Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 26. April 2024 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Klägerin begehrt von der beklagten Krankenkasse die Erstattung von Kosten in Höhe von 2.500 Euro für die Behandlung einer transsphinktären Analfistel nach der ayurvedischen Ksharsutra-Methode.
Die geborene, im Behandlungszeitraum bei der Beklagten versicherte Klägerin wurde zunächst mehrfach – teils stationär – wegen einer chronischen rektovaginalen Fistel behandelt. Am 10. Februar 2014 erfolgte stationär eine Auflösung dieser Fistel mittels einer MARTINEZ-Plastik (Arztbrief des H-K B vom 11. Februar 2014).
Im Rahmen einer weiteren stationären Krankenhausbehandlung vom 2. April 2014 bis zum 3. April 2014 wurde Folgendes ärztlich festgestellt (Arztbrief des H-K B vom 3. April 2014): „Die stationäre Aufnahme der Patientin erfolgte […] bei anhaltender putrider Sekretion bei Zustand nach einem operativen Verschluss einer rektovaginalen Fistel. […] Es erfolgte eine Rektoskopie und eine Vaginoskopie. Hier konnte eine rektovaginale Fistel ausgeschlossen werden. Stattdessen wurde eine submuskös gelegene Perianalfistel bei 12 Uhr in SSL gesehen […]“.
Nach erneuter stationärer Aufnahme am 6. Juni 2014 wurde diese Analfistel nach Farbmarkierung als transsphinktäre Analfistel klassifiziert und mit einem Gore Fistelplug operativ versorgt (Arztbrief des H-K B vom 6. Juni 2014). Der Fistelplug ging jedoch verloren. Hinsichtlich der weiteren Fistelversorgung wurde der Klägerin empfohlen, sich nach vier Wochen erneut im Krankenhaus vorzustellen (Arztbrief des H-K B vom 30. Juni 2014).
Mit Schreiben vom 11. September 2014 beantragte der Facharzt für Chirurgie Dr. Z die Übernahme der Kosten eines Laserverschlusses der transsphinktären Analfistel. Die Behandlung dieser Fistel könne durch verschiedene Operationen erfolgen. Neben den hohen Kosten der stationären Behandlung bestehe das Problem dieser Operationen in der Gratwanderung zwischen einem möglichen Fistelrezidiv oder einer Schädigung des Schließmuskels. Werde die Fistel hundertprozentig beseitigt, bestehe eine große Gefahr einer Schließmuskelschädigung mit nachfolgender Stuhlinkontinenz. Bei den bisher üblichen schließmuskelschonenden Verfahren liege die Rezidivquote bei über 50 Prozent. Er könne alternativ in einer ambulanten Operation einen Fistel-Laserverschluss durchführen. Die Klägerin unterzog sich – soweit ersichtlich erfolglos – auch dieser Operation.
Am 5. Dezember 2014 ließ die Klägerin die transsphinktäre Analfistel bei Dr. M in Ö nach der ayurvedischen Ksharsutra-Methode behandeln, bei der die Analfistel mit einem ayurvedischen Kräuterfaden durchzogen wird, der zur spontanen Heilung des Fistelgangs führen soll. Für den Eingriff stellte Dr. M mit Privat-Honorarnote vom gleichen Tag 700 Euro in Rechnung.
Mit Schreiben an die Beklagte vom 17. Dezember 2014 beantragte die Klägerin die Übernahme der Kosten für die Behandlung der transsphinktären Analfistel nach der Ksharsutra-Methode bei Dr. M. Ihr Leidensweg sei ein langer. Sie sei im vergangenen Jahr sechs Mal ohne den gewünschten Erfolg operiert worden. Da die Fistel durch den Schließmuskel führe, sei eine einfache Spaltung nicht möglich. Jeder Versuch, diese Fistel chirurgisch zu spalten, könne eine Inkontinenz zur Folge haben. Da ihr mehrere Mediziner aufgrund der Lage der Fistel vom Durchtrennen des Schließmuskels abgeraten hätten, habe sie sich auf die Suche nach einer anderen Methode zum Verschluss der Analfistel gemacht und die Ksharsutra-Methode ausfindig gemacht. Bei dieser Methode werde die Analfistel nicht gespalten, sondern es werde ein alkalisierter, mit heilenden Kräutern angereicherter Faden in den Analkanal eingeführt, der zur spontanen Heilung des Fistelgangs führe. Die gefürchtete Stuhlinkontinenz sei mit dieser Methode ausgeschlossen. In Indien würden Analfisteln ausschließlich mit dieser Methode behandelt. Die Behandlung werde von Dr. M in Ö durchgeführt. Es sollten alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, bevor eine Operation durchgeführt werde, die den Schließmuskel langfristig schädigen könne. Bei ihr seien drei Sitzungen bzw. drei Fäden erforderlich. Die Kosten für das Einsetzen jedes Fadens lägen bei 700 Euro.
Mit Bescheid vom 18. Dezember 2014 lehnte die Beklagte die Übernahme von Kosten der Behandlung der Analfistel nach der Ksharsutra-Methode ab. Bei dieser Behandlungsmethode handele es sich um eine neue Behandlungsmethode, die vom Gemeinsamen Bundesausschuss noch nicht bewertet worden sei. Die Kosten könnten auch nicht ausnahmsweise nach § 2 Abs. 1a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) übernommen werden.
Am 19. Dezember 2014 und 16. Januar 2015 sowie – nach den Angaben der Klägerin – am 30. Januar 2015 und 13. März 2015 unterzog sich die Klägerin jeweils erneut Behandlungen bei Dr. M nach der Ksharsutra-Methode. Für die Behandlungen am 19. Dezember 2014 und 16. Januar 2015 stellte Dr. M der Klägerin mit taggleichen Privat-Honorarnoten wiederum jeweils 700 Euro in Rechnung. Für die Eingriffe am 30. Januar 2015 und 13. März 2015 rechnete Dr. M nach den Angaben der Klägerin jeweils 200 Euro ab.
Mit Schreiben vom 1. Januar 2015 erhob die Klägerin Widerspruch gegen den Bescheid vom 18. Dezember 2014. Sie teilte mit: Eine rektovaginale Fistel und dann eine transsphinktäre Analfistel verliefen sicherlich nicht regelmäßig tödlich. Lebensbedrohend seien sie dennoch. Ihr Leben habe sich dadurch, dass monatelang Stuhl durch die Vagina und danach durch den Damm ausgetreten sei, dramatisch verändert. Ihre private Beziehung sei dadurch in die Brüche gegangen und sie habe ihren Arbeitsplatz verloren. Die transsphinktäre Analfistel habe sich in der Wunde am Damm gebildet. Im Juni 2014 sei erfolglos versucht worden, diese Fistel mit einem Plug zu verschließen. Es sei dann eine erneute Operation vorgesehen gewesen, bei der die Fistel chirurgisch gespalten worden wäre und der Schließmuskel durchtrennt und wieder vernäht hätte werden müssen. Bei transsphinktären Fistelspaltungen könne eine höhergradige Inkontinenz die Folge sein, vor allem beim Durchtrennen von zuviel Schließmuskel. Eine Inkontinenz könne sich ggf. aber auch erst nach einigen Jahren einstellen. Ihr sei von mehreren Ärzten abgeraten worden, den Schließmuskel durchtrennen zu lassen. Die Kräuterfadendrainage habe weltweit Anerkennung bei der Behandlung von Analfisteln erhalten.
Die Beklagte bat den Medizinischen Dienst (MD) um Stellungnahme. Der MD kam zu dem Ergebnis (sozialmedizinisches Gutachten vom 16. Januar 2015), dass die Voraussetzungen für eine Kostenübernahme nicht vorlägen. Es gehe um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode. Die Kosten könnten auch nicht ausnahmsweise übernommen werden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 7. Mai 2015 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie verwies auf die Stellungnahme des MD. Abgesehen davon sei die Beklagte erst nach der Behandlung informiert worden. Sie habe deshalb keine Möglichkeit gehabt, über die Rechtslage und Behandlungsalternativen aufzuklären. Bereits dies stehe der Kostenübernahme entgegen.
Mit Schreiben vom 23. Dezember 2019 beantragte die Klägerin die Überprüfung des Bescheides vom 18. Dezember 2014 gemäß § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Sie habe einen Anspruch gegen die Beklagte auf Erstattung der durch die Behandlung bei Dr. M entstandenen Kosten. Die Behandlung sei erfolgreich verlaufen. Sie habe zur Beseitigung der Fistel geführt. Ihre Erkrankung sei zumindest wertungsmäßig mit einer lebensbedrohlichen Erkrankung vergleichbar gewesen. Bei jeder neuen Operation habe die Gefahr eines künstlichen Darmausgangs im Raum gestanden. Sie hätte ihr Leben dann nicht mehr als lebenswert angesehen. Sämtliche konventionellen Behandlungsmethoden seien erfolglos gewesen. Die Behandlung durch Dr. M habe eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Erfolg geboten. Sie sei auch tatsächlich erfolgreich gewesen.
Die Beklagte teilte der Klägerin mit Schreiben vom 21. Januar 2020 mit, dass die Entscheidung vom 18. Dezember 2014 bestehen bleibe.
Den dagegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19. November 2020 mit der Begründung zurück, dass die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1a SGB V nicht vorlägen.
Am 4. Dezember 2020 hat die Klägerin vor dem Sozialgericht Berlin Klage erhoben. Sie hat die Kosten der Behandlung bei Dr. M in Höhe von 2.500 Euro geltend gemacht und zur Begründung im Wesentlichen das Vorbringen aus den Verwaltungsverfahren wiederholt.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 26. April 2024 abgewiesen. Die Klägerin könne die Rücknahme des Bescheides vom 18. Dezember 2014 nicht verlangen. Es bestehe hinsichtlich der Analfistelbehandlung nach der Ksharsutra-Methode kein Sachleistungsanspruch, da es sich um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode handele, die nicht als vertragsärztliche Leistung zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden dürfe. Die Klägerin könne sich auch nicht auf § 2 Abs. 1a SGB V berufen. Sie habe weder an einer lebensbedrohlichen noch an einer gleichwertigen Erkrankung gelitten. Es lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass es aufgrund des Analfistelleidens innerhalb eines kürzeren, überschaubaren Zeitraums mit großer Wahrscheinlichkeit zu einem nicht mehr kompensierbaren Verlust eines wichtigen Sinnesorgans oder einer herausgehobenen Körperfunktion gekommen wäre. Auch der von der Klägerin angeführte künstliche Darmausgang wäre nur von vorübergehender Dauer gewesen.
Die Klägerin hat gegen das ihr am 30. Mai 2014 zugestellte Urteil am 4. Juni 2024 Berufung eingelegt. Sie hat erneut vorgetragen, dass eine wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung vorgelegen habe. Die Durchtrennung des Schließmuskels mit der dadurch hervorgerufenen Stuhlinkontinenz sowie die Notwendigkeit eines künstlichen Darmausgangs stellten jedenfalls den Verlust einer herausgehobenen Körperfunktion dar. Eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Stand entsprechende Behandlung habe nicht mehr zur Verfügung gestanden. Bei der von Dr. M behandelten transsphinktären Analfistel habe es sich nicht um eine neue, von der ursprünglichen chronischen rektovaginalen Analfistel unabhängige Erkrankung gehandelt. Vielmehr sei die transsphinktäre Analfistel aus der rektovaginalen Analfistel und deren Behandlung entstanden. Zumutbare schließmuskelschonende Behandlungsmethoden habe es nicht mehr gegeben.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Berlins vom 26. April 2024 sowie des Bescheides vom 21. Januar 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. November 2020 zu verpflichten, den Bescheid vom 18. Dezember 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Mai 2015 zurückzunehmen und ihr die Kosten der fünf Behandlungen ihrer Analfistel bei Dr. M in Ö in Höhe von insgesamt 2.500 Euro zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend und verweist auf diese.
Die Beteiligten sind mit Schreiben vom 21. Januar 2025 zu einer Entscheidung durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) angehört worden.
Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen.
II.
Der Senat durfte über die Berufung nach Anhörung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entscheiden, weil er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nach Ausübung seines dahingehenden Ermessens nicht für erforderlich hält (§ 153 Abs. 4 SGG). Eine Zustimmung der Beteiligten zu dieser Verfahrensweise war nicht erforderlich.
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen. Der Klägerin steht kein Kostenerstattungsanspruch zu.
Gegenstand des Verfahrens ist neben der Entscheidung des Sozialgerichts der Überprüfungsbescheid vom 21. Januar 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. November 2020, mit dem es die Beklagte abgelehnt hat, den die Übernahme der Kosten der Behandlung der Analfistel nach der Ksharsutra-Methode ablehnenden Bescheid vom 18. Dezember 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Mai 2015 zurückzunehmen. Ferner begehrt die Klägerin die Erstattung der Behandlungskosten in Höhe von 2.500 Euro. Diese Begehren verfolgt die Klägerin zulässig mit der kombinierten Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 SGG i.V.m. § 56 SGG (vgl. BSG, Urteil vom 10. November 2021, B 1 KR 7/21 R, zitiert nach juris, Rn. 11).
Die Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Die Beklagte hat es auf der Grundlage von § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X rechtmäßig abgelehnt, die Entscheidung über die Ablehnung der Behandlung bei Dr. M in Ö zurückzunehmen und die Kosten für diese Behandlung gemäß § 13 Abs. 4 SGB V zu übernehmen.
Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen (§ 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Im vorliegenden Fall ist die Beklagte weder von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen, noch hat sie bei der Ablehnung der streitigen Behandlung das Recht unrichtig angewandt.
§ 13 Abs. 4 SGB V eröffnet Kostenerstattungsansprüche ohne sachliche Leistungsausweitung im Umfang des deutschen Leistungsrechts der GKV. Wie sich aus der Formulierung „anstelle der Sach- oder Dienstleistung“ in § 13 Abs. 4 Satz 1 SGB V ergibt, setzt die Vorschrift einen Anspruch auf die entsprechende Naturalleistung nach dem SGB V voraus (vgl. BSG, Urteil vom 26. Mai 2020, B 1 KR 21/19 R, zitiert nach juris, Rn. 10 f.).
Das Leistungsrecht der GKV sieht keinen Anspruch auf eine Behandlung der Analfistel nach der Ksharsutra-Methode vor.
Der Anspruch ergibt sich nicht aus § 27 SGB V. Bei der Ksharsutra-Methode handelt es sich – wie unstreitig ist – um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode. Eine solche Methode ist in der vertragsärztlichen Versorgung gemäß § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V grundsätzlich nur dann von der Leistungspflicht der GKV umfasst, wenn zunächst der GBA in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V eine positive Empfehlung über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der Methode abgegeben hat und der Bewertungsausschuss sie zudem zum Gegenstand des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä) gemacht hat (vgl. BSG, Urteil vom 26. Mai 2020, B 1 KR 21/19 R, zitiert nach juris, Rn. 13). Die Ksharsutra-Methode ist bislang nicht als abrechnungsfähige Leistung im EBM-Ä enthalten. Die erforderliche positive Empfehlung des GBA liegt nicht vor.
Der Anspruch folgt – entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin – auch nicht ausnahmsweise aus § 2 Abs. 1a Satz 1 SGB V. Bei der Analfistelerkrankung der Klägerin handelte es sich nicht um eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung im Sinne dieser Vorschrift. Sie ist mit einer solchen Erkrankung auch nicht wertungsmäßig vergleichbar.
Die wertungsmäßige Vergleichbarkeit einer Erkrankung mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung erfordert eine „notstandsähnliche Extremsituation“, wie sie auch für eine nahe Lebensgefahr typisch ist. Kennzeichnend dafür ist neben der Schwere der Erkrankung ein erheblicher Zeitdruck für einen bestehenden akuten Behandlungsbedarf. § 2 Abs. 1a SGB V erfasst daher nur Behandlungen, die sich auf ein akutes Krankheitsgeschehen beziehen, das von seiner Schwere und seinem Ausmaß mit lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankungen vergleichbar ist und bei dem eine unmittelbare und kurzfristige Interventionsnotwendigkeit besteht, um den Verlust eines wichtigen Sinnesorgans oder einer herausgehobenen Körperfunktion oder eine unmittelbar bevorstehende wesentliche Verschlechterung des akuten Krankheitszustands zu verhindern. Erst in einer solchen notstandsähnlichen Extremsituation, für die – wie bei der Lebenserhaltung – ein erheblicher Zeitdruck typisch ist, ist es gerechtfertigt, eine Erkrankung einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung wertungsmäßig gleichzustellen. Denn der zentrale Anknüpfungspunkt des Anspruchs ist das Vorliegen einer durch nahe Lebensgefahr gekennzeichneten individuellen Notlage (vgl. BSG, Urteil vom 16. August 2021, B 1 KR 29/20 R, zitiert nach juris, Rn. 13 f.).
Eine derartige notstandsähnliche Extremsituation lag nicht vor. Die Klägerin litt, nachdem die rektovaginale Fistel erfolgreich behandelt worden war, an einer transsphinktären Analfistel. Dass deshalb eine unmittelbare und kurzfristige Interventionsnotwendigkeit bestand, um den Verlust eines wichtigen Sinnesorgans oder einer herausgehobenen Körperfunktion oder eine unmittelbar bevorstehende wesentliche Verschlechterung des akuten Krankheitszustands zu verhindern, ist nicht ersichtlich. Als Symptom der Erkrankung wird in den vorliegenden Unterlagen im Wesentlichen eine „putride Sekretion“ beschrieben. Es ist weder erkennbar, dass für die Therapie lediglich ein enges therapeutisches Zeitfenster zur Verfügung stand, um den Verlust einer herausgehobenen Körperfunktion zu verhindern, noch, dass eine weitere erhebliche Verschlimmerung drohte. Soweit die Klägerin anführt, dass eine bestimmte Behandlungsform (Spaltung der Fistel) mit dem Risiko einer Inkontinenz und so mit der Gefahr eines (teilweisen) Verlustes der Körperfunktion der Stuhlregulierung einhergegangen wäre, ist dies bei der Beurteilung der Schwere der Krankheit unerheblich. Entscheidend für die Beurteilung der Schwere der Krankheit ist, ob gerade die betreffende Krankheit kurzfristig zum Verlust einer herausgehobenen Körperfunktion führen kann. Darüber hinaus ist zwar ohne Weiteres nachvollziehbar, dass nach der Vielzahl der Behandlungen und der verbliebenen „putriden Sekretion“ eine in hohem Maße – auch sozial – belastende Situation für die Klägerin vorlag. Eine mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung in dem genannten Sinn folgt daraus jedoch ebenfalls nicht, zumal die wohl besonders belastende rektovaginale Fistel erfolgreich behandelt worden war.
Ob der geltend gemachte Anspruch auch deshalb ausgeschlossen ist, weil noch zumutbare schließmuskelschonende Standardmethoden zur Verfügung standen (vgl. dazu das gerichtliche Schreiben vom 14. November 2024) und weil die Klägerin den Kostenübernahmeantrag bei der Beklagten (soweit ersichtlich) erst am 17. Dezember 2014 und damit nach Beginn der Behandlung bei Dr. M (am 5. Dezember 2014) gestellt hat (vgl. den Widerspruchsbescheid vom 7. Mai 2015) kann dahinstehen. Ebenso kann offen bleiben, ob dem Anspruch zumindest teilweise § 44 Abs. 4 SGB X entgegensteht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).