L 16 BA 41/20

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Betriebsprüfungen
Abteilung
16.
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 28 BA 279/18
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 16 BA 41/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 11. März 2020 wird zurückgewiesen.

 

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.

 

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 53.969,16 € festgesetzt.

 

 

Gründe

 

I.

 

Die Beteiligten streiten um die Nachforderung von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) und zur Arbeitslosenversicherung sowie von Insolvenzgeld-Umlagen in Höhe von (iHv) insgesamt 53.969,16 € aufgrund einer Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) als Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin, die im Streitzeitraum vom 1. Januar 2013 bis 31. Dezember 2016 als LGmbH firmierte.

 

Die Klägerin wurde als GmbH im Jahr 2000 gegründet; auf den Gesellschaftsvertrag (GV) vom 15. Juni 2000 wird Bezug genommen. Die vier Gründungsgesellschafter schlossen 2006 einen „Poolvertrag“, auf dessen Einzelheiten verwiesen wird. Im streitigen Prüfzeitraum war der Beigeladene zu 1) mit 8,2 % am Stammkapital der GmbH beteiligt. 75,2 % der Geschäftsanteile hielt die L S N B GmbH & Co KG (im Folgenden LSNB GmbH & Co KG), deren Komplementärin und Geschäftsführerin die L V-GmbH war (vgl GV der LSNB GmbH & Co KG vom 21. August 2000). Der Beigeladene zu 1) war einer der Kommanditisten der LSNB GmbH & Co KG und Geschäftsführer sowohl der Klägerin als auch der L VGmbH. Er war an der Komplementärin als einer von vier Gesellschaftern mit einem Anteil von 16,7 % am Stammkapital beteiligt; auf den GV der L V GmbH vom 14. Juli 2000 wird wegen der Einzelheiten verwiesen.

 

Die Beklagte führte bei der Klägerin vom 20. Februar 2017 bis 10. November 2017 eine Betriebsprüfung durch. Nachdem die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 21. Juli 2017 Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hatte, stellte sie mit Bescheid vom 13. November 2017 fest, dass der Beigeladene zu 1) spätestens seit 1. Januar 2013 in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stehe. Sie forderte aufgrund der festgestellten Versicherungspflicht für die streitbefangene Zeit Renten- und Arbeitslosenversicherungsbeiträge sowie Insolvenzgeldumlagen iHv 53.969,16 €. In der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung bestehe aufgrund des Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze Versicherungsfreiheit. Die Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 24. Mai  2018 zurück.

 

Im Klageverfahren hat die Klägerin vorgetragen: Der Beigeladene zu 1) sei in dem in Rede stehenden Zeitraum als Geschäftsführer selbstständig tätig gewesen. Aufgrund seiner doppelten Stellung als Geschäftsführer der Klägerin und der LSN VGmbH habe er faktisch jede ihm nachteilige Entscheidung verhindern können. Da die K-GmbH Mehrheitsgesellschafterin der Klägerin sei, habe der Beigeladene zu 1) faktisch die Möglichkeit, die Satzung im Alleingang zu ändern. Ihr sei zudem Vertrauensschutz aufgrund der vorangegangenen Betriebsprüfungen zu gewähren.

 

Das Sozialgericht (SG) Berlin hat die Klage, nachdem die Beklagte die Feststellung, der Beigeladene zu 1) sei als Gesellschafter-Geschäftsführer spätestens seit 1. Januar 2013 abhängig beschäftigt gewesen, aufgehoben hatte, mit Urteil vom 11. März 2020 abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Die zulässige Klage sei unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 13. November 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Mai 2018 sei rechtmäßig und verletze die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Beklagte sei im Rahmen der Betriebsprüfung gem. § 28p Abs. 1 Satz 5 Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – (SGB IV) befugt gewesen, die Versicherungspflicht und die Beitragshöhe in der GRV sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung durch Verwaltungsakt gegenüber der zur Zahlung verpflichteten Klägerin festzustellen. Die Sozialversicherungspflicht des Beigeladenen zu 1) richte sich nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB – Arbeitsförderung – (SGB III) für die Arbeitslosenversicherung und nach § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB – GRV– (SGB VI) für die Rentenversicherung. Diese Vorschriften setzten für die – kraft Gesetzes eintretende –Versicherungspflicht – in der hier einzig denkbaren Alternative – jeweils eine abhängige Beschäftigung gegen Entgelt im Sinne des § 7 SGB IV voraus. Nach Absatz 1 Satz 1 dieser Vorschrift sei Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Letzteres sei im streitigen Zeitraum bei dem Beigeladenen zu 1) der Fall gewesen. Dieser habe an der Klägerin kraft seines Kapitalanteils keinen maßgebenden Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft gehabt. Er habe auch keine Sperrminorität innegehabt. Etwas Anderes folge auch nicht aus seiner Beteiligung an der LSN VGmbH und der Tatsache, dass er deren Geschäftsführer gewesen sei. Denn auch an dieser GmbH sei der Beigeladene zu 1) nur Minderheitsgesellschafter gewesen. Vertrauensschutz aus vorangegangenen Betriebsprüfungen komme der Klägerin nicht zu.

 

Mit ihrer Berufung verfolgt die zwischenzeitlich in eine Aktiengesellschaft umgewandelte Klägerin ihr Begehren weiter und wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen. Ergänzend verweist sie auf die Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG) vom 8. Juli 2020 (ua – B 12 R 4/19 R – juris), in denen das BSG seine Rechtsprechung fortentwickelt habe und fordere, dass auch die Rechtsmacht des Geschäftsführers aufgrund einer Gesellschafterstellung in einer anderen Gesellschaft berücksichtigt werden müsse, soweit diese es ihm erlaube, Einfluss auf den Inhalt von Gesellschafterbeschlüssen der von ihm geführten Gesellschaft zu nehmen.

 

Die Klägerin beantragt,

 

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 11. März 2020 und den Bescheid der Beklagten vom 13. November 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Mai 2018 aufzuheben.

 

Die Beklagte beantragt,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Sie verteidigt das angegriffene Urteil.

 

Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt und inhaltlich nicht zum Verfahren Stellung genommen.

 

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten dieses Verfahrens (3 Bände) sowie die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

 

 

 

II.

 

Der Senat hat gemäß § 153 Abs. 4 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die Berufung der Klägerin durch Beschluss zurückweisen können, weil er dieses Rechtsmittel einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten hat. Die Beteiligten sind hierzu vorher gehört worden (vgl § 153 Abs. 4 Satz 2 SGG).

 

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das SG hat die nach § 54 Abs. 1 SGG erhobene statthafte (isolierte) Anfechtungsklage zu Recht abgewiesen.

 

Der angefochtene Betriebsprüfungsbescheid der Beklagten beruht auf § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind erfüllt. Die Beklagte hat insbesondere zutreffend angenommen, dass der Beigeladene zu 1) im Unternehmen der Klägerin während des streitigen Zeitraums eine in der GRV und der Arbeitslosenversicherung versicherungspflichtige Beschäftigung (§ 7 Abs. 1 SGB IV) ausgeübt hat.

 

Gemäß § 28p Abs. 1 Satz 1 SGB IV prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach dem SGB IV, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag entstehen, ordnungsgemäß erfüllen; sie prüfen insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlung und der Meldungen mindestens alle vier Jahre. Im Rahmen der Prüfung erlassen die Träger der Rentenversicherung gestützt auf § 28 Abs. 1 Satz 5 SGB IV Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern. Die für den Gesamtsozialversicherungsbeitrag geltenden Vorschriften des SGB IV sind auf die Umlage für das Insolvenzgeld entsprechend anzuwenden (§ 359 Abs. 1 Satz 2 SGB III idF des Unfallversicherungsmodernisierungsgesetzes <UVMG> vom 30. Oktober 2008, BGBl I 2130). Nach § 358 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB III (idF des UVMG vom 30. Oktober 2008, BGBl I 2130) werden die Mittel für die Zahlung des Insolvenzgeldes durch eine monatliche nach einem Prozentsatz des Arbeitsentgelts (Umlagesatz) zu erhebende Umlage von den Arbeitgebern aufgebracht; maßgebend ist das Arbeitsentgelt, nach dem die Beiträge zur GRV für die im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer und Auszubildenden bemessen werden oder im Fall einer Versicherungspflicht in der GRV zu bemessen wären. Die nach diesen Vorschriften für die Beitrags- und Umlagenfestsetzung erforderliche Beschäftigung des Beigeladenen zu 1) im Streitzeitraum vom 1. Januar 2013 bis 31. Dezember 2016 lag vor.

 

Beschäftigung ist gemäß § 7 Abs. 1 SGB IV (idF der Bekanntmachung vom 12. November 2009, BGBl I 3710) die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (Satz 1). Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (Satz 2). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine abhängige Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Die hierfür vom BSG entwickelten Abgrenzungsmaßstäbe (vgl zB BSG, Urteil vom 4. Juni 2019 – B 12 R 11/18 R = SozR 4-2400 § 7 Nr 42 Rn 14 f <Honorararzt>) gelten grundsätzlich auch für Geschäftsführer einer GmbH. Ob ein Beschäftigungsverhältnis vorliegt, richtet sich bei dem Geschäftsführer einer GmbH aber in erster Linie danach, ob er nach der ihm zukommenden, sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergebenden Rechtsmacht ihm nicht genehme Weisungen verhindern oder Beschlüsse beeinflussen kann, die sein Anstellungsverhältnis betreffen (vgl zB BSG, Urteil vom 7. Juli 2020 – B 12 R 17/18 R = SozR 4-2400 § 7 Nr 49 – Rn 16 mwN).

 

Ist ein GmbH-Geschäftsführer zugleich als Gesellschafter am Kapital der Gesellschaft beteiligt, sind der Umfang der Kapitalbeteiligung und das Ausmaß des sich daraus für ihn ergebenden Einflusses auf die Gesellschaft das wesentliche Merkmal bei der Abgrenzung von abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit. Ein Gesellschafter-Geschäftsführer ist nicht per se kraft seiner Kapitalbeteiligung selbstständig tätig, sondern muss, um nicht als abhängig beschäftigt angesehen zu werden, über seine Gesellschafterstellung hinaus die Rechtsmacht besitzen, durch Einflussnahme auf die Gesellschafterversammlung die Geschicke der Gesellschaft bestimmen zu können. Eine solche Rechtsmacht ist bei einem Gesellschafter gegeben, der zumindest 50 vH der Anteile am Stammkapital hält. Ein Geschäftsführer, der nicht über diese Kapitalbeteiligung verfügt, ist grundsätzlich abhängig beschäftigt. Er ist ausnahmsweise nur dann als Selbstständiger anzusehen, wenn ihm nach dem Gesellschaftsvertrag eine umfassende ("echte" oder "qualifizierte"), die gesamte Unternehmenstätigkeit erfassende Sperrminorität eingeräumt ist. Der selbstständig tätige Gesellschafter-Geschäftsführer muss in der Lage sein, einen maßgeblichen Einfluss auf alle Gesellschafterbeschlüsse auszuüben und dadurch die Ausrichtung der Geschäftstätigkeit des Unternehmens umfassend mitbestimmen zu können. Ohne diese Mitbestimmungsmöglichkeit ist der Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer nicht im "eigenen" Unternehmen tätig, sondern in weisungsgebundener, funktionsgerecht dienender Weise in die GmbH als seine Arbeitgeberin eingegliedert. Deshalb ist eine "unechte", nur auf bestimmte Gegenstände begrenzte Sperrminorität nicht geeignet, die erforderliche Rechtsmacht zu vermitteln (stRspr; vgl BSG, Urteil vom 1. Februar 2022 – B 12 KR 37/19 R = SozR 4-2400 § 7 Nr 61 - Rn13 mwN). Mit diesen Grundsätzen wird die bei der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit gebotene Gesamtbetrachtung sämtlicher Umstände nicht obsolet. Die Weisungsgebundenheit aufgrund der gesellschaftsrechtlichen Rechtsmachtverhältnisse ist vielmehr das das Gesamtbild der Geschäftsführertätigkeit prägende Merkmal (vgl zum Ganzen BSG, Urteil vom 13. Dezember 2022 – B 12 R 3/21 R – juris – Rn 13).

 

Ausgehend von diesen Maßstäben war der Beigeladene zu 1) im Streitzeitraum abhängig beschäftigt. Er hatte nicht die notwendige gesellschaftsrechtliche Rechtsmacht, um die Geschicke der Klägerin allein maßgeblich zu gestalten oder ihm nicht genehme Weisungen zu verhindern. Er war damit in einen fremden Betrieb eingegliedert und führte kein eigenes Unternehmen.

 

Als Geschäftsführer nach § 6 Abs. 3 GmbH-Gesetz (GmbHG; idF des Gesetzes zur Änderung des GmbHG und anderer handelsrechtlicher Vorschriften vom 4.7.1980, BGBl I 836) unterlag der Beigeladene zu 1) gemäß § 37 Abs. 1§ 38 Abs. 1§ 46 Nr. 5 und 6 GmbHG dem Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung. Er verfügte als Minderheitsgesellschafter mit einer Beteiligung von 8,2   nicht über eine umfassende Sperrminorität. Es war dem Beigeladenen zu 1) damit nicht einmal möglich, einzelne Gesellschafterbeschlüsse zu verhindern, soweit eine Mehrheit von mindestens 75 % erforderlich war (§ 6 Abs. 4 GV). Er verfügte damit auch nicht über eine Sperrminorität, wobei dem bei der Statuszuordnung zu beachtenden Grundsatz der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände ohnehin nur Rechnung getragen werden kann, wenn klar erkennbar ist, dass dem Gesellschafter-Geschäftsführer bei allen Beschlüssen der Gesellschafterversammlung eine Sperrminorität eingeräumt ist (vgl BSG, Urteil vom 1. Februar 2022 – B 12 KR 37/19 R – Rn 14).

 

Nach der Fortentwicklung der BSG-Rechtsprechung (vgl Urteile vom 8. Juli 2020, ua – B 12 R 4/19 R = SozR 4-2400 § 7 Nr 53 – Rn 19 mwN) verfügen über eine die abhängige Beschäftigung ausschließende Rechtsmacht zudem nicht nur Gesellschafter mit einer Kapitalbeteiligung von zumindest 50 % oder - bei geringerer Kapitalbeteiligung - einer umfassenden Sperrminorität, was hier bezogen auf den Beigeladenen zu 1) bei der Klägerin selbst nicht der Fall war. Die Rechtsmacht kann indes auch daraus resultieren, dass der Geschäftsführer kraft seiner Stellung als Gesellschafter einer anderen Gesellschaft (auch einer GmbH & Co KG) in der Lage ist, Einfluss auf den Inhalt von Gesellschafterbeschlüssen der von ihm geführten Gesellschaft zu nehmen. Damit ist nicht allein auf das Rechtsverhältnis zwischen Geschäftsführer und der von ihm geführten GmbH abzustellen, sondern auch dessen Rechtsstellung innerhalb einer anderen Gesellschaft zu berücksichtigen, die wiederum in Rechtsbeziehungen zu der Gesellschaft steht, deren Geschäftsführung Gegenstand der Statusbeurteilung ist. Denn ein Geschäftsführer ist nach bisheriger Rechtsprechung selbstständig tätig, wenn er die Rechtsmacht hat, auf Beschlüsse der von ihm geführten Gesellschaft Einfluss zu nehmen. Dabei kann es keine Rolle spielen, ob er diese Rechtsmacht allein aus seiner Gesellschafterstellung in der von ihm geführten Gesellschaft oder aus seiner Beteiligung an einer anderen Gesellschaft ableitet. Für die sozialversicherungsrechtliche Statusbeurteilung ist aber auch eine solche von dieser Beteiligung abgeleitete Rechtsmacht nur beachtlich, wenn sie ihrerseits im Gesellschaftsrecht wurzelt, also durch Gesellschaftsvertrag geregelt ist und unmittelbar auf das zu beurteilende Rechtsverhältnis durchschlägt. Entscheidend bleibt, dass der Geschäftsführer selbst und unmittelbar eine ausschlaggebende Einflussnahmemöglichkeit auf Gesellschafterbeschlüsse der von ihm geführten Gesellschaft hat oder zumindest ihm nicht genehme Weisungen der Gesellschafterversammlung verhindern kann. Denn ein Geschäftsführer übt seine Tätigkeit nur dann selbstständig aus, wenn er zugleich kraft seiner Gesellschaftsanteile (und sei es über eine ihm eingeräumte umfassende Sperrminorität) über die Rechtsmacht verfügt, hinreichenden Einfluss auf die Beschlüsse der Gesellschaft auszuüben, für die er die Geschäftsführung übernommen hat (vgl BSG aaO).

 

Eine solche Rechtsmacht in der GmbH war dem Beigeladenen zu 1) aber weder als Kommanditist (dieser ist als solcher ohnehin von der Führung der Geschäfte der GmbH & Co KG ausgeschlossen) der LSNB GmbH & Co KG noch als Geschäftsführer der LSN V GmbH (und damit „mittelbarem“ Geschäftsführer der LSNB GmbH & Co KG) eingeräumt. Die Verwaltung bestehender Beteiligungen an anderen Gesellschaften einschließlich der Stimmabgabe in der Gesellschafterversammlung einer Tochtergesellschaft gehört zwar regelmäßig zu den Maßnahmen der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit der geschäftsführenden Komplementär-GmbH. Es trifft auch zu, dass die LSNB GmbH & Co KG einen Mehrheitsanteil von 75,2 % an der Klägerin in dem streitigen Zeitraum und damit mindestens 50 % der Anteile an der Tochtergesellschaft hatte. Ohne abweichendes Satzungsrecht steht den Kommanditisten einer GmbH & Co KG aber - anders als den Gesellschaftern einer GmbH - im Bereich der allein der Komplementär-GmbH obliegenden gewöhnlichen Geschäftsführung grundsätzlich kein Weisungsrecht zu. In der LSN V GmbH war der Beigeladene zu 1) zwar Gesellschafter (Anteil 16,7 %), Beschlüsse waren dort aber mit einer Mehrheit von 75 % der vertretenen Stimmen (vgl § 8 Nr 2 des GV) bzw 65 % der vorhandenen Stimmen der Gesellschaft (vgl § 6 Nr 5 des GV) zu fassen, so dass auch eine Sperrminorität ausscheidet.

 

Eine beherrschende Einflussnahme auf das Abstimmungsverhalten in der Gesellschafterversammlung der Klägerin war dem Beigeladenen zu 1) danach nicht möglich. Auch eine Sperrminorität für die Stimmabgabe in der Gesellschafterversammlung der Klägerin – wonach zB das Stimmrecht nur mit Zustimmung der Kommanditisten ausgeübt werden konnte (so zB BSG, Urteil vom 8. Juli 2020 – B 12 R 26/18 R = SozR 4-2400 § 7 Nr 51) oder diesen ein Weisungsrecht gegenüber der Komplementär-GmbH eingeräumt wurde – war hier nicht gegeben. In § 5 des KG-GV wurde eine Einwilligung von 95 % der abgegebenen Stimmen der Gesellschaft lediglich für die dort unter Abs. 2 genannten Maßnahmen geregelt. Als Geschäftsführer der Komplementär-GmbH war der Beigeladene zu 1) zwar – wie jeder Geschäftsführer – den Weisungen der Gesellschafterversammlung unterworfen, auch als Gesellschafter der GmbH war der Beigeladene zu 1) indes nicht in der Lage, einen letztlich ausschlaggebenden Einfluss auf deren Gesellschafterbeschlüsse zu nehmen.

 

Aus dem „Stimmbindungsvertrag“ („Poolvertrag“) folgt aufgrund der bereits vom SG aufgezeigten Erwägungen keine andere Beurteilung. Denn er ändert nichts an den sich aus den GV der beteiligten Gesellschaften ergebenden „Rechtsmachtverhältnissen“ (vgl zu solchen Stimmbindungsverträgen BSG, Urteil vom 18. November 2015 – B 12 KR 13/14 R = SozR 4-2400 § 7 Nr 26 – Rn 25). Die Klägerin genießt auch keinen Vertrauensschutz aufgrund vorangegangener Betriebsprüfungen, geänderter Verwaltungspraxis oder geänderter Rechtsprechung. Der Senat verweist insoweit auf die zutreffenden Ausführungen des SG in dem angefochtenen Urteil und sieht zur Vermeidung von Wiederholungen von weiteren Ausführungen ab, § 153 Abs. 2 SGG analog.

 

Dass die Beklagte die Höhe der berechneten Beiträge und Umlagen fehlerhaft festgesetzt hätte, ist nicht ersichtlich und auch nicht geltend gemacht worden.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen tragen diese aus Gründen der Billigkeit (§ 162 Abs. 3 VwGO) selbst. Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt und somit kein Kostenrisiko übernommen.

 

Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.

 

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs. 2 Satz 1§ 52 Abs. 3 Satz 1 und § 47 Abs. 1 Gerichtskostengesetz; sie ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).

Rechtskraft
Aus
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