L 18 AL 69/23

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
18.
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 84 AL 1593/20
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 AL 69/23
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 16. August 2023 wird zurückgewiesen.

 

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

 

Tatbestand

 

Die im Jahr 1983 geborene Klägerin stand ab 1. August 2012 als Redakteurin bzw. Chefredakteurin in einem Arbeitsverhältnis bei der d FGmbH (D). Die Klägerin, die am 29. April 2019 eine Tochter geboren hatte, beantragte mit Schreiben vom 30. April 2019 bei der D Elternzeit für 24 Monate. Vom 26. Juni 2019 bis 28. April 2021 befand sich die Klägerin in Elternzeit.

 

Am 4. August 2020 beantragte die Klägerin bei der D unter Hinweis auf § 15 Abs. 5 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) die Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit mit einer Arbeitszeit von 25 Wochenstunden ab 28. September 2020. Diesen Antrag lehnte die D mit Schreiben ihrer Geschäftsführerin vom 28. August 2020 mit der Begründung ab, dass gemäß § 15 Abs. 7 Nr. 1 BEEG ein Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit nicht bestehe, da sie nicht mehr als 15 Arbeitnehmer beschäftige. Am 28. August 2020 beantragte die Klägerin bei der D die Genehmigung einer Nebentätigkeit bei einem anderen (nicht benannten) Arbeitgeber und am 16. September 2020 die Erteilung einer Freistellungserklärung bzw. Zustimmung zur Aufnahme einer anderen Tätigkeit. Mit Schreiben vom 24. September 2020 lehnte die D die Anträge der Klägerin mit der Begründung ab, dass sie gegebenenfalls prüfen müsse, ob dringende betriebliche Gründe (z. B. Wettbewerbsinteressen) der konkret beabsichtigten Tätigkeit entgegenstünden. Zur Abgabe einer unwiderruflichen Freistellungserklärung sei sie nicht verpflichtet. Selbiges gelte für die generelle Zustimmung zur Aufnahme einer anderen Tätigkeit. Konkrete Zustimmungsanträge würden jedoch unverzüglich geprüft und diesen würde vorbehaltlich etwaiger dringender betrieblicher Gründe zugestimmt.

 

Am 29. September 2020 meldete sich die Klägerin bei der Beklagten persönlich arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg). Sie gab an, aufgrund der Elternzeit sowie der inhaltlichen Einschränkung durch ihren Arbeitgeber bei der Vermittlung in Arbeit begrenzt zu sein. Auf Nachfrage der Beklagten erklärte die D, die Zustimmung zu einer Nebentätigkeit erst erteilen zu können, wenn die konkrete Tätigkeit benannt werde und somit beurteilt werden könne, ob zwingende betriebliche Gründe entgegenstünden. Mit Bescheid vom 27. Oktober 2020 lehnte die Beklagte die Gewährung von Alg ab. Zur Begründung führte sie aus, die Klägerin stehe weiter in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis und sei deshalb nicht arbeitslos. Mit Widerspruchsbescheid vom 26. November 2020 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, die Arbeitgeberin der Klägerin habe nicht gänzlich auf ihr Direktionsrecht verzichtet. Auf die Entrichtung von Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung komme es nicht an. Die Klägerin schloss am 24. Februar 2021 mit ihrer Arbeitgeberin eine Aufhebungsvereinbarung zum 28. Februar 2021. Seit dem 1. März 2021 steht stand die Klägerin in einem neuen Arbeitsverhältnis.

 

Im Klageverfahren hat das Sozialgericht (SG) Berlin eine Auskunft der Geschäftsführerin der D vom 4. Juni 2021 eingeholt. Die Geschäftsführerin hat erklärt, eine pauschale Nebentätigkeitsgenehmigung habe sie nicht erteilen können, weil sie mit einer Tätigkeit für ein Konkurrenzunternehmen nicht einverstanden gewesen wäre. Im Juli 2020 habe sie beschlossen, ihr Unternehmen „anders als bisher weiterzuführen“ und habe sich von ihren weiteren Mitarbeitern getrennt. Sie habe deshalb der Klägerin keinen adäquaten Arbeitsplatz zur Verfügung stellen können und ihr zu einem nicht mehr genau zu benennenden Zeitpunkt einen Aufhebungsvertrag angeboten. Nach einem Wiedereinstieg in Vollzeit nach Beendigung der Vollzeit wäre die Klägerin zum 31. Juli 2021 gekündigt worden. Einer Nebentätigkeit in einem Printmedium oder beim Radio wäre wahrscheinlich zugestimmt. Ohne den konkreten Arbeitgeber zu kennen, könne davon aber nicht sicher ausgegangen werden. So gehöre etwa die Bild-Zeitung zu den Printmedien; diese sei aber durch ihre Video-Berichte mittlerweile zu einem Mitbewerber für die D geworden. Die Klägerin hat vorgetragen: Der Widerspruchsbescheid basiere auf der Unterstellung, dass sie nur eine Tätigkeit in einer „TV-Produktion" ausüben wolle. Sie habe aber mehrfach klar zum Ausdruck gebracht, dass sie ihre Berufserfahrung auch gerne in anderen Bereichen der Fernsehbranche oder auch in anderen Branchen zur Verfügung stellen wolle. Ursprünglich sei, bevor sie den Antrag auf Elternzeit gestellt habe, mit D besprochen worden, dass sie ein Jahr nach der Geburt ihrer Tochter wieder die Arbeit aufnehmen werde. Bei der D habe im Sommer 2020 keine Umstrukturierung stattgefunden. Das Unternehmen sei vielmehr aufgegeben worden.

 

Das SG Berlin hat die Klage mit Urteil vom 16. August 2023 abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt Die zulässige Klage sei nicht begründet. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Gewährung von Alg im Zeitraum vom 29. September 2020 bis 28. Februar 2021. Die Voraussetzungen der §§ 137 Abs. 1, 138 Abs. 1 Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – (SGB III) für einen Anspruch auf Alg bei Arbeitslosigkeit lägen nicht vor. Die Klägerin sei im streitigen Zeitraum nicht beschäftigungslos gewesen, denn das Beschäftigungsverhältnis habe auch während der Elternzeit fortbestanden. Für die Frage der Beschäftigungslosigkeit nach § 138 Abs. 1 Nr. 1 SGB III sei der leistungsrechtliche Begriff des Beschäftigungsverhältnisses maßgeblich. Diesem komme die Funktion zu, das durch Leistungen der Arbeitslosenversicherung gedeckte Risiko zu bestimmen. Der Arbeitnehmer stehe danach regelmäßig nicht mehr in einem leistungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnis, wenn die Beschäftigung faktisch ein Ende gefunden habe, wenn also die das Beschäftigungsverhältnis prägende persönliche Abhängigkeit des Beschäftigten, die sich in der faktischen Verfügungsgewalt (Direktionsrecht) des Arbeitgebers und der Dienstbereitschaft des Arbeitnehmers ausdrückt, entfalle. Grundsätzlich knüpfe der leistungsrechtliche Beschäftigungsbegriff also nicht an den rechtlichen Bestand eines Arbeitsverhältnisses an. Es sei nach einer Gesamtwürdigung der tatsächlichen Verhältnisse im Einzelfall zu beurteilen. Das Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) habe mit Urteil vom 16. November 2021 - L 9 AL 82/11 – ausgeführt: Eine Beschäftigung nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – (SGB IV), welche idealtypisch in der realen Erbringung der "versprochenen Dienste" im Sinne von § 611 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) bestehe, könne durch andere Umstände ersetzt werden. Der Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses stehe jedenfalls nicht schon grundsätzlich entgegen, dass während der Elternzeit keine tatsächliche Arbeitsleistung mehr erbracht worden sei. Im Sinne der ausreichenden Gewährleistung öffentlich-rechtlichen Versicherungsschutzes liege vielmehr ein ausreichender Vollzug auf die Erbringung abhängiger Arbeit gerichteter Rechtsverhältnisse u. a. auch dann vor, wenn der Dienstverpflichtete bei Fortbestand des rechtlichen Bandes (z. B. des Arbeitsverhältnisses) aufgrund gesetzlicher Anordnung oder durch eine besondere vertragliche Abrede von seiner - damit jeweils als grundsätzlich weiter bestehend vorausgesetzten - Leistungspflicht befreit werde. Ein solches auf die Erbringung abhängiger Arbeit gerichtetes Rechtsverhältnis liege auch während der Elternzeit vor. Denn gemäß §15 Abs. 4 Satz 1 BEEG dürfe ein Arbeitnehmer während der Elternzeit nicht mehr als 30 Wochenstunden erwerbstätig sein. Damit sei auch der Elternzeitberechtigte zumindest teilweise aufgrund gesetzlicher Anordnung von seiner Leistungspflicht befreit, indem er eine Arbeitsleistung über 30 Wochenstunden nicht mehr erbringen dürfe. Überdies bestehe eine Beschäftigung dann fort, wenn die Arbeitsvertragsparteien einverständlich am Arbeitsverhältnis festhielten, um es nach einer Zeit der Freistellung von der Arbeitsleistung fortzusetzen. Ein solches Festhalten am Arbeitsverhältnis sei während der Elternzeit über § 18 BEEG sogar gesetzlich angeordnet. Denn nach §18 Abs. 1 Satz 1 BEEG dürfe der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis ab dem Zeitpunkt, von dem an Elternzeit verlangt worden sei, höchstens jedoch 8 Wochen vor Beginn der Elternzeit, und während der Elternzeit nicht kündigen. Gleiches gelte für den Arbeitnehmer, der gemäß §19 BEEG das Arbeitsverhältnis zum Ende der Elternzeit nur unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von 3 Monaten kündigen könne. Aufgrund dieses Kündigungsschutzes und der für den Arbeitnehmer aufgrund dessen gesetzlich gesicherten Möglichkeit, seine Arbeit beim bisherigen Arbeitgeber nach Ablauf der Elternzeit wieder aufnehmen zu können, sei das arbeitsvertragliche Band zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer auch während der Elternzeit nicht entfallen. Für das Ende der Beschäftigung sei jedoch nicht bereits die Einstellung der tatsächlichen Arbeitsleistung maßgeblich, sondern gerade das kumulative Entfallen sowohl des arbeitsvertraglichen Bandes wie auch sonstiger Umstände, die im Sinne der sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigung dessen Vollzug begründeten. Diesen Ausführungen des LSG NRW sei zu folgen. Vorliegend könnten sich Zweifel an dem Fortbestand des Beschäftigungsverhältnisses daraus ergeben, dass der Arbeitsplatz der Klägerin weggefallen sei und die Beteiligten des Arbeitsverhältnisses mithin kein Interesse an dem tatsächlichen Vollzug des Arbeitsverhältnisses gehabt hätten. Die rechtliche Bindung der Beteiligten an das Arbeitsverhältnis sei jedoch bereits gesetzlich angeordnet, auch wenn vorliegend die Arbeitgeberin die Arbeitsleistung der Klägerin nicht mehr abgerufen hätte. Selbst wenn man dies anders sehen wollte, führte dies zu keinem anderen Ergebnis. Denn jedenfalls trete Beschäftigungslosigkeit erst dann ein, wenn der Arbeitnehmer selbst uneingeschränkt über seine Arbeitskraft verfügen dürfe Die Klägerin habe während der Elternzeit gerade nicht frei über ihre Arbeitskraft verfügen können, denn die D habe die Anträge der Klägerin auf Teilzeit, Freistellung und Nebentätigkeit abgelehnt und sich ausdrücklich ein Zustimmungsrecht zur Aufnahme von Tätigkeiten bei anderen Arbeitgebern vorbehalten.

 

Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter und trägt vor: Es habe kein einvernehmliches Festhalten an ihrem Arbeitsverhältnis gegeben. Ihr Arbeitsplatz habe nicht mehr existiert, außer ihr seien alle Mitarbeiter entlassen worden und ihr sei ein Aufhebungsvertrag angeboten worden. Sie habe sich versicherungskonform verhalten, indem sie den Aufhebungsvertrag erst mit Aussicht auf eine neue Arbeitsstelle geschlossen habe. Der Abschluss dieses Vertrages beweise ferner ihre uneingeschränkte Verfügbarkeit.

 

Die Klägerin beantragt,

 

die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Berlin vom 16. August 2023 und des Ablehnungsbescheides vom 27. Oktober 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. November 2020 zu verurteilen, ihr Arbeitslosengeld für die Zeit vom 29. September 2020 bis zum 28. Februar 2021 zu gewähren.

 

Die Beklagte beantragt,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Sie verteidigt das angegriffene Urteil.

 

Der Senat hat die Geschäftsführerin B als Zeugin betreffend die Geschäftstätigkeit der D im Jahr 2020 vernommen. Wegen des Ergebnisses der Vernehmung wird auf die Sitzungsniederschrift vom 15. Januar 2025 Bezug genommen.

 

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

 

Die Gerichtsakten und die e-Verwaltungsakten der Beklagten sind beigezogen worden und sind, soweit erforderlich, Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

 

Die Beteiligten haben sich im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 20. November 2024 mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter gemäß 155 Abs. 3 und 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

 

Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet.

 

Das SG hat die zulässige Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Die Klage ist unbegründet, denn der angegriffene Bescheid vom 27. Oktober 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. November 2020 ist rechtmäßig und verletzt die die Klägerin nicht in ihren Rechten.

 

Rechtsgrundlage für einen Anspruch auf Alg bei Arbeitslosigkeit ist § 136 Absatz 1 Nr. 1 iVm §§ 137 ff. SGB III (beide Vorschriften anwendbar in der ab dem 1. April 2012 geltenden Fassung des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20. Dezember 2011, BGBl. I S. 2854). Dies setzt Arbeitslosigkeit, eine Arbeitslosmeldung und die Erfüllung der Anwartschaftszeit voraus. Arbeitslos ist, wer Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer ist und 1. nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (Beschäftigungslosigkeit), 2. sich bemüht, die eigene Beschäftigungslosigkeit zu beenden (Eigenbemühungen), und 3. den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung steht (§ 137 Absatz 1 SGB III, § 138 Absatz 1 iVm Absatz 5 SGB III). Den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit steht nach § 138 Abs. 5 SGB III zur Verfügung (Verfügbarkeit), wer eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für sie oder ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes ausüben kann und darf (Nr. 1), Vorschlägen der Agentur für Arbeit zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten kann (Nr. 2), bereit ist, jede Beschäftigung im Sinne der Nummer 1 anzunehmen und auszuüben (Nr. 3), und bereit ist, an Maßnahmen zur beruflichen Eingliederung in das Erwerbsleben teilzunehmen (Nr. 4).

 

Entgegen der Auffassung des SG fehlt es hier nicht an einer Beschäftigungslosigkeit der Klägerin fehlen. Ein Anspruch der Klägerin auf Bewilligung von Alg für die streitbefangene Zeit scheitert jedoch daran, dass ihre Verfügbarkeit nicht zur vollen Überzeugung des Senats festgestellt werden kann. Unabhängig davon, ob die Klägerin – wie das SG unter Hinweis auf die Rechtsprechung des LSG NRW ausgeführt hat - während der Elternzeit in einem Beschäftigungsverhältnis (im beitragsrechtlichen Sinne) stand, kommt es hier auf das (Nicht-)Vorliegen eines leistungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnisses. Die Auslegung des Begriffs der "Beschäftigung" in der Sozialversicherung hat nach der Rechtsprechung sowohl der für die Leistungen als auch für das Beitragsrecht zuständigen Senate des Bundessozialgerichts (BSG) funktionsdifferent zu erfolgen. Die Beschäftigungslosigkeit und damit der Begriff der Beschäftigung im leistungsrechtlichen Sinne in der Arbeitslosenversicherung unterscheidet sich von dem Begriff der Beschäftigung im beitragsrechtlichen Sinne. Die Beschäftigung im leistungsrechtlichen Sinn ist dadurch gekennzeichnet, dass unabhängig vom Fortbestehen eines Arbeitsverhältnisses im Sinne des Arbeitsrechts eine tatsächliche Nichtbeschäftigung des Arbeitnehmers, das heißt eine fehlende Arbeitsleistung vorliegt (vgl. nur BSG, Urteil vom 28. September 1993 – 11 RAr 69/92BSGE 73,126 ff.; ferner: Urteil vom 24. September 2008 – B 12 KR 22/07 -, juris Rn. 21 mwN). Für die Zeiten tatsächlicher Beschäftigungslosigkeit ist der übereinstimmend geäußerte Wille der Arbeitsvertragsparteien, das Beschäftigungsverhältnis fortzusetzen, rechtlich allerdings nicht generell unerheblich. Zwar sind für die Feststellung eines Beschäftigungsverhältnisses im leistungsrechtlichen Sinne die tatsächlichen Verhältnisse, nicht rechtsgeschäftliche Erklärungen der Beteiligten maßgebend; denn das Beschäftigungsverhältnis wird durch Willenserklärungen unmittelbar weder begründet noch beendet. Rechtserheblich können Erklärungen der Beteiligten aber sein, falls sie Ausdruck des Bewusstseins faktischer Gebundenheit sind. Erklärungen des Arbeitnehmers über seine Dienstbereitschaft und des Arbeitgebers über seine Verfügungsbefugnis und seinen Verfügungswillen enthalten nur Anzeichen für subjektive Tatsachen als Merkmale des Beschäftigungsverhältnisses. Sie sind deshalb nicht isoliert von sonstigen tatsächlichen Anhaltspunkten für das Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses der Entscheidung zugrunde zu legen, sondern in eine Gesamtwürdigung der tatsächlichen Verhältnisse einzubeziehen. Ein Verzicht des Arbeitgebers auf seine Verfügungsbefugnis beendet allerdings das Beschäftigungsverhältnis. Einer (gegenteiligen) Erklärung, auf diese Position nicht verzichten zu wollen, kommt aber nur die erwähnte Indizwirkung für das Fortbestehen des Beschäftigungsverhältnisses zu. Eine faktische Gebundenheit der Klägerin an das fortbestehende Arbeitsverhältnis lag trotz der Weigerung der D, die Klägerin unwiderruflich von einer Arbeitsleistung für sie freizustellen, nicht vor. Denn an einer Arbeitsaufnahme der Klägerin während oder nach der Elternzeit hatte D offensichtlich kein Interesse mehr. Es steht fest, dass D sich von sämtlichen Mitarbeitern – außer von ihrer Geschäftsführerin und der Klägerin – zum 31. August 2020 bereits getrennt und auch der Klägerin die Kündigung nach Beendigung der Elternzeit zum 31. Juli 2021 in Aussicht gestellt hatte (vgl. die Auskunft der Geschäftsführerin der D vom 4. Juni 2021). Für eine Weiterbeschäftigung der Klägerin war damit auf unabsehbare Zeit das sachliche Substrat entfallen; die D war - zumindest vorübergehend – weitgehend zu einer „leeren Hülse“ mutiert. Die Weigerung der Geschäftsführerin der D, die Klägerin unwiderruflich freizustellen, wurde dementsprechend lediglich mit allfälligen Wettbewerbsinteressen begründet. Mit ihrer Arbeitslosmeldung – als „Gegenindikator“ zur verweigerten Freistellung (vgl. BSG, Urteil vom 28. September 1993, aaO Rn. 14) dokumentierte die Klägerin, dass auch sie nicht mehr bereit war, am Beschäftigungsverhältnis mit der D während der Elternzeit festzuhalten. Nach alledem ist bei einer Gesamtwürdigung der tatsächlichen Verhältnisse eine Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses der Klägerin mit der D festzustellen.

 

Der Anspruch auf Alg scheitert an der fehlenden objektiven Verfügbarkeit der Klägerin. Die Klägerin durfte während der Elternzeit keine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für sie oder ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes ausüben (vgl. § 138 Abs. 5 Nr. 1 SGB III). Die Klägerin durfte während der Elternzeit im streitbefangenen Zeitraum nicht mehr als 30 Wochenstunden (vgl. § 15 Abs. 4 Satz 1 BEEG in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. Januar 2015, BGBl. I S. 33) im Durchschnitt des Monats erwerbstätig sein. Die Aufnahme einer Teilzeitarbeit bei einem anderen Arbeitgeber bedurfte der Zustimmung des Arbeitgebers, die dieser nur innerhalb von vier Wochen aus dringenden betrieblichen Gründen schriftlich ablehnen konnte (§ 15 Abs. 4 Sätze 3 und 4 BEEG). Eine Zustimmung der D lag im streitbefangenen Zeitraum indes nicht vor, vielmehr hatte die D den - nicht weiter spezifizierten Antrag der Klägerin vom 16. September 2020 auf Zustimmung zur Teilzeitarbeit bei einem anderen Arbeitgeber mit Schreiben vom 24. September 2020 abgelehnt. § 15 Abs. 4 BEEG enthält ein befristetes Verbot mit Erlaubnisvorbehalt, das allerdings mit Ablauf der gesetzlichen Frist entfällt, wenn der Arbeitgeber sich nicht frist- und formgerecht unter Angabe entgegenstehende Interessen erklärt hat (vgl. Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 26. Juni 1997 – 8 AZR 506/95 -, juris zur inhaltlich identischen Vorgängervorschrift des § 15 Abs. 4 Bundeserziehungsgeldgesetz 1992). Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, dann ist der Arbeitnehmer nach Fristablauf berechtigt, die Tätigkeit wie geplant bei einem anderen Arbeitgeber während der Elternzeit aufzunehmen (vgl. Rancke, in: Rancke/Pepping, Mutterschutz/Elterngeld/Elternzeit/Betreuungsgeld, 6. Aufl. 2022, § 15 BEEG Rn. 84). Ob der Arbeitnehmer berechtigt ist, bei nur „vorgeschobenen“ dringenden betrieblichen Gründen ohne Zustimmung des Arbeitgebers bei einem anderen Arbeitgeber zu arbeiten, ist streitig (bejahend: Ranke, ebda mit Nachweisen zum Streitstand). Dies kann freilich dahinstehen, denn der D lag bereits kein zustimmungsfähiger begründeter Antrag der Klägerin vor. Als Mindestvoraussetzung für die Begründung des Antrags ist – wie von D in der Ablehnung vom 24. September 2020 ausgeführt – im Hinblick auf das Recht des Arbeitgebers auf Verweigerung der Zustimmung aus dringenden betrieblichen Gründen – zu verlangen, dass die konkrete Tätigkeit und die Einhaltung der Wochenstundengrenze und im Falle der beabsichtigten Arbeitsaufnahme bei einem anderen Arbeitgeber auch dieser benannt wird (ebenso Rancke, aaO Rn. 83 mwN). Zu einer „Vorab“-Zustimmung zur Arbeitsaufnahme seines Arbeitnehmers bei (irgend)einem anderen Arbeitgeber ist ein Arbeitgeber nach dem BEEG damit grundsätzlich nicht verpflichtet. Es mag zwar erwogen werden, für den Ausnahmefall, dass dringende betriebliche Gründe für eine Ablehnung eines Antrags auf Zustimmung für die Tätigkeit bei einem (beliebigen) anderen Arbeitgeber von vorneherein nicht in Betracht kommen, die konkrete Benennung eines zukünftigen Arbeitgebers für entbehrlich zu halten. Dies bedarf aber keiner näheren Erörterung, denn Anhaltspunkte für das Vorliegen eines solchen Sachverhaltes liegen zur Überzeugung des Senats nicht vor. Soweit die Klägerin behauptet hat, eine Umstrukturierung des Betriebs der D habe nicht stattgefunden, ihre Arbeitgeberin habe vielmehr das Unternehmen „aufgegeben“, hat die Vernehmung der Zeugin B hingegen ergeben, dass der Betrieb der D bis 2022 in „abgespeckter“ Form in Form einer „One-Woman-Show“ fortgeführt worden war. Die Zeugin hat ausgesagt, dass die D im Jahr 2020 einen Umsatz in Höhe von 500.000,- € gemacht hatte. Sie hat ohne Umschweife eingeräumt, dass der Großteil dieses Umsatzes in der ersten Jahreshälfte erzielt worden war. Während es 2020 noch eine größere Produktion für den Fernsehsender SIXX gegeben habe, seien in den folgenden Jahren nur noch kleinere Produktionen für RTL (2 – 3 Wochenserien) gefertigt worden. Eine Kundenakquise habe sie nicht mehr betrieben. Aufgrund ihrer bestehenden Kontakte habe es aber durchaus auch neue Aufträge gegeben, sodass sie fast jeden Tag noch im Büro anwesend gewesen sei. 2021 habe der Umsatz der D noch 90.000,- € betragen und sei dann in 2022 auf 60.000,- € gesunken. Diese Angaben stehen in Übereinstimmung mit den zeitnah erstellten schriftlichen Angaben der Zeugin vom 4. Juni 2021. Ihre Aussage im Termin zur Umstrukturierung und zum Weiterbetrieb der D war in jeder Hinsicht nachvollziehbar, detailliert und schlüssig. Für das Gericht haben sich keine Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Zeugin ergeben. Auch die Klägerin hat insoweit keine Bedenken erhoben. Insbesondere hat die Zeugin hat nicht den Eindruck erweckt, sie wolle den Umfang der Geschäftstätigkeit der D übertreiben. Soweit die Klägerin darauf hinweist, dass die Geschäftstätigkeit der D im streitbefangenen Zeitraum immer mehr vermindert worden und deshalb nicht mehr relevant sei, ist dem nicht zu folgen. Selbst wenn es sich bei der D ab September 2020 um ein „sterbendes Unternehmen“ gehandelt hat, welches nur noch in sehr reduziertem Umfang eine Geschäftstätigkeit entfaltete – insoweit ist der Klägerin zu folgen –, lässt sich hieraus nicht schließen, dass die Ablehnung eines Antrags auf Zustimmung für eine Tätigkeit einen anderen Arbeitgeber von vorneherein nicht mehr in Betracht gekommen gewesen wäre. Denn auch einem „auf kleiner Flamme“ laufenden Unternehmen kann ein das Zustimmungserfordernis nach §§ 15 Abs. 4 Satz 3 BEEG rechtfertigendes Interesse (zB Konkurrenzschutz) an der Unschädlichkeit der potentiellen Tätigkeit eines die Elternzeit in Anspruch nehmenden Mitarbeiters nicht abgesprochen werden. Nach alledem war es der Klägerin aufgrund des gesetzlichen Verbots nach § 15 Abs. 4 BEEG nicht möglich, den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung zu stehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.

Rechtskraft
Aus
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