1. Der den Zulassungsgremien bei einer Entscheidung über einen Antrag auf Sonderbedarfszulassung eröffnete Beurteilungsspielraum setzt als Grundlage einen ausreichend ermittelten Sachverhalt voraus.
2. Die Zulassungsgremien haben ausgehend von dem Praxissitz der begehrten Sonderbedarfszulassung unter Berücksichtigung des ihnen zustehenden Beurteilungsspielraums zunächst den zu versorgenden Einzugsbereich der Praxis zu bestimmen und sodann für diesen Bereich die tatsächliche Versorgungslage systematisch und strukturiert zu ermitteln.
3. Die Zulassungsgremien haben der Tendenz, dass über sehr zahlreiche Bewilligungen von „Kostenerstattungsverfahren“ auf Seiten der psychologischen Psychotherapeuten gleichsam Schattenzulassungen entstehen, die sich jenseits des eigentlichen Systems der vertragspsychotherapeutischen Versorgung bewegen, entgegen zu wirken.
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 10. November 2021 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Beklagte die Rechtsauffassung des Senats zu berücksichtigen hat.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Im Streit steht eine Sonderbedarfszulassung zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung in einem wegen Überversorgung gesperrten Planungsbereich.
Der im Jahr geborene Kläger ist Psychologischer Psychotherapeut und verfügt über den Fachkundenachweis im Richtlinienverfahren Verhaltenstherapie. Er arbeitet seit April 2010 ohne eine Zulassung zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung freiberuflich in eigener Praxis in Berlin, Verwaltungsbezirk Mitte, Ortsteil W. Neben privatversicherten Patienten und Selbstzahlern behandelt er dort überwiegend gesetzlich Krankenversicherte im Kostenerstattungsverfahren. Im Quartal III/2016 erhielt er zudem eine auf zwei Jahre befristete Ermächtigung zur Behandlung von traumatisierten Empfängern laufender Leistungen nach § 2 Asylbewerberleistungsgesetz gemäß § 31 Abs. 1 Satz 2 Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV).
Die zu 1) beigeladene Kassenärztliche Vereinigung (KV) stellte in ihrem „Bedarfsplan 2013 für den Zulassungsbezirk Berlin“ vom 21. Januar 2013 für die Arztgruppe der Psychotherapeuten einen Versorgungsgrad von 187,4 Prozent fest. Aufgrund dessen stellte der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen Berlin mit Beschluss vom 6. Februar 2013 u.a. für diese Arztgruppe Überversorgung im Planungsbereich Berlin fest und ordnete Zulassungsbeschränkungen an. Unter dem 9. Oktober 2013 beschloss das gemeinsame Landesgremium nach § 90a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), den zwischen der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales Berlin sowie allen Beigeladenen vereinbarten „Letter of Intent: Versorgungssteuerung auf Ebene der zwölf Berliner Verwaltungsbezirke im Rahmen der Bedarfsplanung auf Landesebene auf der Grundlage des Bedarfsplans 2013“ zustimmend zur Kenntnis zu nehmen. Nach Anlage 1.1 dieses „Letter of Intent“ betrug der Versorgungsgrad im Planungsbereich Berlin 194,7 Prozent und im Planungsbereich Mitte 168,8 Prozent. Nach der Fortschreibung des „Letter of Intent“ betrug der Versorgungsgrad zum Stichtag 1. Juli 2016 im Planungsbereich Mitte 154,6 Prozent und zum 1. Juli 2024 in Berlin insgesamt 169,7 Prozent sowie im Planungsbereich Mitte 142,8 Prozent. Mit Beschluss vom 17. Mai 2024 (Beschluss Nr. 07-2024-LA) hat der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen Berlin für die planungsrechtliche Arztgruppe der Psychotherapeuten gemäß § 103 Absatz 1 Satz 1 und Satz 2 SGB V in dem Planungsbereich Berlin, Bundeshauptstadt, das Fortbestehen der Zulassungsbeschränkungen festgestellt.
Am 19. Dezember 2016 beantragte der Kläger eine Sonderbedarfszulassung als Psychologischer Psychotherapeut im Bereich Verhaltenstherapie im Ortsteil W aufgrund des Vorliegens eines lokalen und eines qualifikationsbezogenen Sonderbedarfs. Seit Oktober 2015 bestehe angesichts der großen Zahl neu angekommener, stark traumatisierter Flüchtlinge ein Mehrbedarf an qualifizierten Behandlern. Der Ortsteil W mit seiner höheren Morbidität und problematischen soziodemografischen Merkmalen sei insoweit unterversorgt. Aufgrund seiner Ermächtigung könne er die Flüchtlinge nur während der Dauer des Asylverfahrens behandeln. Die laufende Behandlung müsse mit der Entscheidung über den Asylantrag oder der Aufnahme einer Arbeit oder Ausbildung abgebrochen werden. Aufgrund seiner Zusatzqualifikationen sei er in besonderer Weise befähigt, Traumapatienten zu behandeln. Oberstes Ziel der Traumatherapie sei Behandlungskontinuität. Diese könne er aufgrund der lediglich begrenzten Ermächtigung kaum bieten.
Der Zulassungsausschuss holte im Rahmen seiner Ermittlungen folgende Auskünfte ein: Eine Stellungnahme des Gesamtverbandes Berliner Psychoanalytischer Berufsverbände (GBP) vom 8. August 2017, eine Auskunft des Service-Center der Terminservicestelle der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin über die Nichtverfügbarkeit von Daten betreffend einzelner Richtlinienverfahren vom 23. Mai 2018, eine geographische Übersicht zur Verteilung der verhaltenstherapeutisch tätigen Ärzte und Psychologischen Psychotherapeuten im Planungsbereich Berlin im Quartal II/2018 sowie eine Karte der verhaltenstherapeutisch tätigen Ärzte und Psychologischen Psychotherapeuten im Verwaltungsbezirk Berlin Mitte im Quartal II/2018.
Zudem erfolgte eine Umfrage unter den im Bereich der Beigeladenen zu 1) zugelassenen Ärzte und Psychologischen Psychotherapeuten im Richtlinienverfahren Verhaltenstherapie hinsichtlich Auslastung und Wartezeit für ein Erstgespräch. Von 1070 versandten Fragebögen wurden 76 beantwortet zurückgesandt. Einer der Antwortenden gab an, nicht mit Verhaltenstherapie zu behandeln. Die Umfrage ergab eine durchschnittliche Wartezeit von 26 Tagen auf das Erstgespräch bei den übrigen 75 Verhaltenstherapeuten. Hinsichtlich der „Auslastung der GKV-Behandlung“ führte die Umfrage zu folgendem Ergebnis: 0% - 20%: 3; 21% - 40%: 3; 41% - 60%: 2; 61% - 80% : 14; 81% - 100%: 53. Die Frage nach zusätzlichen Kapazitäten beantworteten 30 Psychotherapeuten mit ja und 45 mit nein. Der Umfang der zusätzlichen Kapazitäten wurde wie folgt angegeben 0% - 20%: 69; 21% - 40%: 5; 41% - 60%: 1; 61% - 80% : 0; 81% - 100%: 0. Einen Versorgungsbedarf bejahten 36 Psychotherapeuten, 39 verneinten die Frage. Die Beigeladene zu 1) erstellte schließlich ergänzend eine nicht namentliche tabellarische Übersicht (Excel-Tabelle), aus der sich für die (75) Antwortenden die Abrechnungsdaten der Beigeladenen zu 1) sowie die Angaben der einzelnen Antwortenden zu den o.g. Fragen, deren durchschnittliche Fallzahlen für die Quartale III/2017 bis IV/2018, ihr Praxissitz sowie die Durchschnittsfallzahl der Fachgruppe ersehen ließ.
Darüber hinaus wurde eine Stellungnahme der Hauptabteilung Bedarfsplanung und Zulassung der Beigeladenen zu 1) vom 9. Januar 2019 sowie eine Stellungnahme des Hauptabteilungsleiters Sicherstellung der Beigeladenen zu 1) vom 10. Januar 2019 eingeholt. Auf die Anfrage des Zulassungsausschusses vom 14. Dezember 2018 an die Arbeitsgemeinschaft der Krankenkassen und Krankenkassenverbände für deren Mitglieder zur Mitteilung der Anzahl der Kostenerstattungsverfahren in den letzten vier Quartalen für den Zulassungsbezirk Berlin bzw. im Verwaltungsbezirk Mitte teilte die Beigeladene zu 4) mit Schreiben vom 8. Januar 2019 mit, dass sie in den Quartalen IV/2017 bis III/2018 in 48 Fällen im Planungsbereich Berlin eine Psychotherapie (Verhaltenstherapie) im Wege der Kostenerstattung genehmigt habe. Einen Bedarf für die beantragte Sonderbedarfszulassung sehe sie nicht. Der Beigeladene zu 6) teilte mit, dass die Ersatzkassengemeinschaft in den Quartalen IV/2017 bis III/2018 127 Kostenerstattungsanträge für Verhaltenstherapie für die Postleitzahlen (13347, 13349, 13351, 13353, 13355, 13357, 13359, 13407 und 13409) im Bezirk Mitte genehmigt habe. Eine Einschätzung zum Vorliegen eines Sonderbedarfs im Verwaltungsbezirk Mitte könne nicht erfolgen, da die Postleitzahlen nicht nur dem Verwaltungsbezirk Mitte zugeordnet seien.
Mit Beschluss vom 1. März 2019 (schriftliche Ausfertigung vom 29. Juli 2019) lehnte der Zulassungsausschuss den Antrag des Klägers auf dieser Grundlage ab.
Hiergegen erhob der Kläger am 21. August 2019 Widerspruch.
Am 25. September 2019 fand vor dem Beklagten eine mündliche Verhandlung statt. Mit Beschluss vom gleichen Tage wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Hierüber informierte die Geschäftsstelle des Beklagten den Kläger telefonisch am 26. September 2019. Eine schriftliche Ausfertigung des Beschlusses erfolgte nicht, da im Hinblick auf eine Entscheidung des Sozialgerichts Berlin vom 19. Februar 2020 (S 83 KA 90/19 – Folgeverfahren zum Urteil des BSG vom 28. Juni 2017, B 6 KA 28/16 R) eine ergänzende Sachverhaltsaufklärung durchgeführt werden sollte.
Daraufhin ermittelte der Beklagte erneut bei der Terminservicestelle zu den Anfragen für verhaltenstherapeutische Leistungen, außerdem bei den Beigeladenen zu 2) bis 4) und 6) und bei der IKK Berlin-Brandenburg zu der Anzahl an genehmigten Kostenerstattungen in den Quartalen III/2019 bis II/2020 für den Zulassungsbezirk Berlin bzw. im Verwaltungsbezirk Mitte sowie zu deren Bewertung, ob ein Sonderbedarf für den Bereich der Verhaltenstherapie vorliege (Schreiben vom 22. Juli 2020). Die Terminservicestelle teilte mit Schreiben vom 4. August 2020 mit, dass Daten zur Art der gewünschten Richtlinientherapie nicht erfasst würden, sondern lediglich – unterteilt nach Kindern und Erwachsenen – eine statistische Erhebung zur psychotherapeutischen Sprechstunde, zur psychotherapeutischen Akutbehandlung und zur Probatorik erfasst werde. In der Zeit von Quartal I/2019 bis II/2020 seien insgesamt 4.064 Terminanfragen für psychologische Psychotherapien erfolgt. Es seien zusammen für Erwachsene und Kinder 15.186 freie Termine von den Behandlern gemeldet worden. 12.616 freie Termine seien für ein Erstgespräch gemeldet worden, für die sich aus der Abklärung ergebende Behandlung seien insgesamt 901 freie Termine gemeldet worden. In 2.487 Fällen sei eine Vermittlung in die Probatorik erfolgt. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung teilte mit Schreiben vom 23. Juli 2020 mit, dass es deutschlandweit im Jahr 2019 insgesamt 156.537 Vermittlungswünsche (psychotherapeutische Sprechstunde, psychotherapeutische Akutbehandlung, Probatorik und allgemeine Termine) bezüglich der Arztgruppe des Klägers gegeben habe, denen 137.699 tatsächliche Vermittlungen gegenüber stünden. Eine Differenzierung bezüglich der Verhaltenstherapie erfolge nicht, da dieses Datum nicht erhoben werde.
Mit Schreiben vom 17. August 2020 „an alle Ärztinnen und Ärzte sowie Psychologischen Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten mit einer Abrechnungsgenehmigung zur Leistungserbringung im Richtlinienverfahren Verhaltenstherapie“ bat der Beklagte um Teilnahme an einer erneuten „Umfrage Sonderbedarf“ über das Online-Portal der Beigeladenen zu 1) bis zum 31. August 2020. Von den 1.128 versandten Fragebögen wurden 184 beantwortet zurückgesandt. 140 Teilnehmer der Umfrage gaben an, zu 81 bis 100 Prozent ausgelastet zu sein. Zusätzliche Kapazitäten lagen bei 62 Antwortenden vor; 179 gaben an, dass der Umfang der zusätzlichen Kapazitäten bei 0 bis 20 Prozent liege. 103 Personen sahen einen zusätzlichen Versorgungsbedarf, 80 Antwortende verneinten die Frage. Die sich aus der Umfrage ergebende durchschnittliche Wartezeit auf einen Termin für ein Erstgespräch betrug 28 Tage. Die Beigeladene zu 1) erstellte auch bezüglich dieser Umfrage ergänzend eine nicht namentliche tabellarische Übersicht (Excel-Tabelle), aus der sich für die Antwortenden die Abrechnungsdaten der Beigeladenen zu 1) sowie die Angaben der einzelnen Antwortenden zu den o.g. Fragen, deren durchschnittliche Fallzahlen für die Quartale II/2019 bis III/2020, ihr Praxissitz (Verwaltungsbezirk) sowie die Durchschnittsfallzahl der Fachgruppe ersehen ließ.
Mit Schreiben vom 12. August 2020 teilte die Beigeladene zu 2) mit, dass sie keine Kostenerstattungsverfahren genehmigt habe. Sie führe eigene Listen mit freien Kapazitäten von Psychotherapeuten und biete für ihre Versicherten die Möglichkeit einer Behandlung im Centrum für Gesundheit. Der Beigeladene zu 6) teilte mit Schreiben vom 24. August 2020 mit, dass in der Gemeinschaft der Ersatzkassen im Jahr 2019 513 Kostenerstattungen für die Bezirke Mitte, Reinickendorf und Friedrichshain-Kreuzberg genehmigt worden seien, davon 234 im Verwaltungsbezirk Mitte. Jedoch hätten nicht alle Ersatzkassen eine Rückmeldung gegeben. Der Beigeladene zu 3) teilte mit Schreiben vom 3. September 2020 mit, dass lediglich einige seiner Mitglieder die Anfrage beantwortet hätten und von diesen insgesamt 108 Anträge auf Kostenerstattung im gesamten Bereich gemeldet worden seien, die man fast alle genehmigt habe. Einige Betriebskrankenkassen würden die Kostenerstattungsverfahren vermeiden durch eine Behandlung im Rahmen von Selektivverträgen. Die Knappschaft teilte mit, dass sie bezüglich der Anfrage keine Daten ermitteln könne. Die Beigeladene zu 4) äußerte sich nicht.
Mit Beschluss vom 30. September 2020 (Ausfertigung vom 25. Februar 2021) hob der Beklagte seinen Beschluss vom 25. September 2019 auf, wies den Widerspruch des Klägers gegen den Beschluss des Zulassungsausschusses vom 1. März 2019 erneut zurück und lehnte seinen Antrag auf Sonderbedarfszulassung sowohl für einen vollen als auch für einen halben Versorgungsauftrag ab. Zur Begründung führte der Beklagte unter anderem aus: In der Gesamtschau der vorgenommenen Bedarfsanalyse ergebe sich kein Sonderbedarf. Aus den Ermittlungen des Zulassungsausschusses lasse sich kein zusätzlicher Bedarf für eine Sonderbedarfszulassung entnehmen. Im Hinblick auf die Ermittlungen des Beklagten komme der Antwort der Terminservicestelle eine besondere Bedeutung zu, da davon auszugehen sei, dass die von den Therapeuten an die Terminservicestelle gemeldeten Kapazitäten realitätsgerecht seien, wohingegen die Angaben bei Umfragen aufgrund von Konkurrenzgedanken verzerrt sein könnten. Es dürfte zu erwarten sein, dass bei einer angespannten Versorgungslage mangels Kapazitäten keine oder nur wenige freie Termine gemeldet würden. Nach den Angaben der Terminservicestelle seien mehr Termine für ein Erstgespräch gemeldet worden als es Anfragen gegeben habe. Auch die befragten Krankenkassenverbände hätten keine Notwendigkeit für eine Sonderbedarfszulassung gesehen. Demgegenüber sei das Ergebnis der Umfrage unter den Therapeuten vor dem Hintergrund der Gefahr subjektiv beeinflusster Antworten geringer zu gewichten. Überdies sei das Ergebnis der Umfrage nicht eindeutig. Immerhin habe ein Drittel der Befragten angegeben, über freie Kapazitäten zu verfügen. Allein aus der Anzahl der Anträge auf Kostenerstattungsverfahren könne nicht auf einen Sonderbedarf geschlossen werden, da die Zahl auch vor dem Hintergrund des Wunsches der Patienten nach einem bestimmten Arzt oder Psychologischen Psychotherapeuten zu verstehen sei. Eine Betrachtung allein des Ortsteiles W oder des Verwaltungsbezirkes Mitte sei nicht vorzunehmen, da bei der gesonderten fachärztlichen Versorgung eine wohnortnahe Versorgung nicht zur Verfügung stehen müsse. Innerhalb Berlins seien fast sämtliche Verwaltungsbezirke innerhalb von 60 Minuten mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar. Einem Sonderbedarf wegen der Behandlung von Geflüchteten stehe eine fehlende spezielle Weiterbildung des Klägers nach der Weiterbildungsordnung entgegen.
Gegen den ihm am 26. Februar 2021 zugestellten Beschluss hat der Kläger am 12. März 2021 mit dem Ziel einer Verurteilung des Beklagten zur Neubescheidung Klage erhoben.
Mit Urteil vom 10. November 2021 hat das Sozialgericht Berlin den Beklagten entsprechend des klägerischen Antrags unter Aufhebung des Beschlusses vom 30. September 2020 in Gestalt des Bescheides vom 25. Februar 2021 verpflichtet, über den Antrag auf Sonderbedarfszulassung zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung an seinem Praxissitz im Umfang eines vollen Versorgungsauftrages unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt: Der Neubescheidungsanspruch des Klägers bezüglich seines Antrages auf Sonderbedarfszulassung ergebe sich aus § 101 Absatz 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V Verbindung mit §§ 36, 37 der Richtlinie über die Bedarfsplanung sowie die Maßstäbe zur Feststellung von Überversorgung und Unterversorgung in der vertragsärztlichen Versorgung (BedarfsplRL). Die Anerkennung eines qualifikationsbezogenen Sonderbedarfs erfordere danach die Prüfung und Feststellung einer bestimmten Qualifikation und die Prüfung und Feststellung eines entsprechenden besonderen Versorgungsbedarfs in einer Region durch den Beklagten. Gemäß § 37 Abs. 2 BedarfsplRL sei eine besondere Qualifikation i.S.v. Abs. 1 anzunehmen, wie sie durch den Inhalt des Schwerpunktes, eine fakultative Weiterbildung oder eine besondere Fachkunde für das Facharztgebiet nach der Weiterbildungsordnung beschrieben sei. Nach der Rechtsprechung des BSG handele es sich bei den psychoanalytisch begründeten Verfahren einerseits und der Verhaltenstherapie andererseits um unterschiedliche Versorgungsbereiche, für die im Falle eines Antrags auf Sonderbedarfszulassung eigenständig eine Bedarfsprüfung vorzunehmen sei. Da sich § 37 Abs. 2 BedarfsplRL bei der Definition der besonderen Qualifikation an den Subspezialisierungen des ärztlichen Weiterbildungsrechts und bei entsprechender Anwendung auf Psychotherapeuten (vgl. § 1 Abs. 3 BedarfsplRL) an den drei Richtlinienverfahren ausrichte, müsse eine besondere Qualifikation, die nicht in Form einer speziellen Weiterbildung oder Subspezialisierung nach der Weiterbildungsordnung ihren Niederschlag gefunden habe, außer Betracht bleiben (Verweis auf BSG, Urteil vom 28. Juni 2017, B 6 KA 28/16 R, Rn. 20 ff. und Urteil vom 23. Juni 2010, B 6 KA 22/09 R, Rn. 30). Bei der Konkretisierung und Anwendung der für die Anerkennung eines Sonderbedarfs maßgeblichen Tatbestandsmerkmale stehe den Zulassungsgremien als sachverständige, gruppenplural zusammengesetzte Gremien ein der gerichtlichen Nachprüfung nur eingeschränkt zugänglicher Beurteilungsspielraum zu (Verweis auf st. Rspr. des BSG, u.a. Urteil vom 13. August 2014, B 6 KA 33/13 R, Rn. 19). Dieser bestehe sowohl bei der Bewertung, Gewichtung und Abwägung der ermittelten Tatsachen als auch bei der schlussfolgernden Bewertung, ob und inwieweit der Versorgungsbedarf bereits durch das Leistungsangebot der zugelassenen Ärzte gedeckt sei oder ob noch ein Versorgungsbedarf bestehe (Verweis auf BSG, Urteil vom 2. September 2009, B 6 KA 34/08 R, Rn. 15 f.; Urteil des Senats vom 23. Oktober 2013, L 7 KA 123/11, Rn. 29 f.). Dabei müssten die Zulassungsgremien ihr Beurteilungsergebnis auf ausreichend fundierte Ermittlungen stützen. Hinsichtlich der Frage, wie weit sie ihre Ermittlungen erstrecken, stehe ihnen hingegen kein Beurteilungsspielraum zu. Vielmehr sei der Umfang der Ermittlungen durch § 21 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) vorgegeben; die Ermittlung des Sachverhalts müsse das nach pflichtgemäßem Ermessen erforderliche Maß ausschöpfen, mithin so weit gehen, wie sich weitere Ermittlungen als erforderlich aufdrängen (Verweis auf Urteil des Senats vom 23. Oktober 2013, L 7 KA 123/11, Rn. 30). Nach der benannten Rechtsprechung des BSG hätten sich die Zulassungsgremien ein möglichst genaues Bild der Versorgungslage im betroffenen Planungsbereich zu machen; entscheidend seien allein reale, nicht hingegen potentielle Versorgungsangebote, die tatsächlich nicht zur Verfügung stünden. Die Befragungen der im Planungsbereich zugelassenen Psychotherapeuten seien nicht allein entscheidend, da deren Äußerungen von subjektiven Einschätzungen und deren individueller Interessenlage beeinflusst sein könnten (Verweis auf BSG, Urteil vom 28. Juni 2017, B 6 KA 28/16 R, Rn. 24f.). Die Ermittlungen der Zulassungsgremien hätten sich auf den hier entscheidenden Bedarf im Richtlinienverfahren der Verhaltenstherapie zu beziehen. Der bestehende Versorgungsgrad allein sei nicht entscheidend, da ein Sonderbedarf ohnehin erst bei Überversorgung relevant werde. Hinweise zum Bedarf könnten insbesondere Wartezeiten für die Behandlung bei Ärzten und Psychotherapeuten geben. Gerade im Bereich der psychotherapeutischen Behandlungen seien jedoch auch die Zahl und der Anteil der bewilligten Kostenerstattungsverfahren für bestimmte Richtlinienverfahren wichtige Hinweise auf einen ungedeckten Bedarf (Verweis auf BSG, Urteil vom 28. Juni 2017, B 6 KA 28/16 R, Rn 28, 30, 33). Der Beklagte habe nach diesen Vorgaben seine Entscheidung nicht beurteilungsfehlerfrei getroffen. Es fehle zum einen bereits an einer ausreichenden Ermittlungsgrundlage für die Entscheidung, zum anderen habe der Beklagte die Gewichtung der ermittelten Ergebnisse entgegen der Rechtsprechung und auch der tatsächlichen Ergebnislage vorgenommen. Der Beklagte habe das reale Versorgungsangebot unzureichend ermittelt. Die von dem Beklagten durchgeführte Umfrage sei angesichts der Antwortquote von 16,31% nicht repräsentativ. Es sei nicht ersichtlich, dass es dem Beklagten nicht möglich wäre, eine höhere Rücklaufquote zu erzielen. Die geringe Rücklaufquote sei bereits durch die Art der Anfrage und die sehr kurz gesetzte Frist zu erklären. Der Beklagte habe es zudem versäumt, die sich aus der Berücksichtigung der Fallzahlenstatistik der antwortenden Ärzte und Psychotherapeuten ergebenden Unstimmigkeiten (angegebene Auslastung unterdurchschnittlich abrechnender Praxen und Angabe von weiteren Kapazitäten bei weit überdurchschnittlich abrechnenden Praxen) weiter zu verifizieren. Er habe sich nicht um eine Aufklärung der Widersprüche bemüht. Vielmehr habe er diesen Umstand allein bei der Gewichtung des Umfrageergebnisses berücksichtigt. Schließlich habe der Beklagte aber auch das Ergebnis der Umfrage nicht zutreffend zusammengefasst. Die Angaben zu zusätzlichen Kapazitäten und zusätzlichem Bedarf hätten gerade nicht bei 50/50 gelegen. Vielmehr seien zusätzliche Kapazitäten überwiegend verneint und ein zusätzlicher Versorgungsbedarf bejaht worden. Beurteilungsfehlerhaft sei auch die Aus- und Bewertung der Angaben zu den Kostenerstattungsverfahren erfolgt. So habe die Beigeladene zu 2) lediglich als Krankenkasse und nicht, wie angefragt, als Verband der Ortskrankenkassen geantwortet. Die eingegangenen Antworten belegten, dass im Planungsbezirk Berlin in erheblichem Umfang Kostenerstattungsverfahren im Bereich Verhaltenstherapie bewilligt würden. Nicht berücksichtigt habe der Beklagte, dass auch der Kläger selbst nachgewiesen habe, dass allein für von ihm behandelte Patienten in den Jahren 2020 und 2021 38 Kostenerstattungsverfahren bewilligt worden seien. Die Bewertung der Bedeutung der Kostenerstattungsverfahren durch den Beklagten als gering stehe nicht mit der Rechtsprechung des BSG im Einklang. Die gegebene Begründung des Beklagten trage die Einschätzung einer geringen Bedeutung nicht. Insbesondere habe der Beklagte nicht belegt, woher er die Informationen habe, dass die Bewilligung der Kostenerstattungsverfahren durch die Krankenkassen sich am Wunsch des Patienten und nicht an den gesetzlich festgelegten Tatbestandsvoraussetzungen des § 13 Abs. 3 SGB V ausrichteten. Zudem verkenne der Beklagte, dass es sich bei einem Kostenerstattungsanspruch aus § 13 Abs. 3 SGB V gerade nicht um eine Ermessensleistung handele. Zu Unrecht habe der Beklagte seine Einschätzung auf die Angaben der Terminservicestelle gestützt. Zwar könne grundsätzlich aufgrund der gesetzlichen Verpflichtung des § 75 Abs. 1a S. 20 SGB V davon ausgegangen werden, dass es sich bei den gemeldeten Kapazitäten um tatsächliche Kapazitäten handele, jedoch ergäben die Angaben keinen Anhaltspunkt für das Richtlinienverfahren, da hiernach nicht unterschieden werde. Überdies erfasse die Terminservicestelle allein die Kategorien Sprechstunde, Akutbehandlung und Probatorik, jeweils getrennt nach Erwachsenen und Kindern und Jugendlichen, und bilde damit gerade nicht die Vermittlung in tatsächliche Therapieplätze ab. Ein Psychotherapeut, der ein Erstgespräch, eine Sprechstunde oder eine Probatorik durchführe, habe nicht zwingend Kapazitäten für eine Therapie. Überdies ergebe sich aus dem Internetauftritt der Terminservicestelle bei der Beigeladenen zu 1), dass eine Vermittlung in die psychotherapeutische Akutbehandlung und Probatorik nur erfolge, wenn diese im Formular PTV 11 verordnet und ein dringender Behandlungsbedarf mit Vermittlungscode festgestellt worden sei. Im Rahmen der Bedarfsprüfung für eine Sonderbedarfszulassung dürfe jedoch nicht allein auf dringliche Fälle abgestellt werden. Schließlich könne auch bei psychotherapeutischen Leistungen nicht auf ganz Berlin als Planungsbereich abgestellt werden, da nach der Rechtsprechung des BSG eine Entfernung von mehr als 25km zwischen Patient und Arzt als nicht zumutbar angesehen werde (Verweis auf BSG, Urteil vom 23. Juni 2010, B 6 KA 22/09 R, Rn. 24). Diese Entfernung sei bei Ausdehnung auf das gesamte Stadtgebiet Berlins jedoch überschritten.
Gegen das ihm am 24. November 2021 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 21. Dezember 2021 Berufung eingelegt.
Er ist der Ansicht, dass die erfolgten Ermittlungen und die Datenlage zu den Kostenerstattungsverfahren keine Zulassung im Rahmen eines Sonderbedarfs begründen könnten. Das Urteil des Sozialgerichts sei widersprüchlich, wenn es einerseits der Umfrage die Repräsentativität abspreche, sodann jedoch die Umfrageergebnisse zur Begründung des Urteils heranziehe. Das Gericht habe nicht ausreichend gewürdigt, dass ein Drittel der Befragten angegeben habe, noch über Kapazitäten zu verfügen und dass ein Fünftel die Auslastung mit 61 bis 80 Prozent beziffert habe. Tatsächlich dürften die freien Kapazitäten noch höher liegen. Die Umfrageergebnisse, die trotz der Rücklaufquote von 16 Prozent repräsentativ seien, deuteten auf ausreichend freie Behandlungskapazitäten hin. Dies ergebe sich auch aus den Angaben der Terminservicestelle. Die Meldung freier Termine gegenüber der Terminservicestelle deute auf freie Kapazitäten für eine Therapie. Fehlerhaft sei der Verweis des Sozialgerichts auf die Entfernung von über 25 km innerhalb Berlins. Der Kläger habe seine Praxis in Wedding. Hiervon sei fast ganz Berlin innerhalb des 25 km-Kreises erfasst. Aus Sicht des Beklagten spreche allein die Anzahl der gemeldeten Kostenerstattungsfälle nicht für einen ungedeckten Versorgungsbedarf. Es sei ein im Rahmen des Beurteilungsspielraums wesentlich zu berücksichtigendes Kriterium, dass Berlin zum 30. Juni 2021 über 2.118,35 Psychotherapeuten verfüge, während die Sollzahl nur 1.211,17 betrage. Andernfalls könne sich das Gesundheitssystem eine aufwändige Bedarfsplanung über den G-BA sparen.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 10. November 2021 aufzuheben und die Klage abzuweisen. Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger hält die angegriffene Entscheidung für zutreffend. Die von dem Beklagten vorgenommene Beurteilung zum Vorliegen eines Sonderbedarfs sei auf eine unzureichende Ermittlung gestützt worden. Die durchgeführte Umfrage sei aufgrund zahlreicher Mängel nicht valide. Bereits das Design der Umfrage, welches lediglich limitierte Antwortmöglichkeiten vorgegeben und keine Freitexteingaben ermöglicht habe, sei zu beanstanden. Der Beklagte habe es zudem einerseits versäumt, unstimmige Angaben der befragten Praxen zu verifizieren und anderseits Unstimmigkeiten angenommen, wo keine bestünden. So sei es nicht unstimmig, wenn eine Praxis angebe, nicht voll ausgelastet zu sein, aber keine weiteren Kapazitäten zu haben. Nach der Rechtsprechung des BSG dürften lediglich potenzielle, aber tatsächlich nicht vorhandene Versorgungsangebote nicht berücksichtigt werden. Der Beklagte habe versäumt aufzuklären, warum nicht voll ausgelastete Praxen die Fragen nach einem weiteren Bedarf verneinen. Soweit der Beklagte den Wert der Umfrage selbst relativiere, tue er dies auf Basis nicht belegter Behauptungen. Unzutreffender Weise habe der Beklagte zudem auf den gesamten Planungsbezirk Berlin abgestellt. Da die Psychotherapeuten der allgemeinen fachärztlichen Versorgung angehörten, sei ein Fahrweg von circa 30 Minuten zumutbar. Innerhalb dieser Zeitspanne sei von der Praxis des Klägers aus nicht ganz Berlin erreichbar. Zu Recht habe das SG bemängelt, dass der Beklagte nur die Beigeladene zu 2) angefragt habe und diese nicht als Verband geantwortet habe. So bleibe unklar, in welchem Umfang andere Ortskrankenkassen Kostenerstattungsverfahren in Berlin genehmigt hätten. Soweit der Beklagte allein auf die Verhältniszahl der Bedarfsplanung abstelle, berücksichtige er überdies deren geschichtlichen Entstehungsgrund nicht ausreichend. Bezugspunkt seien allein alle zum Stichtag 31. August 1999 rechtswirksam zugelassenen Psychotherapeuten gewesen. In Berlin sei zu diesem Zeitpunkt längst nicht über alle Zulassungsanträge der zum 1.1.1999 neu in die vertragsärztliche Versorgung integrierten Gruppe der Psychotherapeuten entschieden gewesen. Dies führe dazu, dass alle später erteilten Zulassungen nicht mitgezählt würden. Auch Ermächtigungen seien nicht berücksichtigt worden. Es sei daher nicht verwunderlich, dass der tatsächliche Versorgungsgrad deutlich über 100 Prozent liege, ohne dass damit eine ausreichende Versorgung einhergehe.
Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.
Die Beigeladene zu 1) ist der Ansicht, dass es die Anforderungen an die Bedarfsermittlung der Zulassungsgremien überspannte, würde man sie verpflichten, nur aufgrund einer vollständigen Beantwortung ihrer Anfragen zu entscheiden. Es sei zu berücksichtigen, dass die Bundesverbände der Krankenkassen über keine Durchgriffsrechte auf ihre Mitglieder verfügten. Da die Kostenerstattungsverfahren auch als Wettbewerbsinstrument eingesetzt würden, sei die Aussicht auf ein vollständiges Bild mehr als gering.
Die Beigeladene zu 2) hat mit Schreiben vom 31. Oktober 2022 mitgeteilt, dass von ihr im Jahr 2019 103, im Jahr 2020 91 und im Jahr 2021 75 Kostenerstattungsverfahren für Behandler in den Postleitzahlengebieten des Verwaltungsbezirkes Mitte genehmigt worden seien. Diese Zahlen seien auch für die weiteren AOK´s aussagekräftig, da die Beigeladene zu 2) die Krankenkasse von über 90 Prozent der Versicherten der Ortskrankenkassen in Berlin sei. Der Kläger verkenne die Aussagen des Bundessozialgerichts. Es sei nicht notwendig, die tatsächliche Sachlage zu ermitteln, sondern es solle lediglich ein möglichst genaues Ergebnis erzielt werden. Entscheidend sei die Ermöglichung einer validen Aussage. Daher seien auch nicht Kostenerstattungen in Einzelfällen für die Beurteilung relevant, sondern Versorgungslücken, die sich als statistisch relevant entweder mit Blick auf ein spezielles Versorgungsangebot auftun oder solche, die sich mit Blick auf eine statistisch relevante Vergleichsgruppe im Vergleich zur Regelversorgung ergäben. Würde jede beliebige Anzahl an Kostenerstattungsfällen, unabhängig von deren statistischer Relevanz gemessen am gesamten Versorgungsgeschehen, einen Versorgungsbedarf begründen, wären die Verhältniszahlen im Planungsbereich Berlin bald hinfällig. Durch die Beigeladene zu 2) seien lediglich 1,6 Prozent der Fälle im Kostenerstattungsverfahren vergütet worden. Ihrer Ansicht nach liege die Vermutung nahe, dass das Überangebot an Psychotherapeuten mit rund 6.000 Pflichtmitgliedern der Berliner Psychotherapeutenkammer die Nachfrage nach diesen künstlich erhöhe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und der Verwaltungsakte Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung war.
Entscheidungsgründe
Der Senat konnte trotz Ausbleibens der Beigeladenen zu 2) bis 6) im Termin zur mündlichen Verhandlung verhandeln und entscheiden, weil diese zum Termin ordnungsgemäß geladen wurden und in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden sind (§§ 110 Abs. 1 Satz 2, 126 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).
Die gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG statthafte sowie nach § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 10. November 2021 ist zulässig, aber unbegründet. Das Sozialgericht hat den Beschluss des Beklagten vom 30. September 2020 (Ausfertigung vom 25. Februar 2021) zu Recht aufgehoben und den Beklagten zur Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts verurteilt.
A. Gegenstand des Verfahrens sind das erstinstanzliche Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 10. November 2021 sowie der Beschluss des beklagten Berufungsausschusses vom 30. September 2020 (schriftliche Ausfertigung vom 25. Februar 2021), mit dem der Beklagte seinen vorherigen Beschluss vom 25. September 2019 aufgehoben, den Widerspruch des Klägers gegen den Beschluss des Zulassungsausschusses vom 1. März 2019 (schriftliche Ausfertigung vom 29. Juli 2019) zurückgewiesen und den Antrag des Klägers vom 19. Dezember 2016 auf Erteilung einer Sonderbedarfszulassung als psychologischer Psychotherapeut im Richtlinienverfahren Verhaltenstherapie abgelehnt hat. Der Beschluss des Zulassungsausschusses vom 1. März 2019 (schriftliche Ausfertigung vom 29. Juli 2019) ist nicht Gegenstand des Verfahrens, weil die materiell-rechtliche Befugnis zur Regelung der Zulassungssache mit der Anrufung des Berufungsausschusses gemäß § 96 Abs. 4 SGB V vollständig auf diesen übergegangen ist und der vom Berufungsausschuss erlassene Verwaltungsakt an die Stelle des vorangegangenen Bescheides des Zulassungsausschusses tritt (st. Rspr.: BSG, Urteil 27. Januar 1993, 6 Rka 40/91, zitiert nach juris, Rn. 13 ff., insb. Rn. 20; zuletzt Urteil vom 19. Juli 2023, B 6 KA 5/22 R, zitiert nach juris, Rn. 16 m.w.N.; Urteile des Senats vom 24. April 2024, L 7 KA 4/22, zitiert nach juris, Rn. 42 und vom 18. Mai 2022, L 7 KA 12/20, zitiert nach juris, Rn. 49).
Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage in Form der Neubescheidungsklage gemäß §§ 54 Abs. 1, 131 Abs. 3 SGG statthaft (vgl. Bayrisches LSG, Beschluss vom 21. Oktober 2024, L 12 KA 16/23, zitiert nach juris, Rn. 86; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 6. November 2019, L 3 KA 19/18, zitiert nach juris, Rn. 20) und auch im Übrigen zulässig.
B. Die Klage ist auch begründet. Der Beschluss des Beklagten vom 30. September 2020 (Ausfertigung vom 25. Februar 2021) ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
I. 1. In Planungsbereichen, für die der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen – wie im einheitlichen Planungsbereich Berlin/Bundeshauptstadt für Psychologische Psychotherapeuten (Beschluss des Landesausschusses vom 8. März 2018, zuletzt bestätigt im Beschluss vom 17. Mai 2024 Nr. 07-2024-LA) – nach § 103 Abs. 1 Satz 2 SGB V aufgrund von Überversorgung Zulassungsbeschränkungen angeordnet hat, sind Zulassungen für die hiervon betroffenen Arztgruppen nur ausnahmsweise möglich.
§ 101 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V bestimmt, dass der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) in Richtlinien Vorgaben für die ausnahmsweise Besetzung zusätzlicher Vertragsarztsitze zu beschließen hat, soweit diese zur Gewährleistung der vertragsärztlichen Versorgung in einem Versorgungsbereich unerlässlich sind, um einen zusätzlichen lokalen oder einen qualifikationsbezogenen Versorgungsbedarf insbesondere innerhalb einer Arztgruppe zu decken. Der G-BA ist der ihm übertragenen Aufgabe zum Erlass konkretisierender Vorgaben in Bezug auf § 101 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V durch die ab 1. Januar 2013 geltenden, zuletzt mit Beschluss vom 16. Mai 2024 (BAnz AT 12.11.2024, B 1) geänderten und am 13. November 2024 in Kraft getreten Regelungen in den §§ 36, 37 Bedarfsplanungsrichtlinie (BedarfsplRL) nachgekommen.
§ 101 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V gewährleistet in Planungsbereichen, in denen die Zulassung u.a. von Psychologischen Psychotherapeuten und -therapeutinnen wegen Überversorgung beschränkt ist, dass angeordnete Zulassungssperren die Berufsausübung nicht unverhältnismäßig beschränken und die Versorgung der Versicherten gewährleistet bleibt. Dies im Einzelnen zu konkretisieren hat der Gesetzgeber in § 101 Abs. 1 Satz 1 SGB V dem G-BA übertragen, der dementsprechend in der BedarfsplRL die Voraussetzungen für solche ausnahmsweisen Zulassungen festgelegt hat. Gegen die Übertragung der Befugnis zur Normkonkretisierung auf den G-BA bestehen keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken, zumal der Gesetzgeber Inhalt, Zweck und Ausmaß der Regelung präzise vorgegeben und damit die wesentlichen Fragen selbst entschieden hat (st. Rspr. BSG, Urteil vom 28. Juni 2000, B 6 KA 35/99 R, zitiert nach juris, Rn. 31; Urteil vom 5. November 2008, B 6 KA 56/07 R, zitiert nach juris, Rn. 14).
Nach § 36 Abs. 1 der BedarfsplRL darf der Zulassungsausschuss unbeschadet der Anordnung von Zulassungsbeschränkungen durch den Landesausschuss dem Zulassungsantrag eines Arztes der betreffenden Arztgruppe auf Sonderbedarf nach Prüfung entsprechen, wenn die in §§ 36 bis 37 BedarfsplRL geregelten Vorausset-zungen erfüllt sind und die ausnahmsweise Besetzung eines zusätzlichen Vertragsarztsitzes unerlässlich ist, um die vertragsärztliche Versorgung in einem Versorgungsbereich zu gewährleisten und dabei einen zusätzlichen lokalen oder einen qualifikationsbezogenen Versorgungsbedarf zu decken. Sonderbedarf ist als zusätzlicher Versorgungsbedarf für eine lokale Versorgungssituation oder als qualifikationsbezogener Versorgungsbedarf festzustellen (Satz 2). Die Feststellung dieses Sonderbedarfs bedeutet die ausnahmsweise Zulassung eines zusätzlichen Vertragsarztes in einem Planungsbereich trotz Zulassungsbeschränkungen (Satz 3). Gemäß § 36 Abs. 2 BedarfsplRL ist die Zulassung aufgrund eines lokalen oder qualifikationsbezogenen Versorgungsbedarfs an den Ort der Niederlassung gebunden. Ein lokaler oder qualifikationsbezogener Sonderbedarf setzt nach § 36 Abs. 4 Satz 3 BedarfsplRL voraus, dass aufgrund der durch den Zulassungsausschuss festzustellenden Besonderheiten des maßgeblichen Planungsbereichs (z.B. Struktur, Zuschnitt, Lage, Infrastruktur, geographische Besonderheiten, Verkehrsanbindung, Verteilung der niedergelassenen Ärzte) ein zumutbarer Zugang der Versicherten zur vertragsärztlichen Versorgung nicht gewährleistet ist und aufgrund dessen Versorgungsdefizite bestehen. Bei der Beurteilung ist den unterschiedlichen Anforderungen der Versorgungsebenen der §§ 11 bis 14 BedarfsplRL Rechnung zu tragen (§ 36 Abs. 4 Satz 4 BedarfsplRL, hausärztliche/ fachärztliche Versorgung). Die Sonderbedarfszulassung setzt außerdem voraus, dass der Versorgungsbedarf dauerhaft erscheint (§ 36 Abs. 5 Satz 1 BedarfsplRL).
Nach § 37 Abs. 1 BedarfsplRL erfordert die Anerkennung eines qualifikationsbezogenen Sonderbedarfs die Prüfung und Feststellung einer bestimmten Qualifikation und die Prüfung und Feststellung eines entsprechenden besonderen Versorgungsbedarfs in einer Region durch den Zulassungsausschuss.
Ausgehend von diesen Grundsätzen liegen die fachlichen Voraussetzungen des § 37 BedarfsplRL im Falle des Klägers vor.
Der Kläger verfügt unstreitig über die besondere Qualifikation i.S. des § 37 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 BedarfsplRL. Eine besondere Qualifikation ist danach anzunehmen, wie sie durch den Inhalt des Schwerpunktes, einer fakultativen Weiterbildung oder einer besonderen Fachkunde für das Facharztgebiet nach der Weiterbildungsordnung beschrieben ist. § 37 BedarfsplRL richtet die besondere Qualifikation eng an den Subspezialisierungen des ärztlichen Weiterbildungsrechts und - bei Psycho-therapeuten - an den drei Richtlinienverfahren aus (BSG, Urteil vom 28. Juni 2017, B 6 KA 28/16 R, juris).Der Kläger hat die Ausbildung psychologische Psychotherapie – Vertiefung: Verhaltenstherapie – mit Erfolg abgeschlossen. Demgemäß hat er in seiner privatärztlichen Praxis seit 2010 einen Schwerpunkt u.a. in Verhaltenstherapie. Diese Therapieform hat er auch in zahlreichen Verfahren der Kostenerstattung für gesetzliche Krankenkassen erbracht, was er durch die mit seinem Antrag eingereichten anonymisierten Kostenerstattungsbewilligungen diverser Krankenkassen belegt hat.
2. Bei der Beurteilung, ob unter Berücksichtigung der besonderen Qualifikation des Klägers im Richtlinienverfahren Verhaltenstherapie ausnahmsweise die Besetzung eines vollen zusätzlichen Sitzes für die vertragspsychotherapeutische Versorgung auch unerlässlich im Sinne der Vorgaben des § 36 Abs. 1 BedarfsplRL ist, um die vertragspsychotherapeutische Versorgung im betroffenen Versorgungsbereich zu gewährleisten und einen zusätzlichen qualifikationsbezogenen Versorgungsbedarf zu decken, steht den Zulassungsgremien ein der gerichtlichen Nachprüfung nur eingeschränkt zugänglicher Beurteilungsspielraum zu. Ausschlaggebend dafür ist der Umstand, dass es sich bei den Zulassungs- und Berufungsausschüssen um sachverständige, gruppenplural zusammengesetzte Gremien handelt, die bei der Entscheidung über das Vorliegen eines besonderen Versorgungsbedarfs eine Vielzahl unterschiedlicher Faktoren zu berücksichtigen und gegeneinander abzuwägen haben(vgl. zum Ganzen BSG, Urteil vom 13. August 2014, B 6 KA 33/13 R, zitiert nach juris, Rn. 17 bis 19; Urteil vom 17. März 2021, B 6 KA 2/20 R, zitiert nach juris, Rn. 20; Urteile des Senats vom 13. November 2019, L 7 KA 31/17, zitiert nach juris, Rn. 34/35 und vom 18. Mai 2022, L 7 KA 12/20, zitiert nach juris, Rn. 61)Der Beurteilungsspielraum erstreckt sich zum einen auf die Bewertung, Gewichtung und Abwägung der ermittelten Tatsachen, zum anderen - und vor allem - auf die schlussfolgernde Bewertung, ob und inwieweit der Versorgungsbedarf bereits durch das Leistungsangebot der zugelassenen Ärzte bzw. Psychotherapeuten gedeckt ist oder ob noch ein Versorgungsbedarf besteht. Soweit die Zulassungsgremien dem Umfang der Leistungserbringung durch die bereits zugelassenen Leistungserbringer oder ihrer Kapazität entscheidende Bedeutung beimessen, muss ihr Beurteilungsergebnis auf ausreichend fundierte Ermittlungen gegründet sein. Ein Beurteilungsspielraum besteht daher nicht bei der Frage, wie weit die Zulassungsgremien ihre Ermittlungen erstrecken. Der Umfang ihrer Ermittlungen ist (allgemein) durch § 21 Abs. 1 SGB X zwingend vorgegeben. Die Ermittlung des Sachverhalts muss das nach pflichtgemäßem Ermessen erforderliche Maß ausschöpfen, d.h. sich so weit erstrecken, wie sich Ermittlungen als erforderlich aufdrängen (BSG, Urteil vom 18. Dezember 2010, B 6 KA 36/09 R, zitiert nach juris, Rn. 18 ff.; Urteil vom 28. Juni 2017, B 6 KA 28/16 R, zitiert nach juris, Rn. 21 ff.; vgl. auch Urteil des Senats vom 18. Mai 2022, L 7 KA 12/20, zitiert nach juris, Rn. 61)Diese Obliegenheit wird speziell für die Zulassungstatbestände durch § 36 Abs. 4 Satz 1 BedarfsplRL konkretisiert. Danach hat der Zulassungsausschuss bei der Ermittlung aller entscheidungsrelevanten Tatsachen eine umfassende Ermittlungspflicht. Dabei stehen ihm zwar grundsätzlich verschiedene Ermittlungsmethoden zur Verfügung. Jene sollten aber, so er sie ergreift, korrekt, umfassend und auch konsequent angewendet werden.
Mit Blick darauf kann die Prüfung und Feststellung eines besonderen Versorgungsbedarfs durch den Zulassungs- wie auch den Berufungsausschuss nicht durch ein Gericht ersetzt werden. Die Gerichte haben jedoch zu prüfen, ob der Zu-lassungs-/Berufungsausschuss seiner Ermittlungspflicht nachgekommen ist, mithin der Entscheidung ein richtig und vollständig ermittelter Sachverhalt zugrunde liegt, ob die Entscheidung verfahrensfehlerfrei erging und ob der Zulassungs-/Berufungsausschuss unzutreffende Rechtsmaßstäbe zugrunde gelegt hat (vgl. Urteil des Senats vom 18. Mai 2022, L 7 KA 12/20, zitiert nach juris, Rn. 63).
II. Gemessen daran kann die Entscheidung des Beklagten keinen Bestand haben. Seine Beurteilung, dass kein Sonderbedarf für Psychologische Psychotherapeuten im Richtlinienverfahren Verhaltenstherapie im Bereich des Praxissitzes des Klägers bestehe, beruht – wie das Sozialgericht Berlin in seinem Urteil zutreffend herausgearbeitet hat – nicht auf einem richtig und vollständig ermittelten Sachverhalt. Die Befragung der gesetzlichen Krankenkassen hat einerseits keine belastbaren Ergebnisse geliefert, deutet andererseits aber durch die hohe mitgeteilte Anzahl an Kostenerstattungsverfahren auf ungedeckten Versorgungsbedarf (unten 1.). Die Ermittlungen des Beklagten haben sich auf einen nicht hinreichend klar bestimmten Einzugsbereich erstreckt (unten 2.). Das im (nicht hinreichend bestimmten) Versorgungsbereich vorhandene Versorgungsangebot wurde nicht tragfähig ermittelt (unten 3.). Aus der Befragung der Terminservicestelle hat der Beklagte keine tragfähigen Schlussfolgerungen gezogen (unten 4.). Ein hoher Versorgungsgrad mit Ärzten bzw. Psychotherapeuten einer Fachgruppe in einem Planungsbereich schließt die Anerkennung eines qualifikationsbezogenen Sonderbedarfs nicht automatisch aus (unten 5.). Der Beklagte wird eine umfassende neue Sachverhaltsermittlung und Neubewertung vorzunehmen haben (unten 6.).
1. Sowohl die vom Zulassungsausschuss vor seiner Entscheidung im Dezember 2018, als auch die von dem Beklagten vor seiner Entscheidung im Juli/August 2020 jeweils durchgeführte Umfrage bei der Arbeitsgemeinschaft der Krankenkassen, bei den Beigeladenen zu 3) und 6) als Landesverbänden ihrer Kassenart und den Beigeladenen zu 2) und 4) zur Anzahl der genehmigten Kostenerstattungsverfahren war im Ergebnis nicht aussagekräftig, so dass der Beklagte sich hierauf nicht entscheidend stützen durfte. Auf die Anfrage des Zulassungsausschusses antworteten nur die Beigeladenen zu 4) und 6). Während die Beigeladene zu 4) Angaben zu den genehmigten Kostenerstattungsverfahren in ganz Berlin machte, gab die Beigeladene zu 6) die Anzahl der Kostenerstattungsverfahren für einige, nicht jedoch für alle Postleitzahlen des Verwaltungsbezirkes Mitte an. So fehlen Angaben zu den Postleitzahlen 10115, 10117, 10119, 10178, 10179, 10551, 10553, 10557, 10559, 10785 und 10787. Auf die Anfrage des Beklagten teilte die Beigeladene zu 6) als Landesverband der Ersatzkassen nunmehr zwar die Anzahl der genehmigten Kostenerstattungsanträge für die Bezirke Reinickendorf, Mitte und Friedrichshain-Kreuzberg (513) sowie speziell für den Verwaltungsbezirk Mitte (234) mit, relativierte die Aussagekraft jedoch durch die Mitteilung, dass nicht alle Ersatzkassen Werte mitgeteilt hätten. Auch der Beigeladene zu 3) konnte als Landesverband der Betriebskrankenkassen die Anzahl an genehmigten Kostenerstattungen nicht für alle seine Mitglieder benennen, die vom ihm mitgeteilte Anzahl an Kostenerstattungen (108) bezog sich auf den ganzen Planungsbereich. Der Beigeladene zu 3) gab zudem an, dass einige seiner Mitglieder Kostenerstattungen durch den Abschluss von Selektivverträgen vermieden hätten. Die Beigeladene zu 2) teilte als Krankenkasse mit, keine Kostenerstattungen genehmigt zu haben. Die Beigeladene zu 4) äußerte sich nicht.
Aus diesen Angaben ergibt sich lediglich, dass in dem Zeitraum von III/2019 bis II/2020 in ganz Berlin mindestens 621 Kostenerstattungsanträge für die Behandlung durch einen psychologischen Psychotherapeuten im Bereich Verhaltenstherapie genehmigt worden sind und hiervon im Verwaltungsbezirk Mitte mindestens 234. Es ergibt sich weder ein genaues Bild zu den genehmigten Kostenerstattungsverfahren im Planungsbereich Berlin, noch ergibt sich ein solches für den Verwaltungsbezirk Mitte. Auch ist nicht erkennbar, ob im Einzugsbereich des Praxissitzes des Klägers ein Sonderbedarf für den Bereich Verhaltenstherapie besteht. Die Unergiebigkeit des Abfrageergebnisses beruht zum Einen auf der konkreten Ausgestaltung der Anfrage des Beklagten, zum anderen auf der fehlenden hinreichenden Mitwirkung einiger Landesverbände der Krankenkassen. Die Anfrage des Beklagten vom 22. Juli 2020 leidet bereits an dem Grundmangel, dass mit dieser einerseits die Beigeladenen zu 3) und 6) als Landesverbände ihrer jeweiligen Kassenart gemäß § 207 SGB V angeschrieben wurden, die übrigen Befragten hingegen als Krankenkassen und nicht zugleich in ihrer jeweiligen Funktion als Landesverband für ihre Kassenart, denn weder der Adressierung noch dem Text der Anfrage lässt sich entnehmen, dass sie als Landesverband angefragt wurden. Dementsprechend fallen auch die Antworten unterschiedlich aus. Ein valides Bild zu dem Umfang von Kostenerstattungsanträgen kann auf dieser Grundlage nicht erzielt werden. Überdies zeigt die im Berufungsverfahren von der Beigeladenen zu 2) als Krankenkasse (in Kenntnis des Urteils des Senats vom 18. Mai 2022, L 7 KA 12/20) nunmehr erstmals mitgeteilte Anzahl von Kostenerstattungsverfahren, dass ihre Mitteilung vom 12. August 2020, sie habe in den Quartalen III/2019 bis II/2020 keine Kostenerstattungsverfahren genehmigt, offensichtlich nicht den Tatsachen entsprach. Denn nunmehr hat sie mit Schreiben vom 31. Oktober 2022 mitgeteilt, dass sie als Krankenkasse für den Verwaltungsbezirk Mitte in den Quartalen III/2019 bis II/2020 93 Kostenerstattungsanträge genehmigt habe.
2. Darüber hinaus ist es beurteilungsfehlerhaft, dass der Beklagte nicht bereits im Vorfeld seiner Ermittlungen zur tatsächlichen Versorgungslage die konkrete Region bestimmt hat, die der Kläger ausgehend von seinem Praxissitz versorgen kann. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 17. März 2021, B 6 KA 2/20 R, zitiert nach juris, dort Rn. 30) und ihm folgend des Senats (Urteil vom 18. Mai 2022, L 7 KA 12/20, juris, Rn. 66) haben die Zulassungsgremien bei der Feststellung von Sonderbedarf gemäß § 36 Abs. 3 Nr. 1 BedarfsplRL zur Feststellung einer unzureichenden Versorgungslage zunächst eine Region abzugrenzen, die vom beantragten Ort der Niederlassung aus versorgt werden soll und die dortige Versorgungslage zu bewerten. Dieser relevante Einzugsbereich der Praxis des Klägers ist nicht identisch mit dem Planungsbereich (hier: ganz Berlin). Nach Lage der Akten ist indessen nicht erkennbar, dass der Beklagte in Ausübung seines Beurteilungsspielraumes bereits zu Beginn seiner Ermittlungen den zu versorgenden Einzugsbereich hinreichend bestimmt hat, denn er hat bei seiner Umfrage bei den Krankenkassen und Krankenkassenverbänden einerseits auf den gesamten Planungsbereich Berlin abgestellt und andererseits auf den Verwaltungsbezirk Mitte. Anhand welcher Kriterien diese Eingrenzung in der Anfrage erfolgt ist, ist unklar. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, a.a.O, Rn. 35) sind zwar für die allgemeine fachärztliche Versorgung, zu der nach § 12 Abs. 1 Nr. 7 BedarfsplRL auch die Psychotherapeuten gehören, Wege von mehr als 25 km generell nicht zumutbar, hieraus folgt jedoch nicht zugleich, dass für die Ermittlung der Versorgungslage stets auf einen Radius von 25 km abzustellen ist. Vielmehr betont das Gericht, dass eine gerichtliche Bestimmung einer festen Obergrenze nicht geboten ist, weil die Entfernung allein keine abschließende Beurteilung der Zumutbarkeit ermöglicht, sondern diese maßgeblich von der konkreten Erreichbarkeit und der Ausgestaltung der Verkehrswege und des öffentlichen Personennahverkehrs bestimmt wird (BSG, Beschluss vom 15. August 2021, B 6 KA 12/12 B, zitiert nach juris, dort Rn. 8). Entscheidend ist eine zumutbare zeitliche Entfernung bei möglichst wohnortnaher Versorgung; es obliegt dem Beklagten zu bestimmen, ob er aufgrund der Gegebenheiten vor Ort oder eines ggf. besonderen Patientenklientels auf die Zurücklegung der Entfernung mittels ÖPNV oder PKW abstellt. Als Orientierung der Zeitgrenze kann auf § 35 BedarfsplRL oder auch auf § 75 Abs. 1a SGB V in Verbindung mit § 6 der Anlage 28 des Bundesmantelvertrages Ärzte (zumutbarer Weg bei Nutzung ÖPNV maximal 30 Minuten länger als der wohnortnächste Leistungserbringer) abgestellt werden. Es ist nicht erkennbar, dass sich der Beklagte bei seinen Ermittlungen seiner Befugnis zur Bestimmung der Kriterien der zumutbaren Erreichbarkeit bewusst war und er die zu versorgende Region anhand dieser bestimmt hat. Insbesondere die Ermittlungen zu den Kostenerstattungsverfahren im Verwaltungsbezirk Mitte lassen hieran Zweifel aufkommen, da nicht erkennbar ist, inwiefern der Einzugsbereich einer Praxis durch die jeweiligen Bezirksgrenzen im Land Berlin bestimmt wird. Gerade die unterschiedliche geographische Ausbreitung der Bezirke lässt erhebliche Zweifel an der Geeignetheit der Bezirksgrenzen zur Bestimmung des Versorgungsgebietes aufkommen. Die konkrete Lage der Praxis des Klägers im Bezirk Mitte, Ortsteil W, zeigt auf, dass die Einbeziehung weiter entfernt gelegener Ortsteile im Bezirk Mitte unter Außerachtlassung dichter gelegener Ortsteile in den angrenzenden Verwaltungsbezirken Reinickendorf, Pankow und Charlottenburg nicht sachgerecht sein kann. Vielmehr ist auch unter Berücksichtigung des städtisch verdichteten Raums allgemein und speziell der Großstadtlage im Planungsbereich Berlin der maßgebliche Einzugsbereich auch durch einen Versorgungsbedarf konkret für Versicherte geprägt, die mit ihren Postleitzahlen nicht nur in einem bzw. dem Verwaltungsbezirk der Praxis angesiedelt sind, sondern in Bezirken, die an ihn angrenzen (vgl. Urteil des Senates vom 18. Mai 2022, L 7 KA 12/20, zitiert nach juris, dort Rn. 66).Die ohne vorherige Bestimmung eines konkreten Versorgungsbereichs für die Praxis des Klägers erfolgte Abfrage des Beklagten zu den Kostenerstattungsverfahren in ganz Berlin und im Verwaltungsbezirk Mitte kann demzufolge auch bei sachgerechter Beantwortung der Anfrage kein valides Bild für die zu beurteilende Frage ergeben. Dass der Beklagte zudem einerseits Krankenkassenverbände und andererseits einzelne Krankenkassen angeschrieben hat, ohne klarzustellen, ob diese als zuständiger Landesverband ihrer Kassenart oder als Krankenkasse antworten sollen, und es zudem versäumt hat, nicht antwortende Adressaten seiner Anfrage an die Erledigung zu erinnern, fällt vor dem Hintergrund der grundsätzlichen Fehlerhaftigkeit der Anfrage nicht mehr ausschlaggebend ins Gewicht. Es untermauert jedoch den Befund, dass der Beklagte den Sachverhalt unstrukturiert und damit fehlerhaft ermittelt hat.
3. Zutreffend hat das Sozialgericht festgestellt, dass der Beklagte auch darüber hinaus das in der maßgeblichen zu versorgenden Region bereits vorhandene reale Versorgungsangebot nicht ausreichend ermittelt hat. Nach der Rechtsprechung des BSG ist es geboten, die im Versorgungsbereich zugelassenen Ärzte und Psychotherapeuten nach Leistungsangeboten und Aufnahmekapazitäten zu befragen (BSG, Urteil vom 28. Juni 2017, B 6 KA 28/16 R, zitiert nach juris, Rn. 23 und 31). Vorliegend fehlt es an Ermittlungen des Beklagten, aus denen der Schluss gezogen werden könnte, dass die bereits zugelassenen Psychotherapeuten im Rahmen der Verhaltenstherapie ihren Versorgungsauftrag auch tatsächlich erfüllten.
So gab sich der Beklagte mit den Ergebnissen der von ihm veranlassten Sonderbe-darfsumfrage aller im Planungsbereich Berlin niedergelassenen Psychotherapeuten im Bereich Verhaltenstherapie zufrieden, die ihrerseits auf Angaben von nur 16,3 % der Befragten beruhten. Nach Ansicht des Senates sind die Ergebnisse der Sonderbedarfsumfrage nicht repräsentativ und können daher der Beurteilung nicht zugrunde gelegt werden. Datenerhebungen sind repräsentativ, wenn sie es ermöglichen, aus einer kleinen Stichprobe Aussagen über eine wesentlich größere Menge (Grundgesamtheit) zu treffen. Die Größe der zu ziehenden Stichprobe hängt vom gewünschten Grad der Genauigkeit der statistischen Schlüsse ab. Die Größe allein ist dabei jedoch noch kein Garant für „repräsentative“ Ergebnisse. Für die Repräsentativität einer Umfrage ist vielmehr eine Summe an Faktoren ausschlaggebend. So ist für eine repräsentative Stichprobe entscheidend, ob sie in ihrer Zusammensetzung und in der Struktur der relevanten Merkmale der Grundgesamtheit möglichst ähnlich ist (Urteil des Senats vom 18. Mai 2022, L 7 KA 12/20 R, zitiert nach juris, dort Rn. 71). Um die Repräsentativität der Umfrage bewerten zu können, ist es daher notwendig zu wissen, welche Psychotherapeuten auf die Sonderbedarfsumfrage geantwortet haben (solche mit vollem oder hälftigem Versorgungsauftrag) und ob die Gruppe der Antwortenden der Grundgesamtheit aller zugelassenen Psychotherapeuten entspricht. Ersteres, also die Merkmale der Antwortenden, ließ sich zwar anhand der anonymisierten Abrechnungsdaten noch ermitteln (Excel-Tabellen des Beklagten in der Verwaltungsakte). Nicht zu entnehmen ist den Daten aber, ob die Antwortenden mit ihren Merkmalen und dem zahlenmäßigen Verhältnis zueinander der Grundgesamtheit entsprachen. Freie Kapazitäten lassen sich zudem bei einer Teilmenge der Befragten nur aufgrund einer Hochrechnung ermitteln. Aufgrund der benannten Unsicherheiten ist die Aussagekraft, was die Ermittlung der realen freien Kapazitäten angeht, aber sehr begrenzt, wenn nicht sogar gänzlich zweifelhaft. Dies gilt zumindest dann, wenn auf Grundlage der Umfrage eine nur rechnerische Hochrechnung stattfindet, wie sie der Beklagte vorgenommen hat.
Auch aus den von der Beigeladenen zu 1) übersandten Zahlen zu dem statistischen Versorgungsgrad lässt sich das reale Versorgungsangebot nicht zuverlässig ermitteln. Zwar hat der Beklagte neben der subjektiven Einschätzung der Befragten zu ihrer Praxisauslastung und den freien Kapazitäten auch bei der Beigeladenen zu 1) Daten wie die tatsächliche durchschnittliche Fallzahl in den Quartalen II/2019 bis III/2020 im Vergleich zum Fachgruppendurchschnitt sowie den individuellen Versorgungsauftrag ermittelt. Unklar ist jedoch bereits, anhand welcher Daten der Fachgruppendurchschnitt ermittelt wurde. Dies kann den vorliegenden Unterlagen nicht entnommen werden. Auch ergibt sich nicht, was Grundlage der Einschätzung war, dass der Versorgungsauftrag vollständig erfüllt wurde. In der maßgeblichen Excel Tabelle wird allein die Fallzahl erhoben und mit dem Fachgruppendurchschnitt verglichen. Wie der Senat jedoch bereits entscheiden hat (Urteil vom 18. Mai 2022, L 7 KA 12/20, zitiert nach juris, dort Rn. 72) kann der Durchschnitt der Fallzahlen, zumindest für die Psychotherapeuten, nicht als Parameter dafür dienen, ob und inwieweit die Leistungserbringer ihren Versorgungsauftrag zu 100 Prozent erfüllen. Will der Beklagte darauf seinen Ermittlungsansatz für die freien Kapazitäten stützen, so ist das fehlerhaft. Nach § 95 Abs. 3 Satz 1 SGB V bewirkt die Zulassung, dass Vertragsärzte sowie Vertragspsychotherapeuten zur vertragsärztlichen Versorgung im Umfang ihres aus der jeweiligen Zulassung folgenden zeitlich vollen oder hälftigen Versorgungsauftrags verpflichtet werden (BSG, Urteil vom 17. März 2021, B 6 KA 2/20 R, Rdnr. 31). Der Versorgungsauftrag ist damit ein vorgeschriebener Umfang, ein „Sollen“, kein bloßes Sein. Dabei steht für den Umfang eines vollen Versorgungsauftrags eine taugliche Messzahl zur Verfügung. Die Mindestsprechstundenzahl für Ärzte und die Gruppe der Psychotherapeuten lag bis zur Änderung des § 19a Abs. 1 Satz 2 Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) durch das TSVG ab dem 31. August 2019 bei wöchentlich 20 Stunden, seither bei mindestens 25 Stunden pro Woche bei vollem Versorgungsauftrag. Knüpft mithin die Einschätzung der Erfüllung des Versorgungsauftrages allein an eine bestehende Behandlungsfallzahl an, findet dies keine normative Basis. Sie beruht damit selbst auf einer bloßen Annahme.
Schließlich ist nicht erkennbar, dass der Beklagte auf Basis dieser Angaben eine Auswertung der Daten und eine Beurteilung ihrer Validität vorgenommen hat. Denn bereits aus der Tabelle selbst ist auffällig, dass es Praxen gibt, die mitunter die dreifache Fallzahl des Fachgruppendurchschnitts aufweisen, aber angeben, noch Versorgungskapazitäten zu haben. Andere wiederum haben Fallzahlen oberhalb des Durchschnitts und geben freie Kapazitäten von 50 Prozent an. Ebenso finden sich Praxen, die weit unterdurchschnittliche Fallzahlen aufweisen, jedoch angeben, keine weiteren Kapazitäten zu haben. Der Beklagte hat es versäumt, diese offensichtlichen Widersprüche durch Nachfragen aufzuklären. Ggf. hätten sich diese aber auch durch ein anderes Abfragedesign mit der Möglichkeit erklärender Textfelder vermeiden lassen. Jedenfalls hat der Beklagte in seiner Umfrage nicht nach Gründen unterschiedlicher Auslastungen gefragt. So ergibt sich bereits aus den Angaben der Beigeladenen zu 3) ein Hinweis auf bestehende Selektivverträge, mit denen der Versorgungsbedarf habe abgedeckt werden können. Im Hinblick darauf, dass Vertragspartner solcher Verträge zugelassene Leistungserbringer sind (§ 140a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 SGB V), liegt es nahe, dass ihre Teilnahme an den Selektivverträgen Auswirkungen auf ihre Auslastung und ggf. den Umfang der Erfüllung ihres Versorgungsauftrags im Übrigen haben kann. Der Beklagte hat es versäumt, durch Nachfrage bei den Krankenkassen Behandlungszahlen bezüglich der Selektivverträge im Bereich Verhaltenstherapie für den Einzugsbereich anzufordern. Dies wäre zur kritischen Würdigung der Sonderbedarfsumfrage notwendig gewesen.
4. Darüber hinaus liegt auch in der Bewertung der Angaben der Terminservicestelle durch den Beklagten eine nicht tragfähige Sachverhaltsermittlung. Zutreffend hat das Sozialgericht darauf hingewiesen, dass die Terminservicestelle nach § 75 SGB V in Verbindung mit § 2a Anlage 28 des Bundesmantelvertrages Ärzte im Bereich der psychotherapeutischen Versorgung lediglich Termine für ein Erstgespräch im Rahmen der psychotherapeutischen Sprechstunde gemäß § 11 Psychotherapie-Richtlinie, Termine für eine sich aus Nr. 1 ergebende zeitnahe Akutbehandlung gemäß § 13 der Psychotherapie-Richtlinie sowie Termine für die sich aus der Abklärung nach Nr. 1 ergebenden probatorischen Sitzungen gemäß § 12 der Psychotherapie-Richtlinie vermittelt, nicht jedoch für eine notwendige Psychotherapie selbst. Diesen Umstand hat der Beklagte nicht hinreichend gewürdigt. Vielmehr geht bereits die Annahme des Beklagten fehl, dass sich aus einer von einem Psychotherapeuten gemeldeten freien Kapazität für die psychotherapeutische Sprechstunde an die Terminservicestelle zugleich die Kapazität für eine psychotherapeutische Behandlung ergibt. Wäre dies so automatisch anzunehmen, hätte es der Regelung des § 2a Abs. 2 Nr. 2 und 3 Anlage 28 BMV-Ä nicht bedurft, denn diese setzt zwingend voraus, dass es ein Erstgespräch im Rahmen einer psychotherapeutischen Sprechstunde gab. Der Beklagte verkennt insoweit bereits den Sinn und Zweck der psychotherapeutischen Sprechstunde. Dieser liegt gemäß § 11 Psychotherapie-Richtlinie in der Abklärung, ob ein Verdacht auf eine krankheitswertige Störung vorliegt und weitere fachspezifische Hilfen im System der Gesetzlichen Krankenversicherung notwendig sind. Die Mitteilung eines freien Termins in der psychotherapeutischen Sprechstunde lässt damit gerade noch nicht auf vorhandene Kapazitäten für eine notwendige Probatorik und die sich daran anschließende Psychotherapie gemäß § 15 Psychotherapie-Richtlinie schließen, zumal gemäß § 11 Abs. 12 Psychotherapie-Richtlinie eine Personenidentität der Psychologischen Psychotherapeuten bei der psychologischen Sprechstunde und einer anschließenden Behandlung nicht erforderlich ist. Zu berücksichtigen ist insoweit auch, dass die Psychologischen Psychotherapeuten gemäß § 11 Abs. 13 der Psychotherapie-Richtlinie bei vollem Versorgungsauftrag pro Woche mindestens 100 Minuten Sprechstunde anzubieten haben und gemäß § 75 Abs. 1a Satz 20 SGB V verpflichtet sind, freie Termine zu benennen. Aufgrund der Vielgestaltigkeit der Aufgaben eines Psychologischen Psychotherapeuten erscheint es daher denkbar, dass dieser zwar aufgrund der rechtlichen Vorgaben freie Sprechstundenzeiten meldet, gleichwohl keine Kapazitäten für eine anschließende therapeutische Behandlung der festgestellten Erkrankung hat. Nach der Studie der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) „Ein Jahr nach der Reform der Psychotherapie-Richtlinie: Wartezeiten 2018“ vom 11. April 2018 (welche dem Beklagten ausweislich der Verwaltungsakte bei seiner Entscheidung vorlag) müssen sich 51,9 Prozent der Patienten, bei der die diagnostische Abklärung in der Sprechstunde ergab, dass eine Richtlinienpsychotherapie notwendig ist, einen anderen Psychotherapeuten suchen (S. 12). Woher daher die hiervon abweichende Erkenntnis des Beklagten stammt, dass von der Meldung freier Sprechstundentermine an die Terminservicestelle zugleich auf freie Kapazitäten bezüglich der Behandlung mittels Richtlinientherapie geschlossen werden könne, ist aus der vorliegenden Verwaltungsakte nicht ersichtlich. Etwaige klärende Ermittlungen des Beklagten zur Verifizierung seiner Annahme, wie zum Beispiel im Rahmen einer Umfrage bei den Leistungserbringern, sind nicht erfolgt. Überdies ist zu berücksichtigen, dass die Angaben der Terminservicestelle keine Aussagekraft speziell zum Richtlinienverfahren Verhaltenstherapie besitzen. Für eine etwaige Berücksichtigung der undifferenzierten Angaben der Terminservicestelle hätte es zumindest einer ergänzenden Erhebung dahingehend bedurft, wie viele der im relevanten Versorgungsbereich der klägerischen Praxis zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Psychologischen Psychotherapeuten im Bereich der Verhaltenstherapie mit welchem Versorgungsumfang zugelassen sind.
Im Gesamtbild hat der Beklagte die Angaben der Terminservicestelle, die Angaben der befragten Psychotherapeuten und die Anzahl der genehmigten Kostenerstattungsfälle in kein tragfähiges Verhältnis gesetzt. Die mögliche Deckung des Bedarfs für Erstvorstellung, Akutsprechstunde und die Probatorik im Dringlichkeitsfall gibt keinen direkten Hinweis auf eine Bedarfsdeckung auch hinsichtlich Probatorik im Normalfall und psychotherapeutische Behandlung nach § 15 Psychotherapie-Richtlinie. Auf letztere jedoch beziehen sich in der Regel die Kostenerstattungen. Bei der Beurteilung der Aussagekraft der mitgeteilten genehmigten Kostenerstattungen ist der Beklagte darüber hinaus in offensichtlicher Verkennung der Rechtslage davon ausgegangen, dass den Krankenkassen bei der Entscheidung hierüber ein Ermessen zukomme. Die auf Basis dieser Annahme vorgenommene geringe Gewichtung der Anzahl an Kostenerstattungsfällen ist daher nicht tragbar. Das ebenfalls vorgebrachte Argument, die Kostenerstattungen seien dem Umstand geschuldet, dass die Versicherten nur bei einem bestimmten Psychologischen Psychotherapeuten behandelt werden wollten, ist durch nichts belegt und darf daher nicht in die Beurteilung einbezogen werden.
5. Die im Berufungsverfahren geäußerte Auffassung des Beklagten, dass er im Rahmen seines Beurteilungsspielraums allein aus der tatsächlichen Anzahl der in Berlin zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung zugelassenen Psychologen in Relation zur Sollzahl auf einen fehlenden zusätzlichen Versorgungsbedarf schließen dürfe, steht nicht im Einklang mit der Rechtsprechung des BSG; danach schließt ein hoher Versorgungsgrad mit Ärzten bzw. Psychotherapeuten einer Fachgruppe in einem Planungsbereich die Anerkennung eines qualifikationsbezogenen Sonderbedarfs grundsätzlich nicht aus; maßgebend ist die tatsächliche Versorgungslage bezogen auf die spezielle Qualifikation, für die die Sonderbedarfszulassung begehrt wird (Urteil vom 28. Juni 2017, B 6 KA 28/16 R, Leitsatz).
Die Annahme des Beklagten könnte allenfalls dann zutreffend sein, wenn nachweislich auch hinsichtlich der Verhaltenstherapie eine Überversorgung besteht bzw. wenn innerhalb der zugelassenen Leistungserbringer die verschiedenen Richtlinienverfahren gleichmäßig vertreten sind. Ohne Ermittlung der Anzahl der in den jeweiligen Richtlinienverfahren zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Leistungserbringer (inkl. Versorgungsumfang) fehlt dieser Annahme jedoch jegliche Grundlage.
6. Im Rahmen seiner Neubescheidung wird der Beklagte daher zunächst im Rahmen des ihm obliegenden Beurteilungsspielraums anhand vorab festgelegter Kriterien den konkreten Einzugsbereich der klägerischen Praxis zu bestimmen und für diesen sodann die tatsächliche Versorgungslage mit zugelassenen Psychologischen Psychotherapeuten im Richtlinienverfahren Verhaltenstherapie systematisch und strukturiert zu ermitteln haben.
Eine besondere Rolle wird in diesem Zusammenhang der Mitwirkung der Beigeladenen zu 1. zukommen, die nach dem Abrechnungsverhalten der im Einzugsbereich der klägerischen Praxis vertragspsychotherapeutisch zugelassenen Psychologen (Richtlinienverfahren Verhaltenstherapie) zu befragen ist. Aus der Analyse des Abrechnungsverhaltens kann darauf geschlossen werden, inwieweit die bereits zugelassenen Therapeuten ihren Versorgungsauftrag erfüllen und ob sie gegebenenfalls noch über freie Kapazitäten verfügen – oder ob sie ausgelastet sind. Hierfür werden Richtwerte für die vollständige Erfüllung eines vollen Versorgungsauftrages zu bilden und mit dem tatsächlichen Abrechnungsverhalten der zugelassenen Therapeuten abzugleichen sein.
Mit der Umfrage bei den im zuvor bestimmten Versorgungsbereich zugelassenen Psychologischen Psychotherapeuten dürfte neben den Wartezeiten für Sprechstunde, Probatorik und Psychotherapie auch zu ermitteln sein, in wie vielen Fällen auf die Sprechstunde eine anschließende Behandlung beim gleichen Leistungserbringer folgt (Probatorik und Psychotherapie). Die Ergebnisse der Umfrage sind ggf. durch Nachfragen zu verifizieren; verbliebene unplausible Angaben sind in die Bewertung nicht mit einzubeziehen. Der Beklagte hat offenzulegen, anhand welcher Parameter er die Erfüllung des Versorgungsauftrages durch die im Versorgungsbereich zugelassenen Psychologischen Psychotherapeuten bestimmt und wie er diese ermittelt. Zur Ermittlung der Repräsentativität des Umfrageergebnisses sind Daten zur Gesamtgruppe der Befragten hinsichtlich des Versorgungsumfanges zu erheben und mit der Gruppe der Antwortenden zu vergleichen.
Bezüglich der Anfrage bei den Krankenkassen wird der Beklagte ebenfalls den Versorgungsbereich, für den er den Sachverhalt ermittelt, klar zu benennen haben; die Fragen sind so präzise wie möglich zu formulieren und es ist darauf zu achten, wer in welcher Funktion angeschrieben wird (einzelne Krankenkassen oder Krankenkassenverbände). Die jeweils Angefragten sind auf die Obliegenheit ihrer Mitwirkung zum Zwecke einer tragfähigen Bedarfsanalyse hinzuweisen. Bei unklaren oder ungenauen Antworten wird der Beklagte auf eine Präzisierung und bei säumigen Adressaten auf eine Erledigung der Anfrage hinzuwirken haben. Sodann hat der Beklagte das Ergebnis seiner Ermittlungen zunächst objektiv darzustellen, um im Anschluss hieran eine nachvollziehbare Bewertung unter Berücksichtigung des ihm obliegenden Beurteilungsspielraums vorzunehmen. Dabei wird der Beklagte auch die unterschiedliche Bedeutung der psychologischen Sprechstunde sowie der Akutsprechstunde im Vergleich zu Probatorik und zur psychotherapeutischen Behandlung für die Frage der Notwendigkeit einer Sonderbedarfszulassung zu würdigen haben.
Die erheblichen praktischen Schwierigkeiten, in Berlin einen Psychologischen Psychotherapeuten zu finden, der hinreichend zeitnah einen Therapieplatz anbieten kann und zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung abrechnen darf, sind gerichtsbekannt und wurden im Verlauf der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auch vom Vorsitzenden des Beklagten nicht in Abrede gestellt. Der Senat sieht gravierende Anhaltspunkte für eine tatsächliche Unterversorgung im streitgegenständlichen Versorgungsbereich und gründet dies vor allem auf die erhebliche Anzahl durchgeführter Kostenerstattungsverfahren; diese Anzahl liegt im mittleren dreistelligen Bereich und ist – für sich genommen – nur durch eine nennenswerte Anzahl von Therapeuten mit vollem Versorgungsauftrag zu bewältigen. Der Beklagte wird der offenbar bestehenden Tendenz entgegen zu wirken haben, dass über sehr zahlreiche Bewilligungen von Kostenerstattungsverfahren auf Seiten der psychologischen Psychotherapeuten gleichsam Schattenzulassungen entstehen, die sich jenseits des eigentlichen Systems der vertragspsychotherapeutischen Versorgung bewegen. Für diese Art der Schattenzulassung steht der Kläger, der weit überwiegend Patienten der gesetzlichen Krankenversicherung im Wege der Kostenerstattung psychotherapeutisch behandelt; es spricht nach derzeitiger Sachlage viel dafür, dass er einen Anspruch auf Aufnahme in das System der vertragspsychotherapeutischen Versorgung besitzt. Angesichts all dessen obliegt es dem Beklagten, die tatsächliche Versorgungslage besonders sorgfältig und kritisch aufzuklären.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 2 und 3, 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).