L 16 KR 677/23

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Münster (NRW)
Aktenzeichen
S 26 KR 957/22
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 16 KR 677/23
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 13.06.2023 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

 

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Heranziehung von außerland- und außerforstwirtschaftlichem Arbeitseinkommen zur Beitragserhebung in der Kranken- und Pflegeversicherung der Landwirte.

 

Der am 00.00.0000 geborene Kläger war bei der Beklagten als landwirtschaftlicher Unternehmer seit 0000 kranken- und pflegeversichert. Seit dem 01.07.0000 bezieht er eine Rente der Landwirtschaftlichen Alterskasse. Die Beklagte setzte die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung fortlaufend fest. Seinen Anteil am landwirtschaftlichen Betrieb (Rechtsform Gesellschaft bürgerlichen Rechts <GbR>) gab der Kläger zum 01.07.2019 an seinen Enkel ab. Daneben führte der Kläger gemeinsam mit seiner Ehefrau einen Kälbermastbetrieb (ebenfalls Rechtsform GbR), der steuerrechtlich durch das Finanzamt als gewerblich und nicht landwirtschaftlich eingestuft wurde. Dieses betriebliche Gewerbe beendeten der Kläger und seine Ehefrau zum 31.12.0000.

 

Mit Bescheid vom 07.06.2021 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass er wegen der erfolgten Übergabe des landwirtschaftlichen Betriebes ab dem 01.07.0000 nicht mehr als landwirtschaftlicher Unternehmer, sondern als Bezieher einer Rente von der Alterskasse bei der Kranken- und Pflegeversicherung bei ihr versichert sei. Mit Schreiben vom 14.06.2021 wies sie den Kläger auf die Beitragspflicht für Renten der Deutschen Rentenversicherung, Altersrenten, Versorgungsbezüge (rentenähnliche Einnahmen) und Arbeitseinkommen, auch aus einer außerland- und außerforstwirtschaftlichen selbstständigen Tätigkeit (z. B. Photovoltaikanlage, Windräder und Gaststätte), hin. Maßgeblich sei die steuerrechtliche Zuordnung des Einkommens. Zur Prüfung der Beitragspflicht bat die Beklagte den Kläger um Vervollständigung des dem Schreiben beigefügten Fragebogens.

 

Im Fragebogen zum Arbeitseinkommen mit Datum vom 29.07.2021 gab der Kläger erstmals an, dass er seit 2002 Einkünfte aus der Beteiligung an einem Gewerbebetrieb in Höhe von XXX € pro Jahr erziele. Er reichte den Einkommensteuerbescheid für 0000 ein.

 

Mit Anhörungsschreiben vom 04.08.2021 wies die Beklagte den Kläger darauf hin, dass nach der Mitteilung seiner Einkünfte aus einem Gewerbebetrieb nunmehr im Rahmen der Verjährung zu prüfen sei, ob ab dem 01.01.2017 rückwirkend Beiträge auf Arbeitseinkommen zu erheben seien. Er werde daher um Mitteilung gebeten, ob er den Gewerbebetrieb weiter betreibe. Zudem seien die Einkommensteuerbescheide für 0000 und 0000 zu übersenden.

 

Mit Schreiben vom 03.08.2021 übersandte die Beklagte dem Kläger einen weiteren Fragebogen zur Prüfung, ob die neben dem Rentenbezug ausgeübte selbstständige Erwerbstätigkeit als hauptberuflich einzustufen sei. Der Kläger übersandte unter dem 05.10.2021 die Einkommensteuerbescheide für 0000 und (nochmals) 0000 und den ausgefüllten Fragebogen. Dort gab er an, seine Beteiligung am Gewerbebetrieb umfasse 30 Wochenstunden.

 

Die Beklagte setzte auf Grundlage der Einkommensteuerbescheide mit Bescheid vom 03.11.0000 die Beiträge für das Arbeitseinkommen aus der außerland- und außerforstwirtschaftlichen selbstständigen Tätigkeit ab dem 01.01.0000 bis zum 31.12.0000 endgültig und ab dem 01.01.0000 vorläufig bis zur Vorlage des nächsten Einkommensteuerbescheides fest. Nach der neuen Berechnung ergebe sich eine offene Forderung in Höhe von XXX €. Die auf die Rente entfallenden Beiträge wurden von der Zahlstelle einbehalten und abgeführt.

 

Mit Schreiben vom 05.11.2021 teilte die Beklagte dem Kläger überdies mit, dass aufgrund der ihr vorliegenden Unterlagen zu prüfen sei, ob eine hauptberufliche selbstständige Tätigkeit ausgeübt werde, mit der Folge, dass die bisherige Versicherung als Rentenbezieher nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 des Zweiten Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte vom 20. Dezember 1988 (KVLG 1989) zu beenden sei. Beigefügt waren dem Schreiben Unterlagen zur Beantragung einer freiwilligen Mitgliedschaft.

 

Der Kläger erhob, mittlerweile anwaltlich vertreten, am 24.11.2021 Widerspruch gegen den Bescheid vom 03.11.2021. Die gleichzeitig beantragte Aussetzung der sofortigen Vollziehung lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 29.11.2021 ab.

 

Der Kläger begründete seinen Widerspruch damit, dass die rückständigen Beiträge vom 01.01.2017 bis zur Abgabe seines Anteils am landwirtschaftlichen Betrieb nicht von ihm, sondern von der landwirtschaftlichen „G.-GbR“ zu fordern seien.

 

Laut Gesprächsvermerk vom 17.01.2022 teilte der Bevollmächtigte des Klägers der Beklagten telefonisch mit, dass die Beteiligung an dem außerlandwirtschaftlichen Gewerbe für den Kläger (und seine Ehefrau) weiter fortbestehe. Mit Schreiben vom gleichen Tage erläuterte die Beklagte dem Kläger nochmals die Grundlagen der Beitragspflicht auf außerland- und forstwirtschaftliches Arbeitseinkommen für Rentenbezieher gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 4 und § 45 Abs. 1 Nr. 3 KVLG 1989.

 

Der Kläger trug im Anschluss ergänzend vor, dass die Beklagte zwar die Regelung des § 39 Abs. 1 Nr. 4 KVLG 1989 korrekt angewandt habe, diese gesetzliche Regelung jedoch gegen höherrangiges Recht verstoße und ihn daher in seinen subjektiven Rechten verletze. So führe die Anwendung der gesetzlichen Regelung zu einer Ungleichbehandlung zwischen landwirtschaftlichen Unternehmern, die eine Altersrente bezögen, gegenüber denjenigen landwirtschaftlichen Unternehmern, die keine Rente bezögen. Ohne Bezug der Altersrente werde Arbeitseinkommen aus außerlandwirtschaftlicher Tätigkeit nicht zur Beitragsberechnung herangezogen, während dies beim Bezug einer Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung der Fall sei. Für diese Ungleichbehandlung sei keine sachliche Rechtfertigung erkennbar. Nach § 39 Abs. 1 Nr. 2 und 3 KVLG 1989 zahle er Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge aus seiner Altersrente. Dies sei auch nicht zu beanstanden. Es sei aber nicht nachzuvollziehen, warum er auch aus außerlandwirtschaftlichem Arbeitseinkommen Beiträge abführen müsse, wenn dies bei landwirtschaftlichen Unternehmern, die keine Altersrente bezögen, nicht der Fall sei. Die Frage, aus welchen Einkommensarten Beiträge zur landwirtschaftlichen Kranken- und Pflegekasse abgeführt werden müssten, stehe in keinem Bezug zu dem Umstand, dass Altersrente oder ähnliche Zahlungen bezogen würden. Er habe laut Einkommensteuerbescheid 0000 in diesem Jahr eine Rente von insgesamt XXXXX € bezogen, dies entspreche einem monatlichen Betrag von gut XXX €. Müsse er nun monatlich einen Krankenversicherungsbeitrag i. H. v. XXXX € und einen Pflegeversicherungsbeitrag i. H. v. XXXX € zusätzlich abführen, werde seine Altersrente dadurch fast wieder aufgesogen. Der Sinn dieser Regelung sei nicht erkennbar. Ferner liege in der Regelung eine nicht zu rechtfertigende Altersdiskriminierung. Landwirtschaftliche Unternehmer, die eine Regelaltersrente bezögen, seien ohne weitere Nachprüfung im Schnitt deutlich älter als der Altersdurchschnitt aller landwirtschaftlichen Unternehmer. Dadurch, dass die Verbeitragung von außerlandwirtschaftlichem Arbeitseinkommen an den Bezug von Altersrente geknüpft werde, liege zumindest eine mittelbare Altersdiskriminierung vor. Es sei nicht Sinn und Zweck der Regel, ältere landwirtschaftliche Unternehmer zu benachteiligen, mittelbar geschehe dies aber. Es liege damit ein Verstoß gegen Art. 21 der Grundrechtecharta der Europäischen Union, welche Diskriminierungen aufgrund des Alters verbiete, sowie die Gleichbehandlungs-Richtlinie 2000/78/EG vor, welche die Bekämpfung der Diskriminierung u.a. wegen des Alters bezwecke und gemäß Art. 3 auch in Bezug auf die Bedingungen für den Zugang zu selbstständiger Erwerbstätigkeit gelte. Er werde durch die Verbeitragung seines außerlandwirtschaftlichen Arbeitseinkommens aufgrund seines Alters insoweit in seiner selbstständigen Tätigkeit diskriminiert, sodass die Richtlinie greife. Verstoße eine nationale Rechtsvorschrift wie hier § 39 Abs. 1 Nr. 4 KVLG 1989 gegen die Richtlinie, so sei sie entweder richtlinienkonform auszulegen oder, falls dies unmöglich sei, nicht anzuwenden (Hinweis auf EuGH, Urteil vom 19.04.2016 – C-441/14 –, juris).

 

Unter dem 10.02.2022 teilte der Kläger sodann (zusammen mit seiner Ehefrau) mit, dass man jegliche betriebliche Tätigkeit zum 31.12.0000 eingestellt habe und außer der Rente kein weiteres Einkommen habe. Die Beklagte forderte daraufhin am 28.02.2022 Unterlagen zur Betriebseinstellung an. Unter dem 14.03.2022 bestätigte der Steuerberater des Klägers, dass der Kläger und seine Ehefrau als Gesellschafter der G.-GbR zum 31.12.0000 den Geschäftsbetrieb eingestellt hätten. Die Liquidation der GbR erfolge in 2022. Die Beklagte teilte dem Kläger in der Folge mit Schreiben vom 06.04.2022 mit, dass aufgrund der Aufgabe des Geschäftsbetriebes die Versicherung als Rentenbezieher nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 KVLG 1989 weiter durchgeführt werde, die eingeleitete Prüfung der Hauptberuflichkeit der selbstständigen Tätigkeit sei damit gegenstandslos. Mit Bescheid vom 06.04.2022 stellte die Beklagte das Ende der Beitragspflicht auf das außerlandwirtschaftliche Arbeitseinkommen mit Ablauf des 31.12.0000 wegen der Beendigung des Gewerbebetriebs fest. Zugleich setzte sie die Beiträge für 0000 und 0000 auf der Grundlage der Einkommensteuerbescheide endgültig fest.

 

Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 07.04.2022 als unbegründet zurück. Es sei zunächst festzuhalten, dass der Kläger die Beiträge aus dem – unstreitig – außerland- und außerforstwirtschaftlichen Arbeitseinkommen selbst tragen müsse, § 48 Abs. 1 KVLG 1989. Die G.-GbR sei nicht Beitragsschuldner. Der Kläger werde darüber hinaus nicht in seinen subjektiven Rechten verletzt, da die Verbeitragung von außerland- und außerforstwirtschaftlichem Arbeitseinkommen nicht gegen höherrangiges Recht, insbesondere nicht gegen Art. 3 GG, verstoße. Die landwirtschaftliche Kranken- und Pflegekasse behandele in Bezug auf die Beitragsbemessung sämtliche landwirtschaftliche Unternehmer gleich, die eine Rente bzw. einen Versorgungsbezug bezögen. Gleiches gelte für landwirtschaftliche Unternehmer, die keine Rente bzw. keinen Versorgungsbezug hätten. Zudem sei die Verbeitragung von außerland- und forstwirtschaftlichem Arbeitseinkommen auch sachlich gerechtfertigt. Versicherungspflichtige Rentenbezieher müssten ebenfalls einen Beitrag aus außerland- und forstwirtschaftlichen Einkommen entrichten. Würde dies für versicherungspflichtige landwirtschaftliche Unternehmer, die eine Rente bzw. einen Versorgungsbezug bezögen, nicht gelten, so wären diese bevorzugt behandelt im Vergleich zum Rentenbezieher, der kein landwirtschaftliches Unternehmen mehr bewirtschafte. Des Weiteren liege in der Verbeitragung von außerland- und forstwirtschaftlichem Arbeitseinkommen bei versicherungspflichtigen landwirtschaftlichen Unternehmern, die eine Rente oder einen Versorgungsbezug bezögen, keine Altersdiskriminierung. Auch versicherungspflichtige Bezieher einer Rente (vgl. § 45 Abs. 1 Nr. 3 KVLG 1989) hätten Beiträge aus außerland- und forstwirtschaftlichem Arbeitseinkommen zu entrichten. Dies sei im Übrigen keine Besonderheit im System der landwirtschaftlichen Kranken- und Pflegeversicherung. Auch in der allgemeinen Kranken- und Pflegeversicherung hätten versicherungspflichtige Rentenbezieher Beiträge aus außerland- und außerforstwirtschaftlichem Arbeitseinkommen zu entrichten, zudem müssten auch dort versicherungspflichtige Arbeitnehmer nur dann einen Beitrag aus dem Arbeitseinkommen entrichten, wenn sie eine Rente bzw. einen Versorgungsbezug bezögen. Es liege daher weder ein Verstoß gegen Art. 3 GG noch gegen das Verbot der Altersdiskriminierung vor.

 

Der Kläger hat am 28.04.2022 Klage bei dem Sozialgericht (SG) Münster erhoben und die Aufhebung der Beitragsfestsetzung für das Arbeitseinkommen aus einer außerlandwirtschaftlichen selbstständigen Tätigkeit für den Zeitraum vom 01.01.2017 bis 30.06.2019 begehrt. Zur Begründung hat er im Wesentlichen auf sein Vorbringen im Widerspruchsverfahren verwiesen. Zwar habe die Beklagte die gesetzliche Regelung des § 39 Abs. 1 Ziffer 4 KVLG 1989 korrekt angewandt. Diese gesetzliche Vorschrift verstoße jedoch gegen den Gleichheitsgrundsatz und das Verbot der Altersdiskriminierung. Die vorliegend maßgebliche Vergleichsgruppe beschränke sich auf landwirtschaftliche Unternehmer, die eine Rente bezögen, und diejenigen landwirtschaftlichen Unternehmer, die keine Rente bezögen.

 

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid vom 03.11.2021 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 07.04.2022 aufzuheben, soweit für den Zeitraum vom 01.01.2017 bis zum 30.06.2019 Beiträge aus einer außerland- und außerforstwirtschaftlichen selbstständigen Tätigkeit festgesetzt werden.

 

Die Beklagte hat beantragt,

                        die Klage abzuweisen.

 

Sie ist der Klage unter Verweis auf ihre ablehnende Begründung im Vorverfahren entgegengetreten. Ergänzend hat sie auf eine ihrer Ansicht nach einschlägige Entscheidung des SG Gelsenkirchen (Urteil vom 31.03.2022 – S 11 KR 625/20 –, n. v.) hingewiesen.

 

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 13.06.2023 abgewiesen. Wie auch der Kläger selbst anerkenne, habe die Beklagte bei der Beitragsfestsetzung die Regelung des § 39 Abs. 1 Ziffer 4 KVLG 1989 korrekt angewandt. Entgegen der Auffassung des Klägers verstoße diese gesetzliche Vorschrift nicht gegen den verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 GG und stelle auch keine Altersdiskriminierung dar. Der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz sei nach der Rechtsprechung des BVerfG vor allem dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten anders behandelt werde, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestünden, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (Hinweis auf BVerfG, Beschluss vom 27.02.2007 – 1 BvL 10/00 –, juris). Im vorliegenden Fall bestehe in dem Umstand des Rentenbezuges ein Unterschied von solcher Art und solchem Gewicht, der die Berücksichtigung der Einkünfte aus außerland- und außerforstwirtschaftlicher selbstständiger Tätigkeit bei denjenigen landwirtschaftlichen Unternehmern, die eine Rente bezögen, gegenüber den landwirtschaftlichen Unternehmern ohne Rentenbezug rechtfertige. Die Regelung des § 39 Abs. 1 Ziffer 4 KVLG 1989 entspreche der Regelung des § 226 Abs. 1 Nr. 4 SGB V und sei vom Gesetzgeber parallel ausgestaltet worden (Hinweis auf BSG, Urteil vom 29.02.2012 –B 12 KR 7/10 R –, juris). Da jedoch die Verfassungsmäßigkeit der Regelung in § 226 Abs. 1 Nr. 4 SGB V in der Rechtsprechung zu keiner Zeit beanstandet bzw. angezweifelt worden sei (Hinweis auf LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 26.02.2019 – L 4 KR 279/16 –, juris), sehe die Kammer auch vorliegend keine Anhaltspunkte dafür, die partielle Gleichbehandlung landwirtschaftlicher Unternehmer mit Rentenbezug mit den in der Krankenversicherung für Landwirte versicherten Rentnern und damit die unterschiedliche Behandlung gegenüber landwirtschaftlichen Unternehmern ohne Rentenbezug verfassungsrechtlich in Frage zu stellen. Da Anknüpfungspunkt für die Regelung des § 39 Abs. 1 Ziffer 4 KVLG 1989 der Umstand des Rentenbezuges und nicht eine konkrete Altersgrenze sei, sei im Übrigen bereits fraglich, ob vorliegend überhaupt von einer Altersdiskriminierung auszugehen sei. Vor dem Hintergrund, dass der sachliche Grund für die Regelung des § 39 Abs. 1 Ziffer 4 KVLG 1989 in Anlehnung an die parallele Vorschrift in § 226 Abs. 1 Nr. 4 SGB V in der Entwicklung der Beitragspflicht für Rentner und der vom Gesetzgeber nicht gewollten Ungleichbehandlung von versicherungspflichtigen Rentenbeziehern zu sehen sei, sei nach Auffassung der Kammer selbst im Fall der Annahme einer Altersdiskriminierung auch diesbezüglich ein Verstoß sachlich hinreichend gerechtfertigt.

 

Gegen das ihm am 05.07.2023 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung des Klägers vom 19.07.2023. Zur Begründung wiederholt und vertieft er sein erstinstanzliches Vorbringen. Auch wenn die Beklagte § 39 Abs. 1 Ziffer 4 KVLG 1989 korrekt anwende, so halte er die Regelung jedoch wegen Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz für verfassungswidrig und im Übrigen wegen mittelbarer Altersdiskriminierung für europarechtswidrig. Er sei als landwirtschaftlicher Unternehmer, der Altersrente beziehe, gegenüber einem landwirtschaftlichen Unternehmer, der keine Altersrente beziehe und dessen Arbeitseinkommen aus außerlandwirtschaftlicher Tätigkeit nicht zur Beitragsbemessung herangezogen werde, ohne sachliche Rechtfertigung ungleich behandelt worden. Da Landwirte, die Regelaltersrente bezögen, ohne weitere Nachprüfung im Schnitt deutlich älter als der Durchschnitt aller landwirtschaftlichen Unternehmer seien, liege eine mittelbare Altersdiskriminierung vor. Die Ausführungen des SG seien unzutreffend. Die Frage, aus welchen Einkommensarten Beiträge zur landwirtschaftlichen Kranken- und Pflegeversicherung abgeführt werden müssten, stehe in keinem Bezug zu dem Umstand, dass Altersrente oder ähnliche Zahlungen bezogen würden. Hierin liege zunächst ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Die Altersdiskriminierung liege darin, dass es nicht Sinn und Zweck der Regelung sei, ältere landwirtschaftliche Unternehmer zu benachteiligen, mittelbar geschehe dies aber. Soweit das SG ausführe, im vorliegenden Fall bestehe im Umstand des Rentenbezuges ein Unterschied von solcher Art und solchem Gewicht, dass dies die Verbeitragung der Einkünfte aus außerland- und forstwirtschaftlichen selbstständigen Tätigkeiten rechtfertige, sei dies nicht nachvollziehbar. Ein Differenzierungskriterium werde danach beurteilt, ob es dem Sinn und Zweck der Regelung entspreche. Für die Frage, ob Arbeitseinkommen zu verbeitragen sei, könne es nicht darauf ankommen, ob ein landwirtschaftlicher Unternehmer mit oder ohne Rentenbezug sei. Das SG erkläre nicht, aus welchen Gründen der Rentenbezug ein sachliches Unterscheidungskriterium sein solle und in welchem Zusammenhang der Rentenbezug mit der Verbeitragung von außerlandwirtschaftlichem Arbeitseinkommen stehe. Auch der Verweis des SG auf die parallel ausgestaltete Regelung des § 226 Abs. 1 Nr. 4 SGB V, welche nicht verfassungsrechtlich beanstandet oder bezweifelt worden sei, überzeuge nicht. Eine Regelung im SGB V für Versicherte, die nicht landwirtschaftliche Unternehmer seien, könne eine nicht sachgerechte Ungleichbehandlung von landwirtschaftlichen Unternehmen nicht rechtfertigen. Der Gesetzgeber habe die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung in der Landwirtschaft abweichend vom SGB V und SGB XI geregelt und somit sehr wohl erhebliche Unterschiede zwischen beiden gesehen. Theoretisch – aber hier nicht die Frage – sei es auch möglich, dass § 226 Abs. 1 Nr. 4 SGB V verfassungs- oder europarechtswidrig sei. Werde durch eine Regelung eine Ungleichbehandlung konstituiert, könne diese Ungleichbehandlung nicht damit gerechtfertigt werden, dass dies in Parallel- oder anderen Vorschriften gleichermaßen geschehe. Sachliche Gründe für eine Differenzierung hätten weder die Beklagte noch das SG vorgebracht. Soweit das SG anzweifele, ob überhaupt eine Altersdiskriminierung vorliege, da keine Anknüpfung an eine konkrete Altersgrenze, sondern den Rentenbezug erfolge, so sei darauf hinzuweisen, dass der Kläger ausdrücklich keine unmittelbare Altersdiskriminierung rüge. Er gestehe vielmehr ein, dass die Regelung nicht an eine Altersgrenze anknüpfe und auch nicht den Zweck habe, die Betroffenen wegen ihres Alters zu diskriminieren. Er habe aber überzeugend deutlich gemacht, dass in der Regelung eine mittelbare Altersdiskriminierung liege, da Rentenbezieher im Durchschnitt älter seien. Soweit das SG anführe, dass in Anknüpfung an § 226 Abs. 1 Nr. 4 SGB V selbst im Falle einer Altersdiskriminierung eine hinreichende Rechtfertigung vorliege, könne dies nicht überzeugen. Es müsse erläutert werden, warum und aus welchen Gründen eine mittelbare Altersdiskriminierung gerechtfertigt sei. Würde man den Hinweis auf eine Parallelvorschrift ausreichen lassen, würden sich altersdiskriminierende gleichlautende Vorschriften gegenseitig rechtfertigen. Eine mittelbare Altersdiskriminierung liege auf der Hand, wenn ältere Landwirte außerlandwirtschaftliches Arbeitseinkommen verbeitragen müssten, jüngere dagegen nicht.

 

Der Kläger beantragt,

 

das Urteil des SG Münster vom 13.06.2023 zu ändern und den Bescheid vom 03.11.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.04.2022 aufzuheben, soweit für den Zeitraum vom 01.01.2017 bis zum 30.06.2019 Beiträge für Arbeitseinkommen aus einer außerland- und außerforstwirtschaftlichen selbstständigen Tätigkeit festgesetzt werden.

 

Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,

 

                        die Berufung zurückzuweisen.

 

Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend und verweist auf ihr bisheriges Vorbringen. § 39 Abs. 1 Nr. 4 KVLG 1989 verstoße weder gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz noch gegen das Verbot der Altersdiskriminierung. Es sei hervorzuheben, dass auch versicherungspflichtige Bezieher einer Rente Beiträge auf außerland- und außerforstwirtschaftliches Arbeitseinkommen zu entrichten hätten, § 45 Abs. 1 Nr. 2 KVLG 1989. Mit der Regelung des § 39 Abs. 1 Nr. 4 KVLG 1989 seien landwirtschaftliche Unternehmer mit Rentenbezug den versicherungspflichtigen Rentenbeziehern gleichgestellt worden. Dieselbe Systematik ergebe sich auch in der allgemeinen Krankenversicherung. Dort hätten Rentenbezieher wie auch versicherungspflichtig Beschäftigte mit Renten-/Versorgungsbezug Beiträge aus Arbeitseinkommen zu entrichten, § 226 Abs. 1 Nr. 4 SGB V. Darüber hinaus sehe die Beklagte keine Altersdiskriminierung von landwirtschaftlichen Unternehmern mit Rentenbezug. Auch versicherungspflichtige Rentenbezieher hätten Beiträge auf außerland- und außerforstwirtschaftliches Arbeitseinkommen zu entrichten. Insofern würden landwirtschaftliche Unternehmer mit Rentenbezug ja gegenüber versicherungspflichtigen Rentenbeziehern bessergestellt, wenn sie keine Beiträge aus außerland- und außerforstwirtschaftlichem Arbeitseinkommen zu entrichten hätten.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Verwaltungs- sowie der Gerichtsakte verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung gewesen ist.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Dem Senat war eine Entscheidung im Termin zur mündlichen Verhandlung am 30.01.2025 trotz – angekündigten – Ausbleibens eines Vertreters der Beklagten zu diesem möglich. Die Möglichkeit eines solchen Vorgehens, über welche die Beteiligten im Rahmen der Terminsladung unterrichtet worden sind, folgt aus der Regelung der § 110 Abs. 1 Satz 2, § 153 Abs. 1 SGG.

 

Die zulässige, insbesondere statthafte und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das SG hat die Anfechtungsklage zu Recht abgewiesen, weil sie unbegründet ist.

 

Ob der noch vor dem Widerspruchsbescheid vom 07.04.2022 ergangene Bescheid vom 06.04.2022, mit dem die Beklagte das Ende der Beitragspflicht auf das außerland- und außerforstwirtschaftliche Arbeitseinkommen mit Ablauf des 31.12.2021 wegen der Beendigung des Gewerbebetriebs feststellte und zugleich die Beiträge für 2020 und 2021 auf der Grundlage der Einkommensteuerbescheide endgültig festsetzte, gemäß § 86 SGG Gegenstand des Vorverfahrens und damit des Klageverfahrens geworden ist, kann der Senat vorliegend dahinstehen lassen. Die hier streitgegenständliche Regelung, die endgültige Beitragsfestsetzung auf außerland- und außerforstwirtschaftliches Arbeitseinkommen im Zeitraum 01.01.0000 bis 30.06.0000, ist nicht berührt. Der Kläger hat seine Anfechtungsklage auf diesen Zeitraum beschränkt und dementsprechend hat das SG auch nur hierüber entschieden.

 

Die für den streitgegenständlichen Zeitraum vom 01.01.2017 bis 30.06.2019 vorgenommene Verbeitragung des aus dem steuerrechtlich (§ 15 SGB IV) als nicht-landwirtschaftlich eingestuften Gewerbebetrieb erzielten Arbeitseinkommens auf der Grundlage von § 39 Abs. 1 Nr. 4 KVLG 1989 ist entgegen der Auffassung des Klägers nicht zu beanstanden.

 

Gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 4 KVLG 1989 wird bei versicherungspflichtigen landwirtschaftlichen Unternehmern, soweit nachfolgend nichts Abweichendes bestimmt ist, der Beitragsbemessung Arbeitseinkommen aus außerland- und außerforstwirtschaftlicher Tätigkeit, soweit es neben einer Rente der gesetzlichen Rentenversicherung oder Versorgungsbezügen erzielt wird, zugrunde gelegt.

 

Dies traf auf den Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum vom 01.01.2017 bis 30.06.2019 zu; in diesem Zeitraum bewirtschaftete er selbst noch einen landwirtschaftlichen Betrieb als (Mehrheits-)Gesellschafter der entsprechenden GbR, bezog eine Rente der Landwirtschaftlichen Alterskasse und erzielte ausweislich der steuerrechtlichen Bewertung der Finanzbehörden durch die Einnahmen aus seinem nicht als landwirtschaftlich eingestuften Kälbermastbetrieb Arbeitseinkommen aus einer selbstständigen außerland- und außerforstwirtschaftlichen Tätigkeit (vgl. zum Ganzen auch Hecheltjen in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB Sozialrecht Besonderer Teil, 1. Aufl., § 39 KVLG 1989 <Stand: 15.04.2023>, Rn. 75 ff.). Die Beklagte konnte somit mit den angefochtenen Bescheiden auf der Grundlage der Einkommensteuerbescheide im Rahmen der vierjährigen Verjährungsfrist rückwirkend ab dem 01.01.2017 Beiträge auf das außerland- und außerforstwirtschaftliche Arbeitseinkommen erheben, § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV.

 

Der Kläger selbst bestreitet die korrekte Anwendung der Norm durch die Beklagte nicht, für eine fehlerhafte Anwendung ergeben sich im Übrigen keine Anhaltspunkte. Auch wenn er den Einwand nicht aufrechterhalten hat, so ist ergänzend darauf hinzuweisen, dass der Kläger gemäß § 47 Abs. 1 KVLG 1989 im streitgegenständlichen Zeitraum als landwirtschaftlicher Unternehmer i. S. d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 KVLG 1989 (vgl. Hecheltjen a.a.O., § 2 Rn. 35 ff.) auch selbst – und nicht die GbR – zur Tragung der Beiträge verpflichtet gewesen ist.

 

Der Kläger stützt sein Klage- und Berufungsbegehren allein auf den von ihm behaupteten Verstoß der Norm gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz gemäß Art. 3 Abs. 1 GG sowie das (europarechtliche) Verbot der Altersdiskriminierung, welches er als mittelbar verletzt ansieht. Indes liegen die gerügten Verstöße gegen höherrangiges Recht nicht vor. Die Regelung des § 39 Abs. 1 Nr. 4 KVLG 1989 stellt weder einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG dar, noch liegt darin eine unzulässige (mittelbare) Altersdiskriminierung.

 

Die Verbeitragung außerland- und außerforstwirtschaftlichen Arbeitseinkommens von Rentenbeziehern gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 4 KVLG 1989 ist mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar.

 

Wie das SG zutreffend ausführt, ist die streitgegenständliche Norm seit Jahrzehnten Gegenstand der sozialgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. etwa BSG, Urteil vom 23.04.2024 – B 12 KR 4/22 R –, Rn. 19, juris, sowie Urteil vom 19.02.2012 – B 12 KR 7/10 R –, Rn. 22 ff., juris), ohne dass das BSG sich aufdrängende Zweifel an seiner Verfassungsmäßigkeit geäußert hätte (vgl. hierzu insbesondere auch BSG, Beschluss vom 29.07.2024 – B 12 KR 14/23 B –, juris).

 

Im Übrigen gebietet Art 3 Abs. 1 GG dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Er verwehrt dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung. Differenzierungen bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Der Gleichheitssatz ist dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können. Die Grenzen, die der allgemeine Gleichheitssatz dem Gesetzgeber vorgibt, können sich von lediglich auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen erstrecken. Es gilt ein am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz orientierter, stufenloser Prüfungsmaßstab, der nicht abstrakt, sondern nur nach dem jeweils betroffenen Sach- und Regelungsbereich näher bestimmbar ist. Der Gesetzgeber unterliegt insbesondere dann einer strengeren Bindung, wenn die Differenzierung an Persönlichkeitsmerkmale anknüpft, die für den Einzelnen nicht verfügbar sind. Relevant für das Maß der Bindung ist zudem die Möglichkeit der Betroffenen, durch ihr Verhalten die Verwirklichung der Differenzierungskriterien zu beeinflussen (st. Rspr. des BVerfG, vgl. Beschluss vom 21.06.2011 – 1 BvR 2035/07 –, Rn. 63 ff., juris, sowie Beschluss vom 18.07.2005 – 1 BvF 2/01 –, Rn. 108, juris). Maßgebend ist, ob für die vorgesehene Differenzierung Gründe von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleichen Rechtsfolgen rechtfertigen können. Jedoch muss auch in diesem Kontext der weite sozialpolitische Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Ausgestaltung der sozialstaatlichen Ordnung berücksichtigt werden; sozialpolitische Entscheidungen des Gesetzgebers sind anzuerkennen, solange seine Erwägungen weder offensichtlich fehlsam noch mit der Wertordnung des GG unvereinbar sind (BSG, Urteil vom 18.11.2015 – B 12 KR 21/14 R –, Rn. 30 m. w. N., juris).

 

Damit ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG also überhaupt in Betracht kommt, muss eine sachlich ungerechtfertigte Ungleichhandlung von wesentlich Gleichem vorliegen, weshalb zunächst die korrekte Vergleichsgruppe zur – behaupteten – benachteiligten Gruppe zu bilden ist. Der Kläger trägt vor, maßgebliche Vergleichsgruppe für die unter § 39 Abs. 1 Nr. 4 KVLG 1989 fallenden, als landwirtschaftliche Unternehmer tätigen Rentenbezieher seien alle anderen – keine Rente beziehenden – Landwirtschaftsunternehmer, welche nach der Ausgestaltung des KVLG 1989 keine Beiträge auf außerland- bzw. außerforstwirtschaftliches Arbeitseinkommen zahlen müssen. Maßgeblicher Anknüpfungspunkt für die angegriffene Verbeitragung ist jedoch nicht die Eigenschaft als landwirtschaftlicher Unternehmer, sondern der Rentenbezug. Die zutreffende Vergleichsgruppe sind damit – wie auch die Beklagte anmerkt – damit alle anderen, d.h. die nicht (mehr) als landwirtschaftlichen Unternehmer tätigen Rentenbezieher. Diese müssen jedoch gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KVLG 1989 ebenfalls vorhandenes Arbeitseinkommen mit Ausnahme von Einkommen aus Land- und Forstwirtschaft verbeitragen. Somit liegt eine Ungleichbehandlung der Vergleichsgruppen bereits nicht vor.

 

Doch selbst wenn Anknüpfungspunkt für die Bildung der Vergleichsgruppe nicht der Rentenbezug, sondern allein das außerland- und außerforstwirtschaftliche Unternehmertum wäre, stellt der Rentenbezug ein sachliches Differenzierungskriterium bei der Ausgestaltung des Beitragsrechts dar. Zwischen Rentnern und Nicht-Rentnern besteht ein Unterschied von solcher Art und solchem Gewicht, der eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigt. Wie das BSG (a.a.O.) unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des BVerfG (vgl. etwa Beschluss vom 18.07.2005 – 2 BvF 2/01 –, Rn. 127 f., juris) ausführt, hat der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der Tatbestände, die zur Beitragspflicht führen, einen weiten Ermessensspielraum. Dass bei Rentenbeziehern auch außerland- und außerforstwirtschaftliches Arbeitseinkommen zur Beitragserhebung herangezogen wird, um ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit möglichst vollständig abzudecken, stößt vor diesem Hintergrund nicht auf Bedenken.

 

Zuzugeben ist dem Kläger, dass die Argumentation des SG, § 39 Abs. 1 Nr. 4 KVLG 1989 entspreche der Ausgestaltung der Beitragserhebung im SGB V, insbesondere § 226 Abs. 1 Nr. 4 SGB V, wobei die Verfassungsmäßigkeit dieser Norm noch nie angezweifelt worden sei, für sich genommen zirkelschlüssig ist. Jedoch ist auch § 226 Abs. 1 Nr. 4 SGB V verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

 

Bei versicherungspflichtig Beschäftigten ist Arbeitseinkommen (aus selbstständiger Tätigkeit) anders als Arbeitsentgelt aus abhängiger Beschäftigung ebenfalls nur beitragspflichtig, wenn es entweder neben Rente oder neben Versorgungsbezügen (oder neben beidem) bezogen wird. Hingegen ist es nicht beitragspflichtig, wenn der versicherungspflichtig Beschäftigte (um den es in § 226 Abs. 1 SGB V allein geht) Arbeitseinkommen (aus selbstständiger Tätigkeit) nur neben seinem (beitragspflichtigen) Arbeitsentgelt (aus der abhängigen Beschäftigung) bezieht, er jedoch keine beitragspflichtige Rente oder beitragspflichtigen Versorgungsbezüge hat. Der Grund für diese auf den ersten Blick schwer verständliche Regelung liegt in der Entwicklung der Krankenversicherung der Rentner (KVdR). Als für die kraft Rentenbezuges versicherungspflichtigen Rentner eine eigene Beitragspflicht eingeführt wurde, machte der Gesetzgeber bei ihnen neben der Rente auch Versorgungsbezüge und Arbeitseinkommen beitragspflichtig. Diese Bezüge hat der Gesetzgeber aus Gleichbehandlungsgründen dann auch bei denjenigen für beitragspflichtig gehalten, deren Versicherungspflicht nicht auf dem Rentenbezug, sondern auf einem anderen Tatbestand der Versicherungspflicht beruht (früher § 180 Abs. 6 RVO), auch bei versicherungspflichtig Beschäftigten; sie sind, wenngleich noch versicherungspflichtig beschäftigt, durch den Bezug von Rente oder Versorgung partiell mit den Rentnern vergleichbar. Bei den versicherungspflichtig Beschäftigten, die dem Kreis der Empfänger von Rente oder Versorgungsbezügen noch nicht angehören, bleibt es demgegenüber bei dem Grundsatz, dass nur das Arbeitsentgelt aus der die Versicherungspflicht begründenden Beschäftigung beitragspflichtig ist (BeckOGK/Beck, Stand: 15.02.2023, SGB V § 226 Rn. 18).

 

Diese Ausführungen sind auf die Ausgestaltung der Krankenversicherung der Landwirte übertragbar. Auch der nach § 39 Abs. 1 Nr. 4 KVLG 1989 noch als landwirtschaftlicher Unternehmer tätige und pflichtversicherte Landwirt (wie hier der Kläger) wird durch den gleichzeitigen Rentenbezug partiell mit den als Rentnern Pflichtversicherten (§ 45 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KVLG 1989) vergleichbar und entsprechend verbeitragt. Die Anknüpfung an den Rentenbezug für die Differenzierung in der Beitragspflicht (hier Verbeitragung von außerland- und außerforstwirtschaftlich erzieltem Arbeitseinkommen) erweist sich als sachgerecht. Das BVerfG hat schon in seinem Beschluss vom 06.12.1988 – 2 BvL 18/84 – Rn. 35, juris, zur Vorgängerregelung von § 226 SGB V ausgeführt:

 

„Wird über das Rentenbezugsrecht der umfassende Krankenversicherungsschutz gewährt, den die Krankenversicherung der Rentner bietet, so muß es - nachdem in rechtlich unbedenklicher Weise die Beitragspflicht zur gesetzlichen Krankenversicherung eingeführt worden ist - als gerechtfertigt angesehen werden, daß der Rentner die Solidargemeinschaft der Versicherten durch Beiträge mitfinanziert, deren Höhe sich auch an den der Rente vergleichbaren Einnahmen orientiert. Es ist eine in jeder Hinsicht vertretbare Erwägung, daß ein Krankenversicherungssystem, welches die Beitragspflicht der Rentner auf ihre Rente beschränkt, immer dann zu sozialpolitisch schwer erträglichen, weil die Gesamtheit der Beitragszahler übermäßig belastenden Ergebnissen führen kann, wenn die Rente nur einen Teil der Gesamtversorgung des Rentners bildet. Dies hat vor allem für die Fälle zu gelten, in denen - wie beim Kläger des Ausgangsverfahrens - der Bezieher einer niedrigen Rente über vergleichsweise beträchtliche sonstige Einnahmen zur Alterssicherung verfügt, in denen also die Rente nur einen geringen Teil der Gesamtversorgung des Rentner-Pensionärs ausmacht. Es erscheint dann eindeutig unbillig, wenn er bereits aufgrund von Beiträgen, die nach seiner niedrigen Rente bemessen und daher gering sind, in den vollen Genuß der Vorteile der Krankenversicherung der Rentner kommt, während seine weiteren Einnahmen, welche beträchtlich sind und seine eigentliche Lebensgrundlage bilden, bei der Beitragsbemessung außer Betracht, also beitragsfrei bleiben. Vor allem gibt es auch keinen sachlichen Grund dafür, die in einem Beschäftigungsverhältnis stehenden Kassenmitglieder den Krankenversicherungsschutz auch solcher Rentner mittragen zu lassen, die mit ihren gesamten Einnahmen zur Altersversorgung wirtschaftlich besser als der Durchschnitt dieser "aktiven" Mitglieder dastehen (…)“.

 

Da mithin bereits über den Rentenbezug nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 KVLG 1989 eine Pflichtversicherung begründet werden kann, ist entsprechend den obigen Erwägungen die Einbeziehung auch von außerland- und außerforstwirtschaftlichem Arbeitseinkommen von Rentenbeziehern bei der Beitragsbemessung zur Erfassung der vollständigen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit durch den weiten Ermessensspielraum des Sozialgesetzgebers gedeckt und sachgerecht (vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 15.03.2000 – 1 BvL 16/96 –, juris, Rn. 74 sowie Rn. 84, wonach auch eine weitergehende Beitragserfassung, als die in § 226 Abs. 1 Nr. 4 SGB V geregelte, von der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers getragen wäre). Auch der Kläger bezieht nur eine geringe Rente von etwa 6.000 € jährlich, demgegenüber standen im streitgegenständlichen Zeitraum die Einnahmen aus dem Kälbermastbetrieb von fast 60.000 € jährlich. Dies zeigt, dass, wenn – wie im Falle des Klägers – das neben dem Rentenbezug erzielte Arbeitseinkommen bereits seiner Höhe nach ersichtlich die eigentliche Lebensgrundlage darstellt, die Beschränkung seiner Beitragspflicht auf die im Verhältnis geringfügigen Rentenbezüge, die ihrerseits den Zugang zum vollen Versicherungsschutz ermöglichen, mit dem Solidarprinzip der gesetzlichen Krankenversicherung nicht zu vereinbaren wäre. Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG scheidet damit aus.

 

Auch die vom Kläger gerügte mittelbare Altersdiskriminierung durch § 39 Abs. 1 Nr. 4 KVLG 1989, die von ihm darin gesehen wird, dass Rentenbezieher im Schnitt älter sind als Nichtrentenbezieher, liegt nicht vor. Das gemeinschaftsrechtliche Verbot der Altersdiskriminierung nach der Richtlinie (RL) 2000/78/EG des Rates vom 27.11.2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf ist durch den Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Umsetzung europäischer Richtlinien zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung (GleiBehUmsG vom 14.08.2006) innerstaatlich umgesetzt worden, und zwar insbesondere mit dem Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) von demselben Tage. § 39 Abs. 1 Nr. 4 KVLG 1989 widerspricht den Regelungen des AGG indes nicht. Nach § 2 Abs. 2 AGG gelten für Leistungen nach dem SGB ausschließlich die durch Art. 3 Abs. 7 Nr. 2 und Abs. 9 Nr. 3 GleiBehUmsG eingefügten Regelungen der §§ 33c SGB I19a SGB IV. Gegen die hierdurch begründeten Benachteiligungsverbote verstößt die angegriffene Beitragsnorm nicht, weil sie eine Differenzierung nach dem Alter nicht ausschließen. Das Verbot der Benachteiligung u. a. aus Gründen des Alters nach § 19a SGB IV trifft den vorliegenden Sachverhalt nicht, weil der Kläger keine Leistung mit dem Ziel der Berufsberatung, der Berufsbildung, der beruflichen Weiterbildung o. Ä. beansprucht. § 33c SGB I ist nicht verletzt, weil die hierdurch für die Inanspruchnahme sozialer Rechte begründeten Benachteiligungsverbote nur Differenzierungen (vgl. Satz 1) nach der Rasse, der ethnischen Herkunft oder einer Behinderung betreffen, nicht aber den Differenzierungsgrund des Alters (BSG, Urteil vom 25.06.2009 – B 3 KR 7/08 R –, Rn. 18 f., juris; vgl. auch Schlachter in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 25. Aufl. 2025, AGG, § 2 Rn. 16). Mithin wird die hier streitige Beitragserhebung nach § 39 Abs. 1 Nr. 4 KVLG 1989 bereits nach dem Wortlaut von § 19a SGB IV und § 33c SGB I, welche das europarechtliche Verbot der Altersdiskriminierung in nationales (Sozial-)Recht umsetzen und abschließend sind (vgl. Thüsing in: MüKo BGB, 10. Aufl. 2025, AGG, § 2 Rn. 30, a.A. BeckOGK/Baumgärtner, Stand: 01.11.2024, AGG § 2 Rn. 56), nicht erfasst.

 

Im Übrigen bestünde nach Auffassung des Senats selbst dann, wenn eine mittelbare, unter das AGG fallende Altersdiskriminierung anzunehmen wäre, eine Rechtfertigung hierfür. § 3 Abs. 2 AGG bestimmt, dass eine mittelbare Benachteiligung vorliegt, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich. Das rechtmäßige Ziel stellt im vorliegenden Fall das legitime Ziel des Gesetzgebers, über § 39 Abs. 1 Nr. 4 KVLG 1989 ebenso wie über § 226 Abs. 1 Nr. 4 SGB V im Rahmen der Beitragserhebung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Rentenbezieher zu erfassen, dar. Anhaltspunkte für eine fehlende Verhältnismäßigkeit der Regelung sind im Übrigen nicht ersichtlich.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

 

Gründe, die Revision zuzulassen (§160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.

 

Rechtskraft
Aus
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