Die Ablehnung der Wiedereinsetzung hat gemäß § 202 S. 1 SGG i.V.m. § 238 Abs. 2 S. 1 ZPO in der Form zu erfolgen, die für die Entscheidung in der Sache gilt. Soweit die Verwerfung von Rechtsmitteln als unzulässig durch Beschluss möglich ist, kann eine Vorabentscheidung über die Ablehnung der Wiedereinsetzung durch Beschluss getroffen werden.
Bei Klagen ist dagegen keine Entscheidung durch Beschluss vorgesehen, weshalb über die Ablehnung der Wiedereinsetzung erst im Urteil zu befinden ist.
§ 67 Abs. 4 Satz 2 SGG ist keine Befugnis zu entnehmen, vorab über einen Wiedereinsetzungsantrag durch Beschluss zu entscheiden, da diese Bestimmung nur den Beschluss umfasst, „der die Wiedereinsetzung bewilligt“, nicht hingegen die Ablehnung der Wiedereinsetzung.
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Fulda vom 21. Oktober 2024 aufgehoben. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Gründe
I.
Im Hauptsacheverfahren vor dem Sozialgericht Fulda (S 11 KR 95/24) streiten die Beteiligten über die Durchführung der Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V). Von der Beklagten wurde dies mit Bescheid vom 7. Juni 2023 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Juni 2024 abgelehnt. Ausweislich des Widerspruchsbescheides erfolgte dessen Zustellung an die Prozessbevollmächtigten des Klägers, von welchen dieser bereits im Verwaltungsverfahren vertreten worden ist.
Mit Telefax vom 14. August 2024 ist die von den Prozessbevollmächtigten des Klägers auf den 8. Juli 2024 datierte Klageschrift am Sozialgericht Fulda eingegangen. Darin wird als Zugangsdatum des Widerspruchsbescheides der 25. Juni 2024 benannt. Beigefügt war u.a. ein Faxprotokoll über einen internen Versendungsvorgang innerhalb der Geschäftsstelle der Prozessbevollmächtigten des Klägers („From: D.E.@F.de To: C-Stadt.scanner@F.de“) und einer hierauf befindlichen, an das Sozialgericht gerichteten Nachricht: „Wir erinnern höflich an die Eingangsbestätigung. Diese liegt uns noch nicht vor. Mit freundlichen Grüßen i.A. E. C-Stadt, 13.08.2024“. Vom Sozialgericht Fulda wurde daraufhin zunächst mit Schreiben vom 15. August 2024 gegenüber den Prozessbevollmächtigten des Klägers mitgeteilt, dass die Klage am 8. Juli 2024 eingegangen sei und unter dem Az. S 11 KR 95/24 geführt wird.
Ebenfalls mit Telefax vom 14. August 2024 wurde bezüglich des gleichen Streitgegenstands ein Eilantrag an das Sozialgericht Fulda übersandt. Das Verfahren wird dort unter dem Az. S 11 KR 96/24 ER geführt.
Mit Verfügung vom 26. August 2024 wurde der Prozessbevollmächtigte des Klägers vom Sozialgericht erstmals zur Stellungnahme hinsichtlich bestehender Zweifel an der Einhaltung der Klagefrist hingewiesen und ihm mitgeteilt, dass nach der vorliegenden Klageschrift der Widerspruchsbescheid am 25. Juni 2024 zugegangen, die Klage aber erst am 14. August erhoben worden sei. Nach Einwänden der Prozessbevollmächtigten des Klägers und internen Prüfungen des Sozialgerichts zu mehreren dort am 8. Juli 2024 dokumentierten Fax-Eingängen in unterschiedlichen Verfahren wurden die Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Schreiben des Sozialgerichts vom 10. September 2024 darauf hingewiesen, dass die Klage am 8. Juli 2024 nicht wirksam erhoben worden sei und die Erinnerung vom 14. August 2024 versehentlich als Klageerhebung ausgelegt worden sei, so dass „bis heute“ keine wirksame Klageerhebung vorliege.
Daraufhin wurde für den Kläger am 10. Oktober 2024 gemäß § 67 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Am 8. Juli 2024 sei ein achtseitiges Dokument mit der Klageschrift an die Faxsoftware übergeben worden. Nachfolgend seien keine Übertragungsfehler gemeldet und im System hinterlegt worden. Man habe daher davon ausgehen dürfen, dass die Klageschrift beim Sozialgericht Fulda eingegangen sei. Der Eingang sei dann spätestens am 13. August 2024 erfolgt. Damit sei auch die Monatsfrist für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand eingehalten worden, da das Gericht erst mit der Verfügung vom 10. September 2024 einen Hinweis zur Zulässigkeit der Klage erteilt habe.
Mit dem vorliegend angefochtenen Beschluss vom 21. Oktober 2024 hat das Sozialgericht Fulda den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 10. Oktober 2024 als unzulässig abgelehnt. Ein Wiedereinsetzungsgrund liege zwar an sich vor, weil der Kläger die Klagefrist von einem Monat ohne Verschulden versäumt habe. Allerdings habe er auch danach nicht wirksam Klage erhoben und es damit versäumt, die unterbliebene Rechtshandlung innerhalb der Antragsfrist gemäß § 67 Abs. 2 S. 3 SGG nachzuholen. Entgegen der Ansicht des Klägers habe dieser nicht am 14. August 2024 wirksam Klage erhoben. Ob Klage erhoben werden solle, sei durch Auslegung zu ermitteln. Aus der am 14. August 2024 beim Sozialgericht Fulda eingegangenen „Klage“ vom 7. August 2024 nebst Anlagen lasse sich keine wirksame Erhebung herleiten, auch wenn das Schreiben vom Sozialgericht Fulda fälschlicherweise zunächst als solche erfasst worden sei. Im Zusammenhang mit der auf dem Faxprotokoll angebrachten Erinnerung „Wir erinnern höflich an die Eingangsbestätigung. Diese liegt uns noch nicht vor“ könne die beigefügte Klageschrift selbst nur Anlage zu dieser Anfrage gewesen sein. Es sei daher am 14. August 2024 keine Klage erhoben worden, sondern nur eine Anfrage zum Verbleib der Eingangsbestätigung einer am 8. Juli 2024 nicht eingegangenen Klage erfolgt. Dafür spreche auch, dass am 14. August 2024 insgesamt neun Seiten beim Sozialgericht Fulda eingegangen seien und das Faxprotokoll mit Erinnerung an die Eingangsbearbeitung die erste Seite gewesen sei.
Hiergegen richtet sich die am 6. November 2024 eingegangene Beschwerde des Klägers mit dem Antrag,
den Beschluss des Sozialgerichts Fulda vom 21. Oktober 2024 aufzuheben und dem Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
II.
Die nach § 172 Abs. 1 SGG statthafte sowie form- und fristgerecht eingereichte Beschwerde ist begründet.
Nach § 172 Abs. 1 SGG findet gegen Entscheidungen der Sozialgerichte mit Ausnahme der Urteile und gegen Entscheidungen der Vorsitzenden dieser Gerichte die Beschwerde an das Landessozialgericht statt, soweit nicht in diesem Gesetz anderes bestimmt ist. Vorliegend hat das Sozialgericht im Wege eines gesonderten Beschlusses abschlägig über einen die Klagefrist betreffenden Wiedereinsetzungsantrag entschieden, so dass - unabhängig von der Frage der Zulässigkeit dieses Vorgehens - grundsätzlich das Rechtsmittel der Beschwerde eröffnet ist (Sächsisches Landessozialgericht, Beschluss vom 17. April 2023 – L 10 AS 1044/20 B –, juris Rn. 13 - 14)
Auf die Beschwerde des Klägers war der Beschluss des Sozialgerichts Fulda vom 21. Oktober 2024 aufzuheben, da das Sozialgericht den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Klagefrist zu Unrecht in dieser Entscheidungsform abgelehnt hat.
Die Ablehnung der Wiedereinsetzung hat gemäß § 202 S. 1 SGG i.V.m. § 238 Abs. 2 S. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) in der Form zu erfolgen, die für die Entscheidung in der Sache gilt. Soweit die Verwerfung von Rechtsmitteln als unzulässig durch Beschluss möglich ist (§ 145 Abs. 4 S. 1 SGG; § 158 S. 2 SGG; § 160a Abs. 4 S. 1 Hs. 1 SGG; § 169 S. 3 SGG; § 176 SGG), kann eine Vorabentscheidung über die Ablehnung der Wiedereinsetzung durch Beschluss getroffen werden. Bei Klagen ist dagegen keine Entscheidung durch Beschluss vorgesehen, weshalb über die Ablehnung der Wiedereinsetzung erst im Urteil zu befinden ist (Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt SGG/Keller, 14. Aufl. 2023, SGG § 67 Rn. 17a; Senger in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Aufl., § 67 SGG, Stand: 25. September 2024, Rn. 90; Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Beschluss vom 9. Dezember 2022 - L 9 SO 62/22 B -, juris Rn. 16; Sächsisches Landessozialgericht, a.a.O., juris Rn. 19). Demgegenüber ist § 67 Abs. 4 Satz 2 SGG keine Befugnis zu entnehmen, vorab über einen Wiedereinsetzungsantrag durch Beschluss zu entscheiden, da diese Bestimmung nur den Beschluss umfasst, „der die Wiedereinsetzung bewilligt“, nicht hingegen die Ablehnung der Wiedereinsetzung.
In Anbetracht der durch das Sozialgericht unzulässig gewählten Entscheidungsform ist der Senat daran gehindert, im Beschwerdeverfahren eine Überprüfung der Sachentscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag vorzunehmen. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Klage noch beim Sozialgericht anhängig ist und eine ablehnende Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag nur durch Urteil erfolgen kann, ist eine Zuständigkeit des Landessozialgerichts derzeit nicht gegeben. Eine sachliche Überprüfung der Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag ist einem etwaigen Rechtsmittelverfahren gegen das Urteil vorbehalten.
Lediglich ergänzend ist insoweit darauf hinzuweisen, dass seitens des Senats auch inhaltliche Bedenken bezüglich der Ablehnung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der versäumten Klagefrist bestehen. Verfahrensvorschriften sind nicht Selbstzweck, sondern dienen der Wahrung der materiellen Rechte der Prozessbeteiligten. Im Zweifel sind sie so auszulegen, daß eine Entscheidung über die materielle Rechtslage nicht verhindert, sondern ermöglicht wird (BSG, Urteil vom 31. März 1993 – 13 RJ 9/92 –, juris, Rn. 15 m.w.N.).
Vorliegend dürfte die Übersendung (u.a.) der Klageschrift mit Telefax vom 14. August 2024 als Klageerhebung anzusehen sein. Mit dem Telefax vom 14. August 2024 wurde die vollständige formgemäße Klageschrift vom 8. Juli 2024 nebst Vollmachtsurkunde und Belegen zur Beweisführung übersandt. Das Sozialgericht hat in dem Schreiben an die Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 26. August 2024 selbst auf die vorliegende Klageschrift hingewiesen und mitgeteilt, dass die Klage am 14. August 2024 erhoben worden sei. Hieran bestehen auch unter Berücksichtigung der beigefügten Erinnerung an die Eingangsbestätigung auf der Kopie des Fax-Versendungsprotokolls vom 8. Juli 2024 aus Sicht des Senats keine durchgreifenden Zweifel. Die mit Telefax vom 14. August 2024 übersandten Unterlagen lassen darauf schließen, dass seitens der Prozessbevollmächtigten des Klägers davon ausgegangen wurde, die Klage bereits am 8. Juli 2024 eingereicht zu haben, diese allerdings am 14. August 2024 die Klage hilfsweise bzw. zur Sicherheit ein weiteres Mal einreichten. Damit kann von einer Nachholung der innerhalb der Klagefrist versäumten Klageerhebung am 14. August 2024 ausgegangen werden. Jedenfalls in dem Wiedereinsetzungsantrag vom 10. Oktober 2024 ist eine nochmalige (konkludente) Klageerhebung zu sehen, denn darin wurde eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass aufgrund der vorliegenden, auf den 8. Juli 2024 datierte Klageschrift Klage geführt werden soll.
Eine Entscheidung über die Kosten bleibt der Kostenentscheidung in der Hauptsache vorbehalten.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.