L 10 R 549/24 B KO

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 5 SF 412/24 E
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 10 R 549/24 B KO
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze

Wartezeiten sind nicht geeignet, die Terminsgebühr nach Nr. 3205 VV RVG zu erhöhen.

Bemerkung

Sozialgerichtliches Verfahren - Rechtsanwaltsvergütung - Berücksichtigung von Wartezeiten

  1. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Chemnitz vom 13. Dezember 2024 wird zurückgewiesen.

 

  1. Diese Entscheidung ergeht gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.   

 

 

 

 

Gründe:

 

I.

 

Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen einen Beschluss, mit dem ihre Erinnerung gegen einen Vergütungsfestsetzungsbeschluss zurückgewiesen worden ist. Sie begehrt die Festsetzung und Zahlung einer höheren, als der festgesetzten Terminsgebühr aus der Staatskasse für eine mündliche Verhandlung in einem rentenrechtlichen Berufungsverfahren.

 

Die Beschwerdeführerin hat für ihren Mandanten seit Oktober 2022 ein rentenrechtliches Berufungsverfahren geführt, in dem dem Mandanten Prozesskostenhilfe unter ihrer Beiordnung bewilligt worden war. Streitgegenstand war die Zahlung von Übergangsgeld für die Zeit einer medizinischen Rehabilitation im Jahr 2021. Am 30. Juli 2024 wurde von 17.10 Uhr bis 17.25 Uhr eine mündliche Verhandlung durchgeführt, die auf 15.00 Uhr terminiert gewesen war. Es wurde ein klageabweisendes Urteil verkündet.

 

Mit Schreiben vom 7. August 2024 beantragte die Beschwerdeführerin die Festsetzung ihrer Vergütung für das Berufungsverfahren in Höhe von 985,32 € und machte – hier nur streitig – eine Terminsgebühr nach Nr. 3205 i. V. m. Nr. 1010 VV RVG in Höhe von 364,00 € geltend. Näher begründet wurde dieser Antrag nicht.

 

Mit Vergütungsfestsetzungsbeschluss vom 19. September 2024 setzte die Urkundsbeamtin die aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen sowohl für das erst- als auch das zweitinstanzliche Verfahren fest und anerkannte eine Terminsgebühr für das Berufungsverfahren in Höhe von 167,50 € (hälftige Mittelgebühr). Der Terim habe mit 15 Minuten vom Umfang her gesehen deutlich unter einer durchschnittlichen Terminsdauer von 30 bis 45 Minuten gelegen.

 

Mit Schreiben vom 30. September 2024 legte die Beschwerdeführerin hinsichtlich der gekürzten zweitinstanzlichen Terminsgebühr Erinnerung ein. Es sei völlig unberücksichtigt geblieben, dass der Termin bereits um 15:00 Uhr anberaumt gewesen sei. Die über zweistündige Wartezeit sei bei der Berechnung der Terminsgebühr zu berücksichtigen. Auf die Entscheidungen des Thüringischen Landessozialgerichts vom 20. Dezember 2021, des LSG Schleswig, Beschluss vom 22. November 2016, L 5 SF 91/15 B E und des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 29. Oktober 2021, L 2 AS 819/21 B wurde verwiesen. Unter Beachtung der Wartezeit und der effektiven Dauer des Termins sei vorliegend eine Terminsdauer von 2 Stunden und 25 Minuten festzustellen. Die in Rechnung gestellte Terminsmittelgebühr i. H. v. 364,00 € sei damit schon kulant bemessen. Es werde um Festsetzung und Zahlung des offenen Differenzbetrages i. H. v. 233,84 € gebeten. Einem ortsansässigen Anwalt sei es verwehrt, bei einer Verhandlung vor Ort Tage- und Abwesenheitsgeld geltend zu machen. Der Faktor Zeit stelle ein Indiz für den Umfang der anwaltlichen Tätigkeit dar. Im Übrigen sei zu bedenken, dass der Arbeitsalltag der Unterzeichnerin von ständigem Fristendruck sowie zahlreichen Mandanten- und Gerichtsterminen geprägt sei, so dass hier eine 2stündige Verspätung einen großen organisatorischen Einschnitt darstelle und auch einen gewissen „Verdienstausfall“, weil während der Wartezeit z. B. keine Aktenbearbeitung möglich sei.

 

Der Beschwerdegegner hält die festgesetzte halbe Mittelgebühr für angemessen. Bei der Terminsgebühr sei ausschließlich auf die Dauer des Termins abzustellen, wenn sich hinsichtlich der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit oder der Bedeutung der Sache keine Besonderheiten zeigten. Wartezeiten seien nicht zu berücksichtigen. Hintergrund sei, dass die Terminsgebühr überhaupt erst mit dem Aufruf der Sache entstehe und nicht bereits schon vor dem Sitzungssaal im Wartebereich. Das Sächsische Landessozialgericht habe diese Rechtsauffassung zur Nichtberücksichtigung von Wartezeiten bereits mehrfach bestätigt. Soweit das Landessozialgericht Thüringen die Wartezeit als berücksichtigungsfähig anerkenne, liege insoweit ein klarer Gesetzesverstoß hinsichtlich der Entstehungsvoraussetzungen der Terminsgebühr (Aufruf der Sache) vor. Angemerkt sei, dass die im Vergütungsantrag angeführte Nr. 1010 VV RVG gar nicht einschlägig sei.

 

Zu Letzterem erwiderte die Beschwerdeführerin, „dass hier versehentlich bei der Auswahl der Terminsgebühr im PC der falsche Gebührentatbestand ausgewählt wurde. Der Kostenbeamte hat jedoch die fehlerhafte Gebühr richtig gedeutet und ist gerade aufgrund der stattgehabten Verhandlung von der Gebühr gem. Nr. 3205 VV RVG ausgegangen und hat die Hälfte, ausgehend von der Terminsmittelgebühr in Höhe von 335,00 € festgesetzt.“

 

Mit Beschluss des Sozialgerichts Chemnitz vom 13. Dezember 2024 wurde die Erinnerung zurückgewiesen:

 

„Der Erinnerungsführer hat keinen Anspruch auf Festsetzung einer höheren Terminsgebühr unter Berücksichtigung der Wartezeit vor dem Verhandlungstermin vor dem Sächsischen LSG in Höhe eines weiteren geltend gemachten Betrages von 233,84 €. Da die Terminsgebühr mit dem Aufruf der Sache entsteht, sind Wartezeiten vor dem Aufruf der Sache nicht zu berücksichtigen. Bei der Bemessung der Terminsgebühr können insoweit bereits aus systematischen Erwägungen die vor dem Aufruf der Sache liegenden Wartezeiten nicht herangezogen werden (so Sächsisches LSG, Beschluss vom 08.01.2014, Az.: L 8 AS 585/12 B KO Rz. 27, zitiert nach Juris; Sächsisches LSG, Beschluss vom 09.08.2018, Az.: L 8 AS 934/17 B KO, Sozialgericht Leipzig, Beschluss vom 30.08.2022, Az.: S 1 SF 43/22 E unter Verweis auf Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 11.02.2010, Az.: 9 KSt 3/10). Mit der Terminsgebühr wird die Tätigkeit des Anwalts in einem mit dem Aufruf der Sache beginnenden Termin vergütet. Eine Berücksichtigung des vor dem Termin und damit vor dem Aufruf der Sache liegenden anwaltlichen Aufwandes bei der Bemessung der Terminsgebühr ist folglich nicht möglich (vgl. Sächsisches LSG a.a.O.). Neben dem Sächsischen LSG hat insoweit auch das SG Leipzig (vgl. SG Leipzig a.a.O.) ausgeführt, dass nach der gegenwärtigen Rechtslage Wartezeiten ohne gebührenrechtliche Berücksichtigung hinzunehmen sind, selbst wenn dies für die betroffenen Rechtsanwälte misslich ist. Die vom Erinnerungsführer angegebene abweichende Rechtsprechung wird unter Berücksichtigung der überzeugenden Rechtsprechung des Sächsischen LSG zur Entstehung der Terminsgebühr nicht für zutreffend erachtet.“

 

Gegen den am 16. Dezember 2024 zugestellten Beschluss hat die Beschwerdeführerin am 17. Dezember 2024 Beschwerde eingelegt. Sie verweist auf ihre bisherigen Ausführungen und trägt ergänzend vor, dass auch eine systematische Gesamtschau der Vorschriften ihre Rechtsauffassung trage. Insoweit werde auf Teil 4 Vorbemerkung 4 Abs. 3 Satz 1 VV RVG verwiesen. Danach entstehe die Terminsgebühr in Strafsachen für die Teilnahme an gerichtlichen Terminen. Demzufolge müsse es sich bei dem Begriff der Wahrnehmung eines Gerichtstermins um etwas Anderes handeln, als beim Begriff der Teilnahme. Nach den strafrechtlichen Vorschriften erhalte der Rechtsanwalt sogar die Terminsgebühr dann, wenn er zum Termin erscheine, dieser jedoch kurzfristig aufgehoben worden sei und der Rechtsanwalt hiervon zu spät Kenntnis erhalten habe. Es sei hierzu auch beispielhaft auf den Beschluss des Brandenburgischen OLG vom 10. August 2022, 1 Ws 22/22 (S), verwiesen. Der Begriff der Wahrnehmung sei nach alledem weiter auszulegen. Hierfür sprächen der Wortlaut und die Systematik des Gesetzes. Diese Auslegung entspreche auch dem Willen des Gesetzgebers. Es sei hierzu auf BT-Drs. 15/1971, S. 209 verwiesen, wo ausgeführt werde, dass für das Entstehen der Gebühr genügen solle, dass der Rechtsanwalt einen Termin wahrnimmt. Gegenüber der früheren Verhandlungs- und Erörterungsgebühr sollte der Anwendungsbereich erweitert werden. Die Unterschiede zwischen Verhandlungen zur Sache oder nur zur Prozess- oder Sachleitung sollen weitgehend entfallen. Wenn auch der Gesetzgeber Wartezeiten vor dem Gerichtssaal bei der Abfassung des Gesetzes nicht in den Blick genommen haben mag, habe der Gesetzgeber bei der Schaffung der Norm betont, dass es zu einer Vereinfachung und Erweiterung des Gebührenrahmens kommen soll. In diesem Sinne seien auch Wartezeiten vor Sitzungssälen gebührenerhöhend zu berücksichtigen.

 

Der Beschwerdegegner hält an seiner Rechtsansicht fest. Er verweist ergänzend darauf, dass auch in verwaltungs- und zivilgerichtlichen Verfahren Wartezeiten vorkämen, die der Prozessbevollmächtigte ebenso hinnehmen müsse, da bei Streitwertgebühren keine Erhöhungsmöglichkeit für Wartezeiten bestehe.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten nebst beigezogenen Beiheften verwiesen.

 

II.

 

Die Entscheidung ergeht durch die Vorsitzende als Einzelrichterin, nachdem die angefochtene Entscheidung von der Kammervorsitzenden des Sozialgerichts erlassen worden ist (§ 6 Abs. 2 Satz 1, § 33 Abs. 8 Satz 1 RVG). Eine Übertragung auf den Senat war nicht veranlasst. Es gibt eine ständige Rechtsprechung des Sächsischen Landessozialgerichts, an der festgehalten wird.

 

Zugunsten der Beschwerdeführerin legt die Einzelrichterin ihr Begehren dahingehend aus, dass sie mit der Beschwerde eine weitere Festsetzung und Zahlung auf die Terminsgebühr in Höhe von 233,84 € begehrt (364,00 € - 167,50 € = 196,50 € + 37,34 € Umsatzsteuer = 233,84 €) und damit den erforderlichen Beschwerdewert in Höhe von 200,00 € für eine statthafte Beschwerde (§ 56 Abs. 2 Satz 1, § 33 Abs. 3 Sätze 1 und 2 RVG) überschreitet. Zweifel an diesem Begehren bestehen allerdings deshalb, weil die Beschwerdeführerin selbst dargelegt hat, dass die beantragte Gebühr in Höhe von 364,00 € auch basierend auf Nr. 1010 VV RVG aufgrund eines Fehlers eingestellt worden sei und das Gericht insoweit den Antrag richtig verstanden habe, dass damit die Terminsmittelgebühr in Höhe von 335,00 € gemeint gewesen sei. Dass die Beschwerdeführerin dem entgegen tatsächlich eine über der Mittelgebühr liegende Terminsgebühr habe geltend machen wollen, wird streng genommen aus ihrem Vortrag nicht ersichtlich. Auch bei Antragstellung wurden keine Gründe für eine vom Normalfall der Mittelgebühr abweichende Terminsgebühr angegeben. Auch die Verfahrensgebühren (1. und 2. Instanz) wurden nicht über der Mittelgebühr liegend angesetzt, so dass es durchaus vertretbar wäre, ihr Begehren auf die Mittelgebühr zu begrenzen, zumal die Beschwerdeführerin auch nicht ansatzweise dargelegt hat, wie sie ausgehend von der Mittelgebühr zu einer hier begehrten Gebühr in Höhe von 364,00 € gelangt sein will. Läge man dieses Verständnis zugrunde, ergäbe sich lediglich ein Beschwerdewert von 193,33 € (335,00 € - 167,50 € = 167,50 € + 31,83 € Umsatzsteuer = 199,33 €).

 

Um vorliegend allerdings eine klärende Rechtsprechung zu der auch in anderen Verfahren wiederkehrend von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Vergütungspflicht von Wartezeiten herbeizuführen, wird die Frage des Beschwerdewertes hier großzügig betrachtet.

 

Die im Übrigen zulässige Beschwerde ist in der Sache unbegründet. Das Sozialgericht hat die der Beschwerdeführerin aus der Staatskasse zu zahlende – hier allein streitige – Terminsgebühr nicht zu niedrig festgesetzt. Die (reduzierte) Terminsgebühr nach Nr. 3205 Vergütungsverzeichnis der Anlage 1 zum RVG (VV RVG, in der hier nach § 60 Abs. 1 RVG anzuwendenden ab 1. Januar 2021 geltenden Fassung) in Höhe der halben Mittelgebühr von 167,50 € ist nicht zu beanstanden. Das Verlangen der Beschwerdeführerin nach einer erhöhten Mittelgebühr ist unbillig und deshalb zu korrigieren. 

 

Die Terminsgebühr entsteht nach Vorbemerkung 3 Abs. 3 zu Teil 3 VV RVG (künftig nur Vorb. 3 Abs. 3 VV RVG) u a. für die Wahrnehmung von gerichtlichen Terminen (Verhandlungs-, Erörterungs- oder Beweisaufnahmetermine). Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 RVG richtet sich die Höhe der Vergütung nach den Bestimmungen des VV RVG, wobei in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen - wie hier - das Gerichtskostengesetz nicht anzuwenden ist, Betragsrahmengebühren entstehen (§ 3 Abs. 1 Satz 1 RVG). Den Rahmen gibt für den hier stattgefundenen Termin zur mündlichen Verhandlung in einem Berufungsverfahren Nr. 3205 VV RVG mit 60,00 € bis 610,00 € vor, woraus sich eine Mittelgebühr von 335,00 € ergibt. Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG bestimmt der Rechtsanwalt die Rahmengebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen. Grundsätzlich ist für den Durchschnitts- oder Normalfall die Mittelgebühr billige Gebühr im Sinne des RVG. Die Mittelgebühr ist in Fällen zugrunde zu legen, in denen sich die Tätigkeit des Rechtsanwalts nicht nach oben oder unten vom Durchschnitt abhebt; sie gilt damit in "Normalfällen" als billige Gebühr (BSG, Urteil vom 9. Dezember 2010, B 13 R 63/09 R, juris Rdnr. 35 m. w. N.). Jedes in § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG genannte Bemessungskriterium kann indes Anlass sein, vom Mittelwert nach oben oder unten abzuweichen, soweit ein Umstand vom Durchschnitt abweicht (Mayer in: Gerold/Schmidt, RVG, 26. Aufl. 2023, § 14 Rdnr. 10). Ausgehend hiervon ist die beantragte erhöhte Mittelgebühr für die Wahrnehmung des Termins unbillig, denn der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit war bei sonst allenfalls durchschnittlichen Bewertungskriterien deutlich unterdurchschnittlich.

 

Für den Umfang der anwaltlichen Tätigkeit in einem Termin ist vorrangig auf die Dauer des Termins abzustellen, der hier 15 Minuten angedauert hat und damit deutlich unter der vom Senat angenommenen durchschnittlichen Terminsdauer von 30 bis 45 Minuten lag (vgl. Beschluss des 8. Senates vom 19. Juni 2013, L 8 AS 45/12 B KO, juris Rdnr. 21). Wartezeiten sind hierbei nicht zu berücksichtigen.

 

Die Kostensenate des Sächsischen Landessozialgerichts vertreten diese Rechtsansicht seit dem Beschluss des 8. Senates vom 8. Januar 2014, L 8 AS 585/12, juris Rdnr. 27 mit folgender Begründung:

 

„Die Terminsgebühr entsteht mit dem Aufruf der Sache, soweit der Rechtsanwalt zu diesem Zeitpunkt vertretungsbereit anwesend ist (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 11.02.2010 – 9 KSt 3/10 – juris RdNr. 3 mit Anmerkung Nolte, jurisPR-BVerwG 8/2010 Anm. 6), und ist nach den Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG zu vergüten. Bereits aus systematischen Erwägungen können daher vor dem Aufruf der Sache liegende Wartezeiten nicht – wie vom Beschwerdeführer verlangt – zur Bemessung der Terminsgebühr herangezogen werden (im Ergebnis ebenso SG Berlin, Beschluss vom 02.08.2012 – S 180 SF 10908/11 E – juris RdNr. 13 ff.; SG Würzburg, Beschluss vom 03.11.2009 – S 2 F 9/09 E – juris RdNr. 18 ff.). Soweit im Bereich der Strafverteidigergebühren teilweise eine Berücksichtigung von Wartezeiten und Verhandlungspausen bei der Terminsgebühr bejaht wird (vgl. Burhoff in: Gerold/Schmidt, RVG, 21. Aufl. Nr. 4108 – 4111 VV RVG RdNr. 25 m. w. N.), ist dies auf sozialgerichtlichen Verhandlungen nicht übertragbar. Wie der Beschwerdegegner zu Recht ausführt, beruht diese Auffassung auf dem Rechtsgedanken der Sonderregelung des Teils 4 Vorbemerkung 4 Abs. 3 Satz 2 VV RVG, wonach die Terminsgebühr für den Strafverteidiger auch entsteht, wenn er zu einem anberaumten Termin erscheint, dieser aber aus von ihm nicht zu vertretenen Gründen nicht stattfindet. Denn erhalte der Rechtsanwalt hiernach sogar für einen „geplatzten“ Termin eine Vergütung, müsse dies erst recht für sonstige Wartezeiten anlässlich eines tatsächlich stattfindenden Termins gelten (vgl. etwa Oberlandesgericht Stuttgart, Beschluss vom 08.08.2005 - 4 Ws 118/05 – juris RdNr. 10; Burhoff a. a. O.). Für das sozialgerichtliche Verfahren greift diese Sonderregelung jedoch nicht ein. Ferner ist zu beachten, dass sich der Streit im Strafrecht vorrangig um den Längenzuschlag für gerichtlich bestellte oder beigeordnete Rechtsanwälte (Nr. 4101, 4111 VV RVG) entzündete, der freilich allein zeitbezogen entsteht. Grundsätzlich ist bei der Bemessung der Terminsgebühr jedoch nicht allein auf die Dauer des Termins abzustellen, auch wenn dieser eine besondere Bedeutung zukommt. Wartezeiten verlängern vielmehr die Abwesenheit des Anwalts vom Kanzleisitz und finden bei der Vergütungsbemessung deshalb – wie bereits oben ausgeführt – über das Tage- und Abwesenheitsgeld nach Nr. 7005 VV RVG Berücksichtigung (anders SG Berlin a. a. O. RdNr. 15 f. <Berücksichtigung bei der Verfahrensgebühr>).“

 

Die Einzelrichterin schließt sich nach eigener Prüfung auch unter Berücksichtigung zwischenzeitlich ergangener Rechtsprechung dieser Rechtsansicht uneingeschränkt an.

 

Dies folgt - entgegen der Bewertung der Beschwerdeführerin - bereits aus dem Wortlaut der Vorb. 3 Abs. 3 VV RVG, wonach die Terminsgebühr für die „Wahrnehmung“ bestimmter Termine und Besprechungen entsteht. Die Wahrnehmung eines Termins ist die Teilnahme an oder in einem stattfindenden Termin und nicht das Warten auf einen angesetzten Termin. Man kann nur Etwas wahrnehmen, was auch tatsächlich stattfindet. Dies wird besonders deutlich, wenn man den Fall betrachtet, dass ein Anwalt zu einem Termin anreist, der dann – aus welchen Gründen auch immer – tatsächlich nicht stattfinden kann. Hier wird man nicht erwägen können, die bloße Anreise und das Warten auf einen „geplatzten Termin“ als eine Wahrnehmung eines Termins im Sinne der Vorb. 3 Abs. 3 VV RVG zu beschreiben, wie es die Ansicht der Beschwerdeführerin dann aber erzwänge. Die (gleiche) Wartezeit dürfte nicht danach gebührenrechtlich unterschiedlich bewertet werden, ob der Termin tatsächlich stattfindet oder nicht. Die Einzelrichterin folgt auch nicht der Annahme der Beschwerdeführerin, dass aus der abweichenden Begrifflichkeit für das Strafverfahren ein anderer Inhalt zugrunde zu legen sei. So entsteht nach Vorbemerkung 4 Abs. 3 Satz 1 zu Teil 4 VV RVG (fortan Vorb. 4 Abs. 3 VV RVG) die Terminsgebühr für die „Teilnahme“ an gerichtlichen Terminen, soweit nichts anderes bestimmt ist. Dass mit der Begrifflichkeit der „Teilnahme“ inhaltlich etwas anderes bestimmt werden sollte, als mit der Begrifflichkeit der „Wahrnehmung“ ist nicht ersichtlich. Insbesondere finden sich hierzu - worauf die Beschwerdeführerin auch hinweist - in den Gesetzesbegründungen keinerlei Anhaltspunkte, wobei schon zu berücksichtigen ist, dass die Formulierungen auf unterschiedliche Gesetze zurückgehen. Während die Vorb. 4 Abs. 3 Satz 1 VV RVG bereits mit dem Gesetz zur Modernisierung des Kostenrechts (Kostenrechtsmodernisierungsgesetz – KostRMoG) vom 5. Mai 2004 (BGBl. I 2004, S. 718, siehe zur Begründung auch BT-Drs. 15/1971, S. 221) formuliert worden ist, geht der Wortlaut der Vorb. 3 Abs. 3 VV RVG auf das Zweite Gesetz zur Modernisierung des Kostenrechts (2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz – 2. KostRMoG) vom 23. Juli 2013 (BGBl. I 2013, S. 2586, siehe zur Begründung BR-Drs. 517/12, S. 426) zurück. Dass der Gesetzgeber bewusst eine unterschiedliche Formulierung gewählt haben könnte, um unterschiedliche Reichweiten damit darzustellen, ist schon angesichts des zeitlichen Auseinanderfallens der beiden Gesetze abwegig, erst recht, da der Gesetzgeber hierzu überhaupt nichts erwähnt. Bis zur Änderung der Vorb. 3 Abs. 3 VV RVG im Jahr 2013 war die Terminsgebühr von der Vertretung „in“ einem Verhandlungs-, Erörterungs- oder Beweisaufnahmetermin abhängig und damit nach dem Wortlaut wiederum abweichend formuliert. Hieraus hatte das Landessozialgericht Baden-Württemberg (Beschluss vom 30. April 2020, L 10 SF 3796/18 E-B, juris Rdnr. 11) überzeugend Folgendes abgeleitet:

 

„Aber auch ungeachtet dessen kommt die Berücksichtigung der verbliebenen (vorangegangenen) Wartezeit von knapp unter einer Stunde bei der Bestimmung der Höhe der Terminsgebühr im hiesigen Verfahren nicht in Betracht. Dies folgt bereits daraus, dass die Vorbem. 3 Abs. 3 des Vergütungsverzeichnisses (VV) der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG (vorliegend in der bis zum 31.07.2013 geltenden Fassung - a.F. -) nach ihrem ausdrücklichen Wortlaut die Terminsgebühr von der Vertretung „in“ einem Verhandlungs-, Erörterungs- oder Beweisaufnahmetermin abhängig macht. Eine Vertretung „in“ einem solchen Termin setzt indes nach der Senatsrechtsprechung (u.a.) voraus, dass der Termin tatsächlich stattfindet, indem das Verfahren aufgerufen oder sonst wie begonnen wird (Senatsbeschluss vom 27.06.2019, L 10 SF 4412/18 E-B, in juris, Rdnr. 38 m.w.N. u.a. zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs - BGH -). Vorliegend wurde mit dem Termin indes ausweislich der Sitzungsniederschrift erst um 13.11 Uhr begonnen, sodass die Zeit davor keine gebührenrelevante Vertretung „in“ einem Termin darstellt.

 

Soweit in der Rechtsprechung und Literatur bisweilen vertreten wird, auch etwaige Wartezeiten des Anwalts seien im Einzelfall bei der Bemessung der Terminsgebühr zu berücksichtigen, weil dies „opportun“ sei (so etwa Bayerisches LSG, Beschluss vom 01.04.2015, L 15 SF 259/14 E, a.a.O., Rdnrn. 40 ff. m.w.N.; dem folgend auch LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 22.11.2016, L 5 SF 91/15 B E, in juris, Rdnr. 19; vgl. auch LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 02.02.2018, L 19 AS 1472/17 B, in juris, Rdnr. 60; Hinne in: Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 2. Aufl. 2017, Nr. 3106 VV RVG Rdnr. 5, beide freilich ohne weitere Begründung; offenlassend Mayer in: Gerold/Schmidt, RVG, 24. Aufl. 2019, § 3 Rdnr. 68a m.w.N.) widerspricht dies dem eindeutigen Wortlaut der o.g. Vorbemerkung, der keinen Raum für irgendwie geartete „Opportunitätsgesichtspunkte“ lässt (wie hier z.B. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 03.06.2019, L 7 AS 5/17 B, a.a.O.; Sächsisches LSG, Beschluss vom 08.01.2014, L 8 AS 585/12 B KO, in juris, Rdnr. 27, m.w.N.); der Gesetzgeber hat gerade nicht formuliert, dass die Terminsgebühr für die Vertretung „im Zusammenhang“ mit einem Termin oder dergleichen anfällt, sondern eben nur für die Vertretung „in“ einem Termin. Auf diesen (eindeutigen) Wortlaut hat auch der BGH (Beschluss vom 12.10.2010, VIII ZB 16/10, in juris, Rdnr. 10) maßgeblich abgestellt und das Entstehen einer Terminsgebühr (sogar) in dem Fall verneint, in dem ein Anwalt in Unkenntnis einer Terminsaufhebung vertretungsbereit zur (ursprünglich angesetzten) Terminsstunde erscheint. Zurechnungsgesichtspunkte oder dergleichen spielten insofern gerade keine Rolle. Wenn aber nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung eine Terminsgebühr - mangels Vertretung „in“ einem Termin - selbst dann nicht entsteht, wenn ein Anwalt (auch wenn er dies nicht zu vertreten hat) zu einem abgesetzten Termin erscheint, kann nichts anderes gelten, wenn sich der Termin bloß zeitlich verschiebt und es dadurch zu einer Wartezeit kommt. Denn - wie dargelegt - stellt auch die Wartezeit keine Vertretung „in“ einem Termin dar.

 

Eine Vergütung „verlorener Zeit“ des Anwalts über die Terminsgebühr kommt auch nicht auf Grundlage einer entsprechenden Anwendung der Vorbem. 4 Abs. 3 Satz 2 VV RVG in Betracht, weil diese spezialgesetzliche Regelung nur in Strafsachen gilt und eine planwidrige Regelungslücke des Gesetzgebers im Hinblick auf Verfahren nach Teil 3 des VV RVG nicht ersichtlich ist (s. nur BGH, Beschluss vom 12.10.2010, VIII ZB 16/10, a.a.O., Rdnr. 11 m.w.N.; Winkler in: Schneider/Volpert/Fölsch, a.a.O., Vorbem. 3 VV RVG Rdnr. 24). Deswegen kann auch die Rechtsprechung zur Berücksichtigung von Wartezeiten im Bereich der Strafverteidigergebühren (z.B. Oberlandesgericht - OLG - Stuttgart, Beschluss vom 08.08.2005, 4 Ws 118/05, in juris, Rdnr. 10 m.w.N.) auf Grund eines Erst-Recht-Schlusses aus der Vorbem. 4 Abs. 3 Satz 2 VV RVG nicht herangezogen werden (wie hier auch LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 03.06.2019, L 7 AS 5/17 B, a.a.O., Rdnr. 25; Sächsisches LSG, Beschluss vom 08.01.2014, L 8 AS 585/12 B KO, a.a.O., Rdnr. 28).“

 

Zwar ist mit dem Zweiten Gesetz zur Modernisierung des Kostenrechts (2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz - 2. KostRMoG) vom 23. Juli 2013 (BGBl. I S. 2586) der Wortlaut der Vorb. 3 Abs. 3 VV RVG abermals geändert worden, dies aber nicht mit der Intention, Wartezeiten nunmehr gebührenerhöhend zu berücksichtigen (vgl. BR-Drs. 517/12, S. 426 Nr. 24b). Vielmehr sollte die Teilnahme an weiteren - als bisher vorgesehen - Terminen vergütet werden:

 

„Der neu gefasste Absatz 3 soll zweierlei bewirken. Zum einen sollen künftig auch Anhörungstermine unter die Regelung für die Terminsgebühr fallen, zum anderen soll klargestellt werden, dass die Terminsgebühr für die Mitwirkung an auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichtete außergerichtliche Besprechungen unabhängig davon entsteht, ob für das gerichtliche Verfahren eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist. Der geltende Wortlaut des Absatzes 3 nennt lediglich die Vertretung in einem Verhandlungs-, Erörterungs- oder Beweisaufnahmetermin als Voraussetzung für den Anfall der Terminsgebühr im gerichtlichen Verfahren. Es ist aber sachgerecht, auch die Teilnahme an einem Anhörungstermin in gleicher Weise zu entgelten wie die Teilnahme an einem Erörterungstermin. Der Aufwand und die Verantwortung des Anwalts ist in beiden Fällen vergleichbar. Der Neuaufbau des Absatzes 3 soll einen Streit in der Rechtsprechung zum Anfall der Terminsgebühr für Besprechungen dahingehend entscheiden, dass die Terminsgebühr für die Mitwirkung an auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichtete außergerichtliche Besprechungen auch dann entsteht, wenn die gerichtliche Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss ergeht. Diese Auffassung entspricht den Entscheidungen des OLG München vom 27. August 2010 (AGS 2010, 420 f.) und 25. März 2011 (AGS 2011, 213 ff.), die einer Entscheidung des BGH vom 1. Februar 2007 (AGS 2007, 298 ff.) entgegentreten. Der BGH hat seine Entscheidung mit Beschluss vom 2. November 2011 (XII ZB 458/10, nachgewiesen unter juris) dahingehend eingeschränkt, dass die Terminsgebühr jedenfalls dann anfällt, wenn in dem Verfahren eine mündliche Verhandlung für den Fall vorgeschrieben ist, dass eine Partei sie beantragt. Die nunmehr vorgeschlagene Klärung der Streitfrage entspricht der Intention des Gesetzgebers, wie sich aus Vorbemerkung 3.3.2 ableiten lässt. Nach dieser Vorbemerkung bestimmt sich die Terminsgebühr im Mahnverfahren nach Teil 3 Abschnitt 1. Diese Bestimmung würde keinen Sinn ergeben, wenn eine mündliche Verhandlung in dem Verfahren vorgeschrieben sein müsste oder zumindest auf Antrag stattfinden müsste. Der erste Satz soll verdeutlichen, dass die Terminsgebühr sowohl durch gerichtliche als auch durch außergerichtliche anwaltliche Tätigkeiten unabhängig voneinander anfallen kann. Mit dem Zusatz „wenn nichts anderes bestimmt ist“ sollen die Fälle der „fiktiven Terminsgebühr“, bei denen kein Termin wahrgenommen wird, erfasst werden.“

 

Die Schlussfolgerung, die die Beschwerdeführerin aus der (hier eigentlich nicht maßgeblichen) Gesetzesänderung von 2003, die letztlich aber gleichermaßen auch für die Gesetzesänderung 2013 gälte, zieht, dass angesichts einer Erweiterung der vergütungspflichtigen Termine die Norm auch im Übrigen weit auszulegen sei und damit auch Wartezeiten zu berücksichtigen seien, entspricht keiner gängigen Auslegungsmethode. Der Wortlaut der „Wahrnehmung“ von Terminen setzt wie auch der der „Teilnahme“ an und in Terminen voraus, dass diese Termine auch stattfinden, was ihrerseits deren Aufruf voraussetzt und damit den Beginn der anwaltlichen Tätigkeit bei Terminen und damit den Ausgangspunkt für die Bewertungskriterien determiniert.

 

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus einer systematischen Betrachtung, die die Beschwerdeführerin angesichts der Regelung für das Strafverfahren für ihre Rechtsansicht in Anspruch nimmt. Die Regelung in Vorb. 4 Abs. 3 Satz 2 VV RVG, wonach ein Rechtsanwalt unter bestimmten Voraussetzungen eine Terminsgebühr auch für einen „geplatzten“ Termin erhält, ist zunächst eine explizite Sonderregelung für das Strafverfahren. Eine vergleichbare Regelung enthält die Vorb. 3 für alle anderen Gerichtsbarkeiten nicht, was zeigt, dass der Gesetzgeber insoweit keine Notwendigkeit einer Regelung gesehen hat. Angesetzte Termine, die dann tatsächlich nicht stattfinden, sind – abgesehen von Strafverfahren – auch eher ungewöhnlich. Im Übrigen regelt Vorb. 4 Abs. 3 Satz 2 VV RVG aber auch keine zusätzliche Vergütung für Wartezeiten, sondern eine Terminsgebühr für einen nicht stattgefundenen Termin. Damit ist die Frage der Gebührenerhöhung für Wartezeiten auf einen dann tatsächlich stattgefundenen und vergüteten Termin überhaupt nicht vergleichbar, was auch eine entsprechende Anwendung ausschließt. Insoweit überzeugt die Einzelrichterin auch der systematische Hinweis des Beschwerdegegners, dass auch in verwaltungs- und zivilgerichtlichen Verfahren Wartezeiten vorkämen, die der Prozessbevollmächtigte ebenso hinnehmen müsse, da bei Streitwertgebühren ebenso keine Erhöhungsmöglichkeit für Wartezeiten besteht.  

 

Die hier vertretene Rechtsansicht teilt auch das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (Beschluss vom 3. Juni 2019, L 7 AS 5/17 B, juris Rdnr. 17), das Folgendes ergänzend ausführt:

 

„Etwas anderes ergibt sich hier auch nicht aufgrund der 37-minütigen Wartezeit, die im Vorfeld der mündlichen Verhandlung am 2. Mai 2016 dem Beschwerdeführer entstanden ist. Wartezeiten sind generell nicht geeignet, die Verfahrensgebühr nach der Nr. 3102 VV RVG zu erhöhen (ebenso Sächsisches LSG, Beschluss vom 8. Januar 2014 – L 8 AS 585/12 B KO – juris RdNr. 22; a.A. SG Berlin, Beschluss vom 2. August 2012 – S 180 SF 10908/11 E – juris RdNr. 12). Die Wartezeit vor einem Termin ist gebührenrechtlich mit Blick auf die Verfahrensgebühr unbeachtlich, weil Wartezeiten und Vorhaltezeiten, wie sie durch Pausen und Unterbrechungen während der Verhandlung entstehen, typische Begleiterscheinungen des Berufsbildes des Rechtsanwaltes sind. Sie sind eigenständig im Rahmen des Vergütungstatbestands des Tages- und Abwesenheitsgelds nach der Nr. 7005 VV RVG vergütungspflichtig und stellen im Übrigen keine Besonderheiten dar, die durch Ausweitung bestehender Vergütungstatbestände aufgefangen werden müssten (ebenso SG Berlin, Beschluss vom 2. August 2012 – S 180 SF 10908/11 E – juris RdNr. 15, das dann aber dennoch die Wartezeit der Verfahrensgebühr zuordnet).

 

Soweit Wartezeiten und Vorhaltezeiten die Abwesenheit des Anwalts vom Kanzleisitz verlängern, sind sie im Rahmen der Bemessung des Tage- und Abwesenheitsgelds nach der Nr. 7005 VV RVG zu berücksichtigen (ebenso Sächsisches LSG, Beschluss vom 8. Januar 2014 – L 8 AS 585/12 B KO – juris RdNr. 29; aA. Bayerisches LSG, Beschluss vom 1. April 2015 – L 15 SF 259/14 E – juris RdNr. 47), welches nicht nur dazu dient, durch die Geschäftsreise verursachte Mehrkosten des Rechtsanwalts abzugelten, sondern auch eine Entschädigung ist für die wegen der Reise nicht mögliche Ausübung seiner sonstigen Geschäfte (Sächsisches LSG, Beschluss vom 8. Januar 2014 – L 8 AS 585/12 B KO – juris RdNr. 22 m.w.N.). Es handelt sich um eine Pauschale, mit der der Rechtsanwalt dafür entschädigt wird, dass er sich seinem Wirkungskreis vorübergehend im Interesse des Mandanten entziehen muss (Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 10. April 1987 – 3 ST 1/85 – juris; Hartmann, Kostengesetze, 47. Auflage 2017, 7003 – 7006 VV RVG RdNr. 28). In diesem Rahmen ist dann auch die Bewertung obsolet, ob der Rechtsanwalt die Warte- und Vorhaltezeiten „sinnvoll“ nutzen konnte (so argumentierend Bayerisches LSG, Beschluss vom 1. April 2015 – L 15 SF 259/14 E – juris RdNr. 42 ff.) oder ob die Wartezeit vom Gericht „verschuldet“ ist (maßgeblich mit dem Verschulden des Gerichts argumentierend Schleswig-Holsteinisches LSG, Beschluss vom 22. November 2016 – L 5 SF 91/15 B E – juris RdNr. 19).

 

Eine weitere gesonderte Berücksichtigung des Faktors „Zeit“ hat der Gesetzgeber im Rahmen der auf Verfahrenspauschgebühren beruhenden Vergütungsstruktur nach dem RVG nicht vorgesehen. Vielmehr liegt der Vergütungsstruktur nach dem RVG eine Mischkalkulation zugrunde, die gerade nicht für jeden Einzelfall auf eine strikte Äquivalenz zwischen aufgewendeter Zeit des Rechtsanwalts und dessen Vergütung abstellt. Das RVG hat das bereits der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung (BRAGO) zugrundeliegende System der Verfahrenspauschgebühren für die Vergütung der anwaltlichen Tätigkeit beibehalten (Sächsisches LSG, Beschluss vom 19. April 2013 – L 8 AS 965/12 B KO - juris RdNr. 16; Müller-Rabe, in Gerold/Schmidt, RVG, 22. Aufl. 2015, Einl RdNr. 5). Zu den Betragsrahmengebühren unter der Geltung der BRAGO hatte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) klargestellt, die Pauschalierung habe zur Folge, dass der jeweilige Gebührenanspruch nicht in jedem Einzelfall genau dem Wert und dem Umfang der anwaltlichen Leistung entspricht (BVerfG, Beschluss vom 17. Oktober 1990 – 1 BvR 283/85 – juris RdNr. 62). Der Rechtsanwalt sei dadurch zwar zu einer Mischkalkulation (oder Querfinanzierung) gezwungen, könne aber andererseits die Vorteile eines umfassenden und geschlossenen Regelungssystems nutzen (BVerfG, Beschluss vom 17. Oktober 1990 – 1 BvR 283/85 – juris RdNr. 62). Die Betragsrahmengebühren beruhen also gerade nicht auf einer strikten Äquivalenz zwischen aufgewendeter Zeit des Rechtsanwalts und dessen Vergütung. Deutlich wird dies auch an der Toleranzgrenze von 20 %, die dem Rechtsanwalt bei der Bestimmung der Gebühren eingeräumt wird (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 - B 4 AS 21/09 R - SozR 4-1935 § 14 Nr. 2 – juris RdNr. 19). Bei einer strikten Äquivalenz zwischen aufgewendeter Zeit und Vergütung des Rechtsanwalts wäre für eine solche Toleranzgrenze denknotwendig kein Raum. Hätte der Gesetzgeber im Übrigen eine solche strikte Äquivalenz gewollt, hätte er – ähnlich wie beim Tages- und Abwesenheitsgeld nach der Nr. 7005 VV RVG – auch bei der Verfahrensgebühr oder bei der Terminsgebühr eine Zeitvergütung, z.B. nach Stunden vorsehen können. Hiervon hat er jedoch abgesehen. Er hat sich vielmehr mit den Betragsrahmengebühren für ein System entschieden, in dem dem Faktor „Zeit“ hinsichtlich der Bemessung der Gebührenhöhe lediglich eine untergeordnete Rolle zukommt. Im Vordergrund stehen die Elemente Schwierigkeit und Umfang der anwaltlichen Tätigkeit, das Haftungsrisiko des Rechtsanwalts, die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Mandanten als sozialpolitische Komponente sowie die Bedeutung der Angelegenheit für den Mandanten. Der Zeitfaktor kann dabei nur im Rahmen des Umfangs der anwaltlichen Tätigkeit zum Tragen kommen und auch nur dann, wenn die aufgewendete Zeit auf einer anwaltlichen Tätigkeit beruht. Das ist bei einer reinen Wartezeit jedoch gerade nicht der Fall.“

 

Auch diesen überzeugenden Ausführungen schließt sich die Einzelrichterin an.  

 

Soweit die Beschwerdeführerin unter Bezugnahme auf abweichende Rechtsprechung glauben machen will, dass die hier vertretene Rechtsansicht eine vereinzelte sei und zudem veraltet, trifft dies nicht zu.

 

Richtig ist zwar, dass die Rechtsprechung der Kostensenate der Landessozialgerichte uneinheitlich ist. Während die Landessozialgerichte Sachsen-Anhalt (etwa Beschluss vom 16. Februar 2021, L 4 AS 389/19 B, juris), Baden-Württemberg (Beschluss vom 30. April 2020, L 10 SF 3796/18 E-B, juris) und Niedersachsen-Bremen (Beschluss vom 3. Juni 2019, L 7 AS 5/17 B, juris) die hier vertretene Rechtsansicht teilen, nehmen die Landessozialgerichte Thüringen (Beschluss vom 20. Dezember 2021, L 1 SF 1371/19 B, juris), Bayern (Beschluss vom 23. Mai 2018, L 12 SF 94/18, juris), Schleswig-Holstein (Beschluss vom 22. November 2016, L 5 SF 91/15 B E) und wohl auch Nordrhein-Westfalen (allerdings ohne nähere Begründung: Beschluss vom 2. Februar 2018, L 19 AS 1472/17 B, juris) eine abweichende Position ein und berücksichtigen Wartezeiten in unterschiedlicher Art und Weise, wobei teilweise Wartezeiten erst ab mehr als 15 Minuten berücksichtigt werden, von einem Verschulden des Gerichts abhängig gemacht werden und teilweise wohl auch davon, was der Rechtsanwalt in dieser Wartezeit getan hat. Dass es damit eine irgendwie geartete überwiegende Rechtsprechung oder veraltete Rechtsprechung gäbe, lässt sich gerade nicht feststellen.

 

Die abweichenden Rechtsansichten, die – wenn überhaupt begründet – eher auf Opportunitätserwägungen, als auf den bekannten Auslegungsmethoden beruhen, überzeugen die Einzelrichterin insbesondere auch in der Beschreibung ihrer Rechtsfolgen nicht. Sie widersprechen dem grundlegenden kostenrechtlichen Prinzip der Klarheit und Praktikabilität, wenn sie bei der Einbeziehung von Wartezeiten teilweise weitere Voraussetzungen determinieren. Sofern Wartezeiten nur ab der 16. Minute gebührenerhöhend berücksichtigt werden, gibt es hierfür keinerlei gesetzliche Anknüpfung. Dasselbe gilt für Wartezeiten, die nur durch das Gericht verschuldet werden. Für den Anwalt macht es keinen Unterschied, ob eine Wartezeit eintritt, weil das Gericht nicht rechtzeitig bereit war oder weil etwa der Mandant nicht rechtzeitig erschienen ist. Die Höhe seiner Vergütung kann und darf danach nicht differenzieren. Im Übrigen erscheint auch die Anknüpfung an ein „Verschulden“ des Gerichts zumindest hinterfragenswürdig. Liegt ein solches nur vor, wenn das Gericht die Dauer der vorhergehenden Verfahren misslich eingeschätzt hat oder etwa auch dann, wenn sich aufgrund schlechter Witterungsverhältnisse schon der Aufruf der ersten Sache wegen ausfallender Verkehrsmittel verzögert hat und damit der gesamte Termin ins Stocken gerät oder wenn in vorangegangenen Verfahren ein (nicht zu erwartendes) Verhalten eines Beteiligten zu einer maßgeblichen Verzögerung geführt hat? Kostenrechtlich nicht mehr handhabbar wird eine Rechtsprechung aber zweifelsfrei, wenn vereinzelt auch noch danach gefragt und unterschieden wird, was der Rechtsanwalt in der Wartezeit tatsächlich getan hat. Dies festzustellen, ist ein Kostenbeamter nicht in der Lage. Gerade auch in der heutigen Zeit, in der durch technische Ausstattung der Arbeitsplatz nahezu gar nicht mehr ortsgebunden ist, lässt sich schon nicht einfach und verlässlich feststellen, wie der Rechtsanwalt Wartezeiten tatsächlich nutzt. Andererseits stellte sich damit auch die Frage, ob man gebührenrechtlich einen wartenden Rechtsanwalt nicht auch auf die Möglichkeit der Nutzung der Wartezeit durch anderweitige Arbeit verweisen könnte. Dies ist indes eine Bewertung, die der Gesetzgeber und nicht die Gerichte durch (nach hiesiger Einschätzung unzulässige) Erweiterung normierter Gebührentatbestände vorzunehmen haben. Bislang hat der Gesetzgeber Wartezeiten gebührenrechtlich – ausgenommen vom Tage- und Abwesenheitsgeld – nicht berücksichtigt.

 

Für eine Änderung der bisherigen Rechtsprechung der Kostensenate des Sächsischen Landessozialgerichts sieht die Einzelrichterin daher auch weiterhin keinen Raum.

 

Ausgehend hiervon war die anwaltliche Tätigkeit vom Umfang her gesehen in dem Termin mit 15 Minuten deutlich unterdurchschnittlich.

 

Eine besondere Schwierigkeit der Angelegenheit, in der es um die Zahlung eines Übergangsgeldes für einen Monat mit der Fragestellung ging, ob das zuvor geleistete Arbeitslosengeld aus Arbeitseinkommen berechnet worden war, für das Beiträge zur Rentenversicherung geleistet worden waren oder nicht, lässt sich nicht feststellen und wird auch nicht vorgetragen. Auch in dem Termin selbst waren keine überdurchschnittlichen Aktivitäten der Beschwerdeführerin gefragt.

 

Die Bedeutung der Angelegenheit war angesichts des kurzen und rückwirkenden Zeitraumes allenfalls durchschnittlich; die Einkommensverhältnisse angesichts der Bewilligung der Prozesskostenhilfe unterdurchschnittlich.

 

Bei mehreren unterdurchschnittlichen Bewertungskriterien, eines davon sogar deutlich unterdurchschnittlich, ist die hier erfolgte Anerkennung der hälftigen Mittelgebühr billig, die beantragte erhöhte Mittelgebühr unbillig.

 

Nach alledem ist die Beschwerde zurückzuweisen.

 

Diese Entscheidung ergeht gebührenfrei (§ 56 Abs. 2 Satz 2 RVG). Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 Satz 3 RVG). 

             

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 56 Abs. 2 Satz 1 RVG i. V. m. § 33 Abs. 4 Satz 3 RVG). 

Rechtskraft
Aus
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