Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 02.10.2023 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Bescheidung des Widerspruchs vom 20.10.2020 gegen den Bescheid vom 23.09.2020.
Die am 00.00.0000 geborene Klägerin ist L. Staatsangehörige und hat ihr Herkunftsland nach eigenen Angaben bereits im Jahr 0000 verlassen. Im Anschluss hielt sie sich in G. und der B. auf. Auf ihren Asylantrag vom 22.01.2014 wurde ihr durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit Bescheid vom 24.05.2017 der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt. Im Übrigen wurde der Asylantrag abgelehnt. Nach dem Zuzug nach Deutschland lebte die Klägerin zunächst in einer Notunterkunft in H..
Am 07.02.2019 beantragte die Klägerin gemeinsam mit ihrem am 00.00.0000 geborenen Sohn K. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) bei dem Beklagten. Sie erklärte, dass sie nach U. zugezogen sei und eine Stelle als Reinigungskraft angetreten habe. Ihr Sohn und ihre am 00.00.0000 geborene Tochter X. würden ebenfalls nach U. umziehen. Der Beklagte gewährte der Klägerin erstmals mit Bescheid vom 04.04.2019 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 10.07.2019 vorläufig Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.02.2019 bis zum 31.07.2019. Mit Bescheid vom 10.07.2019 hob der Beklagte die Leistungsgewährung ab 01.06.2019 zunächst wieder auf und erklärte, dass die Klägerin nicht mehr hilfebedürftig sei.
Mit Schreiben vom 25.03.2020 beantragte die Klägerin die Übernahme der Kosten für die Unterbringung in einer staatlichen Unterkunft im Zeitraum vom 01.07.2017 bis zum 31.12.2018. Sie erklärte hierzu, dass sie in der staatlichen Notunterkunft in H. gelebt habe. Von dem dort zuständigen Grundsicherungsträger habe sie nur den monatlichen Regelbedarf, aber keine Kosten der Unterkunft und Heizung bezogen. Dem Antragsschreiben beigefügt war ein Anschreiben der Regierung von A. als zentrale Gebührenabrechnungsstelle R. vom 06.03.2020. Hiernach erfolge gegenüber der Klägerin die Kostenfestsetzung für die Inanspruchnahme einer staatlichen Einrichtung auf Grundlage der Regelungen des Asylgesetzes, des Asylbewerberleistungsgesetzes, des Aufnahmegesetzes, des Aufenthaltsgesetzes und nach der Asyldurchführungsverordnung. Gegenüber der Klägerin bestehe eine offene Forderung in Höhe von 2.206,81 €. Es wurde weiter darauf hingewiesen, dass grundsätzlich eine Kostenübernahme durch den Grundsicherungsträger in Betracht komme.
Am 28.05.2020 beantragte der Sohn der Klägerin erneut Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bei dem Beklagten. Dieser gewährte der Klägerin und ihrem Sohn mit Bescheid vom 10.08.2020 vorläufig Leistungen für den Zeitraum vom 01.05.2020 bis zum 31.10.2020. Seither erhält die Klägerin fortlaufend Leistungen, zuletzt mit Bescheid vom 28.08.2023 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 07.09.2023 für den Zeitraum vom 01.08.2023 bis zum 31.03.2024.
Am 15.09.2020 nahm der Beklagte ein per E-Mail übersandtes Schreiben der Regierung von A. vom 11.03.2020 zur Akte. Hiernach werden Gesamtkosten in Höhe von 2.206,81 € für die Unterbringung der Klägerin in einer staatlichen Einrichtung im Zeitraum vom 01.07.2017 bis zum 31.12.2018 geltend gemacht. Es werde ein Leistungsantrag in Vertretung für die Klägerin gestellt und um Direktzahlung der Nutzungsgebühr an die Regierung A. gebeten. Der Beklagte lehnte den Antrag vom 25.03.2020 auf Kostenübernahme mit Bescheid vom 23.09.2020 ab. Zur Begründung erklärte er, dass die Klägerin im maßgeblichen Zeitraum ihren Wohnsitz nicht in U. gehabt habe.
Die Klägerin legte mit Schreiben vom 20.10.2020 per Telefax Widerspruch gegen den Bescheid vom 23.09.2020 ein und führte zur Begründung aus, dass die Kosten zu übernehmen seien, da die Nutzungsgebühren erst im März 2020 fällig geworden seien. In diesem Zeitraum habe die Klägerin im Zuständigkeitsbereich des Beklagten gelebt.
Der Beklagte versandte daraufhin an den Bevollmächtigten der Klägerin über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) am 10.12.2020 ein mit „Widerspruchsbescheid“ überschriebenes Schreiben vom 10.12.2020. Das Schreiben war auf der ersten Seite links oben zudem mit dem Wort „Entwurf“ versehen. Nach dem Inhalt des Schreibens wies der Beklagte den Widerspruch vom 20.10.2020 zurück. Zur Begründung führte er aus, dass die Klägerin im Zeitpunkt der Entstehung der Nutzungsgebühren für die Flüchtlingsunterkunft nicht im Zuständigkeitsbereich des Beklagten gelebt habe. Nach der zeitlichen Bedarfszuordnung sei der Beklagte nicht zuständig. Ein Hinausschieben des Fälligkeitszeitpunktes wäre mit dem Anspruch auf Deckung des menschenwürdigen Existenzminimums unvereinbar. Die Klägerin sei auf das für H. zuständige C. zu verweisen.
Am 22.12.2020 erhob der Sohn der Klägerin vertreten durch den derzeitigen Bevollmächtigten der Klägerin Klage bei dem Sozialgericht Düsseldorf (SG) gegen den Bescheid vom 20.10.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.12.2020 und begehrte die Übernahme von 2.206,81 € Unterkunftskosten von dem Beklagten (zunächst Az. S 43 AS 4029/20). Der Klage beigefügt war der an die Klägerin gerichtete Bescheid vom 23.09.2020 und das mit Widerspruchsbescheid überschriebene Schreiben vom 10.12.2020. Zur Begründung der Klage führte er aus, dass bisher höchstrichterlich ungeklärt sei, ob das C. des aktuellen Wohnortes auch für Nutzungsgebühren für vergangene Zeiträume zuständig sei. Weiter sei die Klage auch zulässig. Der Widerspruchsbescheid vom 10.12.2020 sei zwar als Entwurf gekennzeichnet, hierbei handele es sich aber um einen offensichtlichen Schreibfehler. Mit Schreiben vom 19.04.2022 wurde das Verfahren von Klägerseite für erledigt erklärt. Am 20.04.2022 widerrief der Bevollmächtigte der Klägerin die Erledigungserklärung. Er erklärte, dass das Rubrum zu berichtigen sei. Als Kläger sei nicht der Sohn, sondern die Mutter zu führen. Dies ergäbe sich aus der Auslegung der Klageschrift. Der Sohn der Klägerin habe ein separates Verfahren unter dem Az. S 43 AS 1752/21 geführt. Das Verfahren wurde zunächst unter dem Aktenzeichen S 43 AS 811/22 wiederaufgenommen, wobei nunmehr die Klägerin als Beteiligte geführt wurde. Der Beklagte widersprach der Änderung des Rubrums. Der Widerspruchsbescheid vom 10.12.2020 sei vom zuständigen Sachbearbeiter signiert und dem Bevollmächtigen der Klägerin elektronisch übersandt worden. Eine Eingangsbestätigung liege vor. Die Klägerin wies darauf hin, dass es sich bei der fehlerhaften Namensangabe um einen Schreibfehler gehandelt habe. Weiterhin sei der Widerspruchsbescheid als Entwurf gekennzeichnet, so dass das Verfahren als Untätigkeitsklage weitergeführt werden könne. Die Kennzeichnung als Entwurf lasse erkennen, dass der Beklagte das Schreiben nicht habe bekannt geben wollen. Die Klägerin nahm die Klage Az. S 43 AS 811/22 am 30.08.2022 zurück.
Bereits mit E-Mail vom 02.02.2022 forderte die Regierung von A. den Beklagten zur Zahlung der durch die Unterbringung in einer staatlichen Einrichtung entstandenen Kosten auf und stellte in Vertretung für die Klägerin einen Leistungsantrag nach dem SGB II. Der Beklagte forderte daraufhin mit Schreiben vom 07.03.2022 weitere Unterlagen von der Klägerin an. Am 24.03.2022 legte die Klägerin dem Beklagten nochmals das Schreiben der Regierung von A. vom 06.03.2020 vor. Die Beklagte legte dies als Überprüfungsantrag aus und lehnte die Überprüfung des Bescheides vom 06.03.2020 mit Bescheid vom 14.04.2022 ab. Er erklärte, dass eine Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht zu erfolgen habe, da die Antragsfrist nach § 40 Abs. 1 S. 2 SGB II in Verbindung mit § 44 Abs. 4 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) bereits verstrichen sei.
Am 06.09.2022 hat die Klägerin erneut Klage bei dem SG erhoben (zunächst Az. S 43 AS 1697/22, später S 12 AS 1821/22). Sie hat die Bescheidung ihres Widerspruchs vom 20.10.2020 gegen den Bescheid vom 23.09.2020 begehrt. Zur Begründung hat sie erklärt, dass der Beklagte nicht innerhalb der Frist der Regelung des § 88 Abs. 1, Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) über den Widerspruch entschieden habe. Der mit Datum vom 10.12.2020 übersandte Entwurf sei kein Verwaltungsakt, da er keine Rechtswirkungen entfalte. Eine nachträgliche Erklärung des Beklagten könne die Wirkungen des Verwaltungsaktes nicht herbeiführen. Maßgeblich sei der objektive Empfängerhorizont. Hiernach sei nicht davon auszugehen, dass es sich bei dem Schreiben vom 10.12.2020 um einen wirksam bekannt gegebenen Widerspruchsbescheid handele. Die Klägerin hat hierzu weiter ausgeführt, dass ihr Bevollmächtigter lediglich den nicht unterschriebenen Entwurf des Widerspruchsbescheides als PDF-Dokument in seiner Akte abgelegt habe. Die Signatur sei nicht gespeichert worden. Dies könne ein Versäumnis des Bevollmächtigten sein oder es sei gar keine Signatur vorhanden gewesen. Das Prüfprotokoll sei jedenfalls nicht mehr abrufbar, da es nach drei Monaten automatisch durch den Betreiber des beA gelöscht werde. Das Fehlen der Unterschrift bzw. Signatur werde daher gerügt. Der Beklagte müsse beweisen, dass der Widerspruchsbescheid formell ordnungsgemäß erstellt worden sei. Des Weiteren lasse die Kennzeichnung als Entwurf erkennen, dass ein internes Dokument übersandt wurde, welches den momentanen Arbeitsstand erkennen lasse, jedoch keine verbindliche Regelung darstelle.
Ferner sei zu beachten, dass der Klägerin nach der Entscheidung des BSG vom 19.05.2021 – B 14 AS 19/20 R – der geltend gemachte Anspruch nach dem SGB II tatsächlich zustehe.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, den Widerspruch der Klägerin vom 20.10.2020 zu bescheiden.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, er sei nicht untätig gewesen. Der Widerspruch vom 20.10.2020 sei mit Widerspruchsbescheid vom 10.12.2020 beschieden worden. Der Widerspruchsbescheid sei mit elektronischer Signatur an den Bevollmächtigten der Klägerin gesandt worden. Auch dieser sei im vorherigen Klageverfahren davon ausgegangen, dass es sich um einen wirksamen Verwaltungsakt handele. Dieser sei in Bestandskraft erwachsen. Der aktuelle Vortrag widerspreche dem Vorbringen im vorherigen Klageverfahren. Bei Auslegung des Widerspruchsbescheides vom 10.12.2020 ergebe sich klar, dass es sich um einen Verwaltungsakt handele. Dies folge aus der Überschrift, der Rechtmittelbelehrung sowie der Nennung der Klägerin, des Bevollmächtigten und der Sachbearbeiterin. Einzig die Bezeichnung „Entwurf“ sei nicht entfernt worden. Hieraus lasse sich jedoch nicht auf einen fehlenden Regelungswillen schließen. Schließlich könne der Zusatz „Entwurf“ auch auf einer versehentlichen Auswahl dieser Option bei der Übertragung des Dokuments in die E-Akte erfolgt sein. Der Beklagte legte weiter ein Beiblatt zur Dokumentation der Signatur am 10.12.2020 um 07:41 Uhr durch Frau S. vor. Dieser Prüfbericht könne nachträglich bei Ausdruck des Widerspruchsbescheides erstellt werden. Der Beklagte erhalte bei Versendung nur eine automatisierte Eingangsbestätigung, welche vorliegend eine Versendung um 7:43 Uhr ausweise, jedoch keine Bestätigung betreffend die Signatur. Mit der vorgelegten Eingangsbestätigung und dem Prüfbericht sei der Nachweis der elektronischen Signatur erbracht.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 02.10.2023 nach mündlicher Verhandlung abgewiesen. Die Untätigkeitsklage sei unzulässig, da der Widerspruch vom 20.10.2020 beschieden worden sei. Das mit dem Zusatz „Entwurf“ versehene Schreiben vom 10.12.2020 sei nach dem objektiven Sinngehalt als Widerspruchsbescheid zu verstehen. Insbesondere entfalte es Regelungswirkung, was sich auch aus der äußeren Gestaltung des Schreibens ergebe. Dies folge auch daraus, dass der Beklagte bereits im Verfahren Az. S 43 AS 811/22 zum Ausdruck gebracht habe, dass es sich um eine verbindliche Regelung handeln solle. Ferner habe auch die Klägerin das Schreiben als verbindlich angesehen und Klage erhoben. Es sei auch davon auszugehen, dass der Widerspruchsbescheid dem Bevollmächtigten der Klägerin signiert übersandt worden sei. Dies folge aus dem in der Verwaltungsakte abgelegten Beiblatt zum Widerspruchsbescheid vom 10.12.2020, welches auf die Übermittlung eines Bescheids verweise.
Mit der am 10.10.2023 erhobenen Berufung wendet die Klägerin sich gegen das Urteil des SG vom 02.10.2023. Zur Begründung führt sie aus, dass der Widerspruch vom 20.10.2020 weiter unbeschieden sei. Das am 10.12.2020 elektronisch versandte Schriftstück sei als Entwurf zur Beendigung des Widerspruchsverfahrens nicht geeignet. Das SG schließe unzulässig auf eine Regelungswirkung des Schreibens, wenn es im Rahmen der Auslegung das prozessuale Verhalten der Klägerin und des Beklagten in den vorherigen Klageverfahren heranziehe. Für die Auslegung des Schreibens des Beklagten vom 10.12.2020 komme es auf den Zeitpunkt des Zugangs der Erklärung an. Es stehe der Klägerin im Übrigen frei, ihre Rechtsansicht zur Auslegung des Schreibens vom 10.12.2020 zu ändern. Letztlich lasse auch die Signatur des Dokumentes keinen Rückschluss auf dessen Regelungswirkung zu, da ebenso eine Verwechslung der Dokumente vorliegen könne. Zudem werde weiter bestritten, dass das Schreiben vom 10.12.2020 mit elektronischer Signatur zugegangen sei. Die durch den Beklagten, welcher die Beweislast trage, vorgelegten Dokumente würden dies nicht belegen. Die Unterlagen seien auch nicht aussagekräftig, da sie durch die Infrastruktur des Beklagten generiert worden seien. Unklar sei auch, welcher Computer mit welchem Programm die Dokumente erstellt habe. Allein die durch den Beklagten angeführte Dateiendung „p7s“ könne die Signatur des Dokumentes nicht belegen, denn Dateien ließen sich auch umbenennen. Weiter sei durch den Beklagten nicht belegt, dass die erstellte Unterschriftsdatei kryptografisch mit dem Textdokument verknüpft worden sei. Der Beklagte müsste zur Beweisführung ein Dokument mit Signatur vorlegen und die vom Bevollmächtigten signierte Empfangsbestätigung. Dies sei vorliegend aber nicht erfolgt. Mit den vorgelegten Dokumenten könnte die Richtigkeit der Angaben des Beklagten nicht nachvollzogen werden. Des Weiteren sei der Beklagte nach der Entscheidung des BSG vom 19.05.2021 – B 14 AS 19/20 R – auch zur Übernahme der Unterbringungskosten verpflichtet. Im Parallelverfahren des Sohnes der Klägerin habe der Beklagte bereits vor dem SG ein entsprechendes Anerkenntnis abgegeben (Az. S 43 AS 1752/21).
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des SG Düsseldorf vom 02.10.2023 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, den Widerspruch der Klägerin vom 20.10.2020 gegen den Bescheid vom 23.09.2020 zu bescheiden.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.
Er verweist auf die erstinstanzliche Entscheidung und erklärt ergänzend, dass er am 10.12.2020 eine Regelung mit Außenwirkung getroffen habe. Die Kennzeichnung als „Entwurf“ stehe dem auch nach außen erkennbaren Rechtsbindungswillen nicht entgegen. Auch die elektronische Signatur dokumentiere die Verbindlichkeit. Die Klägerin trage zudem auch widersprüchlich vor, da auch sie zunächst davon ausgegangen sei, dass ein Widerspruchsbescheid ergangen sei. Auch das SG habe im Verfahren Az. S 43 AS 811/22 keine Zweifel an der Regelungswirkung des Widerspruchsbescheides vom 10.12.2020 gehabt. Unter Vorlage der in seinem Bearbeitungssystem abgespeicherten Eingangsbestätigung erklärt er, dass eine PDF-Datei erzeugt worden sei, welche die Endung „p7s“ enthalte. Diese Endung lasse erkennen, dass das übermittelte Dokument elektronisch signiert worden sei.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat die Klägerin beantragt, Beweis zu erheben durch die Einholung eines Gutachtens eines Sachverständigen für Informationstechnologie zu den Fragen
1. Ist das Schreiben der Beklagten vom 10.12.2020 der Klägerin oder deren Bevollmächtigten zugegangen?
2. Ist dem Schreiben vom 10.12.2020 eine Datei des Namens „Bescheid36102_003328710.12.20202007_41_22.pdf.p7s“ beigefügt gewesen?
3. Handelt es sich bei der Datei „Bescheid36102_003328710.12.20202007_41_22.pdf.p7s“ um eine qualifizierte elektronische Signatur?
4. Ist das Schreiben vom 10.12.2020 mit dieser Signatur signiert worden?
5. Wer ist der Aussteller der Signatur der „Bescheid36102_003328710.12.20202007_41_22.pdf.p7s“?
6. Beruht die Signatur auf einem qualifizierten Zertifikat, das von einem qualifizierten Vertrauensdiensteanbieter ausgestellt wurde, der die Anforderungen der eIDAS-VO erfüllt?
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Streitakte, die Streitakten Az. S 43 AS 1697/22, S 43 AS 1752/21 und S 43 AS 811/22 sowie die beigezogene Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung bleibt ohne Erfolg. Sie ist zulässig, aber unbegründet.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Die Untätigkeitsklage ist unzulässig, da der Beklagte den Widerspruch vom 20.10.2022 gegen den Bescheid vom 23.09.2020 mit Widerspruchsbescheid vom 10.12.2020 beschieden hat.
Gemäß § 88 Abs. 2 SGG ist eine Untätigkeitsklage zulässig, wenn über einen Widerspruch nicht binnen einer Frist von drei Monaten entschieden worden ist. Das mit Widerspruchsbescheid überschriebene Schreiben des Beklagten vom 10.12.2020 beendet das Vorverfahren betreffend den Bescheid vom 23.09.2020, denn es handelt sich um einen Widerspruchsbescheid im Sinne der Regelung des § 85 Abs. 2 SGG, welcher der Klägerin auch bekanntgegeben wurde.
Das am 10.12.2020 an den Bevollmächtigten der Klägerin über das beA übermittelte Dokument stellt einen elektronischen Verwaltungsakt dar.
Zunächst handelt sich um einen Verwaltungsakt, denn die Voraussetzungen der Regelung des § 31 S. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) sind erfüllt. Hiernach ist ein Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Diese Voraussetzungen liegen vor.
Ob ein Verwaltungsakt vorliegt, ist im Wege der Auslegung zu ermitteln. Es gelten für die Auslegung die allgemeinen Auslegungsgrundsätze der §§ 133, 157 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) für Willenserklärungen. Die Auslegung geht aus vom Empfängerhorizont eines verständigen Beteiligten, der alle Begleitumstände und Zusammenhänge (Vorgeschichte, Anträge, Begleitschreiben, Situation des Adressaten, genannte Rechtsnormen, auch Interesse der Behörde) berücksichtigt, welche die Behörde erkennbar in ihre Entscheidung einbezogen hat. Der innere Wille der Behörde ist hingegen nicht maßgeblich. Zur Bestimmung des objektiven Regelungsgehaltes eines Verwaltungsaktes kommt es mithin darauf an, wie Adressaten und Drittbetroffene ihn nach Treu und Glauben verstehen mussten bzw. durften. Unklarheiten gehen zu Lasten der Behörde (BSG Urteil 29.06.1984 – 12 RK 38/82 – juris Rn. 18; Urteil 31.05.1989 – 4 RA 19/88 – juris Rn. 17; Urteil 25.10.2017 – B 14 AS 9/17 R – juris Rn. 22; Urteil vom 26.11.2019 – B 2 U 29/17 R – juris Rn. 10; Harich in Hauck/Noftz, SGB X, 3. EL 2024, § 31 SGB X, Rn. 42). Die Frage, ob ein Verwaltungsakt ergangen ist, entscheidet sich im Wege der Auslegung daher danach, ob für den Adressaten erkennbar die Begriffsmerkmale des § 31 S. 1 SGB X vorliegen. Dabei ist die Bezeichnung durch die Behörde nicht allein entscheidend, sie ist vielmehr wie die übrigen äußeren Merkmale bei der Auslegung heranzuziehen (BVerwG Urteil vom 26.10.1978 – V C 52.77 – juris Rn. 20; LSG Sachsen Urteil vom 09.12.2020 – L 6 R 616/18 – juris Rn. 17).
Eine Auslegung auf Grundlage der äußeren Merkmale des Schreibens vom 10.12.2020 sowie seines Inhaltes lässt nach dem objektiven Empfängerhorizont darauf schließen, dass es sich um einen Verwaltungsakt handelt. Zum einen ist das Schreiben als „Widerspruchsbescheid“ bezeichnet. Zum anderen entspricht die Formatierung des Schreibens optisch weitgehend dem durch die C. regelhaft verwandten Aufbau von Widerspruchsbescheiden. Dies betrifft sowohl das Schriftbild als auch den „Kopf“ des Bescheides mit der Bezeichnung des Widerspruchsführers, seiner Anschrift, des Bevollmächtigten, der bearbeitenden Behörde und des Verfahrensgegenstandes. Weiterhin enthält das Schreiben einen Verfügungssatz, eine Kostenentscheidung sowie eine Begründung. Es ist mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen und endet mit der einfachen Signatur der Sachbearbeiterin (Namensnennung).
Auffällig ist der äußeren Form nach allein, dass auf der ersten Seite oben links das Wort „Entwurf“ aufgedruckt wurde. Dies steht einer Auslegung als Verwaltungsakt im vorliegenden Fall jedoch nicht entgegen, da bei einer Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont unter Berücksichtigung des weiteren Inhalts des Schreibens klar wird, dass es sich um eine verbindliche Regelung im Sinne des § 31 S. 1 SGB X handelt. Eine solche verbindliche Regelung würde fehlen, wenn ein interner Entwurf versehentlich in den Rechtsverkehr gelangt wäre oder eine offenbar unbefugte Person ihn herausgegeben hätte (LSG NRW Urteil vom 30.04.2014 – L 8 R 744/11 – juris Rn. 153 ff; VG Berlin Urteil vom 01.04.2009 – 3 A 263.07 – juris Rn. 34; Harich in Hauck/Noftz, SGB X, 3. EL 2024, § 31 SGB X Rn. 62).
Trotz der Aufschrift „Entwurf“ ist im vorliegenden Einzelfall davon auszugehen, dass das Schreiben auf eine unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist und es sich mithin nicht um ein Verwaltungsinternum handelt. Dem Grundsatz nach zeigt eine Bezeichnung als Entwurf, dass die Verwaltungsentscheidung sich in einer Vorbereitungsphase befindet und wesentliche Punkte der geplanten Entscheidung festgehalten werden, ohne dass diese bereits verbindlich im Außenverhältnis kommuniziert wird. Ein Entwurf unterliegt der weiteren internen Prüfung, wobei Änderungen noch möglich sind. Ein endgültiger Entschluss zum Erlass der verbindlichen Regelung liegt nicht vor. Dass der Beklagte trotz der Bezeichnung als Entwurf eine endgültige Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10.12.2020 mit einem entsprechenden Regelungswillen an den Bevollmächtigten der Klägerin versandt hat, ergibt sich für den hier betroffenen Einzelfall objektiv bei Durchsicht des Schreibens vom 10.12.2020. Diese enthält – anders als es bei einem Entwurf oder einer internen Vorlage zu erwarten wäre – keinerlei erkennbare Lücken, interne Anmerkungen oder Notizen. Anhaltspunkte dafür, dass das Schreiben vom 10.12.2020 versehentlich in den Rechtsverkehr gelangt wäre, lassen sich weder nach dem äußeren Erscheinungsbild noch nach dem Inhalt des Schreibens erkennen. So mangelt es insbesondere auch an vorgenommenen Korrekturen, die den Schluss auf die Abfassung eines Entwurfes zuließen (vgl. hierzu LSG NRW Urteil vom 19.01.2017 – L 16 KR 209/16 – juris Rn. 41 unter Bezugnahme auf BVerwG Urteil vom 22.01.1993 – 8 C 57/91 – juris Rn. 14). Objektiv für den Regelungswillen des Beklagten spricht weiter, dass das Schreiben vom 10.12.2020 den Beklagten als erlassende Behörde erkennen lässt und die Namenswiedergabe der verantwortenden Person enthält. Damit wird den Formerfordernissen der Regelung des § 33 Abs. 3 S. 1 SGB X Rechnung getragen.
Nur ergänzend weist der Senat darauf hin, dass auch der Bevollmächtige der Klägerin das Schreiben vom 10.12.2020 bei Erhalt als wirksamen Verwaltungsakt ausgelegt hat, wie seinem Vorbringen im Verfahren Az. S 43 AS 811/22 entnommen werden kann. Dass er von diesem Auslegungsergebnis nunmehr im Nachgang abweichen will, vermag das Ergebnis der Auslegung bei Bekanntgabe nicht zu ändern.
Weiterhin ist zur Überzeugung des Senats davon auszugehen, dass der Verwaltungsakt durch die Sachbearbeiterin des Beklagten Fr. S. qualifiziert elektronisch signiert wurde. Damit entspricht die Vorgehensweise des Beklagten auch förmlich den Regelungen, die bei Erlass eines elektronischen Verwaltungsaktes zu beachten sind.
Der Beklagte konnte gegenüber der anwaltlich vertretenen Klägerin im Widerspruchsverfahren die Form des elektronischen Verwaltungsaktes wählen. Nach der Regelung des § 33 Abs. 2 S. 1 SGB X kann ein Verwaltungsakt grundsätzlich schriftlich, elektronisch, mündlich oder auf andere Weise erlassen werden. Dies bedeutet, dass – sofern es an einer gesetzlich vorgegebenen Form fehlt – die Behörde die Form des Verwaltungsaktes nach ihrem Ermessen bestimmt. Voraussetzung für die elektronische Übersendung ist zunächst nur, dass der Empfänger für die gewählte Form der Übermittlung zum Empfang bereit ist, § 36a Abs. 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch – Allgemeiner Teil – (SGB I). Die Zugangseröffnung setzt sich zusammen aus der technischen Bereitstellung des Zugangs als Vorbereitungsakt und der Widmung des Zugangs für die Nutzung im rechtsverbindlichen elektronischen Rechtsverkehr (Müller in Ory/Weth, jurisPK-ERV Band 3, 2. Auflage, § 36 a SGB I, Stand: 17.12.2024, Rn. 76). Für Rechtsanwälte, wie den Bevollmächtigen der Klägerin, ergibt sich die Nutzungspflicht und damit die Bereitstellung des Zugangs aus der Regelung des § 31a Abs. 6 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO). Allen Rechtsanwälten ist daher kraft ihrer Zulassung ein persönliches elektronisches Postfach zugewiesen (Müller, E-Justice-Handbuch, 8. Auflage 2024, S. 511).
Für die Verwaltungsaktqualität des Schreibens vom 10.12.2020 spricht weiter, dass der Beklagte diesen elektronischen Verwaltungsakt auch qualifiziert elektronisch signierte. Neben der einfachen Signatur als maschinelle Namenswiedergabe (zur einfachen Signatur vgl. BSG Beschluss vom 16.02.2022 – B 5 R 198/21 B– juris Rn 9 f.) ist die elektronische Signatur nach § 36a Abs. 2 SGB I zwingend, sofern die Schriftform durch Rechtsvorschrift vorgegeben ist. Sofern Schriftform gesetzlich angeordnet ist – wie vorliegend für den Widerspruchsbescheid nach § 85 Abs. 3 SGG – kann diese durch elektronische Form ersetzt werden. Dieser Form genügt nach § 36a Abs. 2 S. 2 SGB I ein Dokument, welches mit einer qualifizierten Signatur versehen ist (Müller, E-Justice-Handbuch, 8. Auflage 2024, S. 428 f). Die qualifizierte elektronische Signatur hat dabei im Wesentlichen eine Authentifizierungs- sowie eine Warnfunktion (BFH 18.11.2006 – XI R 22/06– juris Rn.35 f.). Der Begriff „qualifizierte elektronische Signatur" ist in Artikel 3 Nr. 12 der Verordnung (EU) Nr. 910/2014 (eIDAS-VO) definiert. Es handelt sich um eine Signatur auf einem hohen Sicherheitsniveau. Qualifizierte elektronische Signaturen müssen insbesondere auf einem qualifizierten Zertifikat beruhen, das von einem qualifizierten Vertrauensdiensteanbieter ausgestellt wurde, der die Anforderungen der eIDAS-VO erfüllt (unter anderem an die Infrastruktur und die Prozessabläufe) und mit einer qualifizierten elektronischen Signaturerstellungseinheit (zum Beispiel einer Signaturkarte) erzeugt sein. Ein für die Zuverlässigkeit einer qualifizierten elektronischen Signatur entscheidendes Element betrifft die Anforderungen an die Erteilung des qualifizierten elektronischen Zertifikats, da durch die enthaltenen Namensbezeichnungen die maßgebliche Verbindung zwischen der elektronischen Signatur und der Identität der Person, die die Signaturerstellungsdaten verwendet hat, geschaffen wird. Im Signaturerstellungsprozess wird einem bestimmten Dokument ein Hashwert („Fingerabdruck der Datei“) zugewiesen. Dieser ist dem Dokument individuell zugeordnet, so dass die Änderung des Dokumentes zu einer Änderung des Hashwertes führen würde. Nur so kann anhand der Signatur die Unverfälschtheit des Dokumentes festgestellt werden. Nach der Zuweisung des Hashwertes erzeugt der Aussteller aus dem Hashwert und den Daten der Signaturerstellung mittels Signatursoftware die elektronische Signatur, die an das Dokument angefügt wird. Die Verwendung der Signatur wird durch die Authentifizierung durch eine Chipkarte, auf der die Erstellerdaten gespeichert sind, und die Kenntnis einer PIN Nummer gesichert, so genannte Zwei-Faktor-Authentifizierung (Borges in BeckOK IT Recht, BGB, § 126a Rn. 17, 26, 28 ff.; Einsele in Münchener Kommentar zum BGB, 10. Auflage 2025, § 126a, Rn. 12 f.). Dieser Prozess führt dazu, dass der Empfänger des signierten Dokumentes die Echtheit und Unverfälschtheit des Dokumentes prüfen kann. Dies erfolgt dadurch, dass er durch Anwendung der eigenen Signatursoftware auf den Hashwert wiederum eine elektronische Signatur erzeugt. Stimmt diese mit der übermittelten Signatur überein, kann der Empfänger davon ausgehen, dass das Dokument nach Erzeugung der Signatur nicht verändert wurde und von der Person stammt, die die Signaturerstellungsdaten verwendet hat bzw. die als Aussteller in dem Dokument bezeichnet wird (Borges in BeckOK IT Recht, BGB, § 126a, Rn. 32). Auf Seiten des Bevollmächtigten der Klägerin hat die Prüfung der Authentizität und Integrität der elektronisch signierten Dokumente über die beA Anwendung zu erfolgen. Hierzu wird durch die Anwendung beA ein Prüfprotokoll erstellt, welches die Ergebnisse der Zertifikats- und Signaturprüfungen anzeigt (vgl. beA Anwenderhandbuch https://handbuch.bea-brak.de/arbeiten-mit-ihrem-bea/nachrichten/oeffnen-und-anzeigen/ pruefen-einer-qualifizierten-elektronischen-signatur-qes, Abruf 04.02.2025). Nach dem Vortrag des Bevollmächtigten der Klägerin ist unklar, ob dieser die Prüfung gar nicht angestoßen oder nur das Prüfprotokoll nicht gespeichert hat. Hatte er zunächst noch vorgetragen, dass er nur das Dokument des Widerspruchsbescheides gespeichert hat und die Speicherung des Prüfprotokolls unterlassen habe, bestritt er im weiteren Verlauf, dass das ihm zugegangene Schreiben vom 10.12.2020 qualifiziert elektronisch signiert worden sei.
Zweifel an der Übersendung eines qualifiziert elektronisch signierten Dokumentes bestehen zur Überzeugung des Senats nicht. Sofern der Bevollmächtigte der Klägerin meint, der Beklagte müsse den Eingang eines elektronisch signierten Dokumentes nachweisen, trifft dies nicht zu. Ob das Dokument elektronisch signiert war, hat der Bevollmächtigte mit der ihm zur Verfügung stehenden Software zu prüfen. Nur ihm als Empfänger ist es möglich, den Prüfprozess der Integrität und Authentizität anzustoßen. Die Prüfung erfolgt durch die Software des Empfängers und nicht bereits bei Absendung des Dokumentes. Von Seiten des Beklagten ist es daher ausreichend, wenn dieser auf das Beiblatt zum Widerspruchsbescheid verweist, welches im Nachgang am 12.10.2022 erstellt wurde (Bl. 193 GA SG). Dieses weist unter anderem aus, dass das Dokument durch Fr. S. am 10.12.2020 um 07:41 signiert wurde.
Von der Übersendung eines qualifiziert signierten Dokumentes kann auch deshalb ausgegangen werden, weil die bei Übermittlung des Verwaltungsvorgangs an das Gericht durch die hiesige Software (e2A Hintergrunddienst über EGVP) automatisch durchgeführte Prüfung zu einem positiven Prüfergebnis führt. Nach der technischen Prüfung durch den Hintergrunddienst der Software e2A wurde am 15.11.2023, 14:40 Uhr ein abrufbares Prüfdokument erstellt, welches das Schreiben vom 10.12.2020 mit dem Dateinahmen „Bescheid.pdf“ als qualifiziert elektronisch signiert ausweist. Die Signatur erfolgte durch Fr. S. am 10.12.2020, 07:41 Uhr. Die Integrität des Dokumentes und die Gültigkeit des Signaturzertifikates werden bestätigt (zum Prüfprotokoll über EGVP/e2A vgl. Müller, Checklisten zum elektronischen Rechtsverkehr für die Justiz, 4. Auflage 2022, S. 19 f.). Der am 15.11.2023 erstellte Prüfbericht war Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Der Vortrag der Klägerin, dass das übermittelte Dokument nicht elektronisch signiert gewesen sei, kann vor diesem Hintergrund als unsubstantiiert gewertet werden. Der Bevollmächtigte der Klägerin hat lediglich den Widerspruchsbescheid im Format PDF übermittelt, jedoch keinerlei Begleitdokumente wie Prüfvermerke oder ähnliches eingereicht. Auch eine Übersicht über die von ihm elektronisch erhaltenen Dateien fehlt. Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte ein weiteres, nicht im Verwaltungsvorgang abgelegtes Dokument – wie beispielsweise eine unsignierte Version des Widerspruchsbescheides – versandt hätte, sind weder substantiiert dargelegt, noch sonst ersichtlich. Es obliegt dem Bevollmächtigten der Klägerin durch Anwendung der ihm zur Verfügung stehenden Software die Prüfung der Integrität und Authentizität der ihm übermittelten Dokumente vorzunehmen und das Ergebnis dieser Prüfung sowie ergänzende Nachweise zu den empfangenen Dateien zu sichern. Dies kann der Beklagte nicht übernehmen.
Der Sachverhalt bedarf auch keiner weiteren Aufklärung. Die vorliegenden Unterlagen, insbesondere der Prüfbericht vom 15.11.2023 und die durch den Beklagten eingereichten Unterlagen haben dem Senat die erforderlichen Grundlagen für seine Überzeugungsbildung vermittelt.
Die Klägerin hat auch keinen Beweisantrag gestellt, der den Senat zur Durchführung weiterer Ermittlungen verpflichten würde. Denn der im Termin zur mündlichen Verhandlung gestellte Beweisantrag stellt bereits keine Tatsachenbehauptung auf, welche unter Beweis gestellt werden soll. Merkmal eines substantiierten Beweisantrags ist eine bestimmte Tatsachenbehauptung und die Angabe des Beweismittels für diese Tatsache. Dafür ist die behauptete Tatsache möglichst präzise und bestimmt zu behaupten. Ergänzend ist zu umreißen, was die Beweisaufnahme ergeben hätte. Nur dann kann von Seiten des Gerichts geprüft werden, ob der Antrag entscheidungserheblich ist oder seine Ablehnung begründet werden kann. Unbestimmten und unsubstantiierten Anträgen oder Anregungen brauchen dem Gericht keine Beweisaufnahme nahe zu legen (BSG Urteil vom 19.10.2011 – B 13 R 33/11 R – juris Rn. 26; Urteil vom 07.10.2016 – B 9 V 28/16 B – juris Rn. 14; Beschluss vom 21.04.2020 – B 13 R 85/19 B – juris Rn. 11; Beschluss vom 19.11.2009 – B 13 R 303/09 B – juris Rn. 12; Mushoff in jurisPK-SGG, Stand: 3.01.2025, § 103, Rn. 150). Aus dem Antrag vom 29.01.2025 geht keine behauptete Tatsache hervor. Es werden lediglich ergebnisoffene Fragen aufgeführt. Dies betrifft insbesondere die Beweisfragen 2. bis 6. Es wird auch weiter nicht dargelegt, zu welchen Ergebnissen das beantragte Sachverständigengutachten führen soll oder auf welche Art und Weise ein Sachverständiger die von Klägerseite für notwendig erachteten Erkenntnisse gewinnen soll. Hinsichtlich der Beweisfrage 1. bedarf es auch schon deshalb keiner Beweiserhebung, weil aus dieser kein Erkenntnisgewinn zu erwarten ist. Dass das Schreiben des Beklagten vom 10.12.2020 bei dem Bevollmächtigten der Klägerin zugegangen ist, steht selbst nach dem Vortrag der Klägerin nicht in Zweifel.
Versteht man den Antrag als Beweisanregung, also als Aufforderung an das Gericht, in eine bestimmte Richtung zu ermitteln, so ist dem ebenfalls nicht zu folgen. Anregungen, die so unsubstantiiert sind, dass im Grunde erst die Beweisaufnahme selbst die entscheidungs- und beweiserheblichen Tatsachen aufdecken soll bzw. die den Zweck haben, dem Beweisführer, der nicht genügend Anhaltspunkte für seine Behauptung angibt, erst die Grundlage für substantiierte Tatsachenbehauptungen zu verschaffen, legen dem Gericht keine Beweisaufnahme nahe (BSG Beschluss vom 15.06.2022 – B 9 SB 10/22 B – juris Rn. 9; Beschluss vom 23.02.2022 – B 9 SB 74/21 B – juris Rn. 10). Um eine solche Anregung zur Ausforschung des Sachverhalts handelt es sich vorliegend. Der Antrag der Klägerin enthält weder eine präzise und bestimmte Behauptung einer Tatsache noch ist umrissen, was die Beweisaufnahme ergeben soll. Im gesamten Verfahren hat die Klägerin den Empfang eines qualifiziert elektronisch signierten Widerspruchsbescheides stets lediglich bestritten, nie jedoch die fehlende qualifizierte elektronische Signatur dezidiert behauptet. Der Antrag hat offenbar die sachverständige Erläuterung und anschließende Prüfung des Ablaufs des Signaturprozesses zum Gegenstand. Es soll für die Klägerin geklärt werden, ob Fehler in der Versendung des Widerspruchsbescheides oder des Signaturprozesses ausfindig zu machen sind, welche sie dann einem substantiierten Tatsachenvortrag zu Grunde legen könnte. Auf dieser Grundlage brauchte der Senat sich nicht zu Ermittlungen veranlasst zu sehen. Nach Aktenlage bestehen keine nachvollziehbaren Indizien für die Übermittlung einer nicht qualifiziert elektronisch signierten, nicht im Verwaltungsvorgang abgelegten Version des Widerspruchsbescheides oder eines technischen Fehlers während des Signaturprozesses. Die Klägerin hat hierzu weiter lediglich Vermutungen geäußert und ihren Vortrag, insbesondere was die tatsächlich über beA empfangene Nachricht betrifft, vage und unklar gehalten. Belastbare Anhaltspunkte dafür, dass der bei dem Bevollmächtigten der Klägerin eingegangene Widerspruchsbescheid vom 10.12.2020 nicht elektronisch signiert war, werden nicht vorgetragen. Hatte die Klägerin zunächst noch mitgeteilt, sich nicht erinnern zu können, ob das Prüfprotokoll aus dem beA nicht gespeichert wurde oder nicht vorhanden war, hat sie im weiteren Verlauf bestritten, dass das Dokument elektronisch signiert gewesen sei. Auf Grundlage dieses unklaren und teilweise auch widersprüchlichen Vortrags, welcher sich wesentlich durch eine mangelnde Erfüllung von Dokumentationsanforderungen auszeichnet, erscheint eine weitere Aufklärung des Sachverhalts entbehrlich.
Die Wahl der Übertragung eines qualifiziert elektronisch signierten Dokumentes zeigt im Rahmen der Auslegung objektiv weiter, dass der Beklagte eine verbindliche Erklärung abgeben wollte und daher von dem oben beschriebenen aufwändigen Signaturverfahren, welches keinesfalls auf interne Entwürfe Anwendung findet, Gebrauch machte. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der qualifizierten elektronischen Signatur ähnlich wie der Schriftform eine Abschluss- und Warnfunktion zukommt. Die elektronische Signatur kann nur nach Fertigstellung des Dokumentes erstellt werden und wird dauerhaft mit dem Dokument gespeichert. Durch das Durchlaufen des mehrschrittigen und komplexen Signaturprozesses wird der Erklärende vor übereilter Abgabe geschützt (BT Drs. 14/4987 S. 27; Borges in BeckOK IT Recht, BGB, § 126a, Rn. 34, 39). Damit lässt sich aus der Verwendung der qualifizierten elektronischen Signatur der Rückschluss ziehen, dass der Beklagte eine abschließende und verbindliche Regelung treffen wollte (vgl. zum fehlenden Regelungswillen bei fehlender Signatur LSG BW Urteil 19.06.2020 – L 4 KR 3238/19 – juris Rn. 31).
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 Abs. 1 SGG.
Gründe, die für eine Zulassung der Revision sprechen, liegen nicht vor.