Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 18. Januar 2024 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten auch für das Revisionsverfahren nicht zu erstatten.
G r ü n d e :
I
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Der Kläger begehrt von der Beklagten Landesblindengeld nach seinem Umzug von Sachsen in ein Pflegeheim nach Niedersachsen.
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Der 1934 geborene Kläger ist blind. Er hat einen Grad der Behinderung von 100 und ihm sind die Merkzeichen G, H, Bl und RF zuerkannt. Zudem hat er den Pflegegrad 3. Bis November 2017 lebte der Kläger in seiner Wohnung in Sachsen und erhielt dort Landesblindengeld; dann verzog er in ein Pflegeheim nach H. Daraufhin hob der zuständige Leistungsträger in Sachsen die Bewilligung von Landesblindengeld für die Zeit ab Dezember 2017 auf, weil der Kläger keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Sachsen mehr habe (Bescheid vom 16.11.2017).
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Den vom Kläger gestellten Antrag auf Gewährung von Blindengeld nach dem niedersächsischen Gesetz über das Landesblindengeld für Zivilblinde (BlindGeldG ND) ab Dezember 2017 lehnte die Beklagte ab. Der Kläger habe in Niedersachsen keinen gewöhnlichen Aufenthalt. Die Unterbringung in einem Pflegeheim könne einen solchen nicht begründen (Bescheid vom 19.2.2018).
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Das SG hat die Beklagte verurteilt, dem Kläger Blindengeld ab Dezember 2017 zu gewähren, weil er in Niedersachsen seinen gewöhnlichen Aufenthalt begründet habe (Urteil vom 16.3.2020). Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Landesblindengeld. Der in einem Pflegeheim begründete gewöhnliche Aufenthalt gelte nicht als solcher. Dafür spreche die Gesetzeshistorie und der Zweck der einschlägigen Regelungen des BlindGeldG ND, der darin bestehe, dass das Land Niedersachsen bei Aufnahme eines zugezogenen blinden Menschen in ein niedersächsisches Pflegeheim nicht auch die Kosten des Blindengelds tragen solle. Auch die Systematik der einschlägigen Normen stütze das Ergebnis. So sei Blinden ein Anspruch auf Landesblindengeld eingeräumt, die sich in einer stationären Einrichtung in der Bundesrepublik Deutschland aufhielten und im Zeitpunkt der Aufnahme in die Einrichtung ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Niedersachsen gehabt hätten. Würde der Aufenthalt in einer stationären Einrichtung zugleich dort den gewöhnlichen Aufenthalt begründen, wäre diese Regelung sinnlos. Das gefundene Ergebnis sei auch nicht verfassungswidrig und verstoße angesichts des weiten Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit insbesondere nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz. Beim Landesblindengeld handele es sich um eine aus Landesmitteln finanzierte freiwillige Leistung. Für eine Differenzierung bestünden auch vernünftige Gründe. In eine stationäre Einrichtung einziehende Blinde mit vorherigem gewöhnlichen Aufenthalt in Niedersachsen wiesen typischerweise einen deutlich größeren Landesbezug als Zugezogene aus anderen Bundesländern auf (Urteil vom 18.1.2024).
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Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung von Art 3 Abs 1 und Art 6 Abs 1 GG sowie einen Verstoß gegen § 109 und § 98 Abs 2 SGB XII. Für die vorgenommene Differenzierung sei kein sachlicher Grund ersichtlich. Er halte sich aus persönlicher Verbundenheit in Niedersachsen auf, denn sein einziger Sohn lebe dort. Die Anordnung der entsprechenden Anwendung von § 109 SGB XII im BlindGeldG ND diene nicht dem Zweck, bei Aufnahme in eine stationäre Einrichtung iS des § 98 Abs 2 SGB XII einen Leistungsausschluss herbeizuführen. Sie regele vielmehr Fälle einer Zuständigkeitskonkurrenz, die zu Sachsen aber nicht bestehe, und lasse im Übrigen den Leistungsanspruch des Berechtigten unberührt.
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Der Kläger beantragt,
das Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 18. Januar 2024 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Hannover vom 16. März 2020 zurückzuweisen.
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Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
II
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Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG). Die Ablehnung seines Anspruchs auf Blindengeld nach dem BlindGeldG ND ab Dezember 2017 durch die Beklagte ist nach Maßgabe des vom Berufungsgericht gefundenen und den Senat bindenden Auslegungsergebnisses zu § 1 Abs 1 Nr 1 iVm Abs 5 BlindGeldG ND revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Hiernach hat der aus Sachsen zugezogene Kläger mit der Aufnahme in das Pflegeheim in H keinen anspruchsbegründenden gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne dieses Gesetzes begründet.
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A. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist neben den Urteilen des LSG und des SG der Bescheid der Beklagten vom 19.2.2018, mit dem diese den Antrag des Klägers auf Gewährung von Landesblindengeld abgelehnt hat. Statthafte Klageart ist die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4 iVm § 56 SGG), für die der Rechtsweg zu den Sozialgerichten eröffnet ist (§ 9 Abs 4 BlindGeldG ND), ohne dass der Senat dies zu prüfen hätte (§ 202 Satz 1 SGG iVm § 17a Abs 5 GVG). Eines Vorverfahrens bedurfte es vor Klageerhebung nicht (§ 78 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGG iVm § 86 Abs 1 und 2 Niedersächsisches Justizgesetz vom 16.12.2014, Nds GVBl Nr 26 S 436 idF von Art 4 Nr 2 des Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Kommunalabgabengesetzes und anderer Gesetze vom 2.3.2017, Nds GVBl Nr 4 S 48, 52). Die beklagte Landeshauptstadt ist der zuständige Leistungsträger (§ 9 Abs 1 BlindGeldG ND in der bis zum 31.12.2019 geltenden Fassung vom 18.1.1993, Nds GVBl Nr 5 S 25; ab 1.1.2020 § 9 Abs 1 Satz 2 BlindGeldG ND idF von Art 6 des Gesetzes zur Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes in Niedersachsen vom 24.10.2019, Nds GVBl Nr 18 S 300, 307).
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Nach § 1 Abs 1 Nr 1 BlindGeldG ND in der hier maßgeblichen, ab dem 16.12.2011 geltenden Fassung des Gesetzes vom 7.12.2011 (Nds GVBl Nr 30 S 469) erhalten Zivilblinde (blinde Menschen) Landesblindengeld zum Ausgleich der durch die Blindheit bedingten Mehraufwendungen, wenn sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Niedersachsen haben. Das LSG hat die anspruchsbegründende Voraussetzung des gewöhnlichen Aufenthalts verneint, weil nach § 1 Abs 5 BlindGeldG ND in der hier gleichfalls ab dem 16.12.2011 geltenden Fassung iVm dem entsprechend anwendbaren § 109 SGB XII der Aufenthalt des Klägers im Pflegeheim nicht als gewöhnlicher Aufenthalt iS des § 1 Abs 1 Nr 1 BlindGeldG ND gilt. Diese Entscheidung des Berufungsgerichts hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
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B. Der Senat ist nicht an einer Entscheidung gehindert, weil es in der Sache auch um die Auslegung von irrevisiblem niedersächsischen Landesrecht geht (§ 162 SGG).
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Zu Recht hat das LSG die Revision nur zugelassen, soweit vom Kläger die Verletzung von Bundesrecht gerügt wird. Denn der Regelungsbereich der streitbefangenen Norm des § 1 Abs 5 BlindGeldG ND geht nicht über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus und regelt damit irrevisibles Recht iS des § 162 SGG (dazu unter 1.). Der Senat ist an das vom Berufungsgericht gefundene Auslegungsergebnis gebunden. Dessen Auslegung verstößt weder gegen das verfassungsrechtliche Willkürverbot, noch hat das LSG bei der Auslegung des § 1 Abs 5 BlindGeldG ND bundesgesetzliche Normen herangezogen, die den ihnen beigelegten Regelungsgehalt nicht aufweisen (dazu unter 2.). Die Gesetzesauslegung des LSG verstößt auch nicht gegen Bundesverfassungsrecht (dazu unter 3.).
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1. Nach § 162 SGG kann die Revision nur darauf gestützt werden, dass das angefochtene Urteil auf der Verletzung einer Vorschrift des Bundesrechts oder einer sonstigen im Bezirk des Berufungsgerichts geltenden Vorschrift beruht, deren Geltungsbereich sich über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus erstreckt. Revisibilität von Landesrecht ist auch gegeben, wenn inhaltsgleiche Vorschriften verschiedener Bundesländer in den Bezirken verschiedener LSG gelten und die Übereinstimmung nicht nur zufällig, sondern im Interesse der Rechtsvereinheitlichung bewusst und gewollt ist (stRspr; BSG Urteil vom 10.6.2021 - B 9 BL 1/20 R - BSGE 132, 178 = SozR 45926 § 1 Nr 2, RdNr 22 f; BSG Urteil vom 14.6.2018 - B 9 BL 1/17 R - BSGE 126, 63 = SozR 45921 Art 1 Nr 4, RdNr 10; BSG Urteil vom 11.8.2015 - B 9 BL 1/14 R - BSGE 119, 224 = SozR 45921 Art 1 Nr 3, RdNr 12; BSG Urteil vom 11.11.2004 - B 9 VG 2/04 R - BSGE 93, 290 = SozR 41300 § 107 Nr 1 - juris RdNr 15). Von der in Art 99 GG eingeräumten Befugnis, die Zuständigkeit der obersten Gerichtshöfe des Bundes in solchen Sachen zu begründen, bei denen es sich um die Anwendung von Landesrecht handelt, hat der Niedersächsische Landesgesetzgeber dagegen keinen Gebrauch gemacht.
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Nach § 1 Abs 5 BlindGeldG ND findet § 109 SGB XII entsprechende Anwendung. Nach dem mit "Ausschluss des gewöhnlichen Aufenthalts" überschriebenen § 109 SGB XII gilt als gewöhnlicher Aufenthalt ua nicht der Aufenthalt in einer Einrichtung iS von § 98 Abs 2 SGB XII. Wie das LSG in seinem Urteil zutreffend ausgeführt hat, gibt es mit § 1 Abs 5 BlindGeldG ND inhaltsgleiche, wenn auch nicht wortgleiche Regelungen in fünf weiteren Bundesländern, und zwar in Bremen (§ 1 Abs 1 Satz 3 Bremisches Gesetz über die Gewährung von Pflegegeld an Blinde und Schwerstbehinderte <Landespflegegeldgesetz> - PflGG BR), Hamburg (§ 1 Abs 2 Satz 3 Hamburgisches Blindengeldgesetz - HmbBlinGG), Hessen (§ 2 Abs 3 Landesblindengesetz - LBliGG), Mecklenburg-Vorpommern (§ 1 Abs 1 Satz 3 Landesblindengeldgesetz - LBlGG MV) und Schleswig-Holstein (§ 1 Abs 1 Satz 3 Landesblindengeldgesetz - LBlGG). Das Landesrecht Nordrhein-Westfalens verweist lediglich allgemein auf die entsprechende Geltung des SGB (§ 7 Gesetz über die Hilfen für Blinde und Gehörlose - GHBG).
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Allerdings gilt die inhaltsgleiche Regelung in Bremen ebenfalls im Gerichtsbezirk des Berufungsgerichts, während für die inhaltsgleichen Regelungen der Landesblindengeldgesetze der übrigen vier Bundesländer ebenso wie in Nordrhein-Westfalen keine Rechtswegzuweisung zu den Sozialgerichten (vgl § 51 Abs 1 Nr 10 SGG) existiert. Damit geht der Regelungsbereich von § 1 Abs 5 BlindGeldG ND nicht über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus und regelt irrevisibles Recht iS des § 162 SGG. Denn Sinn und Zweck dieser Bestimmung ist eine Einschränkung des Prüfungsumfangs des Revisionsgerichts mit Blick auf dessen Aufgabe, Rechtseinheit zu schaffen und zu wahren. Dies belegt ein Verständnis von § 162 SGG, wonach eine landesrechtliche Vorschrift nur dann revisibel ist, wenn noch mindestens ein weiteres LSG über eine inhaltlich gleiche Norm in einem anderen Land zu entscheiden hat (vgl BSG Urteil vom 31.1.1995 - 1 RS 1/93 - SozR 35920 § 1 Nr 1 - juris RdNr 16). Andernfalls kann - wie vorliegend - das LSG selbst für eine einheitliche Rechtsanwendung in seinem Bezirk sorgen. Dass damit die Frage der Revisibilität einer Vorschrift vom jeweiligen Stand des Landesrechts und den Vorgaben der Gerichtsverfassung abhängt, hat der Gesetzgeber bewusst in Kauf genommen, wie bereits die Gesetzesmaterialien zur Parallelvorschrift in der ursprünglichen Fassung der ZPO (§ 487 des Gesetzentwurfs) erkennen lassen (vgl Hahn, Die gesamten Materialien zur Civilprozeßordnung und dem Einführungsgesetz zu derselben vom 30.1.1877, Erste Abtheilung, 2. Aufl 1881, S 367 f).
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2. Dem Senat ist es zwar verwehrt zu überprüfen, ob die vom Berufungsgericht gewählte Auslegung des irrevisiblen Landesrechts zutrifft, nicht aber, ob diese Auslegung eine revisible Norm des Bundesrechts verletzt.
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Ein solcher Verstoß liegt jedoch nicht bereits dann vor, wenn das Revisionsgericht aus seiner Sicht zu einer anderen Gesetzesauslegung kommen würde oder das Tatsachengericht Bundesrecht lediglich zur Ergänzung lückenhafter landesrechtlicher Regelungen herangezogen hat (stRspr; vgl zB BSG Urteil vom 22.3.2018 - B 5 RE 5/16 R - SozR 42600 § 6 Nr 16 RdNr 57; BSG Urteil vom 10.3.2011 - B 3 KS 2/10 R - BSGE 108, 8 = SozR 45425 § 4 Nr 1, RdNr 17; BSG Urteil vom 3.11.1993 - 14b REg 6/93 - SozR 36935 Allg Nr 1 - juris RdNr 10; BSG Urteil vom 30.10.1991 - 2 RU 73/90 - juris RdNr 16; BSG Urteil vom 23.4.1975 - 2 RU 227/74 - BSGE 39, 252 = SozR 2200 § 550 Nr 4 - juris RdNr 16). Bundesrecht ist erst dann verletzt, wenn das Berufungsgericht den Rahmen zulässiger Gesetzesauslegung überschritten und damit die Bindung an Gesetz und Recht (Art 3 Abs 1 iVm Art 20 Abs 3 GG) missachtet (Willkürverbot; dazu unter aa) oder wenn es bei der Gesetzesauslegung bundesgesetzliche Normen herangezogen hat, die den ihnen beigelegten Regelungsgehalt nicht aufweisen (BSG Urteil vom 10.3.2011 - B 3 KS 2/10 R - BSGE 108, 8 = SozR 45425 § 4 Nr 1, RdNr 17 mwN; dazu unter bb). Beides ist hier nicht der Fall.
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aa) Das LSG hat mit seiner Auslegung des § 1 Abs 5 BlindGeldG ND nicht das grundgesetzliche Willkürverbot verletzt.
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Willkür liegt vor, wenn eine Entscheidung keinen Bezug zu dem gesetzlich vorgegebenen Maßstab aufweist und offensichtlich unhaltbar ist (vgl BVerfG <Kammer> Beschluss vom 2.3.2009 - 2 BvR 197/09 - BVerfGK 15, 160 - juris RdNr 20; s auch bereits BVerfG Urteil vom 16.1.1957 - 1 BvR 134/56 - BVerfGE 6, 45 - juris RdNr 30). Eine nur rechtsirrtümliche Entscheidung reicht insoweit nicht aus, diese muss sich vielmehr derart weit von der auszulegenden Norm entfernt haben, dass sich der Schluss aufdrängt, sie beruht auf sachfremden Erwägungen, es sich also um eine "krasse Fehlentscheidung" handelt (vgl BVerfG <Kammer> Beschluss vom 12.9.2007 - 2 BvR 2335/06, 2 BvR 2589/06 - BVerfGK 12, 139 - juris RdNr 26; BVerfG Beschluss vom 11.5.1965 - 2 BvR 259/63 - BVerfGE 19, 38 - juris RdNr 13). Zu prüfen ist also, ob die maßgeblichen gesetzlichen Regelungen in objektiv willkürlicher bzw offensichtlich unhaltbarer Weise fehlerhaft angewendet worden sind (vgl BVerfG <Kammer> Beschluss vom 14.9.2023 - 2 BvR 107/21 - juris RdNr 21 mwN) bzw ob sich das Berufungsgericht so weit von den gesetzlichen Vorgaben entfernt hat, dass sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sachlich einleuchtender Grund für die gewählte Auslegung nicht finden lässt (vgl BSG Urteil vom 19.6.2018 - B 1 KR 32/17 R - BSGE 126, 87 = SozR 42500 § 108 Nr 5, RdNr 24 mwN).
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Hiervon ausgehend hat das Berufungsgericht im Rahmen seiner Auslegung des einschlägigen Landesrechts nicht die Grenzen seiner gerichtlichen Kompetenzen überschritten und seine Bindung an Gesetz und Recht (Art 3 Abs 1 iVm Art 20 Abs 3 GG) verletzt. Seine anspruchsausschließende Auslegung beim Zuzug von blinden Menschen in eine stationäre Einrichtung ohne vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt in Niedersachsen ist nicht in offensichtlich unhaltbarer Weise fehlerhaft. Das LSG hat den von ihm angenommenen Bedeutungsgehalt des § 1 Abs 5 BlindGeldG ND in Anwendung anerkannter Auslegungsmethoden festgestellt. Es hat sich insbesondere nicht über den eindeutigen Willen des Landesgesetzgebers hinweggesetzt und sich selbst in die Rolle einer normsetzenden Instanz begeben (vgl stRspr; zB BVerfG <Kammer> Beschluss vom 23.5.2016 - 1 BvR 2230/15, 1 BvR 2231/15 - juris RdNr 36; BVerfG <Kammer> Beschluss vom 26.9.2011 - 2 BvR 2216/06, 2 BvR 469/07 - juris RdNr 44; BVerwG Beschluss vom 10.8.2016 - 1 B 83/16 - juris RdNr 6; BSG Urteil vom 28.6.2001 - B 3 P 9/00 R - BSGE 88, 215 = SozR 33300 § 9 Nr 1 - juris RdNr 32).
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Zur Begründung seines Auslegungsergebnisses hat das LSG ausgeführt, dass durch das Zweite Gesetz zur Änderung des BlindGeldG ND vom 20.3.1970 (Nds GVBl 67) mit der Einfügung des § 1 Abs 1 Satz 3 die entsprechende Anwendung der inhaltsgleichen Vorgängervorschrift zu § 109 SGB XII - § 109 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) idF des Gesetzes vom 18.9.1969 (BGBl I 1688) - eingeführt worden sei, um den im BlindGeldG ND enthaltenen Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts im Sinne des Sozialhilferechts zu umreißen (Hinweis auf LT-Drucks 6/1004 S 3). Der mit der Regelung des § 109 BSHG und nachfolgend des § 109 SGB XII bezweckte "Schutz" der örtlichen Sozialhilfeträger vor der Übernahme der Kosten für Sozialhilfeleistungen an Personen, die sich in eine stationäre Einrichtung in ihrem Zuständigkeitsbereich begeben, ohne dort zuvor ihren gewöhnlichen Aufenthalt gehabt zu haben, solle über § 1 Abs 1 Satz 2 BlindGeldG ND (ab 16.12.2011 § 1 Abs 5 BlindGeldG ND) entsprechend auch für das die Kosten des Blindengelds tragende Land Niedersachsen gewährleistet werden. Dieser gesetzgeberische Wille komme auch in der Begründung des Gesetzentwurfs zur Einführung des § 1 Abs 1 Satz 2 BlindGeldG ND (ab 16.12.2011 § 1 Abs 1 Nr 2 BlindGeldG ND) durch das Gesetz vom 18.1.1993 (Nds GVBl Nr 5 S 25) "deutlich zum Ausdruck". Mit dieser Regelung sei der Geltungsbereich des Gesetzes auf Blinde erweitert worden, die sich in Anstalten, Heimen und gleichartigen Einrichtungen in anderen Bundesländern aufhalten und vorher ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Niedersachsen hatten. Im Anschluss an die Begründung für diese Anspruchserweiterung für Blinde aus Niedersachsen, die sich in Heimen außerhalb Niedersachsens aufhalten, werde vom Landesgesetzgeber ausdrücklich klargestellt, dass der "Schutz" des Landes Niedersachsen als "Anstaltsland" bestehen bleiben solle, wenn sich blinde Menschen aus anderen Bundesländern in niedersächsischen stationären Einrichtungen aufhalten (Hinweis auf LT-Drucks 12/3610 S 4). Diese Zweckbestimmung erschließe sich darüber hinaus auch aus der Systematik des § 1 Abs 1 BlindGeldG ND. Denn dessen Abs 1 Nr 2 wäre sinnlos, würde der Aufenthalt in einer stationären Einrichtung in Niedersachsen zugleich als gewöhnlicher Aufenthalt iS des Abs 1 Nr 1 gelten. Zwar sei in einigen anderen Bundesländern - wie auch in Sachsen - Anspruchsvoraussetzung weitgehend lediglich der Wohnsitz oder der gewöhnliche Aufenthaltsort in dem Bundesland. Allerdings würden die blinden Menschen den dortigen Anspruch mit einem Wegzug in ein anderes Bundesland verlieren. Dass diese blinden Menschen, die direkt in eine stationäre Einrichtung eines Bundeslands - wie Niedersachsen - mit einer "Schutzklausel" (entsprechende Anwendung von § 109 SGB XII mit Ausschluss des gewöhnlichen Aufenthalts) ziehen, wegen unzureichender Harmonisierung der Landesblindengeldgesetze auch in dem Zuzugsland keinen Anspruch auf Blindengeld haben und für sie nur noch die Möglichkeit bestehe, die nach Bundesrecht gewährte einkommens- und vermögensabhängige Blindenhilfe nach § 72 SGB XII zu beziehen, sei bekannt. Diese Gesetzeslücke in anderen Bundesländern berechtige die Gerichte aber nicht, über den erkennbaren Willen des Landesgesetzgebers hinaus eine nicht gewollte Regelung hinzuzufügen.
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bb) Die Prüfung der vom Kläger erhobenen Revisionsrüge der Verletzung von § 109 und § 98 Abs 2 SGB XII im Rahmen der vom LSG vorgenommenen Auslegung des § 1 Abs 5 BlindGeldG ND ist dem Senat verwehrt. Wenn irrevisibles Landesrecht - wie hier - auf Bundesrecht verweist, ist grundsätzlich nur Landesrecht anwendbar, es sei denn, das Landesgesetz will die an sich revisible Vorschrift nicht als Landesrecht qualifizieren, sondern gerade als Bundesrecht übernehmen (BSG Urteil vom 25.4.1990 - 5 RJ 53/88 - juris RdNr 14). Dies ist vorliegend nach der Auslegung des LSG aber nicht der Fall. Das Berufungsgericht hat lediglich für die in § 1 Abs 5 BlindGeldG ND angeordnete entsprechende Anwendung des § 109 SGB XII die dort für bestimmte Regelungen des SGB XII vorgenommene negative Fiktion des gewöhnlichen Aufenthalts (vgl § 30 Abs 3 Satz 2 SGB I) in Einrichtungen iS von § 98 Abs 2 SGB XII auch für den gewöhnlichen Aufenthalt iS von § 1 Abs 1 BlindGeldG ND mit der Rechtsfolge übernommen, dass der Aufenthalt in einer solchen Einrichtung in Niedersachsen nicht als gewöhnlicher Aufenthalt im Sinne dieser Bestimmung gilt. Damit hat es aber lediglich die Bedeutung der Verweisung des § 1 Abs 5 BlindGeldG ND auf § 109 SGB XII für das Landesrecht interpretiert und auf dieser Grundlage die anspruchsbegründenden Tatbestandsvoraussetzungen für den Bezug des Landesblindengelds in § 1 Abs 1 BlindGeldG ND bestimmt. Dies revisionsrechtlich zu überprüfen, ist dem Senat nach den oben genannten Maßstäben aber verwehrt. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob der Senat aus seiner Sicht zu einer anderen Gesetzesauslegung gekommen wäre (vgl BSG Urteil vom 22.3.2018 - B 5 RE 5/16 R - SozR 42600 § 6 Nr 16 RdNr 57).
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3. Das vom Berufungsgericht gefundene und den Senat bindende Auslegungsergebnis zu § 1 Abs 1 Nr 1 iVm Abs 5 BlindGeldG ND gebietet im Hinblick auf Art 100 Abs 1 GG keine Aussetzung des Verfahrens, weil eine Verletzung von Bundesverfassungsrecht auch insoweit nicht vorliegt. Es verstößt weder gegen Art 11 Abs 1 GG (dazu unter a) noch gegen Art 3 Abs 1 GG (dazu unter b) oder gegen Art 6 Abs 1 GG (dazu unter c).
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a) Die vom LSG mit bindender Wirkung für den Senat angenommene Voraussetzung eines vorangegangenen gewöhnlichen Aufenthalts für einen Anspruch auf Blindengeld bei Aufnahme in einer stationären Einrichtung verstößt nicht gegen das Recht des Klägers auf Freizügigkeit gemäß Art 11 Abs 1 GG.
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Danach genießen alle Deutschen iS von Art 116 Abs 1 GG im gesamten Bundesgebiet Freizügigkeit. Dies beinhaltet das Recht, ungehindert durch die deutsche Staatsgewalt an jedem Ort innerhalb des Bundesgebiets Aufenthalt und Wohnsitz zu nehmen. Dem Schutzbereich unterfällt insbesondere auch die Freizügigkeit zwischen Ländern, Gemeinden und innerhalb einer Gemeinde (vgl BVerfG Urteil vom 17.12.2013 - 1 BvR 3139/08, 1 BvR 3386/08 - BVerfGE 134, 242 - juris RdNr 253; BVerfG Urteil vom 17.3.2004 - 1 BvR 1266/00 - BVerfGE 110, 177 - juris RdNr 33; BSG Urteil vom 12.4.2017 - B 13 R 12/15 R - BSGE 123, 98 = SozR 45060 Art 6 § 4 Nr 4, RdNr 38).
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Ein unmittelbarer Eingriff in die Freizügigkeit wird durch die vom LSG vorgenommene Auslegung von § 1 Abs 1 Nr 1 iVm Abs 5 BlindGeldG ND im Sinne der Entscheidung der Beklagten mit Bescheid vom 19.2.2018 nicht bewirkt. Der Umzug des Klägers nach Niedersachsen in ein Pflegeheim konnte tatsächlich ohne Hemmnisse durch die öffentliche Gewalt durchgeführt werden. Art 11 Abs 1 GG bezweckt auch keinen Schutz des Vermögens oder Einkommens dergestalt, dass nahezu jede finanzielle Einbuße aus Anlass eines Umzugs nach Art 11 Abs 2 GG rechtfertigungsbedürftig wäre (vgl BSG Urteil vom 12.4.2017 - B 13 R 12/15 R - BSGE 123, 98 = SozR 45060 Art 6 § 4 Nr 4, RdNr 39 f mwN). Der Schutzbereich der Freizügigkeit begründet keinen Anspruch darauf, dass der Aufenthalt an einem bestimmten Ort aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht mit Konsequenzen verbunden ist, die zu dem Entschluss veranlassen können, von einem Aufenthalt abzusehen (BVerfG <Kammer> Beschluss vom 17.2.2010 - 1 BvR 529/09 - BVerfGK 17, 44 - juris RdNr 57; BSG Urteil vom 12.4.2017 - B 13 R 12/15 R - BSGE 123, 98 = SozR 45060 Art 6 § 4 Nr 4, RdNr 43).
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Ebenso wenig liegt ein mittelbarer Eingriff in das Recht auf Freizügigkeit des Klägers vor. Zwar kann in den Schutzbereich der Norm nicht nur durch direkte Einwirkungen auf die Wahl des Wohnorts eingegriffen werden. Auch mittelbare und faktische Beeinträchtigungen der Wahl des Wohnorts können einen zu rechtfertigenden Eingriff in die Freizügigkeit darstellen (vgl BVerfG Beschluss vom 19.11.2021 - 1 BvR 971/21, 1 BvR 1069/21 - BVerfGE 159, 355 - juris RdNr 210; BVerfG <Kammer> Beschluss vom 17.2.2010 - 1 BvR 529/09 - BVerfGK 17, 44 - juris RdNr 57; BVerfG Urteil vom 17.3.2004 - 1 BvR 1266/00 - BVerfGE 110, 177 - juris RdNr 35). Dafür muss die Zielsetzung und Wirkung einer Maßnahme allerdings einem direkten Eingriff gleichkommen. Im Bereich der Leistungsgewährung kann dies zB der Fall sein, wenn mit der Beschränkung von Leistungen der Sozialhilfe auf das zum Lebensunterhalt Unerlässliche ein wirtschaftlich spürbarer Nachteil an die Ausübung der Freizügigkeit geknüpft wird, um den Inhaber des Grundrechts an einen Zuweisungsort zu binden (vgl BVerfG Urteil vom 17.3.2004 - 1 BvR 1266/00 - BVerfGE 110, 177 - juris RdNr 36). Derart gravierende Auswirkungen hat der vom LSG angenommene Ausschluss zugezogener Heimbewohner vom Landesblindengeld jedoch nicht.
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Ein Leistungsanspruch gegen die öffentliche Hand lässt sich aus Art 11 Abs 1 GG ohnehin nicht ableiten. Allenfalls kann sich in Verbindung mit Art 3 Abs 1 GG im Ausnahmefall ein Anspruch auf Teilhabe ergeben, wenn der Zuzug in besonderer Weise davon abhängt, wie etwa beim Vorenthalten einer Sozialhilfe- oder sonstigen Grundsicherungsleistung (BSG Urteil vom 12.4.2017 - B 13 R 12/15 R - BSGE 123, 98 = SozR 45060 Art 6 § 4 Nr 4, RdNr 44 mwN).
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Der vom LSG angenommene Ausschluss blinder Menschen vom Blindengeld beim direkten Zuzug in eine stationäre Einrichtung in Niedersachsen aus einem anderen Bundesland ist vorliegend jedoch nicht iS von Art 11 Abs 1 iVm Art 3 Abs 1 GG deshalb sachwidrig, weil diese dadurch in ihrer Teilhabe am Leben in der Gesellschaft unverhältnismäßig beeinträchtigt wären. Zwar erhalten blinde Menschen nach § 1 Abs 1 BlindGeldG ND Landesblindengeld zum Ausgleich der durch die Blindheit bedingten Mehraufwendungen. Mit dieser Aussage regelt das Gesetz jedoch keine eigenständige Anspruchsvoraussetzung, sondern umschreibt lediglich die allgemeine Zielsetzung des Gesetzes (vgl BSG Urteil vom 11.8.2015 - B 9 BL 1/14 R - BSGE 119, 224 = SozR 45921 Art 1 Nr 3, RdNr 30 mwN). Denn das Blindengeld wird dem blinden Menschen zum Ausgleich des sich aus dem Nicht-Sehen-Können ergebenden Mehraufwands zur Teilhabe - quasi zur Selbsthilfe - pauschal gewährt (vgl BSG Urteil vom 24.10.2019 - B 9 SB 1/18 R - BSGE 129, 211 = SozR 43250 § 152 Nr 2, RdNr 23). Es wird aber unabhängig von einem konkreten Bedarf gezahlt und dient auch nicht der Kompensation von Nachteilen im Sinne eines Ausschlusses von Entfaltungs- und Betätigungsmöglichkeiten, die durch die öffentliche Gewalt verursacht oder beeinflusst worden sind (vgl BVerfG <Kammer> Beschluss vom 1.2.2018 - 1 BvR 1379/14 - juris RdNr 12). Vielmehr ist es eingebunden in ein komplexes System verschiedener Leistungstatbestände, sodass eine soziale Absicherung blinder Menschen hinreichend gewahrt wird. Namentlich haben Betroffene neben den Leistungen aus dem SGB IX und dem SGB XI Anspruch auf Blindenhilfe nach § 72 SGB XII, wenn ihnen eigene Mittel zum Ausgleich behinderungsbedingter Mehraufwendungen nicht zur Verfügung stehen (vgl BVerfG <Kammer> Beschluss vom 1.2.2018 - 1 BvR 1379/14 - juris RdNr 10). Damit ist zugleich dem besonderen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 3 Satz 2 GG zum Schutz behinderter Menschen im Rahmen ihres Rechts auf Teilhabe in der Gesellschaft Genüge getan und das in Art 5 Abs 2 UN-Behindertenrechtskonvention ausgesprochene und unmittelbar geltende Diskriminierungsverbot eingehalten, das im Wesentlichen dem Regelungsbereich des Art 3 Abs 3 Satz 2 GG entspricht (vgl BSG Urteil vom 24.10.2019 - B 9 SB 1/18 R - BSGE 129, 211 = SozR 43250 § 152 Nr 2, RdNr 26 mwN). Überdies dient Art 11 GG - anders als das Freizügigkeitsrecht der EU - grundsätzlich keinem integrativen Konzept, das eine Angleichung der Lebensverhältnisse erfordert (vgl BSG Urteil vom 12.4.2017 - B 13 R 12/15 R - BSGE 123, 98 = SozR 45060 Art 6 § 4 Nr 4, RdNr 48). Selbst wenn zur Verwirklichung der Freizügigkeit in gewissem Umfang Koordinierungsregelungen wünschenswert oder gar erforderlich sein mögen, vermag der Senat jedenfalls bezogen auf die Landesblindengesetze einen solchen Auftrag nicht aus Art 11 GG abzuleiten.
31
b) Auch ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG lässt sich entgegen der Auffassung der Revision nicht feststellen.
32
Das aus Art 3 Abs 1 GG folgende Gebot, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln, verwehrt dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung. Dabei gilt ein stufenloser, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen. Hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Anforderungen an den die Ungleichbehandlung tragenden Sachgrund ergeben sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die von gelockerten, auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können. Eine strengere Bindung des Gesetzgebers kann sich aus Freiheitsrechten ergeben. Zudem verschärfen sich die verfassungsrechtlichen Anforderungen, je weniger die Merkmale, an die die gesetzliche Differenzierung anknüpft, für den Einzelnen verfügbar sind (stRspr; zB BVerfG <Kammer> Beschluss vom 17.6.2020 - 1 BvR 1134/15 - juris RdNr 9; BSG Urteil vom 9.3.2023 - B 10 EG 1/22 R - SozR 4-7837 § 2b Nr 6 RdNr 31; ; BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 10 KG 2/07 R - SozR 45870 § 1 Nr 2 RdNr 24). Umgekehrt erweitern sich mit abnehmender Prüfungsstrenge die Gestaltungs- und Bewertungsspielräume des Gesetzgebers bei steigender "Typisierungstoleranz". Im Bereich der leistenden Massenverwaltung sind die Gestaltungsspielräume des Gesetzgebers besonders groß (vgl BVerfG Beschluss vom 27.7.2016 - 1 BvR 371/11 - BVerfGE 142, 353 = SozR 44200 § 9 Nr 15, RdNr 69 mwN). In Anwendung des allgemeinen Gleichheitssatzes ist dort nur zu prüfen, ob der Gesetzgeber die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit überschritten hat und nicht, ob er unter verschiedenen Lösungen die gerechteste und zweckmäßigste gewählt hat (stRspr; zB BVerfG Beschluss vom 8.6.2004 - 2 BvL 5/00 - BVerfGE 110, 412 - juris RdNr 73 mwN). Dabei hat der Gesetzgeber im Bereich des Sozialleistungsrechts - wie dem Landesblindengeld - einen weiten Gestaltungsspielraum (vgl BVerfG <Kammer> Beschluss vom 1.2.2018 - 1 BvR 1379/14 - juris RdNr 10 mwN zum Landesblindengeld in Schleswig-Holstein). Da der Landesgesetzgeber zudem die Gewährung des Blindengelds - nach bindender Auslegung des LSG - an den gewöhnlichen Aufenthalt außerhalb einer stationären Einrichtung knüpft und somit auf ein Merkmal abstellt, das die Blindengeld beanspruchende zuziehende Person durch ihr Verhalten selbst beeinflussen kann, unterliegt er insoweit einer bloßen Willkürkontrolle.
33
Nach diesen Vorgaben stellt der vom LSG angenommene Ausschluss blinder Menschen vom Blindengeld beim direkten Zuzug in eine stationäre Einrichtung in Niedersachsen aus einem anderen Bundesland keine sachwidrige Benachteiligung der von diesem Anspruchsausschluss Betroffenen dar.
34
Nach Art 72 Abs 1 GG besteht für das Landesblindengeld eine eigenständige Gesetzgebungskompetenz der Länder, weil die Landesblindengeldgesetze nicht in die Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes nach Art 74 GG eingreifen (vgl BSG Urteil vom 14.6.2018 - B 9 BL 1/17 R - BSGE 126, 63 - SozR 45921 Art 1 Nr 4, RdNr 15 mwN). Zudem handelt es sich bei dem von jedem Bundesland eigenständig und teilweise unterschiedlich geregelten Blindengeldanspruch nicht um einen Lebenssachverhalt, der im Rahmen eines zusammenhängenden Systems über die Ländergrenzen hinausgreift und eine für alle Staatsbürger der Bundesrepublik in allen Bundesländern gleichermaßen gewährleistete Rechtsposition betrifft (vgl insoweit zB BVerfG Beschluss vom 8.5.2013 - 1 BvL 1/08 - BVerfGE 134, 1 - juris RdNr 62; BVerfG Urteil vom 18.7.1972 - 1 BvL 32/70, 1 BvL 25/71 - BVerfGE 33, 303 - juris RdNr 96). Aufgrund der föderalistischen Struktur der Bundesrepublik Deutschland und der eigenständigen Gesetzgebungskompetenzen der Länder kann die Verfassungsmäßigkeit eines Landesgesetzes nicht deshalb in Zweifel gezogen werden, weil es von verwandten Regelungen in anderen Bundesländern oder im Bund abweicht (vgl BVerfG Beschluss vom 7.11.2002 - 2 BvR 1053/98 - BVerfGE 106, 225 - juris RdNr 48; BSG Urteil vom 10.10.2018 - B 13 R 20/16 R - BSGE 127, 11 = SozR 42600 § 56 Nr 9, RdNr 33; BSG Beschluss vom 6.10.2014 - B 9 BL 1/14 B - juris RdNr 7). Der Gleichheitssatz in Art 3 Abs 1 GG bindet zwar auch den Landesgesetzgeber, aber nur soweit er selbst Regelungen schafft, also nicht im Vergleich zu anderen Normgebern. Aufgrund der eigenständigen Gesetzgebungskompetenz der Länder muss nicht länderübergreifend in jeder Hinsicht dasselbe Recht gelten. Der Landesgesetzgeber ist nur gehalten, den Gleichheitssatz innerhalb des ihm zugeordneten Gesetzgebungsbereichs zu wahren (BVerfG Beschluss vom 8.5.2013 - 1 BvL 1/08 - BVerfGE 134, 1 - juris RdNr 61; BVerfG Beschluss vom 27.3.1979 - 2 BvR 2/77 - BVerfGE 51, 43 - juris RdNr 39; BSG Urteil vom 14.6.2018 - B 9 BL 1/17 R - BSGE 126, 63 = SozR 45921 Art 1 Nr 4, RdNr 15). Dies ist hier der Fall.
35
Auch wenn die bloße Nichtzugehörigkeit zu einem Land nicht dazu berechtigt, Auswärtige zu benachteiligen, ist es nicht ausgeschlossen, eine Ungleichbehandlung an Sachgründe zu knüpfen, die mit dem Wohnsitz oder dem gewöhnlichen Aufenthalt untrennbar zusammenhängen. Ein solch legitimes Ziel kann etwa die Konzentration von Haushaltsmitteln auf die Aufgabenerfüllung gegenüber den eigenen Einwohnern oder ein Lenkungszweck sein, der vor der Verfassung Bestand hat (vgl BVerfG <Kammer> Beschluss vom 19.7.2016 - 2 BvR 470/08 - juris RdNr 39 f mwN).
36
Nach der vom LSG vorgenommenen, den Senat bindenden Auslegung des § 1 Abs 1 Nr 1 und Abs 5 BlindGeldG ND ist hinreichend erkennbar, dass der Landesgesetzgeber mit der Nichtgewährung von Blindengeld für blinde Menschen, die in ein Pflegeheim ohne vorangegangenen gewöhnlichen Aufenthalt in Niedersachen ziehen, solche legitimen Ziele verfolgt. Denn diese Regelung ist zentraler Bestandteil einer beabsichtigten länderübergreifenden Harmonisierung der Landesblindengeldgesetze bei Umzug von blinden Menschen in die stationäre Einrichtung eines anderen Bundeslands. Nach der von der Beklagten in ihrer Revisionserwiderung zitierten und vorgelegten Niederschrift der Hamburger Konferenz der Obersten Landessozialbehörden von April 1986 wurde den Ländern zur Harmonisierung der Blindengeldgesetze empfohlen, in ihren Gesetzen eine Regelung aufzunehmen, nach der blinde Menschen, die sich in Anstalten, Heimen oder gleichartigen Einrichtungen aufhalten, Blindengeld von dem Bundesland erhalten, in dem sie vor Aufnahme in einer solchen Einrichtung ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatten. Dieser Empfehlung, die auch einer Forderung des Deutschen Blindenverbands von 1985 entsprach, ist der Niedersächsische Landesgesetzgeber mit der Einführung des § 1 Abs 1 Satz 2 BlindGeldG ND durch das Gesetz über das Landesblindengeld für Zivilblinde vom 18.1.1993 (Nds GVBl Nr 5 S 25) zum 1.12.1992 ausweislich der einschlägigen Gesetzesmaterialien (LT-Drucks 12/3610 S 4) ausdrücklich gefolgt. Mit dieser Bestimmung und der seit dem 16.12.2011 geltenden Nachfolgenorm in § 1 Abs 1 Nr 2 BlindGeldG ND hat das Land Niedersachsen sichergestellt, dass blinde Menschen bei der Aufnahme in die stationäre Einrichtung eines anderen Bundeslands ihren Anspruch auf niedersächsisches Blindengeld behalten. Dass Sachsen - im Gegensatz zu Niedersachsen und anderen Bundesländern (vgl Baden-Württemberg <§ 1 Abs 1 Satz 2 Blindenhilfegesetz>, Brandenburg <§ 1 Abs 1a Landesteilhabegeldgesetz>, Bremen <§ 1 Abs 1 Satz 2 PflGG BR>, Hamburg <§ 1 Abs 2 Satz 2 HmbBlinGG>, Mecklenburg-Vorpommern <§ 1 Abs 1 Satz 2 LBIGG MV>, Nordrhein-Westfalen <§ 1 Abs 2 GHBG>, Schleswig-Holstein <§ 1 Abs 1 Satz 2 LBlGG>, Thüringen <§ 1 Abs 2 Thüringer Sinnesbehindertengeldgesetz>) - keine vergleichbare "Harmonisierungsregelung" für die Fortzahlung des sächsischen Landesblindengelds geschaffen hat, mit der Folge des Wegfalls dieses Anspruchs für den Kläger bei Aufnahme in ein Pflegeheim außerhalb Sachsens, begründet von Verfassungs wegen jedoch keine Verpflichtung des Landes Niedersachsen, für den eigenen Zuständigkeitsbereich einen diesen Anspruchsverlust ausgleichenden Anspruch auf Blindengeld nach dem BlindGeldG ND zu schaffen und damit - bildhaft ausgedrückt - als "Ausfallbürge" für den Freistaat Sachsen einzutreten, der insoweit die angestrebte Harmonisierung der Landesblindengesetze (noch) nicht nachvollzogen hat.
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c) Schließlich liegt auch kein Verstoß gegen den durch Art 6 Abs 1 GG gewährleisteten besonderen Schutz der Familie vor. Das Grundrecht des Art 6 GG gebietet als verbindliche Wertentscheidung für den gesamten Bereich des die Familie betreffenden privaten und öffentlichen Rechts einen besonderen Schutz durch die staatliche Ordnung (BVerfG <Kammer> Beschluss vom 31.10.2016 - 1 BvR 871/13, 1 BvR 1833/13 - juris RdNr 41). Danach hat der Staat ua die Pflicht, die Familie durch geeignete Maßnahmen zu fördern (vgl BSG Urteil vom 4.9.2013 - B 10 EG 11/12 R - juris RdNr 67 mwN). Sofern der Kläger durch den Ausschluss des Blindengeldanspruchs wegen des Umzugs in das Pflegeheim nach Niedersachsen Art 6 Abs 1 GG verletzt sieht, folgt der Senat ihm nicht. Aus Art 6 Abs 1 GG ergibt sich weder eine Verpflichtung für den Staat, jegliche die Familie treffenden finanziellen Belastungen auszugleichen, noch erwachsen daraus konkrete Ansprüche auf staatliche Leistungen (vgl BVerfG Beschluss vom 8.6.2004 - 2 BvL 5/00 - BVerfGE 110, 412 - juris RdNr 95 mwN). Zwar kann - wie oben bereits ausgeführt - ein mittelbar-faktischer Eingriff in grundrechtlich geschützte Positionen vorliegen, wenn eine Regelung in ihrer Zielsetzung einem direkten Eingriff gleichkommt. Eine solche Wirkung ist dem BlindGeldG ND in der vom LSG gewählten Auslegung jedoch nicht zu entnehmen. Es widerspricht nicht dem Gebot des Schutzes der Familien, wenn ein Bundesland freiwillige Leistungen - wie das Blindengeld - an den dortigen gewöhnlichen Aufenthalt außerhalb einer stationären Einrichtung knüpft.
38
C. Abschließend weist der Senat darauf hin, dass es aus Sicht eines sozialen Bundesstaats (Art 20 Abs 1 iVm Art 28 Abs 1 GG) zu begrüßen wäre, wenn alle Bundesländer ihre Landesblindengeldgesetze dergestalt harmonisieren würden, dass blinde Menschen bei Aufnahme in ein Alten- und Pflegeheim aus einem anderen Bundesland keinen Verlust ihres Blindengeldanspruchs hinnehmen müssten.
39
D. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 18. Januar 2024 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten auch für das Revisionsverfahren nicht zu erstatten.
G r ü n d e :
I
1
Der Kläger begehrt von der Beklagten Landesblindengeld nach seinem Umzug von Sachsen in ein Pflegeheim nach Niedersachsen.
2
Der 1934 geborene Kläger ist blind. Er hat einen Grad der Behinderung von 100 und ihm sind die Merkzeichen G, H, Bl und RF zuerkannt. Zudem hat er den Pflegegrad 3. Bis November 2017 lebte der Kläger in seiner Wohnung in Sachsen und erhielt dort Landesblindengeld; dann verzog er in ein Pflegeheim nach H. Daraufhin hob der zuständige Leistungsträger in Sachsen die Bewilligung von Landesblindengeld für die Zeit ab Dezember 2017 auf, weil der Kläger keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Sachsen mehr habe (Bescheid vom 16.11.2017).
3
Den vom Kläger gestellten Antrag auf Gewährung von Blindengeld nach dem niedersächsischen Gesetz über das Landesblindengeld für Zivilblinde (BlindGeldG ND) ab Dezember 2017 lehnte die Beklagte ab. Der Kläger habe in Niedersachsen keinen gewöhnlichen Aufenthalt. Die Unterbringung in einem Pflegeheim könne einen solchen nicht begründen (Bescheid vom 19.2.2018).
4
Das SG hat die Beklagte verurteilt, dem Kläger Blindengeld ab Dezember 2017 zu gewähren, weil er in Niedersachsen seinen gewöhnlichen Aufenthalt begründet habe (Urteil vom 16.3.2020). Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Landesblindengeld. Der in einem Pflegeheim begründete gewöhnliche Aufenthalt gelte nicht als solcher. Dafür spreche die Gesetzeshistorie und der Zweck der einschlägigen Regelungen des BlindGeldG ND, der darin bestehe, dass das Land Niedersachsen bei Aufnahme eines zugezogenen blinden Menschen in ein niedersächsisches Pflegeheim nicht auch die Kosten des Blindengelds tragen solle. Auch die Systematik der einschlägigen Normen stütze das Ergebnis. So sei Blinden ein Anspruch auf Landesblindengeld eingeräumt, die sich in einer stationären Einrichtung in der Bundesrepublik Deutschland aufhielten und im Zeitpunkt der Aufnahme in die Einrichtung ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Niedersachsen gehabt hätten. Würde der Aufenthalt in einer stationären Einrichtung zugleich dort den gewöhnlichen Aufenthalt begründen, wäre diese Regelung sinnlos. Das gefundene Ergebnis sei auch nicht verfassungswidrig und verstoße angesichts des weiten Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit insbesondere nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz. Beim Landesblindengeld handele es sich um eine aus Landesmitteln finanzierte freiwillige Leistung. Für eine Differenzierung bestünden auch vernünftige Gründe. In eine stationäre Einrichtung einziehende Blinde mit vorherigem gewöhnlichen Aufenthalt in Niedersachsen wiesen typischerweise einen deutlich größeren Landesbezug als Zugezogene aus anderen Bundesländern auf (Urteil vom 18.1.2024).
5
Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung von Art 3 Abs 1 und Art 6 Abs 1 GG sowie einen Verstoß gegen § 109 und § 98 Abs 2 SGB XII. Für die vorgenommene Differenzierung sei kein sachlicher Grund ersichtlich. Er halte sich aus persönlicher Verbundenheit in Niedersachsen auf, denn sein einziger Sohn lebe dort. Die Anordnung der entsprechenden Anwendung von § 109 SGB XII im BlindGeldG ND diene nicht dem Zweck, bei Aufnahme in eine stationäre Einrichtung iS des § 98 Abs 2 SGB XII einen Leistungsausschluss herbeizuführen. Sie regele vielmehr Fälle einer Zuständigkeitskonkurrenz, die zu Sachsen aber nicht bestehe, und lasse im Übrigen den Leistungsanspruch des Berechtigten unberührt.
6
Der Kläger beantragt,
das Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 18. Januar 2024 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Hannover vom 16. März 2020 zurückzuweisen.
7
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
8
Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
II
9
Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG). Die Ablehnung seines Anspruchs auf Blindengeld nach dem BlindGeldG ND ab Dezember 2017 durch die Beklagte ist nach Maßgabe des vom Berufungsgericht gefundenen und den Senat bindenden Auslegungsergebnisses zu § 1 Abs 1 Nr 1 iVm Abs 5 BlindGeldG ND revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Hiernach hat der aus Sachsen zugezogene Kläger mit der Aufnahme in das Pflegeheim in H keinen anspruchsbegründenden gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne dieses Gesetzes begründet.
10
A. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist neben den Urteilen des LSG und des SG der Bescheid der Beklagten vom 19.2.2018, mit dem diese den Antrag des Klägers auf Gewährung von Landesblindengeld abgelehnt hat. Statthafte Klageart ist die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4 iVm § 56 SGG), für die der Rechtsweg zu den Sozialgerichten eröffnet ist (§ 9 Abs 4 BlindGeldG ND), ohne dass der Senat dies zu prüfen hätte (§ 202 Satz 1 SGG iVm § 17a Abs 5 GVG). Eines Vorverfahrens bedurfte es vor Klageerhebung nicht (§ 78 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGG iVm § 86 Abs 1 und 2 Niedersächsisches Justizgesetz vom 16.12.2014, Nds GVBl Nr 26 S 436 idF von Art 4 Nr 2 des Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Kommunalabgabengesetzes und anderer Gesetze vom 2.3.2017, Nds GVBl Nr 4 S 48, 52). Die beklagte Landeshauptstadt ist der zuständige Leistungsträger (§ 9 Abs 1 BlindGeldG ND in der bis zum 31.12.2019 geltenden Fassung vom 18.1.1993, Nds GVBl Nr 5 S 25; ab 1.1.2020 § 9 Abs 1 Satz 2 BlindGeldG ND idF von Art 6 des Gesetzes zur Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes in Niedersachsen vom 24.10.2019, Nds GVBl Nr 18 S 300, 307).
11
Nach § 1 Abs 1 Nr 1 BlindGeldG ND in der hier maßgeblichen, ab dem 16.12.2011 geltenden Fassung des Gesetzes vom 7.12.2011 (Nds GVBl Nr 30 S 469) erhalten Zivilblinde (blinde Menschen) Landesblindengeld zum Ausgleich der durch die Blindheit bedingten Mehraufwendungen, wenn sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Niedersachsen haben. Das LSG hat die anspruchsbegründende Voraussetzung des gewöhnlichen Aufenthalts verneint, weil nach § 1 Abs 5 BlindGeldG ND in der hier gleichfalls ab dem 16.12.2011 geltenden Fassung iVm dem entsprechend anwendbaren § 109 SGB XII der Aufenthalt des Klägers im Pflegeheim nicht als gewöhnlicher Aufenthalt iS des § 1 Abs 1 Nr 1 BlindGeldG ND gilt. Diese Entscheidung des Berufungsgerichts hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
12
B. Der Senat ist nicht an einer Entscheidung gehindert, weil es in der Sache auch um die Auslegung von irrevisiblem niedersächsischen Landesrecht geht (§ 162 SGG).
13
Zu Recht hat das LSG die Revision nur zugelassen, soweit vom Kläger die Verletzung von Bundesrecht gerügt wird. Denn der Regelungsbereich der streitbefangenen Norm des § 1 Abs 5 BlindGeldG ND geht nicht über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus und regelt damit irrevisibles Recht iS des § 162 SGG (dazu unter 1.). Der Senat ist an das vom Berufungsgericht gefundene Auslegungsergebnis gebunden. Dessen Auslegung verstößt weder gegen das verfassungsrechtliche Willkürverbot, noch hat das LSG bei der Auslegung des § 1 Abs 5 BlindGeldG ND bundesgesetzliche Normen herangezogen, die den ihnen beigelegten Regelungsgehalt nicht aufweisen (dazu unter 2.). Die Gesetzesauslegung des LSG verstößt auch nicht gegen Bundesverfassungsrecht (dazu unter 3.).
14
1. Nach § 162 SGG kann die Revision nur darauf gestützt werden, dass das angefochtene Urteil auf der Verletzung einer Vorschrift des Bundesrechts oder einer sonstigen im Bezirk des Berufungsgerichts geltenden Vorschrift beruht, deren Geltungsbereich sich über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus erstreckt. Revisibilität von Landesrecht ist auch gegeben, wenn inhaltsgleiche Vorschriften verschiedener Bundesländer in den Bezirken verschiedener LSG gelten und die Übereinstimmung nicht nur zufällig, sondern im Interesse der Rechtsvereinheitlichung bewusst und gewollt ist (stRspr; BSG Urteil vom 10.6.2021 - B 9 BL 1/20 R - BSGE 132, 178 = SozR 45926 § 1 Nr 2, RdNr 22 f; BSG Urteil vom 14.6.2018 - B 9 BL 1/17 R - BSGE 126, 63 = SozR 45921 Art 1 Nr 4, RdNr 10; BSG Urteil vom 11.8.2015 - B 9 BL 1/14 R - BSGE 119, 224 = SozR 45921 Art 1 Nr 3, RdNr 12; BSG Urteil vom 11.11.2004 - B 9 VG 2/04 R - BSGE 93, 290 = SozR 41300 § 107 Nr 1 - juris RdNr 15). Von der in Art 99 GG eingeräumten Befugnis, die Zuständigkeit der obersten Gerichtshöfe des Bundes in solchen Sachen zu begründen, bei denen es sich um die Anwendung von Landesrecht handelt, hat der Niedersächsische Landesgesetzgeber dagegen keinen Gebrauch gemacht.
15
Nach § 1 Abs 5 BlindGeldG ND findet § 109 SGB XII entsprechende Anwendung. Nach dem mit "Ausschluss des gewöhnlichen Aufenthalts" überschriebenen § 109 SGB XII gilt als gewöhnlicher Aufenthalt ua nicht der Aufenthalt in einer Einrichtung iS von § 98 Abs 2 SGB XII. Wie das LSG in seinem Urteil zutreffend ausgeführt hat, gibt es mit § 1 Abs 5 BlindGeldG ND inhaltsgleiche, wenn auch nicht wortgleiche Regelungen in fünf weiteren Bundesländern, und zwar in Bremen (§ 1 Abs 1 Satz 3 Bremisches Gesetz über die Gewährung von Pflegegeld an Blinde und Schwerstbehinderte <Landespflegegeldgesetz> - PflGG BR), Hamburg (§ 1 Abs 2 Satz 3 Hamburgisches Blindengeldgesetz - HmbBlinGG), Hessen (§ 2 Abs 3 Landesblindengesetz - LBliGG), Mecklenburg-Vorpommern (§ 1 Abs 1 Satz 3 Landesblindengeldgesetz - LBlGG MV) und Schleswig-Holstein (§ 1 Abs 1 Satz 3 Landesblindengeldgesetz - LBlGG). Das Landesrecht Nordrhein-Westfalens verweist lediglich allgemein auf die entsprechende Geltung des SGB (§ 7 Gesetz über die Hilfen für Blinde und Gehörlose - GHBG).
16
Allerdings gilt die inhaltsgleiche Regelung in Bremen ebenfalls im Gerichtsbezirk des Berufungsgerichts, während für die inhaltsgleichen Regelungen der Landesblindengeldgesetze der übrigen vier Bundesländer ebenso wie in Nordrhein-Westfalen keine Rechtswegzuweisung zu den Sozialgerichten (vgl § 51 Abs 1 Nr 10 SGG) existiert. Damit geht der Regelungsbereich von § 1 Abs 5 BlindGeldG ND nicht über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus und regelt irrevisibles Recht iS des § 162 SGG. Denn Sinn und Zweck dieser Bestimmung ist eine Einschränkung des Prüfungsumfangs des Revisionsgerichts mit Blick auf dessen Aufgabe, Rechtseinheit zu schaffen und zu wahren. Dies belegt ein Verständnis von § 162 SGG, wonach eine landesrechtliche Vorschrift nur dann revisibel ist, wenn noch mindestens ein weiteres LSG über eine inhaltlich gleiche Norm in einem anderen Land zu entscheiden hat (vgl BSG Urteil vom 31.1.1995 - 1 RS 1/93 - SozR 35920 § 1 Nr 1 - juris RdNr 16). Andernfalls kann - wie vorliegend - das LSG selbst für eine einheitliche Rechtsanwendung in seinem Bezirk sorgen. Dass damit die Frage der Revisibilität einer Vorschrift vom jeweiligen Stand des Landesrechts und den Vorgaben der Gerichtsverfassung abhängt, hat der Gesetzgeber bewusst in Kauf genommen, wie bereits die Gesetzesmaterialien zur Parallelvorschrift in der ursprünglichen Fassung der ZPO (§ 487 des Gesetzentwurfs) erkennen lassen (vgl Hahn, Die gesamten Materialien zur Civilprozeßordnung und dem Einführungsgesetz zu derselben vom 30.1.1877, Erste Abtheilung, 2. Aufl 1881, S 367 f).
17
2. Dem Senat ist es zwar verwehrt zu überprüfen, ob die vom Berufungsgericht gewählte Auslegung des irrevisiblen Landesrechts zutrifft, nicht aber, ob diese Auslegung eine revisible Norm des Bundesrechts verletzt.
18
Ein solcher Verstoß liegt jedoch nicht bereits dann vor, wenn das Revisionsgericht aus seiner Sicht zu einer anderen Gesetzesauslegung kommen würde oder das Tatsachengericht Bundesrecht lediglich zur Ergänzung lückenhafter landesrechtlicher Regelungen herangezogen hat (stRspr; vgl zB BSG Urteil vom 22.3.2018 - B 5 RE 5/16 R - SozR 42600 § 6 Nr 16 RdNr 57; BSG Urteil vom 10.3.2011 - B 3 KS 2/10 R - BSGE 108, 8 = SozR 45425 § 4 Nr 1, RdNr 17; BSG Urteil vom 3.11.1993 - 14b REg 6/93 - SozR 36935 Allg Nr 1 - juris RdNr 10; BSG Urteil vom 30.10.1991 - 2 RU 73/90 - juris RdNr 16; BSG Urteil vom 23.4.1975 - 2 RU 227/74 - BSGE 39, 252 = SozR 2200 § 550 Nr 4 - juris RdNr 16). Bundesrecht ist erst dann verletzt, wenn das Berufungsgericht den Rahmen zulässiger Gesetzesauslegung überschritten und damit die Bindung an Gesetz und Recht (Art 3 Abs 1 iVm Art 20 Abs 3 GG) missachtet (Willkürverbot; dazu unter aa) oder wenn es bei der Gesetzesauslegung bundesgesetzliche Normen herangezogen hat, die den ihnen beigelegten Regelungsgehalt nicht aufweisen (BSG Urteil vom 10.3.2011 - B 3 KS 2/10 R - BSGE 108, 8 = SozR 45425 § 4 Nr 1, RdNr 17 mwN; dazu unter bb). Beides ist hier nicht der Fall.
19
aa) Das LSG hat mit seiner Auslegung des § 1 Abs 5 BlindGeldG ND nicht das grundgesetzliche Willkürverbot verletzt.
20
Willkür liegt vor, wenn eine Entscheidung keinen Bezug zu dem gesetzlich vorgegebenen Maßstab aufweist und offensichtlich unhaltbar ist (vgl BVerfG <Kammer> Beschluss vom 2.3.2009 - 2 BvR 197/09 - BVerfGK 15, 160 - juris RdNr 20; s auch bereits BVerfG Urteil vom 16.1.1957 - 1 BvR 134/56 - BVerfGE 6, 45 - juris RdNr 30). Eine nur rechtsirrtümliche Entscheidung reicht insoweit nicht aus, diese muss sich vielmehr derart weit von der auszulegenden Norm entfernt haben, dass sich der Schluss aufdrängt, sie beruht auf sachfremden Erwägungen, es sich also um eine "krasse Fehlentscheidung" handelt (vgl BVerfG <Kammer> Beschluss vom 12.9.2007 - 2 BvR 2335/06, 2 BvR 2589/06 - BVerfGK 12, 139 - juris RdNr 26; BVerfG Beschluss vom 11.5.1965 - 2 BvR 259/63 - BVerfGE 19, 38 - juris RdNr 13). Zu prüfen ist also, ob die maßgeblichen gesetzlichen Regelungen in objektiv willkürlicher bzw offensichtlich unhaltbarer Weise fehlerhaft angewendet worden sind (vgl BVerfG <Kammer> Beschluss vom 14.9.2023 - 2 BvR 107/21 - juris RdNr 21 mwN) bzw ob sich das Berufungsgericht so weit von den gesetzlichen Vorgaben entfernt hat, dass sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sachlich einleuchtender Grund für die gewählte Auslegung nicht finden lässt (vgl BSG Urteil vom 19.6.2018 - B 1 KR 32/17 R - BSGE 126, 87 = SozR 42500 § 108 Nr 5, RdNr 24 mwN).
21
Hiervon ausgehend hat das Berufungsgericht im Rahmen seiner Auslegung des einschlägigen Landesrechts nicht die Grenzen seiner gerichtlichen Kompetenzen überschritten und seine Bindung an Gesetz und Recht (Art 3 Abs 1 iVm Art 20 Abs 3 GG) verletzt. Seine anspruchsausschließende Auslegung beim Zuzug von blinden Menschen in eine stationäre Einrichtung ohne vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt in Niedersachsen ist nicht in offensichtlich unhaltbarer Weise fehlerhaft. Das LSG hat den von ihm angenommenen Bedeutungsgehalt des § 1 Abs 5 BlindGeldG ND in Anwendung anerkannter Auslegungsmethoden festgestellt. Es hat sich insbesondere nicht über den eindeutigen Willen des Landesgesetzgebers hinweggesetzt und sich selbst in die Rolle einer normsetzenden Instanz begeben (vgl stRspr; zB BVerfG <Kammer> Beschluss vom 23.5.2016 - 1 BvR 2230/15, 1 BvR 2231/15 - juris RdNr 36; BVerfG <Kammer> Beschluss vom 26.9.2011 - 2 BvR 2216/06, 2 BvR 469/07 - juris RdNr 44; BVerwG Beschluss vom 10.8.2016 - 1 B 83/16 - juris RdNr 6; BSG Urteil vom 28.6.2001 - B 3 P 9/00 R - BSGE 88, 215 = SozR 33300 § 9 Nr 1 - juris RdNr 32).
22
Zur Begründung seines Auslegungsergebnisses hat das LSG ausgeführt, dass durch das Zweite Gesetz zur Änderung des BlindGeldG ND vom 20.3.1970 (Nds GVBl 67) mit der Einfügung des § 1 Abs 1 Satz 3 die entsprechende Anwendung der inhaltsgleichen Vorgängervorschrift zu § 109 SGB XII - § 109 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) idF des Gesetzes vom 18.9.1969 (BGBl I 1688) - eingeführt worden sei, um den im BlindGeldG ND enthaltenen Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts im Sinne des Sozialhilferechts zu umreißen (Hinweis auf LT-Drucks 6/1004 S 3). Der mit der Regelung des § 109 BSHG und nachfolgend des § 109 SGB XII bezweckte "Schutz" der örtlichen Sozialhilfeträger vor der Übernahme der Kosten für Sozialhilfeleistungen an Personen, die sich in eine stationäre Einrichtung in ihrem Zuständigkeitsbereich begeben, ohne dort zuvor ihren gewöhnlichen Aufenthalt gehabt zu haben, solle über § 1 Abs 1 Satz 2 BlindGeldG ND (ab 16.12.2011 § 1 Abs 5 BlindGeldG ND) entsprechend auch für das die Kosten des Blindengelds tragende Land Niedersachsen gewährleistet werden. Dieser gesetzgeberische Wille komme auch in der Begründung des Gesetzentwurfs zur Einführung des § 1 Abs 1 Satz 2 BlindGeldG ND (ab 16.12.2011 § 1 Abs 1 Nr 2 BlindGeldG ND) durch das Gesetz vom 18.1.1993 (Nds GVBl Nr 5 S 25) "deutlich zum Ausdruck". Mit dieser Regelung sei der Geltungsbereich des Gesetzes auf Blinde erweitert worden, die sich in Anstalten, Heimen und gleichartigen Einrichtungen in anderen Bundesländern aufhalten und vorher ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Niedersachsen hatten. Im Anschluss an die Begründung für diese Anspruchserweiterung für Blinde aus Niedersachsen, die sich in Heimen außerhalb Niedersachsens aufhalten, werde vom Landesgesetzgeber ausdrücklich klargestellt, dass der "Schutz" des Landes Niedersachsen als "Anstaltsland" bestehen bleiben solle, wenn sich blinde Menschen aus anderen Bundesländern in niedersächsischen stationären Einrichtungen aufhalten (Hinweis auf LT-Drucks 12/3610 S 4). Diese Zweckbestimmung erschließe sich darüber hinaus auch aus der Systematik des § 1 Abs 1 BlindGeldG ND. Denn dessen Abs 1 Nr 2 wäre sinnlos, würde der Aufenthalt in einer stationären Einrichtung in Niedersachsen zugleich als gewöhnlicher Aufenthalt iS des Abs 1 Nr 1 gelten. Zwar sei in einigen anderen Bundesländern - wie auch in Sachsen - Anspruchsvoraussetzung weitgehend lediglich der Wohnsitz oder der gewöhnliche Aufenthaltsort in dem Bundesland. Allerdings würden die blinden Menschen den dortigen Anspruch mit einem Wegzug in ein anderes Bundesland verlieren. Dass diese blinden Menschen, die direkt in eine stationäre Einrichtung eines Bundeslands - wie Niedersachsen - mit einer "Schutzklausel" (entsprechende Anwendung von § 109 SGB XII mit Ausschluss des gewöhnlichen Aufenthalts) ziehen, wegen unzureichender Harmonisierung der Landesblindengeldgesetze auch in dem Zuzugsland keinen Anspruch auf Blindengeld haben und für sie nur noch die Möglichkeit bestehe, die nach Bundesrecht gewährte einkommens- und vermögensabhängige Blindenhilfe nach § 72 SGB XII zu beziehen, sei bekannt. Diese Gesetzeslücke in anderen Bundesländern berechtige die Gerichte aber nicht, über den erkennbaren Willen des Landesgesetzgebers hinaus eine nicht gewollte Regelung hinzuzufügen.
23
bb) Die Prüfung der vom Kläger erhobenen Revisionsrüge der Verletzung von § 109 und § 98 Abs 2 SGB XII im Rahmen der vom LSG vorgenommenen Auslegung des § 1 Abs 5 BlindGeldG ND ist dem Senat verwehrt. Wenn irrevisibles Landesrecht - wie hier - auf Bundesrecht verweist, ist grundsätzlich nur Landesrecht anwendbar, es sei denn, das Landesgesetz will die an sich revisible Vorschrift nicht als Landesrecht qualifizieren, sondern gerade als Bundesrecht übernehmen (BSG Urteil vom 25.4.1990 - 5 RJ 53/88 - juris RdNr 14). Dies ist vorliegend nach der Auslegung des LSG aber nicht der Fall. Das Berufungsgericht hat lediglich für die in § 1 Abs 5 BlindGeldG ND angeordnete entsprechende Anwendung des § 109 SGB XII die dort für bestimmte Regelungen des SGB XII vorgenommene negative Fiktion des gewöhnlichen Aufenthalts (vgl § 30 Abs 3 Satz 2 SGB I) in Einrichtungen iS von § 98 Abs 2 SGB XII auch für den gewöhnlichen Aufenthalt iS von § 1 Abs 1 BlindGeldG ND mit der Rechtsfolge übernommen, dass der Aufenthalt in einer solchen Einrichtung in Niedersachsen nicht als gewöhnlicher Aufenthalt im Sinne dieser Bestimmung gilt. Damit hat es aber lediglich die Bedeutung der Verweisung des § 1 Abs 5 BlindGeldG ND auf § 109 SGB XII für das Landesrecht interpretiert und auf dieser Grundlage die anspruchsbegründenden Tatbestandsvoraussetzungen für den Bezug des Landesblindengelds in § 1 Abs 1 BlindGeldG ND bestimmt. Dies revisionsrechtlich zu überprüfen, ist dem Senat nach den oben genannten Maßstäben aber verwehrt. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob der Senat aus seiner Sicht zu einer anderen Gesetzesauslegung gekommen wäre (vgl BSG Urteil vom 22.3.2018 - B 5 RE 5/16 R - SozR 42600 § 6 Nr 16 RdNr 57).
24
3. Das vom Berufungsgericht gefundene und den Senat bindende Auslegungsergebnis zu § 1 Abs 1 Nr 1 iVm Abs 5 BlindGeldG ND gebietet im Hinblick auf Art 100 Abs 1 GG keine Aussetzung des Verfahrens, weil eine Verletzung von Bundesverfassungsrecht auch insoweit nicht vorliegt. Es verstößt weder gegen Art 11 Abs 1 GG (dazu unter a) noch gegen Art 3 Abs 1 GG (dazu unter b) oder gegen Art 6 Abs 1 GG (dazu unter c).
25
a) Die vom LSG mit bindender Wirkung für den Senat angenommene Voraussetzung eines vorangegangenen gewöhnlichen Aufenthalts für einen Anspruch auf Blindengeld bei Aufnahme in einer stationären Einrichtung verstößt nicht gegen das Recht des Klägers auf Freizügigkeit gemäß Art 11 Abs 1 GG.
26
Danach genießen alle Deutschen iS von Art 116 Abs 1 GG im gesamten Bundesgebiet Freizügigkeit. Dies beinhaltet das Recht, ungehindert durch die deutsche Staatsgewalt an jedem Ort innerhalb des Bundesgebiets Aufenthalt und Wohnsitz zu nehmen. Dem Schutzbereich unterfällt insbesondere auch die Freizügigkeit zwischen Ländern, Gemeinden und innerhalb einer Gemeinde (vgl BVerfG Urteil vom 17.12.2013 - 1 BvR 3139/08, 1 BvR 3386/08 - BVerfGE 134, 242 - juris RdNr 253; BVerfG Urteil vom 17.3.2004 - 1 BvR 1266/00 - BVerfGE 110, 177 - juris RdNr 33; BSG Urteil vom 12.4.2017 - B 13 R 12/15 R - BSGE 123, 98 = SozR 45060 Art 6 § 4 Nr 4, RdNr 38).
27
Ein unmittelbarer Eingriff in die Freizügigkeit wird durch die vom LSG vorgenommene Auslegung von § 1 Abs 1 Nr 1 iVm Abs 5 BlindGeldG ND im Sinne der Entscheidung der Beklagten mit Bescheid vom 19.2.2018 nicht bewirkt. Der Umzug des Klägers nach Niedersachsen in ein Pflegeheim konnte tatsächlich ohne Hemmnisse durch die öffentliche Gewalt durchgeführt werden. Art 11 Abs 1 GG bezweckt auch keinen Schutz des Vermögens oder Einkommens dergestalt, dass nahezu jede finanzielle Einbuße aus Anlass eines Umzugs nach Art 11 Abs 2 GG rechtfertigungsbedürftig wäre (vgl BSG Urteil vom 12.4.2017 - B 13 R 12/15 R - BSGE 123, 98 = SozR 45060 Art 6 § 4 Nr 4, RdNr 39 f mwN). Der Schutzbereich der Freizügigkeit begründet keinen Anspruch darauf, dass der Aufenthalt an einem bestimmten Ort aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht mit Konsequenzen verbunden ist, die zu dem Entschluss veranlassen können, von einem Aufenthalt abzusehen (BVerfG <Kammer> Beschluss vom 17.2.2010 - 1 BvR 529/09 - BVerfGK 17, 44 - juris RdNr 57; BSG Urteil vom 12.4.2017 - B 13 R 12/15 R - BSGE 123, 98 = SozR 45060 Art 6 § 4 Nr 4, RdNr 43).
28
Ebenso wenig liegt ein mittelbarer Eingriff in das Recht auf Freizügigkeit des Klägers vor. Zwar kann in den Schutzbereich der Norm nicht nur durch direkte Einwirkungen auf die Wahl des Wohnorts eingegriffen werden. Auch mittelbare und faktische Beeinträchtigungen der Wahl des Wohnorts können einen zu rechtfertigenden Eingriff in die Freizügigkeit darstellen (vgl BVerfG Beschluss vom 19.11.2021 - 1 BvR 971/21, 1 BvR 1069/21 - BVerfGE 159, 355 - juris RdNr 210; BVerfG <Kammer> Beschluss vom 17.2.2010 - 1 BvR 529/09 - BVerfGK 17, 44 - juris RdNr 57; BVerfG Urteil vom 17.3.2004 - 1 BvR 1266/00 - BVerfGE 110, 177 - juris RdNr 35). Dafür muss die Zielsetzung und Wirkung einer Maßnahme allerdings einem direkten Eingriff gleichkommen. Im Bereich der Leistungsgewährung kann dies zB der Fall sein, wenn mit der Beschränkung von Leistungen der Sozialhilfe auf das zum Lebensunterhalt Unerlässliche ein wirtschaftlich spürbarer Nachteil an die Ausübung der Freizügigkeit geknüpft wird, um den Inhaber des Grundrechts an einen Zuweisungsort zu binden (vgl BVerfG Urteil vom 17.3.2004 - 1 BvR 1266/00 - BVerfGE 110, 177 - juris RdNr 36). Derart gravierende Auswirkungen hat der vom LSG angenommene Ausschluss zugezogener Heimbewohner vom Landesblindengeld jedoch nicht.
29
Ein Leistungsanspruch gegen die öffentliche Hand lässt sich aus Art 11 Abs 1 GG ohnehin nicht ableiten. Allenfalls kann sich in Verbindung mit Art 3 Abs 1 GG im Ausnahmefall ein Anspruch auf Teilhabe ergeben, wenn der Zuzug in besonderer Weise davon abhängt, wie etwa beim Vorenthalten einer Sozialhilfe- oder sonstigen Grundsicherungsleistung (BSG Urteil vom 12.4.2017 - B 13 R 12/15 R - BSGE 123, 98 = SozR 45060 Art 6 § 4 Nr 4, RdNr 44 mwN).
30
Der vom LSG angenommene Ausschluss blinder Menschen vom Blindengeld beim direkten Zuzug in eine stationäre Einrichtung in Niedersachsen aus einem anderen Bundesland ist vorliegend jedoch nicht iS von Art 11 Abs 1 iVm Art 3 Abs 1 GG deshalb sachwidrig, weil diese dadurch in ihrer Teilhabe am Leben in der Gesellschaft unverhältnismäßig beeinträchtigt wären. Zwar erhalten blinde Menschen nach § 1 Abs 1 BlindGeldG ND Landesblindengeld zum Ausgleich der durch die Blindheit bedingten Mehraufwendungen. Mit dieser Aussage regelt das Gesetz jedoch keine eigenständige Anspruchsvoraussetzung, sondern umschreibt lediglich die allgemeine Zielsetzung des Gesetzes (vgl BSG Urteil vom 11.8.2015 - B 9 BL 1/14 R - BSGE 119, 224 = SozR 45921 Art 1 Nr 3, RdNr 30 mwN). Denn das Blindengeld wird dem blinden Menschen zum Ausgleich des sich aus dem Nicht-Sehen-Können ergebenden Mehraufwands zur Teilhabe - quasi zur Selbsthilfe - pauschal gewährt (vgl BSG Urteil vom 24.10.2019 - B 9 SB 1/18 R - BSGE 129, 211 = SozR 43250 § 152 Nr 2, RdNr 23). Es wird aber unabhängig von einem konkreten Bedarf gezahlt und dient auch nicht der Kompensation von Nachteilen im Sinne eines Ausschlusses von Entfaltungs- und Betätigungsmöglichkeiten, die durch die öffentliche Gewalt verursacht oder beeinflusst worden sind (vgl BVerfG <Kammer> Beschluss vom 1.2.2018 - 1 BvR 1379/14 - juris RdNr 12). Vielmehr ist es eingebunden in ein komplexes System verschiedener Leistungstatbestände, sodass eine soziale Absicherung blinder Menschen hinreichend gewahrt wird. Namentlich haben Betroffene neben den Leistungen aus dem SGB IX und dem SGB XI Anspruch auf Blindenhilfe nach § 72 SGB XII, wenn ihnen eigene Mittel zum Ausgleich behinderungsbedingter Mehraufwendungen nicht zur Verfügung stehen (vgl BVerfG <Kammer> Beschluss vom 1.2.2018 - 1 BvR 1379/14 - juris RdNr 10). Damit ist zugleich dem besonderen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 3 Satz 2 GG zum Schutz behinderter Menschen im Rahmen ihres Rechts auf Teilhabe in der Gesellschaft Genüge getan und das in Art 5 Abs 2 UN-Behindertenrechtskonvention ausgesprochene und unmittelbar geltende Diskriminierungsverbot eingehalten, das im Wesentlichen dem Regelungsbereich des Art 3 Abs 3 Satz 2 GG entspricht (vgl BSG Urteil vom 24.10.2019 - B 9 SB 1/18 R - BSGE 129, 211 = SozR 43250 § 152 Nr 2, RdNr 26 mwN). Überdies dient Art 11 GG - anders als das Freizügigkeitsrecht der EU - grundsätzlich keinem integrativen Konzept, das eine Angleichung der Lebensverhältnisse erfordert (vgl BSG Urteil vom 12.4.2017 - B 13 R 12/15 R - BSGE 123, 98 = SozR 45060 Art 6 § 4 Nr 4, RdNr 48). Selbst wenn zur Verwirklichung der Freizügigkeit in gewissem Umfang Koordinierungsregelungen wünschenswert oder gar erforderlich sein mögen, vermag der Senat jedenfalls bezogen auf die Landesblindengesetze einen solchen Auftrag nicht aus Art 11 GG abzuleiten.
31
b) Auch ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG lässt sich entgegen der Auffassung der Revision nicht feststellen.
32
Das aus Art 3 Abs 1 GG folgende Gebot, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln, verwehrt dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung. Dabei gilt ein stufenloser, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen. Hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Anforderungen an den die Ungleichbehandlung tragenden Sachgrund ergeben sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die von gelockerten, auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können. Eine strengere Bindung des Gesetzgebers kann sich aus Freiheitsrechten ergeben. Zudem verschärfen sich die verfassungsrechtlichen Anforderungen, je weniger die Merkmale, an die die gesetzliche Differenzierung anknüpft, für den Einzelnen verfügbar sind (stRspr; zB BVerfG <Kammer> Beschluss vom 17.6.2020 - 1 BvR 1134/15 - juris RdNr 9; BSG Urteil vom 9.3.2023 - B 10 EG 1/22 R - SozR 4-7837 § 2b Nr 6 RdNr 31; ; BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 10 KG 2/07 R - SozR 45870 § 1 Nr 2 RdNr 24). Umgekehrt erweitern sich mit abnehmender Prüfungsstrenge die Gestaltungs- und Bewertungsspielräume des Gesetzgebers bei steigender "Typisierungstoleranz". Im Bereich der leistenden Massenverwaltung sind die Gestaltungsspielräume des Gesetzgebers besonders groß (vgl BVerfG Beschluss vom 27.7.2016 - 1 BvR 371/11 - BVerfGE 142, 353 = SozR 44200 § 9 Nr 15, RdNr 69 mwN). In Anwendung des allgemeinen Gleichheitssatzes ist dort nur zu prüfen, ob der Gesetzgeber die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit überschritten hat und nicht, ob er unter verschiedenen Lösungen die gerechteste und zweckmäßigste gewählt hat (stRspr; zB BVerfG Beschluss vom 8.6.2004 - 2 BvL 5/00 - BVerfGE 110, 412 - juris RdNr 73 mwN). Dabei hat der Gesetzgeber im Bereich des Sozialleistungsrechts - wie dem Landesblindengeld - einen weiten Gestaltungsspielraum (vgl BVerfG <Kammer> Beschluss vom 1.2.2018 - 1 BvR 1379/14 - juris RdNr 10 mwN zum Landesblindengeld in Schleswig-Holstein). Da der Landesgesetzgeber zudem die Gewährung des Blindengelds - nach bindender Auslegung des LSG - an den gewöhnlichen Aufenthalt außerhalb einer stationären Einrichtung knüpft und somit auf ein Merkmal abstellt, das die Blindengeld beanspruchende zuziehende Person durch ihr Verhalten selbst beeinflussen kann, unterliegt er insoweit einer bloßen Willkürkontrolle.
33
Nach diesen Vorgaben stellt der vom LSG angenommene Ausschluss blinder Menschen vom Blindengeld beim direkten Zuzug in eine stationäre Einrichtung in Niedersachsen aus einem anderen Bundesland keine sachwidrige Benachteiligung der von diesem Anspruchsausschluss Betroffenen dar.
34
Nach Art 72 Abs 1 GG besteht für das Landesblindengeld eine eigenständige Gesetzgebungskompetenz der Länder, weil die Landesblindengeldgesetze nicht in die Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes nach Art 74 GG eingreifen (vgl BSG Urteil vom 14.6.2018 - B 9 BL 1/17 R - BSGE 126, 63 - SozR 45921 Art 1 Nr 4, RdNr 15 mwN). Zudem handelt es sich bei dem von jedem Bundesland eigenständig und teilweise unterschiedlich geregelten Blindengeldanspruch nicht um einen Lebenssachverhalt, der im Rahmen eines zusammenhängenden Systems über die Ländergrenzen hinausgreift und eine für alle Staatsbürger der Bundesrepublik in allen Bundesländern gleichermaßen gewährleistete Rechtsposition betrifft (vgl insoweit zB BVerfG Beschluss vom 8.5.2013 - 1 BvL 1/08 - BVerfGE 134, 1 - juris RdNr 62; BVerfG Urteil vom 18.7.1972 - 1 BvL 32/70, 1 BvL 25/71 - BVerfGE 33, 303 - juris RdNr 96). Aufgrund der föderalistischen Struktur der Bundesrepublik Deutschland und der eigenständigen Gesetzgebungskompetenzen der Länder kann die Verfassungsmäßigkeit eines Landesgesetzes nicht deshalb in Zweifel gezogen werden, weil es von verwandten Regelungen in anderen Bundesländern oder im Bund abweicht (vgl BVerfG Beschluss vom 7.11.2002 - 2 BvR 1053/98 - BVerfGE 106, 225 - juris RdNr 48; BSG Urteil vom 10.10.2018 - B 13 R 20/16 R - BSGE 127, 11 = SozR 42600 § 56 Nr 9, RdNr 33; BSG Beschluss vom 6.10.2014 - B 9 BL 1/14 B - juris RdNr 7). Der Gleichheitssatz in Art 3 Abs 1 GG bindet zwar auch den Landesgesetzgeber, aber nur soweit er selbst Regelungen schafft, also nicht im Vergleich zu anderen Normgebern. Aufgrund der eigenständigen Gesetzgebungskompetenz der Länder muss nicht länderübergreifend in jeder Hinsicht dasselbe Recht gelten. Der Landesgesetzgeber ist nur gehalten, den Gleichheitssatz innerhalb des ihm zugeordneten Gesetzgebungsbereichs zu wahren (BVerfG Beschluss vom 8.5.2013 - 1 BvL 1/08 - BVerfGE 134, 1 - juris RdNr 61; BVerfG Beschluss vom 27.3.1979 - 2 BvR 2/77 - BVerfGE 51, 43 - juris RdNr 39; BSG Urteil vom 14.6.2018 - B 9 BL 1/17 R - BSGE 126, 63 = SozR 45921 Art 1 Nr 4, RdNr 15). Dies ist hier der Fall.
35
Auch wenn die bloße Nichtzugehörigkeit zu einem Land nicht dazu berechtigt, Auswärtige zu benachteiligen, ist es nicht ausgeschlossen, eine Ungleichbehandlung an Sachgründe zu knüpfen, die mit dem Wohnsitz oder dem gewöhnlichen Aufenthalt untrennbar zusammenhängen. Ein solch legitimes Ziel kann etwa die Konzentration von Haushaltsmitteln auf die Aufgabenerfüllung gegenüber den eigenen Einwohnern oder ein Lenkungszweck sein, der vor der Verfassung Bestand hat (vgl BVerfG <Kammer> Beschluss vom 19.7.2016 - 2 BvR 470/08 - juris RdNr 39 f mwN).
36
Nach der vom LSG vorgenommenen, den Senat bindenden Auslegung des § 1 Abs 1 Nr 1 und Abs 5 BlindGeldG ND ist hinreichend erkennbar, dass der Landesgesetzgeber mit der Nichtgewährung von Blindengeld für blinde Menschen, die in ein Pflegeheim ohne vorangegangenen gewöhnlichen Aufenthalt in Niedersachen ziehen, solche legitimen Ziele verfolgt. Denn diese Regelung ist zentraler Bestandteil einer beabsichtigten länderübergreifenden Harmonisierung der Landesblindengeldgesetze bei Umzug von blinden Menschen in die stationäre Einrichtung eines anderen Bundeslands. Nach der von der Beklagten in ihrer Revisionserwiderung zitierten und vorgelegten Niederschrift der Hamburger Konferenz der Obersten Landessozialbehörden von April 1986 wurde den Ländern zur Harmonisierung der Blindengeldgesetze empfohlen, in ihren Gesetzen eine Regelung aufzunehmen, nach der blinde Menschen, die sich in Anstalten, Heimen oder gleichartigen Einrichtungen aufhalten, Blindengeld von dem Bundesland erhalten, in dem sie vor Aufnahme in einer solchen Einrichtung ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatten. Dieser Empfehlung, die auch einer Forderung des Deutschen Blindenverbands von 1985 entsprach, ist der Niedersächsische Landesgesetzgeber mit der Einführung des § 1 Abs 1 Satz 2 BlindGeldG ND durch das Gesetz über das Landesblindengeld für Zivilblinde vom 18.1.1993 (Nds GVBl Nr 5 S 25) zum 1.12.1992 ausweislich der einschlägigen Gesetzesmaterialien (LT-Drucks 12/3610 S 4) ausdrücklich gefolgt. Mit dieser Bestimmung und der seit dem 16.12.2011 geltenden Nachfolgenorm in § 1 Abs 1 Nr 2 BlindGeldG ND hat das Land Niedersachsen sichergestellt, dass blinde Menschen bei der Aufnahme in die stationäre Einrichtung eines anderen Bundeslands ihren Anspruch auf niedersächsisches Blindengeld behalten. Dass Sachsen - im Gegensatz zu Niedersachsen und anderen Bundesländern (vgl Baden-Württemberg <§ 1 Abs 1 Satz 2 Blindenhilfegesetz>, Brandenburg <§ 1 Abs 1a Landesteilhabegeldgesetz>, Bremen <§ 1 Abs 1 Satz 2 PflGG BR>, Hamburg <§ 1 Abs 2 Satz 2 HmbBlinGG>, Mecklenburg-Vorpommern <§ 1 Abs 1 Satz 2 LBIGG MV>, Nordrhein-Westfalen <§ 1 Abs 2 GHBG>, Schleswig-Holstein <§ 1 Abs 1 Satz 2 LBlGG>, Thüringen <§ 1 Abs 2 Thüringer Sinnesbehindertengeldgesetz>) - keine vergleichbare "Harmonisierungsregelung" für die Fortzahlung des sächsischen Landesblindengelds geschaffen hat, mit der Folge des Wegfalls dieses Anspruchs für den Kläger bei Aufnahme in ein Pflegeheim außerhalb Sachsens, begründet von Verfassungs wegen jedoch keine Verpflichtung des Landes Niedersachsen, für den eigenen Zuständigkeitsbereich einen diesen Anspruchsverlust ausgleichenden Anspruch auf Blindengeld nach dem BlindGeldG ND zu schaffen und damit - bildhaft ausgedrückt - als "Ausfallbürge" für den Freistaat Sachsen einzutreten, der insoweit die angestrebte Harmonisierung der Landesblindengesetze (noch) nicht nachvollzogen hat.
37
c) Schließlich liegt auch kein Verstoß gegen den durch Art 6 Abs 1 GG gewährleisteten besonderen Schutz der Familie vor. Das Grundrecht des Art 6 GG gebietet als verbindliche Wertentscheidung für den gesamten Bereich des die Familie betreffenden privaten und öffentlichen Rechts einen besonderen Schutz durch die staatliche Ordnung (BVerfG <Kammer> Beschluss vom 31.10.2016 - 1 BvR 871/13, 1 BvR 1833/13 - juris RdNr 41). Danach hat der Staat ua die Pflicht, die Familie durch geeignete Maßnahmen zu fördern (vgl BSG Urteil vom 4.9.2013 - B 10 EG 11/12 R - juris RdNr 67 mwN). Sofern der Kläger durch den Ausschluss des Blindengeldanspruchs wegen des Umzugs in das Pflegeheim nach Niedersachsen Art 6 Abs 1 GG verletzt sieht, folgt der Senat ihm nicht. Aus Art 6 Abs 1 GG ergibt sich weder eine Verpflichtung für den Staat, jegliche die Familie treffenden finanziellen Belastungen auszugleichen, noch erwachsen daraus konkrete Ansprüche auf staatliche Leistungen (vgl BVerfG Beschluss vom 8.6.2004 - 2 BvL 5/00 - BVerfGE 110, 412 - juris RdNr 95 mwN). Zwar kann - wie oben bereits ausgeführt - ein mittelbar-faktischer Eingriff in grundrechtlich geschützte Positionen vorliegen, wenn eine Regelung in ihrer Zielsetzung einem direkten Eingriff gleichkommt. Eine solche Wirkung ist dem BlindGeldG ND in der vom LSG gewählten Auslegung jedoch nicht zu entnehmen. Es widerspricht nicht dem Gebot des Schutzes der Familien, wenn ein Bundesland freiwillige Leistungen - wie das Blindengeld - an den dortigen gewöhnlichen Aufenthalt außerhalb einer stationären Einrichtung knüpft.
38
C. Abschließend weist der Senat darauf hin, dass es aus Sicht eines sozialen Bundesstaats (Art 20 Abs 1 iVm Art 28 Abs 1 GG) zu begrüßen wäre, wenn alle Bundesländer ihre Landesblindengeldgesetze dergestalt harmonisieren würden, dass blinde Menschen bei Aufnahme in ein Alten- und Pflegeheim aus einem anderen Bundesland keinen Verlust ihres Blindengeldanspruchs hinnehmen müssten.
39
D. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.