Die Klage wird abgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
T a t b e s t a n d :
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin am 30.10.2020 einen Arbeitsunfall erlitten hat.
Die am 00.00.0000 geborene Klägerin, die an einem frühkindlichen Hirnschaden leidet, ist als Arbeiterin in der N. gGmbH, einer Werkstatt für behinderte Menschen, beschäftigt.
In einem Durchgangsarztbericht vom 04.11.2020 teilte der Durchgangsarzt O. der Beklagten mit, die Klägerin sei am 30.10.2020 von einem Kollegen geschubst worden und dabei auf die rechte Körperseite gefallen.
Dr. O. diagnostizierte eine mediale Schenkelhalsfraktur rechts.
In einer Unfallanzeige teilte die N. gGmbH mit, die Klägerin werde ausschließlich in der Werkstatt für behinderte Menschen beschäftigt. Ihre erbrachte Arbeitsleistung sei wirtschaftlich verwertbar. Der Unfall sei während der Mittagspause um 12.30 Uhr auf dem Außengelände der Werkstatt geschehen. Die Mittagspause gehe von 12 Uhr bis 13 Uhr. Die Klägerin sei während eines Spaziergangs in ihrer Mittagspause aus nicht geklärten Gründen geschubst worden. Sie sei dabei zu Boden gefallen. Sie habe über Schmerzen am rechten Oberschenkel geklagt, ein Arzt habe anschließend einen Oberschenkelhalsbruch diagnostiziert.
Nach einem Telefonvermerk der Beklagten vom 25.11.2020 teilte Herr P. von der Werkstatt für behinderte Menschen der Beklagten mit, die Klägerin mache regelmäßig in der Mittagspause einen Spaziergang auf dem Außengelände der Werkstatt. Eine Runde sei ca. 750 Meter lang. Viele behinderte Werkstattmitarbeiter machten in der Mittagspause einen Spaziergang, weil dies nach dem Sitzen entspannend sei. Von einem Ereignis, das den Spaziergang erforderlich gemacht habe, sei ihm nichts bekannt.
Mit Bescheid vom 27.11.2020 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses als Arbeitsunfall ab. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe zum Unfallzeitpunkt einen Spaziergang in der Mittagspause auf dem Gelände der Werkstatt gemacht. Spaziergänge in der Mittagspause seien nicht der versicherten Tätigkeit, sondern dem persönlichen und daher unversicherten Lebensbereich zuzurechnen.
Die Klägerin legte gegen diesen Bescheid Widerspruch ein. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe sich kurz vor dem Ende der Pause wenige Meter vor dem Eingang befunden. Sie habe wieder an ihren Arbeitsplatz zurückgehen und gleichzeitig die Toilette aufsuchen wollen, da sie einen starken Druck auf der Blase gehabt habe. Sie mache dies täglich so: Mittag essen – vor dem Gebäude ein paar Schritte gehen – dann zur Toilette – zum Arbeitsplatz zurück.
Am 30.10.2020 sei von hinten ein behinderter Mensch gekommen, der die Klägerin mit voller Wucht zu Boden gestoßen habe, so dass es zu der Verletzung gekommen sei. Eine Mitarbeiterin der Werkstatt habe erzählt, dass es sich bei dem Mann um einen Autisten handele, der Angst vor dem Rucksack der Klägerin gehabt habe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 27.01.2021 wurde der Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts stehe ein Spaziergang während einer Arbeitspause mit der versicherten Tätigkeit nur dann in innerem Zusammenhang, wenn er aus besonderen Gründen zur notwendigen Erholung für eine weitere betriebliche Tätigkeit erforderlich sei. Dies sei der Fall, wenn der Versicherte aufgrund besonderer Belastungen durch die bisher verrichtete Tätigkeit zur Durchführung des Spaziergangs veranlasst gewesen sei, sich zu erholen und seine Arbeitsfähigkeit für die nachfolgende betriebliche Tätigkeit wiederherzustellen oder jedenfalls zu erhalten. Allein das allgemeine Interesse des Unternehmers daran, dass Arbeitspausen in vernünftiger Weise zur Erholung und Entspannung verwendet werden, damit die Leistungsfähigkeit der Arbeitnehmer erhalten bleibe, reiche nicht aus, um den inneren Zusammenhang zwischen der eigentlichen betrieblichen Tätigkeit und dem Verhalten in der Pause zu begründen. Ein innerer Zusammenhang sei nur anzunehmen, wenn die bisherige Tätigkeit als wesentliche Ursache eine besondere Ermüdung der Versicherten verursacht habe.
Eine derartige Ausnahmesituation habe vor dem Spaziergang der Klägerin nicht vorgelegen. Besondere Belastungen durch die vorherige betriebliche Tätigkeit seien nicht ersichtlich, wie der N. auf ergänzende telefonische Nachfrage am 25.11.2020 bestätigt habe. Vielmehr habe die Klägerin, wie auch in der Widerspruchsbegründung angegeben, regelmäßig in der Mittagspause einen Spaziergang auf dem Außengelände gemacht.
Bei dem Spaziergang zum Unfallzeitpunkt habe es sich somit um eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit gehandelt, die in keinem inneren Zusammenhang mit der eigentlich versicherten betrieblichen Tätigkeit und somit nicht unter Unfallversicherungsschutz stehe.
Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem Vortrag, dass die Klägerin kurz vor dem Ende der Arbeitspause auf dem Weg zur Toilette und anschließend zu ihrem Arbeitsplatz gewesen sei. Der Unfall habe sich bereits um 12.30 Uhr ereignet, also mitten in der Mittagspause zwischen 12 und 13 Uhr und nicht kurz vor dem Ende, so dass bereits fraglich sei, ob zum Unfallzeitpunkt tatsächlich schon der Weg zur Toilette zurückgelegt worden sei. Dies könne jedoch letztlich dahinstehen, da auch dies im vorliegenden Fall keinen Versicherungsschutz begründen würde. Zwar bestehe grundsätzlich während der Arbeit auf dem Weg zu einem Ort auf der Betriebsstätte selbst, an dem die Notdurft verrichtet werden soll, Unfallversicherungsschutz, weil es sich um einen Weg handele, der in seinem Ausgangs- und Zielpunkt durch die Notwendigkeit geprägt sei, persönlich an der Arbeitsstätte anwesend zu sein, um dort die betriebliche Tätigkeit zu verrichten. Für den Versicherungsschutz sei jedoch erforderlich, dass die Verrichtung vor dem Losgehen zur Toilette der versicherten Tätigkeit zuzurechnen sei und der Versicherte nach dem Toilettenbesuch die versicherte Tätigkeit fortsetzen wolle. Diese Voraussetzungen seien vorliegend nicht erfüllt, denn wie zuvor bereits ausgeführt, sei der Spaziergang innerhalb der Mittagspause als Verrichtung vor dem Losgehen zur Toilette nicht der versicherten Tätigkeit zuzurechnen, so dass auch der Weg zur Toilette, sollte dieser zum Unfallzeitpunkt tatsächlich bereits zurückgelegt worden sein, hier nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden habe. Mangels innerem sachlichen Zusammenhang der unfallbringenden Verrichtung mit der versicherten Tätigkeit seien die Voraussetzungen eines Arbeitsunfalls gemäß § 8 Abs. 1 SGB VII nicht erfüllt, so dass das Ereignis vom 30.10.2020 rechtmäßig als Arbeitsunfall abgelehnt worden sei.
Hiergegen hat die Klägerin am 15.02.2021 Klage erhoben. Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen, die Klägerin müsse behinderungsbedingt in der Mittagspause einen kleinen Spaziergang machen, um sodann die notwendige Konzentration für eine Weiterarbeit aufzubringen. Essen und Trinken oder ein Verweilen im Pausenraum genügten allein nicht. Sie sei auch während der Arbeitszeit sehr angespannt. Die Pausen seien für sie besonders wichtig. Die Klägerin habe von den Betreuern der Werkstatt die Erlaubnis, auch während der regulären Arbeitszeit den Werkstattraum zu verlassen und im Außenbereich der Werkstatt ein paar Runden zu drehen.
Am 30.10.2020 sei die Klägerin wie immer mittags auf dem Werkstattgelände eine Weile spazieren gegangen. Auf dem Gelände sei ein Rundgang mit einer Strecke von etwa 750 Metern, der auch von anderen Beschäftigten mit Behinderung in der Pause genutzt werde. Die Klägerin sei von dem Spaziergang zurückgekehrt und habe sich wenige Meter vor dem Eingang des Gebäudes befunden. Die Toiletten seien nicht vom Außenbereich zu erreichen, sondern im Gebäude. Die Klägerin habe noch durch die Tür hindurch in das Gebäude gehen müssen, um zu den Toiletten zu gelangen. Diese habe sie noch aufsuchen wollen, bevor sie in den Werkstattraum gehen wollte. Die Klägerin habe ihren Rucksack auf dem Rücken getragen. Von diesem habe sich ein Arbeitskollege, der wohl an einer autistischen Störung leide, bedroht gefühlt. Der Arbeitskollege habe die Klägerin angegriffen und zu Boden geschubst. Die Klägerin sei auf die rechte Körperhälfte gefallen und habe nicht mehr aufstehen können. Es sei eine mediale Schenkelhalsfraktur rechts festgestellt worden. Ein Spaziergang in der Pause werde in der Regel dem privaten und damit unversicherten Lebensbereich zugeordnet. Der Spaziergang während einer Arbeitspause stehe mit der versicherten Tätigkeit nur dann in einem inneren Zusammenhang, wenn er aus besonderen Gründen zur notwendigen Erholung für eine weitere betriebliche Betätigung erforderlich sei. Nur wenn der Versicherte aufgrund besonderer Belastungen durch die bisher verrichtete Tätigkeit zur Durchführung des Sparzierganges veranlasst worden sei, um sich zu erholen und seine Arbeitsfähigkeit für die nachfolgende betriebliche Tätigkeit wiederherzustellen oder jedenfalls zu erhalten, könne ein solcher innerer Zusammenhang angenommen werden (LSG Hessen, Urteil vom 14.06.2019 – L 9 U 208/17 mit Verweis auf BSG, Urteil vom 26.06.2001 – B 2 U 30/00 R-), z.B. wenn die bisherige betriebliche Tätigkeit als wesentliche Ursache eine besondere Ermüdung des Versicherten verursacht habe, die ohne die betriebliche Tätigkeit gar nicht oder erst später aufgetreten wäre. Hier sei die Handlung der Klägerin klar darauf gerichtet gewesen, wieder ihre Beschäftigung aufzunehmen. Hierfür habe sie die Toilette aufsuchen wollen. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass sie schwerbehindert sei und die Arbeit in der Werkstatt nur unter geschützten Bedingungen verrichten könne. Hierzu zähle auch der Sparziergang in der Mittagspause, der behinderungsbedingt indiziert sei. Schließlich ergebe sich ein Versicherungsschutz auch aus einer besonderen Betriebsgefahr. Selbst wenn der Aufenthalt der Klägerin zu dem Unfallzeitpunkt noch einer privaten Verrichtung zuzuordnen wäre, hätte sich vorliegend in dem Übergriff durch einen ebenfalls schwer gehandicapten Arbeitskollegen eine Betriebsgefahr verwirklicht, die mit der Tätigkeit in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderungen einhergehe. Die gesetzliche Unfallversicherung habe den Zweck, Beschäftigte gegen Gefahren der Arbeit zu versichern, denen sie wegen ihrer Beschäftigung dort ausgesetzt seien, und gleichzeitig den Unternehmer von möglichen Schadensansprüchen ihrer Beschäftigten freizustellen. Da sich vorliegend eine besondere Betriebsgefahr realisiert habe, müsse unabhängig von der für diesen Moment festzustellenden Handlungstendenz Versicherungsschutz bestehen.
Die Klägerin beantragt nach ihrem schriftsätzlichem Vorbringen sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 27.11.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.01.2021 zu verurteilen, den Unfall vom 30.10.2020 als Arbeitsunfall anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ausgeführt, nach der Rechtsprechung des BSG bestehe während eines Spaziergangs innerhalb der Mittagspause nur ausnahmsweise Versicherungsschutz, wenn der Spaziergang aus besonderen Gründen zur notwendigen Erholung für die weitere betriebliche Betätigung erforderlich sei, was nur dann der Fall sei, wenn der Versicherte aufgrund besonderer Belastungen durch die bisher verrichtete betriebliche Tätigkeit zur Durchführung des Spazierganges veranlasst worden sei. Eine solche Ausnahmesituation habe am Unfalltag ausweislich der Eigenangaben der Klägerin sowie auch des Arbeitgebers nicht vorgelegen. Wie in der Klagebegründung selbst vorgetragen worden sei, erfolge der Spaziergang behinderungsbedingt jeden Tag in der Mittagspause und sei somit grundsätzlich und zwar auch am Unfalltag gerade nicht durch eine besondere Belastung durch die bisher verrichtete betriebliche Tätigkeit bedingt gewesen. Weiterhin trage die Klägerseite vor, der Unfall habe sich wenige Meter vor der Eingangstür der Werkstatt ereignet und die Klägerin habe die Toilette im Gebäude aufsuchen wollen, weshalb der Spaziergang beendet gewesen sei und die Handlungstendenz auf die Wiederaufnahme der Arbeit gerrichtet gewesen sei. Sofern man den Spaziergang hier als beendet ansehen würde, obwohl sich die Klägerin noch auf dem Außengelände befunden habe, und das Gebäude noch nicht wieder betreten hatte, ergebe sich aus diesem Vortrag, dass die Handlungstendenz der Klägerin auf die – ebenfalls eigenwirtschaftliche – Verrichtung der Notdurft gerichtet gewesen sei und nicht auf die Wiederaufnahme der Arbeit. Auch diesbezüglich habe die Beklagte im Widerspruchsbescheid dargelegt, dass sich hieraus kein Unfallversicherungsschutz ergebe, denn für den Versicherungsschutz während der Arbeit auf dem Weg zu einem Ort auf der Betriebsstätte selbst, an dem die Notdurft verrichtet werden solle, wäre erforderlich, dass die Verrichtung vor dem Losgehen zur Toilette der versicherten Tätigkeit zuzurechnen sei und der Versicherte nach dem Toilettenbesuch die versicherte Tätigkeit fortsetzen wolle (BSG, Urteil vom 30.03.2017 – B 2 U 15/15 R - ). Wie bereits ausgeführt, handele sich bei der vorherigen Verrichtung des Spaziergangs in der Mittagspause jedoch um eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit, die nicht der versicherten Tätigkeit als Beschäftigte zuzurechnen sei, so dass diese Voraussetzungen hier nicht erfüllt seien. Unfallversicherungsschutz ergebe sich letztlich entgegen der Klagebegründung auch nicht unter dem Aspekt einer besonderen Betriebsgefahr. Allein der Umstand, dass der Unfall auf dem Betriebsgelände eingetreten sei, begründe den inneren Zusammenhang der betrieblichen Tätigkeit noch nicht, denn der bloße Aufenthalt des versicherten Arbeitnehmers dort reiche zur Annahme des Versicherungsschutzes nicht aus. In der gesetzlichen Unfallversicherung bestehe mangels entsprechender Regelung außerhalb der See- und Binnenschifffahrt kein sog. Betriebsbann, so dass auch im Falle der Einwirkung besonderer, dem Betrieb eigentümlicher Gefahren Unfälle bei eigenwirtschaftlichen Tätigkeiten nicht versichert seien. Vielmehr sei stets erforderlich, dass der Arbeitnehmer zum Unfallzeitpunkt einer versicherten Tätigkeit nachgegangen sei, indem er betriebsdienstliche Zwecke verfolgte oder zumindest eine Tätigkeit ausübte, die dem Zweck des Unternehmens zu dienen bestimmt gewesen sei (BSG, Urteil vom 20.02.2001 – B 2 U 6/00 R - ). Diese Grundsätze gälten nur dann nicht, wenn eine besondere Betriebsgefahr auf den mit einer eigenwirtschaftlichen Tätigkeit befassten Versicherten in räumlichen-zeitlichen Bereich seines Arbeitsplatzes einwirke (z.B. Explosion in unmittelbarer Nähe des Arbeitsplatzes während eines privaten Telefonates), ohne dass diese private Verrichtung wesentlich zur Bedrohung durch die zum Unfall führende Betriebsgefahr beigetragen habe (BSG, aaO). Da die Klägerin zum Unfallzeitpunkt keiner versicherten, sondern einer eigenwirtschaftlichen Tätigkeit nachgegangen sei und auch keine besondere Betriebsgefahr im räumlich-zeitlichen Bereich des Arbeitsplatzes der Klägerin eingewirkt habe, sondern hier erst das private Spazierengehen in der Mittagspause zu dem Zusammentreffen mit dem anderen Mitarbeiter außerhalb des Bereichs des eigenen Arbeitsplatzes wesentlich beigetragen habe, seien auch die Voraussetzungen dieses Ausnahmefalls der Verwirklichung einer besonderen Betriebsgefahr vorliegend nicht erfüllt. Im Ergebnis habe die Klägerin somit zum Unfallzeitpunkt nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden, so dass das Ereignis vom 30.10.2020 rechtmäßig als Arbeitsunfall abgelehnt worden sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der die Klägerin betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Das Gericht konnte vorliegend nach Anhörung der Beteiligten gem. § 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, da der Sachverhalt geklärt war und die Streitsache auch keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufwies.
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Die Klägerin ist durch den angefochtenen Bescheid vom 27.11.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.01.2021 nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG, denn dieser Bescheid ist nicht rechtswidrig.
Die Beklagte hat die Anerkennung des Ereignisses vom 30.10.2020 als Arbeitsunfall zu Recht abgelehnt.
Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII zeitlich begrenzte von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Ein Arbeitsunfall setzt daher voraus, dass die Verrichtung zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer oder sachlicher Zusammenhang), sie zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten (haftungsbegründende Kausalität) objektiv und rechtlich wesentlich verursacht hat (ständige Rechtsprechung des BSG, z.B. Urteil vom 31.08.2017 – B 2 U 11/16 R - ).
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
Die Klägerin hatte zwar einen Unfall, als sie am 30.10.2020 von einem behinderten Arbeitskollegen zu Boden gestoßen wurde, wodurch ein Teil der Außenwelt auf ihren Körper einwirkte. Dadurch hat die Klägerin auch einen Gesundheitserstschaden erlitten, nämlich eine mediale Schenkelhalsfraktur rechts.
Die Verrichtung der Klägerin zur Zeit des Unfallereignisses stand allerdings nicht in einem inneren bzw. sachlichen Zusammenhang zu ihrer versicherten Tätigkeit als Arbeiterin.
Der sog. innere/sachliche Zusammenhang, der es rechtfertigt, das betreffende Verhalten der versicherten Tätigkeit zuzurechnen, ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher nach den gesetzlichen Vorgaben der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht. Maßgeblich hierfür ist die Handlungstendenz des Versicherten, so wie sie insbesondere durch die objektiven Umstände des Einzelfalls bestätigt wird, sog. objektivierte Handlungstendenz (BSG, Urteil vom 27.11.2018 – B 2 U 7/17 R -).
Die objektive Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen eines Arbeitsunfalls und damit auch für den sachlichen Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der Verrichtung zur Zeit des Unfallereignisses, mithin auch für das Vorliegen einer betriebsdienlichen Verrichtung, trägt der Kläger (BSG, Urteil vom 17.12.2015 – B 2 U 8/14 R - ).
Die Tätigkeit der Klägerin zum Unfallzeitpunkt war nicht aufgrund arbeitsvertragsrechtlicher Pflichten betriebsdienlich, sondern prinzipiell eine eigenwirtschaftliche Verrichtung, die auch nicht ausnahmsweise unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stand.
Das Spazierengehen in der Mittagspause gehört nicht zu der sich aus dem Beschäftigungsverhältnis ergebenden Hauptpflicht der Klägerin. Sie hat dadurch keine Nebenpflicht erfüllt, unabhängig davon, ob der Spaziergang notwendig war, ihre Arbeitsfähigkeit aufrecht zu erhalten oder wiederherzustellen. Denn eine arbeitsrechtliche Verpflichtung zur gesundheitsfördernden, der Aufrechterhaltung (oder Wiederherstellung) der Arbeitsfähigkeit dienenden Handlungen besteht prinzipiell nicht (BSG, Urteil vom 05.07.2016 – B 2 U 5/15 R - ).
Die von der Klägerin zum Zeitpunkt des Unfallereignisses vorgenommene Verrichtung war prinzipiell privatnütziger (eigenwirtschaftlicher) Natur. Ein Spaziergang in der Arbeitspause ist grundsätzlich dem privaten und damit unversicherten Lebensbereich zuzuordnen, weil hiermit in gleicher Weise wie durch Essen und Trinken Grundbedürfnisse gestillt werden, die ein jeder Mensch unabhängig davon hat, ob er einer versicherten Tätigkeit nachgeht oder nicht (vgl. Hess. Landessozialgericht, Urteil vom 14.06.2019 – L 9 U 208/17 - ).
Es liegt auch keine Konstellation vor, in der ausnahmsweise eine an sich unversicherte eigenwirtschaftliche Verrichtung unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung steht.
Ein Versicherungsschutz ergibt sich zunächst nicht aus einer besonderen Betriebsgefahr.
Verunglückt ein Betriebsangehöriger, weil eine besondere Betriebsgefahr während einer privaten Verrichtung auf ihn einwirkt, besteht unabhängig der für diesen Moment festzustellenden Handlungstendenz Versicherungsschutz, da die gesetzliche Unfallversicherung den Zweck hat, Beschäftigte gegen Gefahren zu versichern, denen sie wegen ihrer Beschäftigung dort ausgesetzt sind, und gleichzeitig den Unternehmer von möglichen Schadensersatzansprüchen ihrer Beschäftigten freizustellen (Hessisches LSG, Urteil vom 14.06.2019 – L 9 U 208/17 –unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 18.11.2008 – B 2 U 27/07 – Rn. 25).
Nach der Rechtsprechung des LSG Rheinland-Pfalz - Urteil vom 11.09.1996 – L 7 U 254/95 – kann z.B. ein Jugendlicher während eines Streits versichert sein, weil dieser auf eine Aufsichtspflichtverletzung des Verantwortlichen im Betrieb zurückgeht. Eine Betriebsgefahr verwirkliche sich, wenn der Versicherte durch das gewalttätige Verhalten seines Arbeitskollegen verletzt werde, ohne selbst wesentlich zu dem Streit beizutragen. Voraussetzung sei jedoch eine Aufsichtspflichtverletzung, die als Ursache des Unfalls gelten könnte.
Für eine derartige Aufsichtspflichtverletzung gibt es hier keine ausreichenden Anhaltspunkte. Der Arbeitgeber der Klägerin hat mit Schreiben vom 27.10.2021 mitgeteilt, der behinderte Mitarbeiter, der die Klägerin geschubst hat, sei im Vorfeld nicht durch gewalttätige Übergriffe auffällig geworden. Er trete eher ruhig und höflich auf. Da es vor dem Ereignis am 30.10.2020 keine aggressiven Auffälligkeiten gegeben habe, hätten auch keine Maßnahmen getroffen werden müssen. Es gebe grundsätzlich in allen Fällen eine Pausenaufsicht nach einem Aufsichtsplan. Eine Aufsichtspflichtverletzung des Arbeitgebers der Klägerin lässt sich dementsprechend nicht feststellen. Soweit die Klägerin dazu vorgetragen hat, es sei leider am 12.11.2021 erneut zu einem Übergriff auf die Klägerin durch ihren gehandicapten Mitarbeiter gekommen, belegt dies keine Aufsichtspflichtverletzung vor dem streitgegenständlichen Ereignis vom 30.10.2020.
Der Spaziergang war auch nicht ausnahmsweise aufgrund der objektivierten Handlungstendenz der Klägerin betriebsdienlich.
Verunglückt ein Versicherter während einer Pause (Arbeitsunterbrechung) infolge einer Tätigkeit, die er während der Pause ausübt, besteht der innere Zusammenhang nur, wenn diese Tätigkeit dem Betrieb zu dienen bestimmt war (BSG, Urteil vom 26.06.2001 – B 2 U 30/00 R -). Ein Spaziergang während einer Arbeitspause steht mit der versicherten Tätigkeit nur dann in innerem Zusammenhang, wenn er aus besonderen Gründen zur notwendigen Erholung für eine weitere betriebliche Tätigkeit erforderlich ist (BSG, a.a.O.). Nur wenn der Versicherte aufgrund besonderer Belastungen durch die bisher verrichtete betriebliche Tätigkeit zur Durchführung des Spaziergangs veranlasst war, um sich zu erholen und seine Arbeitsfähigkeit für die nachfolgende betriebliche Tätigkeit wiederherzustellen oder jedenfalls zu erhalten, kann ein solcher innerer Zusammenhang angenommen werden (BSG, a.a.O.). Das allgemeine Interesse des Unternehmers daran, dass Arbeitspausen in vernünftiger Weise zur Erholung und Entspannung verwendet werden, damit die Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers erhalten bleibt, reicht nicht aus, um den inneren Zusammenhang zu begründen; ein innerer Zusammenhang ist nur anzunehmen, wenn die bisherige betriebliche Tätigkeit als wesentliche Ursache eine besondere Ermüdung des Versicherten verursacht hat, die ohne die betriebliche Tätigkeit gar nicht oder erst später aufgetreten wäre (BSG, a.a.O.).
Eine derartige Ausnahmesituation lag vor dem Spaziergang der Klägerin nicht vor, denn sie war zuvor keinen besonderen betrieblichen Belastungen ausgesetzt. Nach der Auskunft des Arbeitgebers der Klägerin vom 22.06.2021 gab es für die Klägerin am Unfalltag keine betriebliche Tätigkeit mit besonderen Belastungen oder Tätigkeiten, die im Vergleich zu den üblichen Tätigkeiten anders war. Dies entspricht dem Vortrag der Klägerin im Schriftsatz vom 05.07.2021, wonach es am Unfalltag keine außergewöhnlichen Umstände gab, die den Spaziergang notwendig machten. Soweit die Klägerin weiter vorgetragen hat, die Notwendigkeit des Bewegens an der frischen Luft in der Mittagspause habe sich daraus ergeben, dass sie von dem Lärm am Arbeitsplatz und den Geräuschen der Mitarbeiter reizüberflutet gewesen sein und einmal aus der Situation „herauskommen musste“, um wieder weitermachen zu können, ergibt sich daraus ebenfalls keine besondere betriebliche Belastungssituation, sondern die Klägerin hat ihre tägliche Pause „wie immer“ angetreten. Das Gericht ist daher der Überzeugung, dass die Klägerin in die Pause gegangen ist, ohne dass Anlass hierfür eine besondere beruflich bedingte Ausnahmesituation war.
Der Weg der Klägerin während der Pause, um – wie von ihr angegeben – die Notdurft zu verrichten und anschließend zur ihrem Arbeitsplatz zurückzukehren, war ebenfalls nicht versichert. Es wird insoweit auf die Ausführungen in dem Widerspruchsbescheid vom 27.01.2021 verwiesen, die der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 30.03.2017 – B 2 U 15/15 R -) entsprechen. Danach kommt es im Rahmen des Handlungsziels darauf an, dass die Verrichtung des Verletzten vor dem Losgehen zur Toilette der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist und er nach dem Toilettenbesuch die versicherte Tätigkeit fortsetzen wollte. Die Verrichtung der Klägerin vor dem Losgehen zur Toilette war hier jedoch – wie dargelegt – nicht der versicherten Tätigkeit zuzurechnen, da es sich bei der Verrichtung des Spaziergangs in der Mittagspause um eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit der Klägerin gehandelt hat.
Versicherungsschutz kann schließlich auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines „Überfalls“ auf die Klägerin angenommen werden. Auch bei Fehlen bzw. Nichterweislichkeit eines betriebsbezogenen Motivs für den Überfall ist Versicherungsschutz anzuerkennen. Verletzungen auf dem Weg zur Arbeit oder auf einem Betriebsweg sind vom Versicherungsschutz umfasst, wenn sie etwa auf politisch motivierte Ausschreitungen oder Gewaltakte geistesgestörter oder krimineller Angreifer zurückgehen (Schwerdtfeger in Lauterbach, Unfallversicherung, § 8 SGB VII Rn. 274). Diese Ausführungen gelten indessen nur für den Fall, dass der Versicherte sich während der Gewalttat auch bei versicherter Tätigkeit befunden hat. Geht das Opfer vor dem Überfall – wie hier - einer eigenwirtschaftlichen Verrichtung nach, so kann von vorneherein ein innerer Zusammenhang nicht angenommen werden – auch wenn der Täter ein mit der betrieblichen Tätigkeit des Opfers zusammenhängendes Tatmotiv hatte (vgl. Schwerdtfeger, a.a.O., Rn. 275a unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 19.12.2000 – B 2 U 37/99 R-). Im Ergebnis kann also eine an sich unversicherte Tätigkeit des Opfers nicht in den Versicherungsschutz einbezogen werden, auch wenn der Überfall aus der Sicht des Täters betrieblich motiviert war (vgl. Schwerdtfeger, a.a.O., Rn. 275a).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.