S 17 SO 299/15

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
17
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 17 SO 299/15
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 9 SO 134/23 WA
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

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Sozialgericht Düsseldorf

 

 

Az.: S 17 SO 299/15

 

 

 

Verkündet am: 13.11.2019

 

 

 

 

 

 

Im Namen des Volkes

 

Urteil

 

In dem Rechtsstreit

 


Kläger

Proz.-Bev.:
 

gegen


Beklagte

 

 

hat die 17. Kammer des Sozialgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 13.11.2019 durch die Vorsitzende, die Richterin am Sozialgericht……, sowie die ehrenamtlichen Richter …… und …… für Recht erkannt:

 

 

Die Klage wird abgewiesen.

 

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

 

 

 

 

 

 

 

Tatbestand:

 

Der Kläger begehrt die Übernahme von Kosten der Unterkunft im Zeitraum März 2014 bis Februar 2015.

 

Der 1939 geborene Kläger erhält seit Jahren von der Beklagten Grundsicherungsleistungen nach dem 4. Kapitel Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII). Der Kläger wohnte seit 2006 auf ca. 45 m² in der K……straße XX. Für diese Unterkunft hatte die Beklagte bis April 2010 Kosten der Unterkunft übernommen. In den Jahren 2011 und 2012 wohnte der Kläger zur Untermiete in der E…… Straße XX. Hierfür hatte die Beklagte nach einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes für den Zeitraum Februar 2011 bis September 2012 die Kosten der Unterkunft übernommen. Die Wohnung wurde jedoch am 15.02.2013 zwangsgeräumt. Seit 2013 wohnt der Kläger in der W……straße XX. Bezüglich dieser Unterkunft stritten die Beteiligten lange, ob es sich überhaupt um Wohnraum handelt und ob und in welcher Höhe hierfür Kosten der Unterkunft von der Beklagten zu leisten sind, da der Kläger bis Juni 2016 der Beklagten auch keinen Mietvertrag, Zahlungsnachweise an den Vermieter oder sonstige Unterlagen, aus denen sich eine Mietzinsforderung ergeben könnte, vorgelegt hatte. Seit Juni 2016 bezahlt die Beklagte dem Kläger Kosten der Unterkunft für die W……straße XX. In der K……straße XX, bzw. in der Garage K……straße XX hat der Kläger wohl noch bis Ende 2016 Möbel gelagert. Einen weiteren Lagerraum unterhielt oder unterhält er wohl in der L…… Straße XX. Er begehrt wohl auch Kosten der Unterkunft für diese beiden Lagermöglichkeiten. Was genau im streitgegenständlichen Zeitraum in diesen Räumen gelagert war und ob und gegebenenfalls in welcher Höhe er hierfür Miete zahlen musste oder gezahlt hat und ob noch offene Forderungen von Vermietern bestehen, ist unklar.

 

Mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 28.01.2014 hat die Beklagte dem Kläger für den Zeitraum März 2014 bis Februar 2015 Leistungen nach dem 4. Kapitel SGB XII i.H.v. 391 EUR monatlich bewilligt. Gegen diesen Bescheid hat der Kläger mit Schreiben vom 27.02.2014 Widerspruch eingelegt. Als Absenderadresse hatte der Kläger eine Anschrift der Beratungsstelle für Wohnungslose …… …… (N…… Straße XX) angegeben. Aus dem Gesamtzusammenhang der Akte ergibt sich, dass es dem Kläger um die Gewährung von Kosten der Unterkunft, insbesondere Mietkosten für die Garagen K……straße XX und L…… Straße XX geht.

 

Mit Schreiben vom 07.04.2014 forderte die Beklagte den Kläger zur Vorlage verschiedener Nachweise zu seiner Wohnsituation auf. Am 13.05.2014 teilte der Kläger telefonisch mit, er wohne nun im Keller in der W……straße XX und benötige noch Zeit zum Sichten seiner Unterlagen. Danach meldete er sich nicht mehr.

 

Mit Widerspruchsbescheid vom 27.05.2015 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Der Regelsatz der Regelbedarfsstufe 1 sei mit 391 EUR monatlich in gesetzlicher Höhe bewilligt worden. Weitere Kosten, insbesondere Unterkunftskosten, seien für den Zeitraum März 2014 bis Februar 2015 nicht geltend gemacht worden. Die Höhe der bewilligten Leistungen sei daher nicht zu beanstanden.

 

Hiergegen hat der Kläger am 08.06.2015 Klage vor dem Sozialgericht Düsseldorf erhoben. Mit der Klage verfolgt er einerseits sein Begehren nach Kostenübernahme für die angemieteten Lagerräume weiter. Des Weiteren macht er Unterkunftskosten für die Adresse W……straße XX geltend. Es handele sich um einen geeigneten Lagerkeller mit privatem Büro und der Möglichkeit einer Notschlafstelle. Er sei unter dieser Adresse auch gemeldet. Der Mietpreis für die W……straße betrage 180 EUR inklusive Heiz- und Nebenkosten. Ab 01.10.2015 steige die Miete wegen einer kleinen, aber notwendigen Raumerweiterung auf 230 EUR. Der Kläger hat erst im Laufe des Klageverfahrens im Mai 2016 einen Untermietvertrag „seit dem 19.02.2013“ für die W……straße XX vorgelegt. Dieser Vertrag ist unterschrieben vom Kläger und dem Hauptmieter als Vermieter, jedoch nicht datiert. In der ebenfalls vom Kläger vorgelegten Meldebestätigung der Stadt …… vom 20.08.2015 ist als Einzugsdatum der 01.03.2013 vermerkt. Direkt bei der Beklagten hat der Kläger im Juni 2016 die gleichen Mietverträge eingereicht, diesmal jedoch bei den Unterschriften mit dem Datum 01.10.2015 versehen.

 

In einem umfangreichen, mehr als zwei Stunden dauernden Erörterungstermin am 06.03.2019, bei welchem sowohl der Kläger persönlich, als auch sein Prozessbevollmächtigter anwesend waren, sind sowohl das vorliegende Klageverfahren als auch die Klage S 17 SO 35/19, die eine ähnliche Problematik lediglich für einen späteren Leistungszeitraum beinhaltet, ausführlich besprochen worden. Das Gericht hat bereits im Erörterungstermin darauf hingewiesen, dass der Kläger noch klarstellen müsse, für welche Räumlichkeiten er ganz konkret im streitgegenständlichen Zeitraum Kosten der Unterkunft begehrt, und welcher Vortrag und welche Nachweise hierzu noch vorzubringen seien.

 

Nachdem der Prozessbevollmächtigte des Klägers schriftsätzlich daraufhin ohne jeden weiteren Vortrag lediglich „Kosten der Unterkunft in gesetzlicher Höhe“ beantragt hat, hat die Vorsitzende am 03.07.2019 unter Fristsetzung und Hinweis auf § 106a Abs. 3 SGG einen umfangreichen Aufklärungshinweis erteilt, auf dessen Inhalt hiermit Bezug genommen wird. Weiterer inhaltlicher Vortrag ist von Klägerseite nicht erfolgt. Der anwaltlich vertretene Kläger hat sowohl am Tag vor der mündlichen Verhandlung einen Antrag auf Terminsverlegung gestellt, als auch während der Verhandlung persönlich um Verlegung gebeten, da er schwer erkrankt sei und in die Klinik müsse, aber unbedingt persönlich am Termin teilnehmen wolle.

 

Der Kläger beantragt,

 

die Beklagte zu verpflichten unter Aufhebung ihres Bescheids vom 28.01.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.05.2015 Kosten der Unterkunft in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

 

Die Beklagte beantragt,

 

die Klage abzuweisen.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung, Beratung und Entscheidung.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Der Kläger hat keinen Anspruch gegenüber der Beklagten auf die Gewährung von Kosten der Unterkunft im streitgegenständlichen Zeitraum März 2014 bis Februar 2015.

 

Gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 SGB XII werden Bedarfe für die Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt. Vorliegend ließ sich jedoch nicht aufklären, für welche Räumlichkeiten im Einzelnen der Kläger Kosten der Unterkunft verlangt und ob ihm für diese Räumlichkeiten tatsächlich Aufwendungen entstanden sind. Für die diversen Lagerräume hat der Kläger weder vorgetragen, um welche Räume es sich im Einzelnen handelt, noch Mietverträge vorgelegt oder zumindest vorgetragen, in welcher Höhe er Miete bezahlt hat oder noch Miete schuldet. Auch hat er nicht dargelegt, welche Gegenstände er dort lagert und warum ein eigenes Lager neben seinen Wohnräumen notwendig ist. Für die Räume in der W……straße, die er seit März 2013 zu Wohnzwecken nutzt, hat der Kläger zwar vorgetragen, in welcher Höhe Miete vereinbart sei und auch einen Mietvertrag vorgelegt. Es besteht jedoch eine vom Kläger nicht weiter erläuterte Diskrepanz bezüglich der Datierung der dem Gericht und der Beklagten vorgelegten Mietverträge. Auch hat der Kläger trotz des gerichtlichen Hinweises nicht vorgetragen, ob und ggfs. wie und in welcher Höhe er seit März 2013 Mietzahlungen geleistet hat und in welcher Höhe noch Mietschulden bestehen. Die Beklagte bezahlt Kosten der Unterkunft erst seit Juni 2016. Hätte der Vermieter seit März 2013 ein ernsthaftes Mietverlangen, so hätte er den Kläger in den mehr als drei Jahren sicherlich zur Mietzahlung aufgefordert, gemahnt oder das Mietverhältnis angesichts der hohen Mietrückstände gekündet. Hierfür gibt es jedoch keinerlei Anhaltspunkte.

 

Zwar ist das Gericht gemäß § 103 SGG zur Amtsermittlung verpflichtet. Die Aufklärung des Sachverhalts ist jedoch - wie auch hier - häufig nur im Dialog mit den Beteiligten und mit ihrer Mitwirkung möglich. Daher hebt § 103 Satz 1 HS. 2 SGG hervor, dass das Gericht die Beteiligten bei der Erforschung des Sachverhalts heranzuziehen hat. Diese haben die Obliegenheit, die Klage (vgl. § 92 Abs. 1 Satz 4 SGG) zu begründen. Bei fehlender Mitwirkung ist das Gericht nicht verpflichtet, von sich aus in jede nur mögliche Richtung („ins Blaue hinein“) zu ermitteln und Beweis zu erheben (vgl. Mushoff in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl. 2017, § 103 SGG, Rn. 33). Da der Kläger trotz des gerichtlichen Aufklärungshinweises keinerlei Angaben dazu gemacht hat, für welche Räumlichkeiten außer der W……straße er in welcher Höhe Kosten der Unterkunft verlangt, und da er auch nicht vorgetragen hat, dass und in welcher Höhe er für den streitgegenständlichen Zeitraum einem ernsthaften Mietzinsverlangen ausgesetzt ist, gab es für das Gericht keine Anhaltpunkte, zu Kosten der Unterkunft Ermittlungen von Amts wegen anzustellen. Darüber hinaus dürften etwaige Mietforderungen aus den Jahren 2014 und 2015 mittlerweile auch verjährt sein (§ 195 BGB). 

 

Die Kammer konnte im Termin entscheiden und war nicht gehalten, dem Terminsverlegungsantrag des Klägers stattzugeben. Auch die Anordnung des persönlichen Erscheinens konnte von der Kammer aufgehoben werden. Der Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (Art. 103 GG; § 62 SGG) wurde trotzdem gewahrt. Denn der Prozessbevollmächtigte des Klägers war im Termin zur mündlichen Verhandlung anwesend und zur Verhandlung bereit. Darüber hinaus hatte der Kläger selbst bereits im mehr als zweistündigen Erörterungstermin am 06.03.2019 ausreichend Gelegenheit gehabt, seine Sicht des Sachverhalts persönlich vorzutragen. Spätestens nach dem schriftlichen Hinweis der Vorsitzenden vom 03.07.2019 hatte der Kläger auch Kenntnis davon, auf welche konkreten Gesichtspunkte es für die Entscheidung der Klage ankommt, welche Informationen von ihm noch beizubringen sind und welche Fragen noch zu klären sind. In den nachfolgenden vier Monaten ist kein weiterer Vortrag von Klägerseite erfolgt. Insofern war auch das persönliche Erscheinen des Klägers nicht mehr erforderlich. Denn dieses hatte die Vorsitzende nur im Hinblick auf den nach dem gerichtlichen Hinweis zu erwartenden schriftlichen Vortrag angeordnet, um in der mündlichen Verhandlung ggfs. letzte Detailfragen zu klären und je nach neuer Sachlage auf einen Vergleich hinzuwirken. Nachdem aber zu den offenen Fragen trotz des Hinweises auf § 106a Abs. 3 SGG überhaupt kein Vortrag erfolgt war, war auch das persönliche Erscheinen des Klägers nicht mehr erforderlich. Eine Terminsverlegung hätte die Erledigung des Rechtsstreits nur unnötig weiter verzögert.

 

Nach alledem war die Klage abzuweisen.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Dieses Urteil kann mit der Berufung angefochten werden.

 

Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim

 

Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Zweigertstraße 54, 45130 Essen

 

schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

 

Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem

 

Sozialgericht Düsseldorf, Ludwig-Erhard-Allee 21, 40227 Düsseldorf

 

schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird.

 

Die Berufungsschrift muss bis zum Ablauf der Frist bei einem der vorgenannten Gerichte eingegangen sein. Sie soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

 

Die elektronische Form wird durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments gewahrt, das für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet ist und

 

- von der verantwortenden Person qualifiziert elektronisch signiert ist und über das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) eingereicht wird oder

 

- von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gem. § 65a Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingereicht wird.

 

Weitere Voraussetzungen, insbesondere zu den zugelassenen Dateiformaten und zur qualifizierten elektronischen Signatur, ergeben sich aus der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung - ERVV) in der jeweils gültigen Fassung. Über das Justizportal des Bundes und der Länder (www.justiz.de) können nähere Informationen abgerufen werden.

 

Zusätzlich wird darauf hingewiesen, dass einem Beteiligten auf seinen Antrag für das Verfahren vor dem Landessozialgericht unter bestimmten Voraussetzungen Prozesskostenhilfe bewilligt werden kann.

 

Gegen das Urteil steht den Beteiligten die Revision zum Bundessozialgericht unter Übergehung der Berufungsinstanz zu, wenn der Gegner schriftlich zustimmt und wenn sie von dem Sozialgericht auf Antrag durch Beschluss zugelassen wird. Der Antrag auf Zulassung der Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils bei dem Sozialgericht Düsseldorf schriftlich zu stellen. Die Zustimmung des Gegners ist dem Antrag beizufügen.

 

Lehnt das Sozialgericht den Antrag auf Zulassung der Revision durch Beschluss ab, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Berufungsfrist von neuem, sofern der Antrag auf Zulassung der Revision in der gesetzlichen Form und Frist gestellt und die Zustimmungserklärung des Gegners beigefügt war.

 

Die Einlegung der Revision und die Zustimmung des Gegners gelten als Verzicht auf die Berufung, wenn das Sozialgericht die Revision zugelassen hat.

 

 

 

Rechtskraft
Aus
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