Die Revision des Klägers wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger 9/10 der außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
G r ü n d e :
I
1
Zwischen den Beteiligten ist noch die teilweise Rücknahme der Festsetzung des Rentenzahlbetrags für November 2011 bis März 2012 und die diesen Zeitraum betreffende Erstattungsforderung iHv 308,19 Euro streitig.
2
Die Beklagte bewilligte dem 1950 geborenen Kläger eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen ab dem 1.11.2011 (Rentenbescheid vom 8.3.2012). Bei der Rentenberechnung berücksichtigte sie keinen Abschlag an Entgeltpunkten wegen eines 1994 zu seinen Lasten durchgeführten Versorgungsausgleichs, bei dem Rentenanwartschaften iHv 159,34 DM (81,47 Euro) auf das Versicherungskonto der geschiedenen Ehefrau des Klägers übertragen worden waren.
3
In der Anlage 5 zum Rentenbescheid vom 8.3.2012 (Auswirkungen des Versorgungsausgleichs) heißt es: "Der zu Lasten des Versicherungskontos durchgeführte Versorgungsausgleich ergibt einen Abschlag an Entgeltpunkten. Diese Entgeltpunkte sind als Entgeltpunkte (Ost) zu berücksichtigen, da das Familiengericht die Umrechnung des Monatsbetrags der Rentenanwartschaften in Entgeltpunkte (Ost) angeordnet hat (…)". Weder der Kläger noch seine geschiedene Ehefrau hatten im Beitrittsgebiet gearbeitet. In der Anlage 6 zum Rentenbescheid vom 8.3.2012 (Persönliche Entgeltpunkte) wurden die zu berücksichtigenden Entgeltpunkte summiert, ohne einen Abschlag an Entgeltpunkten wegen des durchgeführten Versorgungsausgleichs vorzunehmen. Dieser fand in keiner Form Erwähnung, ebenso wenig wie die in Anlage 5 errechneten 4,9531 Entgeltpunkte (Ost).
4
Die Rente war durch den Rentenberater A (im Folgenden: Rentenberater) beantragt worden, dem der Kläger eine Auftrags und Zustellungsvollmacht vom 29.11.2011 erteilt hatte. Die Vollmacht umfasste die Beantragung einer Altersrente und die Vertretung im Verfahren, einschließlich der Bekanntgabe und Zustellung von Verwaltungsakten. Im Rentenantrag waren zutreffende Angaben zum Versorgungsausgleich gemacht worden. Die Bekanntgabe des Bescheids vom 8.3.2012 erfolgte nur gegenüber dem Rentenberater.
5
Im Mai 2017 bemerkte die Beklagte die fehlende Berücksichtigung des Versorgungsausgleichs. Nach Anhörung des Klägers erließ sie den Bescheid vom 22.8.2017, mit dem sie die Altersrente für November 2011 bis März 2012 neu feststellte. Gleichzeitig nahm sie den Rentenbescheid vom 8.3.2012 hinsichtlich des festgesetzten Rentenzahlbetrags mit Wirkung ab 1.11.2011 teilweise zurück und forderte Erstattung von 70 Prozent der überzahlten Rente für November 2011 bis März 2012 (308,19 Euro). Hinsichtlich der weiteren Leistungszeiträume erließ sie entsprechende Bescheide vom 23. und 28.8.2017. Die Erstattungsforderungen der Beklagten beliefen sich auf insgesamt 3864,45 Euro. Die Widersprüche des Klägers gegen die Rücknahme- und Erstattungsverfügungen wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13.12.2018 zurück. Sie stützte sich auf § 45, § 50 SGB X.
6
Das SG hat den Bescheid vom 22.8.2017 sowie die weiteren Bescheide vom 23. und 28.8.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.12.2018 antragsgemäß aufgehoben (Urteil vom 15.12.2021). Auf die dagegen von der Beklagten eingelegte Berufung hat das LSG die erstinstanzliche Entscheidung aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagte könne ihre Rücknahmeverfügungen auf § 45 Abs 1, Abs 4 Satz 1, Abs 2 Satz 3 Nr 3 SGB X und ihr Erstattungsverlangen auf § 50 Abs 1 SGB X stützen. Das Vertrauen des Klägers auf die Richtigkeit der festgesetzten Rentenhöhe sei nicht schutzwürdig. Zwar habe er selbst nicht erkennen müssen, dass der durchgeführte Versorgungsausgleich bei der Rentenberechnung gänzlich unberücksichtigt geblieben und die festgesetzte Rente zu hoch gewesen sei. Dem von ihm beauftragten Rentenberater sei es jedoch aufgrund seiner besonderen Sachkunde möglich gewesen, die Rechtswidrigkeit der Rentenhöhe in vollem Umfang zu erkennen. Aus der Anlage 5 zum Rentenbescheid vom 8.3.2012 sei unmissverständlich der Ansatz von Entgeltpunkten (Ost) hervorgegangen, obwohl der Versicherungsverlauf des Klägers keinerlei Bezug zum Beitrittsgebiet aufgewiesen habe. Ungeachtet dessen sei aus der Anlage 6 ersichtlich gewesen, dass der durchgeführte Versorgungsausgleich nicht rentenmindernd berücksichtigt worden sei. Der Kläger müsse sich die grob fahrlässige Unkenntnis des Rentenberaters analog § 166 Abs 1 BGB zurechnen lassen. Dieser sei als sog Wissensvertreter anzusehen. Nach dem Geschäftsbesorgungsauftrag sei eine umfassende Vertretung im Zusammenhang mit der Beantragung der Rente gewollt gewesen. Der Kläger habe sich vor allem der besonderen Sachkunde seines Rentenberaters bedienen wollen. Zu dessen essentiell vereinbarten Pflichten habe auch gehört, die Richtigkeit des Rentenbescheids zu prüfen und den Kläger über etwaige Unstimmigkeiten aufzuklären. Auf die Kenntnis bzw grob fahrlässige Unkenntnis eines Wissensvertreters sei im öffentlichen Recht zumindest dann abzustellen, wenn dieser im Rahmen gesetzlicher Vertretung oder wie hier aufgrund rechtsgeschäftlicher Vertretungsmacht handle. Wer die tatsächlich oder vermeintlich besseren Fähigkeiten oder Kenntnisse eines Dritten zu seinem eigenen Vorteil nutze, müsse auch die daraus resultierenden Nachteile in Kauf nehmen (Urteil vom 16.2.2023).
7
Mit seiner vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 45 SGB X. Es gebe keine einschlägige sozialrechtliche Vorschrift zur Wissenszurechnung. Eine entsprechende Anwendung des § 166 Abs 1 BGB komme hier schon deswegen nicht in Betracht, weil auch im Zivilrecht der Anwendungsbereich der Vorschrift nur auf rechtsgeschäftliche Handlungen des Vertreters ausgedehnt werde. Eine Willenserklärung oder sonstige rechtsgeschäftliche Handlung des vom Kläger beauftragten Rentenberaters habe es nicht gegeben. Selbst wenn man § 166 BGB entsprechend auf sog Wissensvertreter anwenden wolle, wären nur Fälle erfasst, in denen sich die zuzurechnende Kenntnis oder fahrlässige Unkenntnis auf Tatsachen beziehe. Die grob fahrlässige Unkenntnis seines Rentenberaters von der Rechtswidrigkeit der Zahlbetragsfestsetzung, die das LSG hier angenommen habe, beruhe hingegen auf einer rechtlichen Wertung.
8
Der Kläger beantragt, das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 16. Februar 2023 aufzuheben, soweit darin seine Klage gegen den Bescheid vom 22. August 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. Dezember 2018 abgewiesen wurde, und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 15. Dezember 2021 insoweit zurückzuweisen.
9
Die Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers zurückzuweisen.
10
Sie hält die Entscheidung des LSG für zutreffend.
11
Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat die Bescheide vom 23. und 28.8.2017 jeweils in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.12.2018 aufgehoben, soweit darin die Festsetzung des Zahlbetrags der Altersrente des Klägers für Juni 2012 bis November 2012 und für April 2013 bis August 2017 teilweise zurückgenommen und insoweit Erstattung verlangt wurde. Der Kläger hat dieses Teilanerkenntnis angenommen.
II
12
A. Die zulässige Revision des Klägers ist, soweit sie sich nicht durch das im Termin am 19.12.2024 angenommene Teilanerkenntnis der Beklagten erledigt hat, unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG). Das LSG hat auf die Berufung der Beklagten die Klage gegen den Bescheid vom 22.8.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.12.2018 zutreffend abgewiesen.
13
I. Dieser Bescheid ist nur Gegenstand der revisionsrechtlichen Überprüfung, soweit die Beklagte darin die Festsetzung des Zahlbetrags der dem Kläger gewährten Altersrente für schwerbehinderte Menschen für November 2011 bis März 2012 teilweise zurücknahm und den zu erstattenden Betrag auf 308,18 Euro festsetzte. Hiergegen wendet sich der Kläger zutreffend mit einer Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 Alt 1 SGG). Sein Klagebegehren ist hingegen bei verständiger Würdigung (§ 123 SGG) zu keinem Zeitpunkt darauf gerichtet gewesen, den Bescheid vom 22.8.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.12.2018 im Übrigen anzugreifen.
14
II. Soweit der Bescheid vom 22.8.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.12.2018 angefochten ist, ist er rechtmäßig und beschwert den Kläger nicht iS des § 54 Abs 2 Satz 1 SGG.
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1. Rechtsgrundlage der teilweisen Rücknahme der Rentenzahlbetragsfestsetzung vom 8.3.2012 ist § 45 Abs 1, Abs 4 iVm Abs 2 Satz 3 SGB X in der aktuellen Fassung der Neubekanntmachung vom 18.1.2001 (BGBl I 2001, 130), weil allein eine anfängliche Rechtswidrigkeit in Betracht kommt (vgl zur Abgrenzung von § 45 und § 48 SGB X zB BSG Urteil vom 20.1.2021 B 13 R 13/19 R SozR 42400 § 18a Nr 4 RdNr 32 und 46 mwN). Danach wird ein begünstigender Verwaltungsakt, soweit er rechtswidrig ist, (auch) für die Vergangenheit zurückgenommen, soweit ein Fall des Abs 2 Satz 3 vorliegt. Rechtliche Grundlage für die Festsetzung und Geltendmachung der Erstattungsforderung ist § 50 Abs 1 Satz 1 iVm Abs 3 Satz 1 SGB X.
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2. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine teilweise Rücknahme der Rentenzahlbetragsfestsetzung vom 8.3.2012 mit Wirkung für die Vergangenheit lagen vor. Insbesondere war die Festsetzung bereits bei Erlass des Rentenbescheids rechtswidrig. Nach § 76 Abs 1, Abs 3 SGB VI wird bei der Rentenberechnung ein zulasten eines Versicherten durchgeführter Versorgungsausgleich durch einen Abschlag an Entgeltpunkten berücksichtigt, der ausgehend vom Monatsbetrag der übertragenen Rentenanwartschaften ermittelt wird (§ 76 Abs 4 Satz 1 SGB VI). Ein solcher Abschlag unterblieb, als die Beklagte den Zahlbetrag der Altersrente für schwerbehinderte Menschen des Klägers mit Rentenbescheid vom 8.3.2012 festsetzte.
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Der Kläger konnte sich nicht darauf berufen, er habe auf den Bestand der überhöhten Zahlbetragsfestsetzung vertraut. Es lag ein Fall des § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 3 SGB X vor, sodass zugleich die Voraussetzungen für eine Aufhebung der Festsetzung des Rentenzahlbetrags für die Vergangenheit gegeben waren (§ 45 Abs 4 Satz 1 SGB X). Nach der gesetzlichen Regelung kann sich der Begünstigte nicht auf Vertrauen berufen, soweit er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Es kann offenbleiben, ob der Kläger selbst die Fehlerhaftigkeit des Rentenbescheids hätte erkennen müssen. Die bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG tragen jedenfalls seine Annahme, die Unkenntnis des Rentenberaters von der Rechtswidrigkeit der Zahlbetragsfestsetzung beruhe auf grober Fahrlässigkeit (unter a). Der Kläger muss sich die grob fahrlässige Unkenntnis des Rentenberaters zurechnen lassen (unter b).
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a) Dass das LSG bezüglich der überhöhten Zahlbetragsfestsetzung von einer grob fahrlässigen Unkenntnis des Rentenberaters ausgegangen ist, ist nicht zu beanstanden. Die Frage des Vorliegens grober Fahrlässigkeit stellt eine der revisionsgerichtlichen Prüfung weitgehend entzogene tatrichterliche Würdigung dar. Eine Überschreitung des revisionsrechtlich nicht überprüfbaren Entscheidungsspielraums ist hier nicht zu erkennen (vgl grundlegend BSG Urteil vom 28.11.1978 4 RJ 130/77 BSGE 47, 180, 181 = SozR 2200 § 1301 Nr 8 S 20 f; aus jüngerer Zeit zB BSG Urteil vom 30.6.2016 B 5 RE 1/15 R SozR 41300 § 48 Nr 33 RdNr 21; BSG Urteil vom 8.12.2022 B 7/14 AS 11/21 R juris RdNr 22). Das LSG hat seiner Entscheidung den allgemein anerkannten Begriff der groben Fahrlässigkeit zugrunde gelegt. Danach handelt grob fahrlässig iS des § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 3, Halbsatz 2 SGB X, wer schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht anstellt und daher nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss; dabei ist das Maß der Fahrlässigkeit nach der persönlichen Urteils und Kritikfähigkeit des Begünstigten und seinem Einsichtsvermögen zu beurteilen (vgl zB BSG Urteil vom 1.7.2010 B 13 R 77/09 R SozR 41300 § 48 Nr 18 RdNr 33; BSG Urteil vom 3.7.2020 B 8 SO 2/19 R BSGE 130, 258 = SozR 43500 § 103 Nr 1 RdNr 29, jeweils mwN; aus dem Schrifttum zB Schütze in Schütze SGB X, 9. Aufl 2020, § 45 RdNr 66 mwN). Diesen subjektiven Fahrlässigkeitsbegriff hat das LSG in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise zur Anwendung gebracht, indem es vor allem auf die besondere Sachkunde des Rentenberaters abgestellt (vgl § 10 Abs 1 Satz 1 Nr 2 iVm § 11 Abs 2 Rechtsdienstleistungsgesetz <RDG>) und befunden hat, dass dieser hier die Rechtswidrigkeit der Rentenzahlbetragsfestsetzung im Rentenbescheid vom 8.3.2012 erkennen musste.
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b) Der Kläger muss sich die grob fahrlässige Unkenntnis des Rentenberaters von der Rechtswidrigkeit der Rentenzahlbetragsfestsetzung vom 8.3.2012 zurechnen lassen. Eine Wissenszurechnung über die im Zivilrecht entwickelte Figur des Wissensvertreters (unter aa) kommt im Sozialrecht in Betracht (unter bb) und ist auch im Rahmen des § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 3 SGB X möglich (unter cc). Der Rentenberater des Klägers ist hier als sein Wissensvertreter anzusehen (unter dd).
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aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erfolgt auch außerhalb von Rechtsgeschäften und rechtsgeschäftsähnlichen Handlungen eine Wissenszurechnung entsprechend § 166 BGB mit Rücksicht auf Treu und Glauben (§ 242 BGB) bei sog Wissensvertretern (vgl zB BGH Urteil vom 25.5.2023 IX ZR 116/21 juris RdNr 12 mwN; zur dogmatischen Ableitung zB Schubert in MüKoBGB, 9. Aufl 2021, BGB § 166 RdNr 58 ff; zur Tendenz, die Wissenszurechnung als allgemeine, von § 166 BGB losgelöste Thematik zu begreifen, vgl Schilken in Staudinger, BGB, 2019, § 166 RdNr 5 mwN). Wissensvertreter ist dabei jeder, der nach der Arbeitsorganisation des Geschäftsherrn dazu berufen ist, im Rechtsverkehr als dessen Repräsentant bestimmte Aufgaben in eigener Verantwortung zu erledigen und die dabei anfallenden Informationen zur Kenntnis zu nehmen sowie gegebenenfalls weiterzuleiten. Der Geschäftsherr muss sich seiner im rechtsgeschäftlichen Verkehr wie eines Vertreters bedienen (vgl BGH Urteil vom 10.2.1971 VIII ZR 182/69, BGHZ 55, 307, 311; BGH Urteil vom 24.1.1992 V ZR 262/90 BGHZ 117, 104, 107; BGH vom 13.12.2012 III ZR 298/11 NJW 2013, 448 RdNr 23). Einer ausdrücklichen Bestellung zum rechtsgeschäftlichen Vertreter oder zum Wissensvertreter bedarf es nicht (vgl zB BGH Urteil vom 2.2.1996 V ZR 239/94 BGHZ 132, 30, 35 mwN).
21
bb) Die Grundsätze des § 166 BGB können in öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnissen herangezogen werden (vgl bereits BSG Urteil vom 22.10.1968 9 RV 418/65 BSGE 28, 258, 260 f = SozR Nr 24 zu § 47 VerwVG, juris RdNr 15; vgl auch BVerwG Urteil vom 25.6.1969 VI C 103.67 BVerwGE 32, 228, juris RdNr 21; BFH Urteil vom 21.4.2010 VI R 29/08 BFHE 229, 224, BStBl II 2010, 833, juris RdNr 15). Sie kommen auch im Sozialrecht bereits in verschiedenen Konstellationen zur Anwendung. Der erkennende Senat hat zB befunden, ein Rentenversicherungsträger muss sich beim Beginn von Verjährungsfristen die Kenntnis des Renten Service der Deutschen Post AG zurechnen lassen, der als sein Wissensvertreter anzusehen ist (vgl BSG Urteil vom 26.7.2023 B 5 R 18/21 R BSGE (vorgesehen), SozR 42600 § 118 Nr 20 (vorgesehen), RdNr 24). In Bezug auf § 1 Abs 2 Satz 1 Nr 2 BKG ist der 10. Senat zu der Entscheidung gelangt, dass ein Kind, das Kindergeld für sich selbst beansprucht, sich die Kenntnis seines Prozessbevollmächtigten oder sonstigen Wissensvertreters vom Aufenthalt der Eltern zurechnen lassen muss (vgl BSG Urteile vom 14.12.2023 B 10 KG 1/22 R juris RdNr 33 und B 10 KG 2/22 R juris RdNr 30).
22
cc) Die Figur des Wissensvertreters ist auch im Rahmen des § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 3 SGB X heranzuziehen. Ein Empfänger von Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung muss sich die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis seines Wissensvertreters von der Rechtswidrigkeit des zugrundeliegenden Verwaltungsakts zurechnen lassen (ebenso aus der landessozialgerichtlichen Rechtsprechung neben der hier zugrundeliegenden Entscheidung LSG BerlinBrandenburg, Urteil vom 13.4.2017 L 8 R 1083/14; aus dem Schrifttum Heße in: BeckOK SozR, 74. Ed Stand: 1.9.2024, § 45 SGB X RdNr 24; Merten in Hauck/Noftz, SGB X, Stand: 3. EL 2024, § 45 SGB X RdNr 83; differenzierend zwischen gesetzlicher Vertretung und gewillkürter Stellvertretung Schütze in Schütze, SGB X, 9. Aufl 2020, § 45 RdNr 71; ebenso Padé in Schlegel/Voelzke, jurisPKSGB X, 2. Aufl, § 45 RdNr 97, Stand: 17.4.2023; vgl auch den Überblick zum früheren Meinungsstand bei Steinwedel, jurisPRSozR 21/2017 Anm 4).
23
Der 9a. Senat hat im Jahr 1984 hinsichtlich § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 2 SGB X eine Zurechnung der Rechtskenntnisse eines Bevollmächtigten zumindest erwogen (vgl BSG Urteil vom 13.12.1984 9a RV 40/83 BSGE 57, 274, 279 = SozR 1300 § 48 Nr 11 S 25, juris RdNr 24). Der 4. Senat hat in Bezug auf § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 3 SGB X eine Wissenszurechnung jedenfalls bei gesetzlicher Vertretung in Betracht gezogen (vgl BSG Urteil vom 24.6.2020 B 4 AS 10/20 R SozR 41300 § 45 Nr 23 RdNr 32) und zu § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 2 SGB X entschieden, ein Leistungsempfänger müsse sich die vorsätzlichen oder grob fahrlässig gemachten Falschangaben seines Vertreters nach § 164 Abs 1, § 166 Abs 1, § 278 BGB zurechnen lassen, selbst wenn dieser bloß im Rahmen einer sog Duldungsvollmacht handele (vgl BSG Urteil vom 8.12.2020 B 4 AS 46/20 R BSGE 131, 128 = SozR 41300 § 45 Nr 24, RdNr 26). Derjenige, der für sich durch einen Dritten handeln lasse, könne nicht besser gestellt werden als derjenige, der selbst handele. Dem schließt sich der Senat für das Rentenversicherungsrecht an und überträgt diese Rechtsprechung auf die Fälle des § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 3 SGB X.
24
Dem steht nicht entgegen, dass die dortige Regelung anders als diejenige in Nr 2 nicht an eine (unterlassene) Handlung anknüpft, sondern an die (Un)Kenntnis von der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts und damit an einen inneren Zustand. § 166 BGB bewirkt gerade eine Zurechnung innerer Zustände des Vertreters, die durch Willensmängel (§ 166 Abs 1 Alt 1 BGB) bzw die Kenntnis oder das Kennenmüssen "gewisser Umstände" bedingt sind (§ 166 Abs 1 Alt 2 BGB), beim Vertretenen (vgl zB BGH Beschluss vom 25.1.2022 VIII ZR 233/20 juris RdNr 33).
25
Abweichendes folgt auch nicht daraus, dass der Begriff der groben Fahrlässigkeit eine Wertung beinhaltet (vgl § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 3 Halbsatz 2 SGB X). Die Einstandspflicht des Geschäftsherrn entsprechend dem Rechtsgedanken des § 166 Abs 1 BGB erstreckt sich auch im Zivilrecht auf die rechtserheblichen Versäumnisse seines Beauftragten in Fällen, in denen der positiven Kenntnis ua die grob fahrlässige Unkenntnis gleichsteht (sog Kennenmüssen; vgl hierzu BGH Urteil vom 16.5.1989 VI ZR 251/88 juris RdNr 13; aus jüngerer Zeit zB BGH Urteil vom 25.10.2018 IX ZR 168/17 juris RdNr 13; BGH Urteil vom 26.5.2020 VI ZR 186/17 juris RdNr 15). Der Geschäftsherr soll auch in dieser Fallkonstellation keine (rechtlichen) Vorteile daraus ziehen, dass er einen anderen mit der Erledigung bestimmter Angelegenheiten in eigener Verantwortung betraut (vgl zB BGH Urteil vom 14.1.2016 I ZR 65/14 juris RdNr 61). Diese Erwägung gilt gleichermaßen in Bezug auf die Vertrauen schützende Regelung in § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 3 SGB X. Auch insoweit besteht keine Veranlassung, denjenigen, der für sich durch einen Dritten handeln lässt, besser zu stellen als denjenigen, der selbst handelt.
26
dd) In Bezug auf den Rentenbescheid vom 8.3.2012 ist der Rentenberater des Klägers als sein Wissensvertreter anzusehen. Ein umfassend bevollmächtigter Rentenberater ist in aller Regel zur Durchsicht der im Verfahren erlassenen Bescheide verpflichtet (unter (1)). Dass der Kläger und sein Rentenberater hier eine abweichende Vereinbarung getroffen haben könnten, ist nicht ersichtlich (unter (2)).
27
(1) Ein Rentenberater, für den eine umfassende Vollmacht besteht, hat alle relevanten Informationen, die bei der Vertretung eines Versicherten anfallen, zur Kenntnis zu nehmen und gegebenenfalls an den Geschäftsherrn weiterzuleiten. Das ergibt sich schon aus seiner Qualifizierung als Rechtsdienstleister. Außerhalb des Rechtsanwaltsberufs ist die Erbringung entgeltlicher außergerichtlicher Rechtsdienstleistungen auf bestimmte Sachgebiete beschränkt und erfordert, dass der Erbringer der Dienstleistung über besondere Sachkunde verfügt und im Rechtsdienstleistungsregister registriert ist (vgl § 10 Abs 1 Satz 1 RDG). Die Rentenberatung erfordert definitionsgemäß eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls (vgl § 2 Abs 1 RDG; zum Begriff der rechtlichen Prüfung BSG Urteil vom 25.8.2022 B 9 SB 5/20 R SozR 41300 § 13 Nr 4 RdNr 15) auf dem Gebiet der gesetzlichen Rentenversicherung (vgl § 10 Abs 1 Satz 1 Nr 2 RDG). Tritt ein Rentenberater im Rahmen seiner erlaubten Tätigkeit (vgl § 10 Abs 1 Satz 1 Nr 2 RDG) in einem Sozialverwaltungsverfahren zur Erlangung einer (Alters)Rente auf, übernimmt er es als Repräsentant des Verfahrensbeteiligten in eigener Verantwortung, das (Renten)Verfahren durch Antragstellung anzustoßen und zu betreiben. In dieser Hinsicht ist seine Tätigkeit mit derjenigen von Rechtsanwälten vergleichbar, die als typische Wissensvertreter angesehen werden (vgl zB BGH Urteil vom 10.1.2013 IX ZR 13/12 juris RdNr 26; BGH Urteil vom 25.10.2018 IX ZR 168/17 juris RdNr 14; BGH Beschluss vom 25.1.2022 VIII ZR 233/20 juris RdNr 33).
28
Zu den vertraglichen Pflichten eines zur Vertretung im Rentenverfahren umfassend bevollmächtigten Rentenberaters gehört in aller Regel die sorgfältige Durchsicht der im Verfahren erlassenen Bescheide auf sachliche und rechnerische Richtigkeit. Das stellt einen wesentlichen Bestandteil der zu erbringenden Dienstleistung dar, zumal schon für den Adressaten eines Rentenbescheids die Obliegenheit besteht, diesen zu lesen und zur Kenntnis zu nehmen (vgl BSG Urteil vom 1.7.2010 B 13 R 77/09 R SozR 41300 § 48 Nr 18 RdNr 33 unter Hinweis auf BSG Urteil vom 8.2.2001 B 11 AL 21/00 R SozR 31300 § 45 Nr 45 RdNr 25). Die entsprechenden (schuldrechtlichen) Berufspflichten resultieren dabei aus dem zwischen Geschäftsherrn und Rentenberater abgeschlossenen Beratungsvertrag (vgl dazu Henssler/Deckenbrock, DB 2013, 2909, 2917).
29
Rentenberater werden durch die Annahme einer grundsätzlich bestehenden Berufspflicht zur Prüfung aller im Verfahren erlassenen Bescheide auch nicht unangemessen benachteiligt. Zwar kommt, falls dem Geschäftsherrn durch eine sorgfaltswidrige Prüfung im Einzelfall ein Vermögensschaden entstehen sollte, ein Regress beim jeweiligen Rentenberater in Betracht. Rentenberater verfügen für derartige Haftungsfälle jedoch über eine obligatorische Haftpflichtversicherung. Sie haben, wie alle Erbringer außergerichtlicher Rechtsdienstleistungen, bereits bei ihrer Registrierung eine Berufshaftpflichtversicherung mit einer Mindestversicherungssumme von 250 000 Euro pro Versicherungsfall nachzuweisen (§ 12 Abs 1 Nr 3 RDG; vgl zu Einzelheiten des versicherungsrechtlichen Deckungsschutzes Arndt, rv 03.18, 67, 68 ff). Diese entspricht der für Rechtsanwälte vorgeschriebenen Mindestversicherungssumme (vgl § 51 Abs 4 BRAO).
30
(2) Ausgehend von den bindenden Feststellungen des LSG wurde der Rentenberater des Klägers im Sozialverwaltungsverfahren, das auf die Erlangung einer Altersrente für schwerbehinderte Menschen gerichtet war, umfassend als Bevollmächtigter iS des § 13 Abs 1 Satz 1 SGB X eingesetzt (vgl den Überblick bei Roller in Schütze SGB X, 9. Aufl 2020, § 13 RdNr 9). Es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass nach dem (zumindest konkludent abgeschlossenen) Beratungsvertrag zwischen dem Kläger und seinem Rentenberater letzterer ausnahmsweise nicht zur Prüfung des Bescheids vom 8.3.2012 verpflichtet gewesen sein könnte. Für eine auch insoweit bestehende Prüfpflicht spricht im Gegenteil, dass ausweislich der Vollmacht vom 29.11.2011 der Rentenberater ausdrücklich zur Entgegennahme der an ihn bekanntgegebenen oder zugestellten Verwaltungsakte bevollmächtigt war. Die Beklagte war auch befugt, den Bescheid vom 8.3.2012 (nur) dem Rentenberater bekanntzugeben (vgl § 37 Abs 1 Satz 2 SGB X). Hätte der Rentenberater aufgrund seiner Sachkunde bei Durchsicht des Bescheids einen Fehler zulasten des Klägers entdeckt, hätte er diesem zur umfassenden Durchsetzung seiner Ansprüche gegenüber der Beklagten verhelfen müssen. Es ist gerechtfertigt, den Kläger dann auch die Folgen tragen zu lassen, die aus einer (grob fahrlässigen) Verkennung eines ihn begünstigenden Fehlers durch den Rentenberater resultieren (vgl zu diesem Aspekt Knispel jurisPRSozR 12/2023 Anm 2 mwN bezogen auf die Bösgläubigkeit eines gesetzlichen Vertreters bei § 13 Abs 3a Satz 7 SGB V).
31
3. Die Beklagte hat bei der teilweisen Rücknahme der Rentenzahlbetragsfestsetzung vom 8.3.2012 für November 2011 bis März 2012 auch das ihr eingeräumte Ermessen ausgeübt (§ 45 Abs 1 SGB X). Sie beschränkte sich auf eine Rücknahme der Rentenzahlbetragsfestsetzung im Umfang von 70 Prozent. Ausgehend von den bindenden Feststellungen des LSG sind keine Umstände zu erkennen, die eine noch weitergehende Reduzierung der Rücknahme gebieten würden. Die Jahresfrist (§ 45 Abs 4 Satz 2 SGB X) wurde eingehalten. Nach den bindenden Feststellungen des LSG erlangte die Beklagte erstmals im Mai 2017 Kenntnis von der überhöhten Rentenfestsetzung.
32
4. Auch der Erstattungsverwaltungsakt im Bescheid vom 22.8.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.12.2018 ist rechtmäßig. Die Beklagte kann sich auf § 50 Abs 1 Satz 1 iVm Abs 3 Satz 1 SGB X stützen. Dem von der Beklagten festgesetzten Betrag iHv 308,19 Euro begegnen keine Bedenken.
33
B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 183 Satz 1 sowie § 193 Abs 1 und 4 SGG und berücksichtigt den Ausgang des Rechtsstreits.