die anzuwendende Mietenstufe VI ein Wert von 522 Euro zzgl. 10 %, mithin 574,20 Euro. Für den vorliegenden Fall ergebe sich damit, dass die Bruttokaltmiete des Klägers in Höhe von 566,- Euro monatlich (Gesamtmiete i.H.v. 635,- Euro abzgl. Heizkostenabschlag 69,- Euro) angemessen sei und mithin Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe der Gesamtmiete gewährt werden müssten.

Das Urteil ist den Beteiligten am 31. Januar 2022 zugestellt worden (Bl. 71, 72 L 6 AS 74/22).

Die Beklagte hat am 11. Februar 2022 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht Darmstadt eingelegt. 

Zur Berufungsbegründung trägt die Beklagte unter Vorlage ihres Konzepts (Bl. 84 ff L 6 AS 73/22) und zwei Stellungnahmen des IWU vom 20. Mai 2021 und vom 22. März 2022 (Bl. 134 ff, 137 ff L 6 AS 73/22) vor, dass entgegen der Auffassung des Sozialgerichts ihr Konzept nicht unschlüssig im Sinne der Rechtsprechung sei. Das schlüssige Konzept basiere vorliegend auf einer systematischen Ermittlung und Bewertung, dem das Gutachten des IWU in C-Stadt vom 18. Juli 2017 zugrunde liege. Das IWU-Konzept zur Ermittlung der Referenzmiete in der Stadt A-Stadt beruhe grundsätzlich auf einer Datenerhebung- und –auswertung von Angebotsmieten, wobei die dem IWU vorliegende Angebotsdatenbank www.immodaten.net um Angebote von institutionellen Vermietern ergänzt und entsprechend der Zusammensetzung des Wohnungsmarktes der Stadt A-Stadt repräsentativ gewichtet worden sei. Folglich sei der aktuelle Wohnungsmarkt auf Grundlage von Daten aus dem Jahr 2016 ausgewertet und durch das IWU entsprechende Richtwerte für die grundsicherungsrelevanten Angemessenheitsgrenzen für die Stadt A-Stadt ermittelt worden, die in der Vergangenheit auch gerichtlich nicht beanstandet worden seien. 

Bei dem Begriff der Angemessenheit im Sinne von § 22 SGB II handele es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der gerichtlich voll überprüfbar sei. Dabei sei eine Nachbesserung eines Konzepts für die Ermittlung der Angemessenheitswerte jedoch nicht ausgeschlossen. Das Sozialgericht habe der Beklagten zwar ermöglicht, sich zu den gerichtlichen Zweifeln zu äußern, habe jedoch keinen Hinweis mehr vor Erlass der Entscheidung erteilt, dass es die ergänzende Stellungnahme des IWU nicht für ausreichend erachten werde. Eine mögliche rechnerische Nachbesserung mit den vorhandenen Daten sei daher im laufenden Verfahren nicht erfolgt (Bl. 82 L 6 AS 73/22). 

Bei der Erstellung der Richtwerte für angemessene Kosten der Unterkunft nach dem SGB II und SGB XII für die Stadt A-Stadt seien die Auswertung der Angebotsmietendatenbank von immodaten.net daneben um Angebote von institutionellen Vermietern ergänzt worden. Es könne bei der Erstellung der Angemessenheitswerte daher nicht von einer unzureichenden Datengrundlage ausgegangen werden, die letztlich zur Folge habe, dass keine ausreichend großen Wohnungen in ausreichender Qualität zur Mietobergrenze anmietbar wären (Bl. 83 L 6 AS 73/22). 

Die Ausführungen des Sozialgerichts verkennen vorliegend eine Berücksichtigung des methodischen Vorgehens in seiner Gesamtheit. Bei der Analyse der Angebotsmieten sei der komplette Markt Gegenstand der Beobachtung gewesen. Eine Voreinschränkung auf ein einfaches oder einfacheres Segment sei gerade nicht erfolgt. Auch sei davon ausgegangen worden, dass die Angebotsmieten den Neuvertragsmieten entsprächen. Es sei schließlich mit aufbereiteten Daten gearbeitet worden, da die Datensätze um Ausreißer und weitere Fallausschlüsse bereinigt worden seien (Bl. 83 L 6 AS 73/22). 

Erst recht unter Berücksichtigung der ergänzenden Stellungnahme des IWU vom 22. März 2022 sei das Konzept daher nicht zu beanstanden und vielmehr ein zur Existenzsicherung ausreichender Referenzwert nach einem methodischen Vorgehen ordnungsgemäß ermittelt worden.

Das LSG Hessen führe in seinem Urteil vom 1. Dezember 2021 – L 6 AS 126/20 zudem aus, dass für den Fall, dass der Grundsicherungsträger seinen prozessualen Mitwirkungspflichten nicht nachkomme, es zunächst im Sinne der Amtsermittlung Aufgabe der Gerichte sei, den angemessenen Mietwert zu ermitteln. Erst im Falle eines Ermittlungsausfalles könne hilfsweise auf die Werte des § 12 WoGG zurückgegriffen werden. 

Das Konzept sei überarbeitet worden, die Überarbeitung habe vom 18. Juli 2019 bis 31. Dezember 2021 gegolten (Bl. 150 L 6 AS 73/22).

Die Beklagte hat ergänzende Stellungnahmen des IWU vom 20. Mai 2021 und vom 22. März 2022 (Bl. 134 ff, Bl. 137 ff L 6 AS 73/22) vorgelegt, in denen dargelegt werde, warum nach dem methodischen Vorgehen kein für die Bestimmung der Angemessenheitsgrenzen maßgeblicher Anteil an Substandardwohnungen im Angebotsdatensatz enthalten sei. Dies sei u.a. mit einem höheren Preisniveau von online inserierten Wohnungen und einer geringen Fallzahl an Substandardwohnungen lt. der Gebäude- und Wohnungszählung des Zensus 2011 begründet, was für die Beklagte schlüssig gewesen sei. Diese Ausführungen hätten das Sozialgericht jedoch nicht überzeugt, so dass die Entscheidung unerwartet gekommen sei. Eine Verifizierung anhand der Daten, ob die angenommenen Mietobergrenze angemessen sei, oder eine Aufforderung zur Nachbesserung mit den vorhandenen Datensätzen sei nicht erfolgt.

In den Stellungnahmen des IWU vom 20. Mai 2021 und 22. März 2022 wird hinsichtlich der Ausstattungs-Substandardwohnungen u. a. Folgendes vorgetragen:
„Laut der letzten Gebäude- und Wohnungszählung (GWZ) im Rahmen des Zensus gab es 2011 in A-Stadt 43.418 zu Wohnzwecken vermietete Wohnungen, von denen 348 entweder keine Badewanne/Dusche oder kein WC oder weder Badewanne/Dusche noch WC aufweisen. Der entsprechende Anteil liegt also deutlich unter einem Prozent des Mietwohnungsbestandes. Der Anteil an Wohnungen mit Einzel-/Mehrraumöfen (auch Nachtspeicherheizung) oder ohne Heizung im Gebäude oder in den Wohnungen liegt mit 2.657 Wohnungen höher, stellt aber eher eine Nische dar. Dabei ist zu beachten, dass die entsprechenden Daten vor zehn Jahren erhoben wurden und somit als veraltet zu betrachten sind. Es ist davon auszugehen, dass der Anteil an Substandardwohnungen auf dem Wohnungsmarkt zwischenzeitlich weiter zurückgegangen ist.

Sollten vor diesem Hintergrund dennoch wenige Fälle mit Substandard im Angebots-Datensatz enthalten sein, wäre der Anteil so gering, dass dies rechnerisch kaum Auswirkungen hätte. Hier ist zu berücksichtigen, dass für die rechnerische Versorgung der nachfragerelevanten Haushalte mit dem im Gutachten verfolgten Häufigkeitsabgleich eine Vielzahl an Wohnungen erforderlich ist, wodurch die Reduktion einzelner Wohnungen aus dem Angebotsdatensatz nur marginale Auswirkungen hätte. Ferner ist darauf hinzuweisen, dass bei der Gutachtenerstellung im Falle statistischer Unsicherheit grundsätzlich eine Günstigerrechnung vorgesehen wurde, sodass Berechnungsannahmen zugunsten der leistungsbeziehenden Haushalte getroffen wurden.“ (Bl. 136 L 6 AS 73/22)

In der Stellungnahme des IWU vom 22. März 2022 wird weiter erläutert, dass der den Angebotsauswertungen zugrundeliegende Datensatz von immodaten.de nicht über ein eigenes Merkmal „kein Bad“, „Kachelofen“ oder auch „Souterrain“ verfüge, sodass im Rahmen der Gutachtenerstellung 2017 davon ausgegangen worden sei, dass eine Aussonderung nicht möglich sei. Die im Datensatz vorhandene Variable „Beschreibung“ beinhalte jedoch in Textform qualitative Attribute, die wesentliche Merkmale der Wohnung beschreiben sollten und potentiell Rückschlüsse über die sozialrechtlich definierten Substandards erlaubten. Mit einer Textsuche hätten 18 Fälle identifiziert werden können, bei denen das Stichwort „Ofen“ in der Beschreibung enthalten sei. Die Verkürzung auf „Ofen“ solle ermöglichen, dass auch Wohnungen mit Einzelöfen erkannt würden. Beschreibungen in Kombination mit „Bad“ und „Toilette“, die darauf hindeuteten, dass kein Bad oder keine Toilette vorhanden seien, wie auch die Stichworte „Gemeinschaftsbad“, „Gemeinschaftstoilette“ und ähnliche Suchstrategien hätten hingegen keine Treffer ergeben. Auch die Suche nach „Souterrain“ oder „Untergeschoss“ habe keine Treffer ergeben, sodass davon ausgegangen werden könne, dass weitere Substandardwohnungen im Datensatz nicht enthalten seien.

Aus der Beschreibung lasse sich schließen, dass es sich bei einem Teil der Wohnungen höchstwahrscheinlich nicht um Substandardwohnungen handele, sondern dass bei diesen Wohnungen ein Ofen als zusätzlicher Wohnkomfort vorhanden sei oder ein weiteres Heizsystem für zusätzlich nutzbare Nebenräume (Mansarden) zur Verfügung gestellt werde. Daher seien in einem nächsten Arbeitsschritt Fälle identifiziert worden, bei denen ein weiteres Heizsystem (Zentralheizung) oder weitere besonders hochwertige Merkmale (Sauna, Wintergarten) aufgeführt worden seien. Auf dieser Basis seien diese Fälle markiert worden, sodass diese nicht als Substandard auszusortieren seien. Somit seien 9 Fälle von 1.494 Fällen im Angebotsdatensatz von immodaten.net (0,6 %) verblieben. Diese Fälle wiesen eine durchschnittliche Quadratmetermiete von 9,63 Euro auf und lägen somit etwas unter dem Mittelwert des Angebotsdatensatzes von immodaten.net insgesamt (10,31 Euro) und leicht über dem Mittelwert des Gesamtangebotsdatensatz, der auch die Preisstrukturen der institutionellen Anbieter beinhalte (9,87 Euro; vgl. Tabelle 4 im IWU-Gutachten) (Bl. 137 ff L 6 AS 73/22). Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Inhalts der Stellungnahmen wird auf Bl. 134 ff, Bl. 137 ff L 6 AS 73/22 Bezug genommen.

Die Beklagte beantragt, 
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 26. Januar 2022 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, 
die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verweist auf das erstinstanzliche Urteil und hält dieses für zutreffend. Das erstinstanzliche Gericht weise zutreffend darauf hin, dass der qualitative Wohnstandard der berücksichtigten Wohnungen nicht definiert werde (Bl. 156 L 6 AS 73/22). Eine bloße Vermutung ohne weitergehende Überprüfung sei aber nicht ausreichend, um Substandardwohnungen auszuschließen. Die Darlegung der Gründe für diese Vermutung ändere hieran nichts (Bl. 156 L 6 AS 73/22). Insbesondere weise das erstinstanzliche Gericht zu Recht darauf hin, dass eine Vermutung, wonach Substandardwohnungen zu einem geringen Preis angeboten würden, nicht haltbar sei. Auch solche Wohnungen könnten zu hohen Preisen inseriert werden (Bl. 156 L 6 AS 73/22). 

Auch sei nach Ansicht des Klägers der Vergleichsraum unzutreffend ermittelt worden. Im Hinblick auf die Infrastruktur und die Verbundenheit mache es einen erheblichen Unterschied, ob ein beliebiger Ort aus dem Kerngebiet der Stadt A-Stadt oder ein solcher aus der Peripherie gewählt werde. Von einer Einheitlichkeit in dem für einen zulässigen Vergleichsraum maßgeblichen Sinne könne nicht ausgegangen werden. Es sei damit auch gerade nicht gesichert, dass die ortsüblichen Gegebenheiten bzw. mietpreisbeeinflussenden Faktoren in der Referenzmiete berücksichtigt worden seien (Bl. 157 L 6 AS 73/22). Zwar dürfe keine Begrenzung des örtlichen Vergleichsraumes etwa auf einen bestimmten Stadtteil vorgenommen werden, denn dies würde stets die Gefahr einer Ghettoisierung bergen. Dennoch sei bereits der örtliche Vergleichsraum unzutreffend ermittelt worden – jedenfalls bedürfte die Einbeziehung der genannten Gebiete weiterer Begründung – so dass das Konzept auch insoweit nicht als ausreichend erachtet werden könne (Bl. 158 L 6 AS 73/22). 

Entgegen der Anforderungen des erkennenden Sozialgerichts sei auch nicht ersichtlich, dass Substandardwohnungen pauschal als unzumutbar aus den Bestandszahlen herausgenommen worden wären. 

Auch fehle es an Angaben zu einer Fortschreibung nach zwei Jahren, wie zu Recht von Bundessozial- und Sozialgericht gefordert werde. Eine solche sei nicht ersichtlich, vielmehr liege der streitige Zeitraum bereits außerhalb der Zwei-Jahres-Frist, ohne dass weitere Angaben der Beklagten dazu erfolgt wären, warum eine Fortschreibung nicht erforderlich gewesen sein sollte. Dass die Fortschreibung entbehrlich gewesen sein sollte, sei im Hinblick auf die allgemeine Entwicklung auf dem Wohnungsmarkt – die als gerichtsbekannt unterstellt werde – aber gerade nicht anzunehmen (Bl. 158 L 6 AS 73/22). 

Bei dieser Sachlage sei mit dem erstinstanzlichen Gericht davon auszugehen, dass ein schlüssiges Konzept gerade nicht vorliege. Zu Recht sei das Sozialgericht zu dem Ergebnis gekommen, dass die Bruttokaltmiete des Klägers angemessen sei und die Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Gesamtmiete zu gewähren seien.

Die Beklagte hat auf die Einwendungen des Klägers erwidert, der Kläger führe zur weitergehenden Stellungnahme des IWU vom 22. März 2022 pauschal aus, dass zu einem großen Teil Vermutungen angestellt würden. Die Stellungnahme vom 22. März 2022 führe jedoch konkret aus, weshalb aufgrund der Auswertung der „Beschreibung“ die gezogenen Schlüsse hätten gezogen werden können. Es handele sich nicht um bloße Vermutungen (Bl. 165 L 6 AS 73/22). Bei gerade einmal 9 von 1.494 Fällen im Angebotsdatensatz von immodaten.net sei ein Substandard nicht auszuschließen. Dies entspreche einem Anteil von 0,6 Prozent, wobei diese Fälle eine durchschnittliche Quadratmetermiete von 9,63 Euro aufwiesen und damit etwas unter dem Mittelwert des Angebotsdatensatzes von immodaten.net insgesamt (10,31 Euro) und leicht über dem Mittelwert des Gesamtangebotsdatensatzes, der auch die Preisstrukturen der institutionellen Anbieter beinhalte (9,87 Euro), lägen (Bl. 172f L 6 AS 73/22). Die Beklagte ist weiter der Ansicht – insoweit wird auf Bl. 173 GA verwiesen –, die Preise von Substandardwohnungen seien daher gerade nicht in relevanter Weise in ihr Konzept eingeflossen, so dass es nach wie vor die Gewähr dafür biete, dass die aktuellen Verhältnisse des Mietwohnungsmarktes im Vergleichsraum dem Angemessenheitswert zugrunde lägen und dieser realitätsgerecht ermittelt worden sei.

Hinsichtlich des örtlichen Vergleichsraums hat die Beklagte auf S. 14 des Gutachtens verwiesen und ausgeführt: „Alle Stadtteile sind an das Nahverkehrssystem mit zumutbaren Fahrzeiten an die Innenstadt angebunden (§140 Abs. 4 S. 2 SGB III, zumutbarer Pendelbereich) und innerhalb von A-Stadt lassen sich alle Strecken sogar auch unter 2 Stunden erlaufen. Alle Stadtteile A-Stadts bilden daher einen geeigneten Vergleichsraum“. Aufgrund der Nähe, der Infrastruktur sowie der verkehrstechnischen Anbindung liege insgesamt ein einheitlicher homogener Lebens- und Wohnbereich vor, in dem einer leistungsberechtigten Person nach dem SGB II ein Umzug zur Kostensenkung grundsätzlich zumutbar sei und ein nicht erforderlicher Umzug nach § 22 Abs. 1 Satz 4 SGB II zu einer Deckelung der Aufwendungen führe (Bl. 173 L 6 AS 73/22). Andernfalls drohe bei der Begrenzung auf einzelne Stadtteile nach Ansicht der Beklagten das Risiko der Ghettoisierung.

Zur Fortschreibung des Konzeptes hat die Beklagte erwidert (Bl. 165 L 6 AS 73/22), das schlüssige Konzept von 06/17 sei zum 1. Juni 2017 in Kraft getreten. Die Zweijahresfrist beginne mit Inkraftsetzen des Konzepts, somit zum 1. Juni 2017. Die zwei Jahre seien somit frühestens zum 31. Mai 2019 abgelaufen. Unter Vorlage der Fortschreibung (Bl. 251 L 6 AS 74/22) hat die Beklagte darauf verwiesen, dass zum 1. Juli 2019 die Fortschreibung des schlüssigen Konzepts in Kraft getreten sei (Bl. 173 L 6 AS 74/22). Danach ergebe sich ab 1. Juli 2019 eine angemessene Bruttokaltmiete für einen Einpersonenhaushalt von 495,42 Euro (Bl. 254 L 6 AS 74/22).


Mit Änderungsbescheid vom 9. Februar 2023 hat die Beklagte dem Kläger Leistungen in Höhe von 1.350,13 Euro monatlich für den Zeitraum 1. Juli 2019 bis 31. Oktober 2019 unter Berücksichtigung von monatlichen Kosten der Unterkunft in Höhe von 495,42 Euro und monatlichen Heizkosten von 78,00 Euro bewilligt (Bl. 177 ff L 6 AS 74/22).

Am 30. September 2024 hat die Berichterstatterin den Sach- und Streitstand mit der Klägerseite erörtert. 

Auf Nachfrage des Gerichts hat der Kläger unter Verweis auf Bl. 343ff. VA ausgeführt, dass er versucht habe, anderweitigen Wohnraum zwecks Anmietung zu finden. Er könne nach rund 10 Jahren keine konkreten Angaben mehr dazu machen, welche Wohnung er konkret wann angefragt habe. Das dürfte nachvollziehbar sein. Es dürfe angemerkt werden, dass die von ihm in den Vorjahren (seit 2013) gefertigten und eingereichten Listen zu keinem Zeitpunkt beanstandet worden seien. Er habe davon ausgehen dürfen, dass diese ausreichend seien, um Eigenbemühungen nachzuweisen. Ab November 2015 habe die Beklagte keine weiteren Nachweise über Eigenbemühungen von ihm verlangt. Es seien daher in der Folgezeit keine weiteren Listen erstellt worden. Dies belege auch der Aktenvermerk der Beklagten vom 27. Oktober 2016 (Bl. 1793 VA), wonach jedenfalls seit dem 1. Juli 2015 die Mietzahlungen auf den nach Ansicht der Beklagten angemessenen Betrag gekürzt worden seien (Bl. 212 L 6 AS 73/22). 

Die Beklagte hat auf Nachfrage des Senats erwidert, dass sie nicht gehalten gewesen sei, Nachweise zu führen, dass konkret angemessener Wohnraum zur Verfügung gestanden habe, zumal die Angemessenheitswerte u.a. auf einer Angebotsmietssammlung basierten. Der Kläger hätte vielmehr seine Wohnung untervermieten können, was hier nicht geschehen sei. Der Kläger habe gemäß dem Protokoll im Erörterungstermin selbst eingeräumt, sich darum erst gar nicht bemüht zu haben. Der Vortrag, dass das Bad wenig geeignet sei für eine WG, da es nicht genügend Ablagefläche für zwei Personen biete, sei dafür nicht ausreichend. Die Behauptung, dass der Vermieter einer Untervermietung nicht zugestimmt hätte, sei zudem nicht belegt. Vielmehr sei davon auszugehen, dass nicht genügend Bemühungen von Seiten des Klägers getätigt worden seien (L 6 AS 219 f L 6 AS 73/22).

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt. Der Kläger hat dies mit Schreiben vom 25. Oktober 2022 (Bl. 165 L 6 AS 74/22) erklärt und im Schreiben vom 18. November 2024 wiederholt (Bl. 246 L 6 AS 74/22). Die Beklagte hat dieses für beide Verfahren im Schriftsatz vom 22. November 2024 erklärt (Bl. 219 L 6 AS 73/22). 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten (L 6 AS 73/22 und L 6 AS 74/22) und die Verwaltungsakten und das Protokoll des Erörterungstermins vom 30. September 2024 Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Die gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist nach §§ 143, 144 SGG zulässig und begründet.

Das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom Urteil vom 26. Januar 2022 ist aufzuheben, da die Anfechtungs- und Leistungsklage des Klägers zwar zulässig, aber unbegründet ist. 

Der Bescheid des Beklagten vom 27. September 2018 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 21. November 2018 und des Widerspruchsbescheides vom 22. November 2018 in Form des Änderungsbescheides vom 9. Februar 2023 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Übernahme der tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 635,- Euro monatlich im Zeitraum vom 1. November 2018 bis 31. Oktober 2019.

Streitig sind dabei nur die Leistungen für die Bedarfe für Unterkunft und Heizung, nachdem der Kläger bereits seine Klage – zulässigerweise – hierauf beschränkt hat und das Sozialgericht dementsprechend nur über diese entschieden hat. 

Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Übernahme weiterer Kosten der Unterkunft und Heizung im streitgegenständlichen Zeitraum, da die Beklagte dem Kläger die angemessenen Kosten für die Unterkunft gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II im Zeitraum 1. November 2018 bis 31. Oktober 2019 gewährt hat.

Der Kläger macht im Verfahren 635,- Euro monatliche Aufwendungen für Unterkunft geltend. Nach der von der Beklagten anhand der letzten Betriebskostenabrechnung vorgenommenen Aufteilung der Nebenkostenvorauszahlung auf die kalten Betriebskosten und die Heizkosten, die auch die im Streitzeitraum geschuldeten Nebenkostenvorauszahlungen prägten, betrugen letztere 78,00 Euro monatlich. Nachdem die Beklagte diese in voller Höhe übernommen und der Senat keine Bedenken hinsichtlich der von der Beklagten errechneten Aufteilung hat, könnte der Kläger weitere Leistungen nur verlangen, wenn die die Beschränkung der für die Bruttokaltmiete übernommenen Aufwendungen sich als rechtswidrig herausstellen sollte. Das ist nach Auffassung des Senats jedoch nicht der Fall.

Der Kläger ist mit Schreiben vom 12. Januar 2015 zur Kostensenkung aufgefordert worden. 

Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Übernahme der tatsächlichen Kosten der Unterkunft, denn die Kosten für die vom Kläger allein bewohnte 75 qm große Wohnung sind unangemessen im Sinne des § 22 Abs. 1 SGB II.

Die Angemessenheit der Aufwendungen für die Unterkunft sind nach der Rechtsprechung des BSG in einem mehrstufigen Verfahren zu bestimmen (BSG, Urteil vom 12. Juni 2013 – B 14 AS 60/12 R; BSG, Urteil vom 26. Mai 2011 – B 14 AS 132/10 R, jeweils juris).

Für die abstrakte Angemessenheit ist zu prüfen, ob die tatsächlichen Aufwendungen des Leistungsberechtigten für seine Unterkunft dem entsprechen, was für eine nach abstrakten Kriterien als angemessen geltende Wohnung auf dem maßgeblichen Wohnungsmarkt aufzubringen ist. Übersteigen die tatsächlich aufzubringenden Wohnkosten die abstrakt ermittelte Referenzmiete, ist zu überprüfen, ob eine Wohnung, die den abstrakten Kriterien entspricht, für den Leistungsberechtigten auf dem Mietmarkt tatsächlich verfügbar und konkret anmietbar ist, es ihm also konkret möglich ist, die Kosten für die Unterkunft auf das abstrakt angemessene Maß zu senken (konkrete Angemessenheit). Soweit die Aufwendungen des Leistungsberechtigten für seine Unterkunft die abstrakt angemessene Leistung für die Unterkunft übersteigen, sind erstere solange zu berücksichtigen, wie es ihm nicht möglich oder nicht zumutbar ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel längstens für sechs Monate.

Die abstrakt angemessene Leistung für die Unterkunft ist in einem mehrstufigen Verfahren zu ermitteln. Zunächst ist die angemessene Wohnungsgröße für den alleinlebenden Kläger zu bestimmen. 

Bei der Wohnungsgröße ist die für Wohnberechtigte im sozialen Mietwohnungsbau anerkannte Wohnraumgröße zu Grunde zu legen. Dazu ist auf die Werte zurückzugreifen, welche die Länder auf Grund von § 10 des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung (WoFG) festgesetzt haben (vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 18/06 R; BSG Urteil vom 18. Juni 2008 – B 14/7b AS 44/06 R; BSG, Urteil vom 19. Februar 2009 - B 4 AS 30/08 R; jeweils juris). Nach § 10 WoFG können die Länder im geförderten Wohnungsbau Grenzen für Wohnungsgrößen festlegen, bis zu denen eine Förderung in Betracht kommt. Unter Zugrundelegung der in Hessen geltenden Richtlinien (Nr. 11 i.V.m. Anlage 1 des Erlasses über die Ausstellung von Bescheinigungen über die Wohnungsberechtigung nach § 5 des Hessischen Wohnungsbindungsgesetzes bzw. nach § 17 des Hessischen Wohnraumförderungsgesetzes sowie von Berechtigungsscheinen zum Bezug von Wohnungen der Vereinbarten Förderung – §§ 88d und 88e des Zweiten Wohnungsbaugesetzes vom 22. Juli 2014 – Staatsanzeiger für das Land Hessen – StAnz – Nr. 32 vom 4. August 2014, S. 645 f. – Wohnraumfördererlass –), ist eine Wohnungsgröße für eine Person bis 50 qm, für zwei Personen bis 60 qm, für drei Personen bis 75 qm und für jede weitere Person max. 12 qm angemessen (vgl. Beschlüsse des Hessischen Landessozialgerichts vom 15. Dezember 2015 - L 9 AS 424/15 B ER und vom 13. Februar 2017 – L 9 AS 766/16 B ER). Wohnraumförderungsrechtliche Sonderregelungen, die auf persönliche Lebensverhältnisse des Hilfebedürftigen Bezug nehmen, sind bei der Bestimmung der Wohnflächen als Teil der Ermittlung einer abstrakt angemessenen Referenzmiete im Vergleichsraum nicht zu berücksichtigen (vgl. BSG, Urteil vom 22. August 2012 – B 14 AS 13/12 R; BSG, Urteil vom 11. Dezember 2012 – B 4 AS 44/12 R; erkennende Senat, Urteil vom 21. November 2018, L 6 AS 185/18: Rn. 30 ff.; Urteil vom 1. Dezember 2021 – L 6 AS 126/20 –, Rn. 63, juris).

Danach ist eine Wohngröße für eine Person bis 50 Quadratmetern angemessen. Hiervon geht auch das Konzept der IWU 2017 aus (Konzept Punkt 2, S. 13, Bl. 100 L 6 AS 73/22).

Hier bewohnt der Kläger indessen eine Dreizimmerwohnung mit Küche und Bad mit einer Wohnfläche von etwa 75 qm. Diese Wohnung ist nach dem aufgezeigten grundsicherungsrechtlichen Maßstab offensichtlich für einen Einpersonenhaushalt zu groß. Diese Überschreitung der Richtgröße führt wegen der anzuwendenden Produkttheorie für sich genommen jedoch noch nicht zur Unangemessenheit der Wohnung. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG (BSG, Urteile vom 7. November 2006 – B 7b AS 10/06 R und B 7b AS 18/06 R, juris) bestimmt der Gesamtmietpreis der Wohnung, d.h. die Summe aus Kaltmiete und kalten Betriebskosten die Angemessenheit. Eine zu große Wohnfläche kann daher durch einen geringeren Quadratmetermietpreis ausgeglichen werden. Vorliegend wird die Wohnflächengröße im Rahmen der Produkttheorie allerdings auch nicht durch eine besonders geringe Quadratmetermiete kompensiert. Die Wohnung des Klägers ist grundsicherungsrechtlich unangemessen teuer.

Das von der Beklagten der Bestimmung der Angemessenheitsobergrenze zugrunde gelegte Konzept der IWU 2017 hält als sog. schlüssiges Konzept einer rechtlichen Überprüfung anhand der höchstrichterlich aufgestellten Maßstäbe stand. Um als schlüssig angesehen werden zu können, muss es folgende Anforderungen erfüllen: 
Nach Feststellung der Wohnraumgröße ist als weiterer Faktor der Wohnungsstandard zu berücksichtigen. Angemessen sind die Aufwendungen für eine Wohnung nur dann, wenn diese nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen genügt und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist (BSG, Urteil vom 7. November 2006 – B 7b AS 18/06 R, Rn. 20, juris). Sie muss dem Hilfebedürftigen ein menschenwürdiges Leben ermöglichen (BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008 – B 4 AS 1/08 R, Rn. 15, juris). Die Wohnung muss deshalb hinsichtlich der aufgeführten Kriterien, die als Mietpreis bildende Faktoren regelmäßig im Quadratmeterpreis ihren Niederschlag finden, im unteren Segment der nach der Größe in Betracht kommenden Wohnungen in dem räumlichen Bezirk liegen, der den Vergleichsmaßstab bildet. Dadurch ergibt sich einerseits ein Mindestanspruch, gleichzeitig aber im Rahmen des Begriffs der Angemessenheit auch ein Maximalanspruch, der sich aus dem Schutz (nur) des soziokulturellen Existenzminimums herleitet, dem die Ansprüche aus dem SGB II dienen. Da es im Ergebnis allein auf die Kostenbelastung des Grundsicherungsträgers ankommt, kann dahinstehen, ob einzelne Faktoren wie Ausstattung, Lage etc. isoliert als angemessen anzusehen sind, solange der Grundsicherungsträger nicht mit unangemessen hohen Kosten belastet wird (BSG, Urteil vom 7. November 2006 – B 7b AS 18/06 R, Rn. 20, juris; erkennender Senat, Urteil vom 1. Dezember 2021 – L 6 AS 126/20 –, Rn. 67, juris).

Der sogenannten Produkttheorie (vgl. Berlit in: Münder, LPK-SGB II, 7. Auflage, § 22 Rn. 90 m.w.N.) folgend, ist im Ergebnis alleine auf das Produkt aus angemessener Wohnfläche und dem Quadratmetermietpreis, der sich letztlich aus dem Wohnstandard ergibt, abzustellen. Es kommt weder isoliert auf die Wohnungsgröße noch auf den Quadratmetermietpreis an. Eine unangemessen große Wohnung kann bei einem geringen Quadratmetermietpreis also im Ergebnis angemessen sein, ebenso wie eine besonders kleine Wohnung gehobenen Standards (vgl. Berlit in: Münder, LPK-SGB II, 7. Auflage, § 22 Rn. 90).

Grundlage für die Ermittlung der Mietobergrenze bildet dabei ein schlüssiges Konzept, welches grundsätzlich von dem Grundsicherungsträger vorzulegen ist, der im Rahmen seiner prozessualen Mitwirkungspflichten dem Gericht eine Entscheidungsgrundlage zu verschaffen hat (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 - B 4 AS 27/09 R; Müller, in: Roos/Wahrendorf, BeckOGK SGG, Stand: 1. November 2014, § 103 Rn. 46; erkennender Senat, Urteil vom 1. Dezember 2021 – L 6 AS 126/20 –, Rn. 69, juris).

Kommt der Grundsicherungsträger dieser Verpflichtung nicht nach bzw. erfüllt das vorgelegte Konzept die an es zu stellenden Anforderungen nicht, ist es zunächst im Sinne der Amtsermittlung Aufgabe der Gerichte, den angemessenen Mietwert zu ermitteln. Erst im Falle eines Ermittlungsausfalls kann hilfsweise auf die Werte des § 12 WoGG zurückgegriffen werden (erkennender Senat, Urteil vom 1. Dezember 2021 – L 6 AS 126/20 –, Rn. 69, juris; Berlit in: Münder, LPK-SGB II, 7. Auflage, § 22 Rn. 102 m.w.N.).

Das dem Grundsicherungsträger im Rahmen der gestuften Angemessenheitsprüfung abzuverlangende (vgl. nur BSG, Urteil vom 22. März 2012 – B 4 AS 16/11 R; BSG, Urteil vom 11. Dezember 2012 – B 4 AS 44/12 R, jeweils juris; Wiemer NZS 2012, 9) Konzept der systematischen Ermittlung und Bewertung genereller, wenngleich orts- und zeitbedingter Tatsachen für sämtliche Anwendungsfälle im maßgeblichen Vergleichsraum ist nur dann auch schlüssig, wenn es mindestens die folgenden Voraussetzungen erfüllt (BSG, Urteil vom 18. Juni 2008 – B 14/7b 44/06 R; BSG, BSG, Urteil vom 22. September 2009 – B 4 AS 18/09 R; BSG, Urteil vom 16. Juni 2015 – B 4 AS 44/14 R, jeweils juris; Berlit in: Münder, LPK-SGB II, 7. Auflage, § 22 Rn. 96-100): 

1. Datenerhebung, 
2. nachvollziehbare Definition des Gegenstandes der Beobachtung, 
3. Angaben über den Beobachtungszeitraum, 
4. Festlegung der Art und Weise der Datenerhebung (Erkenntnisquellen, z.B. Mietspiegel), 
5. Repräsentativität des Umfangs der einbezogenen Daten, 
6. Validität der Datenerhebung, 
7. Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze der Datenauswertung, 
8. Angaben über die gezogenen Schlüsse (z.B. Spannoberwert oder Kappungsgrenze), 
9. Fortschreibung des Konzepts.

Für die Erstellung eines schlüssigen Konzeptes ist nach der Bestimmung der angemessenen Wohnungsgröße zunächst der maßgebliche örtliche Vergleichsraum zu ermitteln (vgl. BSG, Urteil vom 12. Dezember 2017 - B 4 AS 33/16 R; BSG, BSG, Urteil vom 16. Juni 2015 - B 4 AS 77/12 R, erkennender Senat, Urteil vom 1. Dezember 2021 – L 6 AS 126/20 –, Rn. 71, jeweils juris).

Überlegungen zur Bestimmung eines maßgeblichen örtlichen Vergleichsraums – insbesondere in Bezug auf die Datenerhebung – sind eine logische Voraussetzung zur Entwicklung eines schlüssigen Konzepts (vgl. BSG, Urteil vom 16. April 2013 – B 14 AS 28/12 R, juris). Dabei geht es um die Ermittlung einer (angemessenen) Referenzmiete am Wohnort oder im weiteren Wohnumfeld des Leistungsberechtigten (vgl. u.a. BSG, Urteil vom 10. September 2013 – B 4 AS 77/12 R, juris).

Ein Vergleichsraum, in dem die Mietobergrenze ermittelt wird, ist dann zulässig bestimmt, wenn es sich um einen ausreichend großen Raum der Wohnbebauung handelt, der aufgrund seiner räumlichen Nähe, seiner Infrastruktur und insbesondere seiner verkehrstechnischen Verbundenheit einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bildet (BSG, Urteil vom 17.  Dezember 2009 – B 4 AS 27/09 R). Damit soll sichergestellt werden, dass die ortsüblichen Gegebenheiten bzw. mietpreisbeeinflussenden Faktoren in der Referenzmiete berücksichtigt werden.

Der Begriff Vergleichsraum zielt in erster Linie auf den Wohnort des Leistungsberechtigten ab; insbesondere ist er so zu wählen, dass Hilfesuchende im Regelfall ihr soziales Umfeld beibehalten können (BSG, Urteil vom 19. Februar 2009 – B 4 AS 30/08 R; BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 - B 14 AS 2/10 R, jeweils juris). 

Generalisierungen hinsichtlich des Vergleichsraums verbieten sich aufgrund dieser geographisch und infrastrukturell geprägten Anforderungen. Je nach örtlichen Gegebenheiten kann es sein, dass die Heterogenität des Vergleichsraums nicht unzulässig groß ist, wenn im Gebiet eines Landkreises mehrere Gemeinden zu einem Vergleichsraum zusammengefasst werden. Insbesondere im ländlichen Raum kann es geboten sein, größere Gebiete als Vergleichsgebiete zusammenzufassen (Hessisches LSG, Beschluss vom 23. Juli 2007 – L 9 AS 91/06 ER, juris). Gibt es – insbesondere in Kleinstgemeinden – keinen Wohnungsmarkt, muss auf größere räumliche Bereiche abgestellt werden. Diese sind so zu wählen, dass dem grundsätzlich zu respektierenden Recht des Leistungsempfängers auf Verbleib in seinem sozialen Umfeld ausreichend Rechnung getragen wird (Theesfeld, jurisPR-MietR 13/2018 Anm. 4), sachliche Gesichtspunkte die Zusammenfassung erfordern, die kreisangehörigen Gemeinden keine erheblichen strukturellen Unterschiede (etwa in Bezug auf Topografie, Siedlungsdichte und Infrastruktur) aufweisen und die Daseinsvorsorge der Gemeinden des Vergleichsraums durch ein öffentliches Verkehrsnetz gewährleistet ist, diese also gleichmäßig gut angebunden sind (Berlit, info also 2017, 195, 197).
Letztlich ist der Vergleichsraum also aufgrund des abstrakt-generellen Charakters des Rechtsbegriffs der Raum, in dem ausgehend von rein objektiven Kriterien dem Leistungsberechtigten ein Umzug zumutbar ist, ohne dass zur Ausfüllung dieses Begriffs individuell in der Person des Leistungsberechtigten vorliegende oder fehlende Bindungen an ein Umfeld oder dessen Mobilität zu berücksichtigten wären.

Der Beklagte ist zutreffend davon ausgegangen, dass der gesamte Wohnort des Klägers einen Vergleichsraum bildet. Diese Annahme wurde auch dem Konzept zugrunde gelegt (vgl. Punkt 3 des Konzepts, Bl. 97 L 6 AS 73/22). Das ist von Seiten des Senats nicht zu beanstanden. Der Kläger wohnt in A-Stadt, der fünftgrößten Stadt Hessens mit etwa 135.000 Einwohnern und einer Fläche von 44,88 qkm. 

Das BSG hat bezüglich des Vergleichsraums auf die Erreichbarkeit des Stadtzentrums von der Peripherie durch den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) innerhalb der Zumutbarkeitsgrenzen von § 121 Abs. 4 Satz 2 SGB III a.F. (nunmehr § 140 Abs. 4 Satz 2 SGB III) abgestellt. Das BSG hat das damit begründet, dass der ÖPNV dort auf die Erreichbarkeit des Stadtkerns von allen Stadtteilen her ausgerichtet ist und sich von den Randlagen aus in die innerstädtischen Bezirke insoweit lediglich Fahrzeiten ergeben, wie sie auch erwerbstätigen Pendlern nach § 121 Abs. 4 Satz 2 SGB III a.F. zugemutet werden (BSG, Urteil vom 5. August 2021 – B 4 AS 82/20 R –, Rn. 27 m.w.N., juris). 

Zwar hat das BSG die Übertragung der Verhältnisse von Großstädten für nur bedingt auf den ländlichen Raum übertragbar gehalten, weil der ländliche Raum im Regelfall nicht über ein annähernd gleich gut ausgebautes ÖPNV-Netz verfügen wird (BSG, Urteil vom 5. August 2021 – B 4 AS 82/20 R –, Rn. 27, juris). Allerdings ist hier nicht erkennbar und auch nicht substantiiert vorgetragen, dass innerhalb des Stadtgebiets A-Stadt die zumutbaren Pendelzeiten zum Erreichen des Stadtzentrums überschritten werden. Vielmehr beschreibt der Vortrag der Beklagten das Gegenteil.

Aus den aufgezeigten Vorgaben der Rechtsprechung des BSG, folgt für den Wohnort des Klägers daher, dass ein Vergleichsraum, der sich über das gesamte Stadtgebiet erstreckt, zulässigerweise angenommen werden darf. Denn die Stadt A-Stadt bildet aufgrund ihrer Fläche und Einwohnerzahl einen hinreichend großen und auch hinreichend homogenen und verkehrstechnisch vernetzten Lebens- und Wohnbereich, zumal bei einer Beschränkung auf einen einzelnen Stadtteil die Gefahr einer Ghettoisierung bestehen würde (BSG, Urteil vom 19. Februar 2009 – B 4 AS 30/08 R, Rn. 21 (München), juris; BSG, Urteil vom 18. November 2014 – B 4 AS 9/14 R –, Rn. 27 zum IWU-Konzept für J., juris). Soweit der Kläger meint, das gesamte Stadtgebiet der Stadt A-Stadt sei zu heterogen, um einen Vergleichsraum zu bilden, weil die bauliche Struktur und die Infrastruktur sowohl städtische als auch ländliche Elemente aufweisen würden, spricht dies nach Ansicht des Senats nicht gegen die Erfassung des gesamten Stadtgebietes als einen Vergleichsraum. Denn – wie der Kläger bereits selbst ausgeführt hat – bestünde andernfalls die Gefahr der Ghettoisierung von Stadtteilen (vgl. BSG, Urteil vom 18. November 2014 – B 4 AS 9/14 R –, Rn. 27 m.w.N.). Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg hat bei der Bildung eines Vergleichsraums auf das gesamte Stadtgebiet von Berlin abgestellt (vgl. zum Beispiel: Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 10. August 2022 – L 18 AS 225/20 –, Rn. 22; Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 31. Mai 2022 – L 32 AS 2845/16 –, Rn. 84, jeweils juris). Diese Vergleichsraumbildung ist vom BSG nicht beanstandet worden (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 50/10 R, Rn. 24; BSG, Urteil vom 13. April 2011 – B 14 AS 32/09 R, Rn. 19, jeweils juris). 

Auch dass die Beklagte sich bei der Bildung des Vergleichsraum auf ihr Zuständigkeitsgebiet beschränkt hat, ist nicht zu beanstanden. Denn nach der Rechtsprechung des BSG bildet das Zuständigkeitsgebiet eines Jobcenters grundsätzlich einen Vergleichsraum (BSG, Urteil vom 5. August 2021 – B 4 AS 82/20 R –, Rn. 22, juris).

Damit entspricht die Datenerhebung den Vorgaben der BSG-Rechtsprechung (vgl. BSG, Urteil vom 19. Februar 2009 – B 4 AS 30/08 R –, Rn. 21; BSG, Urteil vom 10. September 2013 – B 4 AS 77/12 R –, Rn. 29), denn diese ist auf ein bestimmtes Gebiet das Stadtgebiet A-Stadt begrenzt – der Vergleichsraum ist damit genau eingegrenzt und es werden nicht nur Mieten bestimmter Stadtbezirke in die Auswertung einbezogen, sondern Daten über das gesamte Stadtgebiet erhoben.

Im nächsten Schritt ist unter Berücksichtigung des angemessenen einfachen Wohnungsstandards festzustellen, welche Nettokaltmiete pro Quadratmeter Wohnfläche für die angemessene Wohnungsgröße auf dem Wohnungsmarkt des maßgeblichen Vergleichsraumes zu zahlen ist, um die nach der Produkttheorie angemessene Nettokaltmiete zu ermitteln. Zu der so ermittelten Nettokaltmiete sind noch die kalten Betriebskosten hinzuzurechnen (BSG, 22. August 2012 – B 14 AS 13/12 R – juris, mit zahlreichen weiteren Nachweisen). 

1.    Datenerhebung: Das IWU hat den Datensatz für sein Konzept ausschließlich in dem genau eingegrenzten, aber auch über den gesamten Vergleichsraum Stadt A-Stadt erhoben. Die Rohdaten, die in das Konzept IWU 2017 eingeflossen sind, sind für eine valide Datenerhebung tauglich. Hierbei wurde sowohl die Nachfrageseite wie auch die Angebotsseite auf dem Wohnungsmarkt in der Stadt A-Stadt in den Blick genommen, indem sowohl Internetannoncen und die im Stadtgebiet A-Stadt vertretenen institutionellen Vermieter bei der Erfassung berücksichtigt worden sind (Konzept, S. 15, Bl. 98 L 6 AS 73/22). Ein solches Vorgehen hat das BSG nicht beanstandet. Das BSG hat in seinem Urteil vom 18. November 2014 – B 4 AS 9/14 für die Stadt J. (juris Rn. 21 ff.) festgestellt, dass der dortige Beklagte im Rahmen seiner Methodenfreiheit das Konzept des IWU zur empirischen Ableitung der angemessenen Bruttokaltmiete unter Einbeziehung der Nachfrageseite wählen kann. Es bestünden keine Bedenken grundsätzlicher Art gegen den methodischen Ansatz des IWU, das die Referenzmiete auf der Basis der Daten des qualifizierten Mietspiegels für die Stadt J. sowie des Verhältnisses zwischen den Häufigkeiten angemessener verfügbarer Wohnungen (Angebotsseite) und versorgungsbedürftiger Bedarfs- und Einstandsgemeinschaften nach dem SGB II und dem SGB XII (Nachfrageseite) ermittelt habe. Soweit die Daten der Bestandsmieten der Leistungsempfänger nach dem SGB II und SGB XII als nachfrage- und preisrelevanter Faktor in die Ermittlung der abstrakt noch angemessenen Quadratmetermiete für das einfache Segment einbezogen würden, fänden weitere Modifizierungen, insbesondere die Einbeziehung der Nachfragekonkurrenz nach preiswertem Wohnraum durch andere Niedrigeinkommensbezieher, statt. Es handele sich nicht um ein „reines Marktmodell“, weil gleichzeitig als Daten des qualifizierten Mietspiegels die „Neuvertragsmieten“ sämtlicher von den Mietspiegelerhebungen erfasster Personen bei der Festlegung der „Angebotspreise“ einbezogen worden seien. Ein - vom BSG nicht gebilligter – „Zirkelschluss“ finde daher nicht statt. Die Referenzmiete sei nicht allein aufgrund der Daten der Leistungsbezieher nach dem SGB II und dem SGB XII ermittelt worden.

Das IWU Modell für die Stadt A-Stadt folgt demselben Ansatz. Allerdings konnte das IWU für die Stadt A-Stadt nicht auf einen qualifizierten Mietspiegel nach § 558d Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zurückgreifen, denn für das Stadtgebiet lag lediglich ein einfacher Mietspiegel nach § § 558c BGB vor (vgl.: www.A-Stadt.de/buerger_innen/bauen-wohnen/wohnen/wohnhilfen/mietspiegel.php). 

Gleichwohl sind die vom IWU erhoben Daten mit 1.748 berücksichtigten Wohnungen (Konzept S. 16, Bl. 99 L 6 AS 73/22) ausreichend breit. Insbesondere lässt sich aus § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II für das schlüssige Konzept des Grundsicherungsträgers nicht eine generelle Anforderung herleiten, dass für eine hinreichende Datenrepräsentativität außerhalb qualifizierter Mietspiegel eine Datenbasis von mindestens 10 % der Wohnungen des in Betracht zu ziehenden Wohnungsmarkts zugrunde gelegt werden muss (BSG, Urteil vom 3. September 2020 – B 14 AS 34/19 R, Rn. 21, juris). § 22c Abs. 1 Satz 3 SGB II, der zur Konkretisierung des Tatbestandsmerkmals der Angemessenheit dient, bestimmt, dass in die Datenerhebung sowohl Neuvertrags- als auch Bestandsmieten einfließen sollen. Ob und in welchem Umfang dies geschieht, ist eine Frage des methodischen Vorgehens im Einzelfall, das in die Entscheidungszuständigkeit des Grundsicherungsträgers fällt (BSG, Urteil vom 3. September 2020 – B 14 AS 34/19 R, Rn. 27, juris), wobei es der Schlüssigkeit eines Konzepts für die Ermittlung der angemessenen Kosten der Unterkunft nach der Rechtsprechung des BSG nicht grundsätzlich entgegenstehen würde, wenn die Ermittlung der angemessenen Nettokaltmiete allein auf der Erhebung von Angebotsmieten beruht (BSG, Urteil vom 17. September 2020 – B 4 AS 22/20 R –, juris).

Im festgelegten örtlichen Vergleichsraum Stadt A-Stadt hat das IWU bei den Angebotsmieten den kompletten Markt im Erhebungsjahr 2016 (Konzept S. 15, Bl. 98 L 6 AS 73/22), nicht beschränkt auf ein einfaches oder einfacheres Segment in die Ermittlung, sondern den gesamten Wohnungsmarkt einbezogen (Konzept S. 15, Bl. 98 L 6 AS 73/22). Außerdem hat der Konzepterstellung die Annahme zugrunde gelegen, dass wegen der geringen Verhandlungsmacht von Sozialleistungsbeziehern die Angebotsmieten den Neuvertragsmieten entsprechen (Konzept S. 14, Bl. 97 L 6 AS 73/22). 

Bei der Erstellung des Konzepts hat IWU alle Annoncen in den großen Internetportalen für das Jahr 2016 sowie die Annoncen der institutionellen Vermieter für das zweite Halbjahr 2016 erfasst (Konzept S. 15, Bl. 98 L 6 AS 73/22). Die Daten der Internetportale wurden um Dubletten bereinigt (Konzept S. 15, Bl. 98 L 6 AS 73/22). Die so gewonnenen Datenquellen wurden zusammengefasst und ein Datensatz von zunächst 1.941 Wohnungen erstellt. Aus diesem Datensatz wurden in einem nächsten Schritt 155 Sozialwohnungen, 33 Wohnungen mit Flächen-Substandards und 5 Wohnungen wegen fehlender Angaben ausgesondert (Konzept S. 16, Bl. 99 L 6 AS 73/22). Zimmer in Wohngemeinschaften sind bei dieser Auswertung ebenfalls nicht erfasst worden (Konzept S. 16, Bl. 99 L 6 AS 73/22). 

Allerdings hat das IWU eingeräumt, dass eine Aussonderung von Ausstattungs-Substandard, also Wohnungen ohne Heizung, ohne Dusche/Badewanne, ohne WC im Datensatz nicht möglich gewesen sei. Die Ersteller des Konzepts sind insoweit davon ausgegangen, dass dieses Nischensegment an Wohnungen nicht öffentlich annonciert werde (Konzept S. 16, Bl. 103 L 6 AS 73/22) und einem Anteil von weniger als einem Prozent des Markts entspreche. [hierzu siehe ab S. 38 des Votums]

Des Weiteren hat IWU bei der Datenerfassung Bestandmieten zum Stichpunkt November 2016 (Konzept S. 19, Bl. 102 L 6 AS 73/22), die der Stadt A-Stadt als Trägerin der Unterkunftskosten im Bereich SGB II und SGB XII bekannt sind erfasst (Konzept S. 19, Bl. 102 L 6 AS 73/22). Dieser Datensatz belief sich auf 8.554 Bedarfsgemeinschaften im SGB II und 2.442 im SGB XII (Konzept S. 19, Bl. 102 L 6 AS 73/22). Diesen Datensatz hat IWU bereinigt und im Datensatz 8.170 Bestandswohnungen (5.926 aus dem SGB II + 2.244 aus dem SGB XII) berücksichtigt (Konzept S. 20, Bl. 103 L 6 AS 73/22).

Auf der Nachfrageseite hat das IWU durch Einbeziehung dieser Bestandsmieten das einfache Segment in die Betrachtung einbezogen (Konzept S. 20, Punkt 5.1, Bl. 102 L 6 AS 73/22). Die Heranziehung von Bestandsmieten - als Datengrundlage für das schlüssige Konzept des Grundsicherungsträgers - dient vor dem Hintergrund deren tendenziell niedrigerer Höhe nicht zuletzt der Vermeidung von Mietpreis erhöhenden Wirkungen. Hier hat das IWU bei den Bestandsmieten der SGB II- und SGB XII-Leistungsempfänger insgesamt 8.170 Fälle erfasst, und diese unterteilt in fünf Wohnungsklassen ausgewertet (Konzept, S. 23 f, Bl. 106 f L 6 AS 73/22).

Ein Zirkelschluss wird vermieden, der entstünde, wenn man nur die Daten der Leistungsempfänger analysierte, in dem die Daten mit denen der Angebotsseite zusammengeführt. Im vorgelegten Konzept wird ausführlich dargelegt, wie es die angebotsseitige und die nachfrageseitige Analyse zusammenführt und dabei die tatsächliche Anmietbarkeit in ausreichender Häufigkeit, die Vermeidung von Segregation und die Orientierung an den Lebensverhältnissen von Niedrigeinkommensbeziehern berücksichtigt wird (Konzept Nr. 5- 6, S. 19 ff, Bl. 102 L 6 AS 73/22).

2. Das Konzept des IWU enthält eine nachvollziehbare Definition des Gegenstandes der Beobachtung. Gegenstand der Untersuchung bei den Angebotsmieten ist der gesamte Markt ohne Beschränkungen auf Wohnungen des einfachen Segments (Konzept S. 14, Punkt 4, Bl. 97 L 6 AS 73/22). Auf der Nachfrageseiten sind bei den Bestandsmieten die Daten auf das einfache Segment beschränkt (Konzept S. 19, Punkt 5.1, Bl. 102 L 6 AS 73/22).

3. Angaben über den Beobachtungszeitraum: Der Beobachtungszeitraum ist grundsätzlich das komplette Jahr 2016 (Konzept, S. 15, Bl. 98 L 6 AS 73/22). Nur bei den institutionellen Vermietern, wurden nur das zweite Halbjahr 2016 erfasst (Konzept S. 16, Bl. 99 L 6 AS 73/22). Bei den Bestandswohnungen wurden Wohnungen bis November 2016 im Datensatz berücksichtigt (Konzept S. 19, Bl. 102 L 6 AS 73/22). 

4. Festlegung der Art und Weise der Datenerhebung (Erkenntnisquellen, z.B. Mietspiegel): Das Konzept der IWU gibt seine Erkenntnisquellen umfassend an (Konzept S. 14, Punkt 4.2, Bl. 97 L 6 AS 73/22; Konzept S. 19f, Punkt 5.2., Bl. 102 L 6 AS 73/22).

5. Repräsentativität des Umfangs der einbezogenen Daten: Der Datensatz von 1.748 Wohnungen im Datensatz der Angebotsmieten erscheint ausreichend groß und erfasst sowohl Angebote verschiedener institutioneller Vermieter als auch Anzeigen in Internetportale (vgl. Konzept S. 15, Bl. 98 L 6 AS 73/22). Auf der Nachfrageseite sind 8.170 Bestandswohnungen mit Angabe der Wohnfläche in die Auswertung eingegangen (Konzept, S. 20, Bl. 103 L 6 AS 73/22). Ausgehend von 41.197 Wohnungen in A-Stadt (Konzept S. 17, Bl. 100 L 6 AS 73/22 unter Verweis auf die Zensuserhebung) sind 9.918 Wohnungen, wobei es sich um 1.748 inserierte Wohnungen (Konzept S. 18, Bl. 101 L 6 AS 73/22) und 8.170 Bestandsmieten (Konzept S. 20, Bl. 103 L 6 AS 73/22) handelt, betrachtet worden. Das stellt fast ein Viertel des A-Stadter Mietmarktes dar, so dass an der Repräsentativität des Datensatzes keine Zweifel bestehen.

6. Validität der Datenerhebung: Auch hinsichtlich der Validität der Datenerhebung hat der Senat keine Zweifel. Im Konzept wird nachvollziehbar dargelegt, wie die Datensätze jeweils bereinigt worden sind. Von den zunächst 1.941 erhobenen Annoncen (Konzept, S. 15, Bl. 98 L 6 AS 73/22) wurden davon 1.748 im Datensatz berücksichtigt (Konzept, S. 16, Bl. 99 L 6 AS 73/22). Bei den Bestandsmieten flossen 8.170 Bestandswohnungen von 10.996 erhobenen Bestandswohnungen in den Datensatz ein (Konzept, S. 19 f, Bl. 102f L 6 AS 73/22).
Auch sind die Datensätze ihrer Größe nach statistisch nicht zu beanstanden. Ausgehend von 42.197 Wohnungen der Stadt A-Stadt (Konzept S. 17, Bl. 100 L 6 AS 73/22) sind mit 1.748 Annoncen 4,14 Prozent der Wohnungen in die Betrachtung eingeflossen. Bei den Bestandsmieten sogar 20,9 Prozent.

7. Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze der Datenauswertung: Der – insoweit fachlich nicht kompetente – Senat hat keinen Anhalt, dass anerkannte mathematisch-statistische Grundsätze der Datenauswertung missachtet wurden. Soweit das Vorgehen des IWU auch ohne mathematisch-statistische Fachkenntnisse nachvollziehbar ist, ist es für den Senat schlüssig. 
Nach Zusammenführung der Angebots- und der Bestandsdaten wurden seitens des IWU anschließend die Wohnangebote einer Häufigkeitsanalyse (Konzept S. 22 ff., Bl. 105 L 6 AS 73/22) und sodann die Nachfrage einer Häufigkeitsanalyse (Konzept S. 31 ff., Bl. 114 L 6 AS 73/22) unterzogen und schließlich Angebot und Nachfrage in Beziehung zueinander gesetzt (Konzept, S. 40 ff. 123 ff L 6 AS 73/22, graphischer Marktabgleich S. 43, Bl. 126 L 6 AS 73/22).

Zur Angebotsanalyse: Bei der Berücksichtigung des längerfristig verfügbaren Angebots baut das verwendete Verfahren nach Angaben der IWU auf dem Sachverständigengutachten von Prof. Dr. E., Universität D-Stadt auf, das zur Beurteilung des Dresdner Konzept als schlüssig geführt hat (BSG, Urteil vom 18. November 2014, B 4 AS 9/14 R; so das Konzept S. 26, Bl. 109 L 6 AS 73/22). Danach wird die längerfristige Verfügbarkeit von Wohnungen auf der Angebotsseite (weniger attraktive Wohnungen, deren Vermarktung länger als einen Monat dauert,) bestimmt über die Bestimmung des gesamten marktfähigen Leerstands geteilt durch das tatsächliche Transaktionsvolumen (Fluktuation pro Monat). Dieses Verhältnis stellt den Hochrechnungsfaktor dar, mit dem die angebotsseitige Häufigkeitsverteilung der Mieten gewichtet wird. Der Senat sieht keinen Anlass, diese methodische Frage erneut aufzurollen und hierzu ein Sachverständigengutachten in Auftrag zu geben.

Das Sächsisches Landessozialgericht hat in seinem Urteil vom 19. Dezember 2013 – L 7 AS 637/12 –, Rn. 146¸ juris – ausgeführt, der Ansatz des IWU, die abstrakte Verfügbarkeit von Wohnungen bereits bei der Ermittlung der Angemessenheitsgrenze einzubeziehen, sei aus Sicht des Senats nicht zu beanstanden sei. Durch die Einbeziehung der abstrakten Verfügbarkeit von Wohnungen bereits bei der Ermittlung der Angemessenheitsgrenze biete das IWU-Modell den Vorteil, dass es die Angemessenheitsgrenze nach Wohnungsgrößen differenziert empirisch ableite und nicht lediglich normativ setze. Das BSG ist dem nicht entgegengetreten. Der erkennende Senat hat diese Methodik im Urteil vom 1. Dezember 2021 (L 6 AS 126/20, juris) bei der Überprüfung des IWU-Konzepts für D-Stadt nicht beanstandet und sieht auch jetzt keinen Anlass, dieses Methodik erneut in Frage zu stellen.

Die Vermietungsbereitschaft an Leistungsbezieher nach dem SGB II und dem SGB XII wurde von dem IWU unter Heranziehung des Mikrozensus Zusatzerhebung Wohnen nicht normativ festgelegt, sondern durch eine empirische Analyse der Anmietwahrscheinlichkeit mittels „binär-logistischer Regression“ ermittelt (Konzept S. 27 f., Bl. 110 f L 6 AS 73/22). In diesem Verfahren liegen verschiedene Annahmen zugrunde: Es fließt erstens ein die Wahrscheinlichkeit, dass eine Wohnung an Leistungsbezieher vermietet wird, sie steigt an Standorten mit einem höheren Anteil an Leistungsbeziehern und einer geringen Eigentumsquote; zweitens fließt ein der Preis der Wohnung (jede teurer die Wohnung desto geringer die Wahrscheinlichkeit der Vergabe) und der Eignungsklasse der Wohnung gemessen in Quadratmetern (kleinere Wohnung werden mit höherer Wahrscheinlichkeit an Leistungsempfänger vergeben als große, da die Konkurrenz durch andere kleine Haushalte geringer ist, da diese häufig auch große Wohnungen mieten). Diese der Berechnung zugrundeliegenden Annahmen erscheinen dem Senat wie bereits entschieden (erkennender Senat, Urteil vom 1. Dezember 2021 – L 6 AS 126/20) plausibel.

Zur Nachfrageanalyse: Hier befasst sich das IWU damit, wie die vorhandenen Daten in der Datenbank der SGB II und SGB XII Leistungsbezieher zu gewichten sind (Konzept, S. 35, Bl. 118 L 6 AS 73/22). Hierbei hat IWU Leistungsbezieher auf der Nachfrageseite herausgerechnet, die innerhalb der nächsten Monate aus der Hilfebedürftigkeit herausfallen bzw. die Nachfrager nicht eingebzogen, welche noch nicht sechs Monate im Leistungsbezug sind. Diese Herleitung der Nachfrage pro Monat nach Preis- und Haushaltsgröße (Konzept, S. 35 Tabelle 16; Bl. 118 L 6 AS 73/22) ist nicht zu beanstanden (in diesem Sinne auch erkennender Senat, Urteil vom 1. Dezember 2021 – L 6 AS 126/20).

8. Angaben über die gezogenen Schlüsse (z.B. Spannoberwert oder Kappungsgrenze): Ein schlüssiges Konzept kann wegen der geltenden Methodenfreiheit sowohl auf Wohnungen aus dem Gesamtwohnungsbestand (einfacher, mittlerer, gehobener Standard) als auch auf Wohnungen nur einfachen Standards abstellen. Legt der Grundsicherungsträger seiner Datenerhebung nur die Wohnungen des sogenannten einfachen Standards zu Grunde, muss er nachvollziehbar offenlegen, nach welchen Gesichtspunkten er dabei die Auswahl getroffen hat. In diesem Fall ist als Angemessenheitsgrenze der Spannenoberwert, d.h. der obere Wert der ermittelten Mietpreisspanne zu Grunde zu legen. (BSG, Urteil vom 22. September 2009 – B 4 AS 18/09 R –, juris Rn. 21).

Vorliegend hat das IWU zwar auf der Nachfrageseite nur Daten mit Wohnungen mit einfachen Standard erhoben, allerdings auf der Angebotsseite grundsätzlich den gesamten Markt abgebildet und auf Wohnungen aus dem Gesamtwohnungsbestand (einfacher, mittlerer, gehobener Standard) abgestellt (Konzept S. 14, Bl. 98 L 6 AS 73/22), lediglich Flächen-Substandardwohnungen wurden aus der Betrachtung herausgenommen (Konzept S. 16, Bl. 99 L 6 AS 73/22). 

Soweit das Sozialgericht das zu überprüfende Konzept für unschlüssig hält, weil vom Konzeptersteller Wohnungen mit Ausstattungs-Substandards nicht ausgesondert habe, vermag das den Senat nicht zu überzeugen. Das Sozialgericht hat zwar zutreffend darauf verwiesen, dass Mietwohnungen mit einem untersten Ausstattungsgrad (Substandard) grundsätzlich nicht zu berücksichtigen sind, da Hilfebedürftige hierauf nicht verwiesen werden können (vgl. hierzu: BSG, Urteil vom 10. September 2013 - B 4 AS 77/12 R -, Rn. 21, juris; BSG, Urteil vom 19. Oktober 2009 - B 14 AS 65/09 R – Rn. 31, juris; Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 9. Dezember 2024 – L 7 AS 150/20 –, Rn. 146, juris).

Nachvollziehbar wird jedoch von der Beklagten und dem Konzeptersteller belegt, dass Substandardwohnungen ohne Bad oder ohne Heizung/mit Kohleheizung, ohne Küche so selten angeboten werden (unter 1 Prozent), dass deren Herausfilterung keine statistisch relevante Abweichung bewirkt (vgl. zu hierzu auch: Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 5. Dezember 2019 – L 7 AS 1764/18 –, Rn. 39, juris; dies nicht beanstandend: BSG, Urteil vom 17. September 2020 – B 4 AS 22/20 R –, Rn. 36, juris). 

In diesem Zusammenhang hat der Senat auch berücksichtigt, dass Zimmer in Wohngemeinschaften nicht in den Datensatz eingeflossen sind (Konzept S. 15, Bl. 99 L 6 AS 73/22). Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass der Konzeptersteller den Datensatz um besondere Ausreißer wie Mieten kleiner als 10 Euro, Wohnflächen kleiner als 22 qm bereinigt hat (Konzept S. 15, Bl. 99 L 6 AS 73/22). Die erhobenen Werte hat Konzeptersteller in einem letzten Schritt eine Plausibilitätskontrolle unterworfen (vgl. z.B. Konzept S. 44, 6.5, Bl. 127 L 6 AS 73/22).

Nach Zusammenführung der Angebots- und der Bestandsdaten wurden anschließend die Wohnangebote einer Häufigkeitsanalyse (Konzept S. 22 ff., Bl. 105 L 6 AS 73/22), die Nachfrage einer Häufigkeitsanalyse (Konzept S. 31 ff., Bl. 114 L 6 AS 73/22) unterzogen. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass das IWU Konzept eine Angemessenheitsgrenze i.S. einer Kappungsgrenze (Bruttokaltmiete) formuliert.
Aufgrund des beschriebenen Vorgehens des Konzepterstellers wird das Konzept nicht deshalb unschlüssig, weil im Konzept ausgeführt, dass nur Wohnungen mit einem Flächen-Substandard nicht aber Wohnungen mit einem Ausstattungs-Substandard im Datensatz ausgesondert wurden. Das zu überprüfende Konzept erweist sich insgesamt als schlüssig und ist nicht zu beanstanden. Der Senat kann nach Auswertung des Konzepts keine Anhaltspunkte erkennen, dass in einem statistisch relevanten Maß Wohnungen mit einem Ausstattungs-Substandard in die Datensätze eingeflossen sein sollen und so die ermittelten Mietobergrenzen verzerrend ermittelt sein soll (vgl. in diesem Sinne auch: BSG, Urteil vom 17. September 2020 – B 4 AS 22/20 R –, Rn. 36, juris).

9. Fortschreibung alle zwei Jahre: Schlüssige Konzepte für angemessene Unterkunftskosten im SGB II sind regelmäßig nach Ablauf einer Zweijahresfrist nach Datenerhebung, Datenauswertung und deren Inkraftsetzen zu überprüfen und gegebenenfalls fortzuschreiben (BSG, Urteil vom 12. Dezember 2017 – B 4 AS 33/16 R, juris Rn. 18 ff.). Die Überprüfung und gegebenenfalls neue Festsetzung durch den Grundsicherungsträger hat im Rahmen seiner Methodenfreiheit zu erfolgen (BSG, Urteil vom 12. Dezember 2017 – B 4 AS 33/16 R –, Rn. 18, juris). Eine Fortschreibung des Konzepts anhand des vom Statistischen Bundesamt ermittelten bundesdeutschen Verbraucherpreisindex hat das BSG im Rahmen der Fortschreibung nicht beanstandet (BSG, Urteil vom 12. Dezember 2017 – B 4 AS 33/16 R –, Rn. 20). Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist die Fortschreibung des Konzepts durch Rückgriff auf den Hessischen Verbraucherpreisindexes für Wohnungsmieten (Fortschreibung S. 2, Bl. 252 L 6 AS 74/22) nicht zu beanstanden. Zusätzlich hat der Beklagte die im April 2019 rückwirkend beschlossene Anhebung der Grundsteuer zum 1. Januar 2019 bei den Nebenkosten mitberücksichtigt (Fortschreibung S. 2, Bl. 252 L 6 AS 74/22). Hinsichtlich der differenzierten Fortschreibung wird auf Seite 3 (Bl. 252 L 6 AS 74/22) Bezug genommen.

Das IWU Konzept 2017 ist zum 1. Juni 2017 in Kraft getreten (Bl. 173 L 6 AS 74/22). Die Fortschreibung des Konzepts trat am 1. Juli 2019 in Kraft; somit erfolgte diese nach knapp mehr zwei Jahre (Bl. 173 L 6 AS 74/22) und erfüllt daher auch (noch) diese Anforderung. Die Fortschreibung des Konzepts alle zwei Jahre ist aktueller und damit wirklichkeitsnäher als die Anpassung der Anlage 1 zu § 12 WoGG, die nur alle fünf Jahre stattfindet.

Auch eine Ghettoisierung ist nach dem Konzept 2017 der IWU nicht zu befürchten. Der Anteil angemessener Wohnungen wird in manchen Stadtvierteln überproportional, und in manchen unterproportional sein. Wie sich Tabelle 24 des IWU (Konzept S. 45, Tabelle 24, Bl. 128 L 6 AS 73/22) entnehmen lässt, ist das Mietniveau in den sechs nach Postleitzahlen gegliederten Stadtteilen unterschiedlich. Aus der Tabelle 24 ist zu entnehmen, dass in den Marktsegmenten der einzelnen Zumutbarkeitsklassen eine unterschiedliche Zugänglichkeit besteht, welche auch mit der bauhistorischen Verfügbarkeit bestimmter Wohnungen zu erklären ist. Die Gefahr der Ghettoisierung ist, aufgrund der Zugänglichkeit in allen Stadtteilen, nicht ersichtlich. 
Nach allem ist das Konzept des IWU 2017 und dessen Fortschreibung von 2019 als schlüssiges Konzept i.S. der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht zu beanstanden. Es weist für einen Einpersonenhaushalt für den Zeitraum 1. Juni 2017 bis 30. Juni 2019 eine Angemessenheitsgrenze für eine Bruttokaltmiete von 472,81 Euro (Konzept S. 46, Tabelle 25, Bl. 129 L 6 AS 73/22) und ab 1. Juli 2019 von 495,42 Euro (Fortschreibung S. 4, Bl. 254 L 6 AS 74/22) aus. Dieser Betrag wurde dem Kläger auch bewilligt. 

Selbst die Wohnung des Klägers bestätigt, dass das Konzept der IWU 2017 realitätsnah ist. Die Wohnung des Klägers hat etwa 75 qm, was nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts wie auch dem Konzept des IWU für einen Dreipersonenhaushalt eine angemessene Wohnfläche wäre. Für einen Dreipersonenhaushalt errechnet das Konzept eine Bruttokaltmiete von 722,69 Euro bzw. 757,22 Euro ab 1. Juli 2019 als Angemessenheitsgrenze. Der Kläger schuldet für die von ihm bewohnte Wohnung eine Bruttokaltmiete von 550,- Euro (485,- Euro Grundmiete und 65,- Euro Nebenkosten ohne Heizkosten). Er kann somit die viel zu große Wohnfläche zwar über einen besonders günstigen Preis pro qm teilweise kompensieren, aber nicht völlig. Es handelt sich um eine sehr günstige Wohnung für eine dreiköpfige Haushaltsgemeinschaft, die für einen Einpersonenhaushalt über der Angemessenheitsgrenze liegt.

Der Kläger hat auch keine besonderen Umstände vorgetragen, die ausnahmsweise die Übernahme höherer Beträge rechtfertigen könnten (konkrete Angemessenheit). Es ist nichts dafür ersichtlich, dass der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum und auch bis heute Anstrengungen unternommen hat, eine günstigere Wohnung zu finden, obwohl er zum Beispiel die Kosten der Unterkunft durch Untervermietung eines Zimmers hätte senken können. 

Zudem war es dem Kläger mit Hilfe seiner Familie auch möglich, die Wohnung seit Juli 2017 dauerhaft zu finanzieren, auch wenn die Beklagte nur einen Teil der Unterkunftskosten übernommen hat. 
Andere Gründe, dass der Kläger zum Beispiel wegen bestehender sozialer Bindungen allein auf Wohnungen in diesem Stadtteil mit dem entsprechenden Mietniveau verwiesen werden könnte, sind nicht ersichtlich.

Aus den dargelegten Gründen ist der angegriffene Bescheid entgegen der Ansicht des Sozialgerichts Darmstadt rechtmäßig, daher ist dessen Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Revisionszulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
 

Rechtskraft
Aus
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