1. Ein Vergleich des Bayerischen Familiengeldes mit dem einkommensunabhängigem (pauschalen) österreichischen Kinderbetreuungsgeld muss anhand der Berechnungsgrundlage und Leistungshöhe (1.), der Voraussetzungen für die Gewährung (2.), der Bezugsdauer (3.) sowie dem Sinn und Zweck (4.) der jeweiligen Leistung geführt werden.
2. Es besteht ein Anspruch auf Bayerisches Familiengeld neben dem österreichischem einkommensunabhängigem Kinderbetreuungsgeld.
3. Österreichisches einkommensunabhängiges Kinderbetreuungsgeld dient ebenso wie das österreichische einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld (vgl. hierzu Entscheidung des LSG Bayern, L 9 EG 15/21 FG und SG München, S 20 EG 15/19 FG) der Existenzsicherung. Die Prioritätsregeln nach Art. 10 VO (EG) Nr. 883/2004 sind nicht anwendbar.
I. Der Beklagte wird verurteilt, unter Aufhebung der Bescheide vom 20.10.2022 und 04.03.2024 der Klägerin Bayerisches Familiengeld für ihre Tochter S. antragsgemäß ab dem 22.09.2022 bis zum 31.04.2023 zu bewilligen.
II. Der Beklagte erstattet der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten.
T a t b e s t a n d :
Streitig ist die Gewährung von Bayerischen Familiengeld nach dem Bayerischen Familiengeldgesetz (BayFamGG) für die Tochter S. (geboren am 2021) der Klägerin ab dem 22.09.2022 bis zum 31.04.2023.
Ihren Wohnsitz hat die Klägerin gemeinsam mit dem Vater von S. (nicht verheiratet) und S. in Bayern. Die Klägerin ist Studentin an der Technischen Hochschule R1-Stadt und war vor der Geburt von S. nicht erwerbstätig. Der Vater der gemeinsamen Tochter S. war seit dem 01.07.2015 ist bei einem österreichischen Unternehmen beschäftigt. Aufgrund der Erwerbstätigkeit des Vaters von S. in Österreich stellte die Familienkasse Bayern Süd fest, dass Österreich vorranging für die Zahlung von Familienleistungen im Sinne der Verordnungen EG Nr. 883/2004 und Nr. 987/2009 zuständig ist. Mit Bescheid der österreichischen Gesundheitskasse vom 09.12.2021 bewilligte diese der Klägerin vom 22.09.2021 bis zum 30.09.2022 österreichische Familienbeihilfe, das pauschale Kinderbetreuungsgeld nach § 1 Nr. 1 des österreichischen Kinderbetreuungsgeldgesetzes (KBGG), in Höhe von 22,24 Euro pro Tag. Insgesamt wurde ihr ein Betrag von 8317,76 Euro bewilligt.
Am 10.10.2022 beantragte die Klägerin beim Beklagten die Gewährung von Bayerischem Familiengeld.
Mit Bescheid vom 20.10.2022 lehnte der Beklagte die Gewährung von Bayerischem Familiengeld ab. Zur Vermeidung von Doppelleistungen würden die europarechtlichen Kollisionsnormen beim Zusammentreffen von Ansprüchen auf Familienleistungen eine Rangfolge der Leistungsansprüche gegenüber den betroffenen Mitgliedsstaaten vorsehen. Im Fall der Klägerin sei Österreich zuständig, da gem. Art. 67, 68 VO (EG) Nr. 883/2004 die Verfahrensregelung in Art. 60 Abs. 1 und 2 VO (EG) Nr. 987/2009 zur Anwendung käme. Deutschland sei nachrangig zuständig und damit ggf. zur Zahlung eines Unterschiedsbetrags verpflichtet. Der maximal mögliche Bezugszeitraum des pauschalen österreichischen Kinderbetreuungsgeldes ginge für die Klägerin, bei Fortbestand der Voraussetzungen, bis zum 31.03.2023 und würde insgesamt maximal 12.365,44 Euro betragen. Der mögliche Gesamtleistungsanspruch in Österreich von maximal 12.365,44 Euro sei höher als der maximale Gesamtanspruch in Deutschland auf Elterngeld (Mindestbetrag 3600,00 Euro) und Bayerisches Familiengeld (6000,00 Euro). Es seien daher keine Unterschiedsbeträge vom Beklagten zu leisten.
Die Klägerin erhob hiergegen am 21.11.2022 durch ihre Prozessbevollmächtigten Widerspruch und nahm Bezug auf das Urteil des Sozialgerichts München vom 12.10.2021 (S 20 EG 15/19 FG). Es handele sich bei dem pauschalen österreichischen Kinderbetreuungsgeld und dem Bayerischen Familiengeld um keine vergleichbaren Leistungen.
Das Widerspruchsverfahren ruhte daraufhin bis zur Rechtskraft bezüglich der eingelegten Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München (S 20 EG 15/19 FG, Urteil vom 12.10.2021) am Bayerischen Landessozialgericht (LSG Bayern, L 9 EG 15/21 FG, Urteil vom 19.12.2023).
Die Klägerin teilte mit, dass ab dem 01.05.2023 der Vater des Kindes sein österreichisches Arbeitsverhältnis aufgegeben habe. Mit Bescheid vom 05.04.2023 bewilligte der Beklagte der Klägerin daher Bayerisches Familiengeld vom 01.05.2023 bis 21.05.2023 in Höhe von 175 Euro sowie vom 22.05.2023 bis 21.09.2024 in Höhe von monatlich 250 Euro.
Der Beklagte wies den Widerspruch vom 21.11.2022 mit Bescheid vom 04.03.2024 zurück. Die österreichischen Familienleistungen würden mit einem Gesamtbetrag von 12.365,44 Euro die maximal zu gewährenden deutschen Leistungen übersteigen. Das Urteil des LSG Bayern vom 19.12.2023 (L 9 EG 15/21 FG) behandele das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld aus Österreich. Nachdem die Klägerin aber das pauschalierte, einkommensunabhängige Kinderbetreuungsgeld erhalte, liege eine Vergleichbarkeit der Familienleistungen vor. Deutschland sei damit nachrangig zuständig.
Dagegen richtet sich die mit Schriftsatz vom 04.03.2024 erhobene Klage der Prozessbevollmächtigten der Klägerin zum Sozialgericht München.
Sie führt aus, dass das einkommensunabhängig pauschalierte österreichische Kinderbetreuungsgeld vielmehr vergleichbar mit dem Mindestbetrag von monatlich 300 Euro des deutschen Elterngeldes (nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG)) sei. Das Bayerische Familiengeld werde unabhängig von der finanziellen Situation der Familie gewährt, während das einkommensunabhängige österreichische Kinderbetreuungsgeld für Eltern gedacht sei, die nicht erwerbstätig seien oder nur einen geringen Verdienst hätten. Zweck sei auch hier die Reduzierung der Arbeitszeit, hingegen sei das Bayerische Familiengeld eine zusätzliche Anerkennungsleistung des Freistaates Bayern.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, unter Aufhebung der streitgegenständlichen Bescheide vom 20.10.2022 und 04.03.2024 der Klägerin Bayerisches Familiengeld für ihre Tochter S. antragsgemäß ab dem 22.09.2022 bis zum 31.04.2023 zu bewilligen.
Der Beklagte ist der Ansicht, dass die Entscheidung des LSG Bayern vom 19.12.2023 nicht für das einkommensunabhängige österreichische Kinderbetreuungsgeld gelte. Vorliegend würden sich sowohl Zeitraum als auch die Unabhängigkeit von Erwerbseinkommen überschneiden. Die europarechtliche Vergleichbarkeit der beiden Leistungen sei damit gegeben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Gericht hat die Beteiligten im Termin zur mündlichen Verhandlung am 27.03.2025 angehört. Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte sowie auf die Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die zulässige und insbesondere fristgerechte Klage ist begründet. Zur Überzeugung des Gerichts besteht aufgrund der Antragstellung ein Anspruch auf Bayerisches Familiengeld und die Klägerin ist durch die streitgegenständlichen Bescheide vom 20.10.2022 und 04.03.2024 in ihren Rechten gem. § 54 Abs. 2 SGG (Sozialgerichtsgesetz) verletzt.
Die Klägerin erfüllt unstreitig die Voraussetzungen des Art. 2 Abs. 1 Satz 1 BayFamGG; sie hat ihren Hauptwohnsitz im Freistaat Bayern, sie lebt mit ihrem Kind S. in einem Haushalt, erzieht S. selbst und sorgt für eine förderliche frühkindliche Betreuung.
Sie bezog das pauschale österreichische Kinderbetreuungsgeld. Das Kinderbetreuungsgeld nach dem österreichischen Kinderbetreuungsgeldgesetz wird entweder in Form eines pauschalen Kinderbetreuungsgeldes als Konto nach Abschnitt 2 oder in Form von Kinderbetreuungsgeld als Ersatz für das Erwerbseinkommen nach Abschnitt 5 des Kinderbetreuungsgeldgesetzes gewährt (§ 1 Satz 2 KBGG). Während das pauschale Kinderbetreuungsgeld als Konto bis maximal 1063 Tage ab der Geburt des Kindes gewährt werden kann (§ 5 Abs. 2 Satz 2 KBGG), wird Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens nach § 24b Abs. 2 Satz 1 KBGG bis maximal 426 Tage ab der Geburt des Kindes gewährt. In den Urteilen des SG München (SG München vom 12.10.2021, S 20 EG 15/19 FG) und des LSG Bayern (LSG Bayern, Urteil vom 19.12.2023, L 9 EG 15/21 FG) wird eine Vergleichbarkeit des Bayerisches Familiengeldes mit dem österreichischen Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens im Sinne der VO (EG) Nr. 883/2004 abgelehnt. Eine Entscheidung über das hier streitgegenständliche pauschale österreichische Kinderbetreuungsgeld als Konto gem. § 1 Satz. 2 KBGG wird nicht getroffen. Der Beklagte ist nunmehr der Ansicht, dass das Urteil des LSG Bayern (a.a.O.) für das einkommensunabhängige österreichische Kinderbetreuungsgeld nicht gelte und dieses mit dem Bayerischen Familiengeld vergleichbar sei. Hier würden sich sowohl Zeitraum als auch die Unabhängigkeit von Erwerbseinkommen überschneiden.
Wie vom Beklagten zutreffend ausgeführt, ist vorliegend die VO (EG) Nr. 883/2004 zu prüfen (siehe auch SG München, a.a.O.). Die Verordnung koordiniert die sozialen Sicherungssysteme der einzelnen Mitgliedsstaaten, wenn ein Bürger oder dessen Familienangehöriger (Art. 1 lit i.) VO (EG) Nr. 883/2004) in verschiedenen Mitgliedsstaaten arbeitet und lebt. Nach Art. 11 Abs. 1 Satz 1 VO (EG) Nr. 883/2004 unterliegen Personen, für die diese Verordnung gilt, nur den Rechtsvorschriften eines Mitgliedsstaates.
Die Klägerin lebt mit dem Vater des Kindes in Bayern. Der Vater des Kindes arbeitete zum streitgegenständlichen Zeitpunkt in Österreich. Sie sind damit Grenzgänger im Sinne von Art. 1 lit. f VO (EG) Nr. 883/2004. Der persönliche Anwendungsbereich ist eröffnet.
Der sachliche Anwendungsbereich ist auch eröffnet, da es sich sowohl beim Bayerischen Familiengeld als auch beim österreichischem einkommensunabhängigem Kinderbetreuungsgeld um Familienleistungen handelt, für die die Verordnung gem. Art. 3 Abs. 1 lit. j. der VO (EG) Nr. 883/2004 gilt. Vorrangig war gem. Art. 68 Abs. 1 lit. a der VO (EG) Nr. 883/2004 Österreich für die Familienleistungen zuständig. Die Klägerin bezog daher österreichisches einkommensunabhängiges Kinderbetreuungsgeld.
Fraglich ist jedoch, ob Art. 68 VO (EG) Nr. 883/2004 auf das Bayerische Familiengeld und das österreichische einkommensunabhängige Kinderbetreuungsgeld überhaupt angewendet werden darf. Aus der VO (EG) Nr. 883/2004 selbst ergibt sich nach strenger Auslegung des Wortlauts hier keine Lösung. Ziel des zentralen Prinzips der sozialrechtlichen Koordinierung ist es, zu verhindern, dass eine Person ohne sozialen Schutz bleibt und dass Leistungen mit gleicher Zielrichtung oder Belastungen mit doppelten Beiträgen vermieden werden. Das Prinzip des einheitlichen Sozialrechtsstatuts wird ergänzt durch das in Art. 10 VO (EG) Nr. 883/2004 enthaltene Kumulierungsverbot (Fuchs in Fuchs/Janda, Europäisches Sozialrecht, 8. Aufl., Art. 1 RdNr. 54 ff.). Nach Überzeugung des Gerichts handelt es sich bei dem Bayerischen Familiengeld und auch in der hier gewährten pauschalen Form des österreichischen Kinderbetreuungsgeldes nicht um Leistungen gleicher Art, wie dies für die Anwendung der Prioritätsregeln nach Art. 10 VO (EG) Nr. 883/2004 erforderlich wäre. Die Antikumulierungsregelungen des Art. 68 der Verordnung greifen bereits mangels Vergleichbarkeit der Familienleistungen nicht ein.
Der EuGH hatte nach früherer Rechtslage unter Geltung der Verordnung (EWG) Nummer 1408/71 und Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nummer 574/72 die Anwendung von Antikumulierungsregelungen nur für gleichartige Familienleistungen befürwortet, vergleiche Urteil des EuGHs vom 08.05.2014, C-347/12, Wiering. Auch nach früherer Rechtslage war dies nicht explizit in den genannten Vorschriften so ausgeführt. Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt sich, dass Leistungen der sozialen Sicherheit unabhängig von den besonderen Eigenheiten der Rechtsvorschriften der verschiedenen Mitgliedstaaten als Leistungen gleicher Art zu betrachten seien, wenn ihr Sinn und Zweck sowie ihre Berechnungsgrundlage und die Voraussetzungen für ihre Gewährung übereinstimmten. Verschiedene Familienleistungen die nach den Rechtsvorschriften des Beschäftigungsstaates oder des Wohnmitgliedstaates gezahlt würden, müssten nicht zwangsläufig Leistungen gleicher Art im Sinne von Art. 12 VO (EWG) Nr. 1408/71 sein. Bei der Anwendung der Antikumulierungsregelung nach Art. 10 Absatz 1b i) VO (EWG) Nr. 574/72 müssen somit im Rahmen der Berechnung des Unterschiedsbetrages unter den verschiedenen Familienleistungen, auf die der Wanderarbeitnehmer nach den Rechtsvorschriften des Beschäftigungsmitgliedsstaates und den Familienleistungen, die dem betreffenden Arbeitnehmer nach dem Recht des Wohnmitgliedstaates gezahlt würden, diejenigen erkannt werden, die unter Berücksichtigung ihres Sinn und Zwecks, ihrer Berechnungsgrundlage und der Voraussetzungen für ihre Gewährung sowie ihrer Leistungsberechtigten Leistungen gleicher Art im Sinne von Art. 12 der VO (EWG) Nr. 1408/71 sind.
Diese Entscheidung des EuGHs ist auf die im vorliegenden Fall maßgebliche Rechtslage, die in Art. 68 VO (EG) Nr. 883/2004 vorgegebenen Prioritätsregeln, übertragbar (so auch SG München, a.a.O.). Auch in Art. 68 Abs. 1 VO (EG) Nr. 883/2004 ist hinein zu lesen, dass die Prioritätsregeln voraussetzen, dass Leistungen gleicher Art nach den Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten zusammentreffen.
Das Gericht kommt, anhand der vom Bayerischen Landessozialgericht in seinem Urteil vom 19.12.2023 (a.a.O.) zum österreichischem Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens gemäß der Rechtsprechung des EuGHs ausgearbeiteten Kriterien zu dem Ergebnis, dass das pauschale österreichische Kinderbetreuungsgeld und das Bayerische Familiengeld keine Leistungen gleicher Art sind. Ein Vergleich des Bayerischen Familiengeldes mit dem pauschalen österreichischen Kinderbetreuungsgeld muss anhand der Berechnungsgrundlage und Leistungshöhe (1.), der Voraussetzungen für die Gewährung (2.), der Bezugsdauer (3.) sowie dem Sinn und Zweck (4.) der jeweiligen Leistung geführt werden (LSG Bayern, a.a.O., Rn. 57, juris).
1.) Berechnungsgrundlage und Leistungshöhe der beiden Leistungen unterscheiden sich grundlegend:
Das pauschale österreichische Kinderbetreuungsgeld als Konto kann von beiden Eltern (gleichzeitig und abwechselnd) bezogen werden. Es ist als Tagesgeld ausgestaltet. Es beträgt 17,65 Euro bis 41,14 Euro täglich (je nach gewähltem Zeitraum). Es gibt einen Mehrlingszuschlag (§ 3a KBGG), einen Partnerschaftsbonus (§ 5b KBGG) sowie eine Härtefallverlängerung (§ 5c KBGG). Bei einem Einkommen ab 1.400 brutto "rechnet" sich grundsätzlich das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld (Information aus der Arbeiterkammer Österreich, Interessenvertretung, www.stmk.arbeiterkammer.at).
Der Freistaat Bayern unterstützt hingegen Eltern im zweiten und dritten Lebensjahr der Kinder mit einem Bayerischen Familiengeld in Höhe von 250 Euro bzw. ab dem dritten Kind in Höhe von 300 Euro pro Monat und Kind. Das Bayerische Familiengeld kann immer nur von einem Elternteil bezogen werden. Es gibt weder eine Härtefallklausel noch einen Mehrlingszuschlag. Das Bayerische Familiengeld wird pauschal pro Kind gezahlt.
2.) Die Voraussetzungen für die Gewährung des pauschalen österreichischen Kinderbetreuungsgeldes als Konto ist u.a. davon abhängig, dass der Gesamtbetrag der Einkünfte der Familie einen Grenzbetrag von jährlich 16.200.- Euro (im Regelfall) nicht übersteigt. Es erlaubt nur eine geringfügige Erwerbstätigkeit neben dem Bezug. Es gilt eine individuelle Zuverdienstgrenze von 60 Prozent der Letzteinkünfte (individuelle Zuverdienstgrenze), mindestens aber eine Grenze in Höhe von 18.000.- Euro jährlich.
Das Bayerische Familiengeld ist unabhängig von der Einkommens- und Vermögenssituation des/r Beziehers/in. Es ist allein an den gewöhnlichen Aufenthalt des/r Beziehers/in in Bayern und daran, dass das Kind in seinem/ihrem Haushalt lebt und von ihm/ihr selbst erzogen wird, geknüpft.
3.) Das pauschale österreichische Kinderbetreuungsgeld als Konto beträgt bei einer Anspruchsdauer von bis zu 365 Tagen ab der Geburt des Kindes 33,88 Euro täglich. Bei Bezug von beiden Elternteilen verlängert sich die Anspruchsdauer auf maximal bis zu 456 Tage ab der Geburt des Kindes (§ 3 Abs. 1 und 2 KBGG). Die Anspruchsdauer kann nach § 5 KBGG verlängert werden auf bis zu 851 Tage ab Geburt des Kindes, wodurch sich der Tagesbetrag im gleichen Verhältnis verringert. Bei abwechselndem Bezug beider Elternteile kann die Anspruchsdauer auf bis zu 1063 Tage ab der Geburt des Kindes verlängert werden.
Das Bayerische Familiengeld wird pro Monat vom ersten Tag des 13. Lebensmonats bis zur Vollendung des 36. Lebensmonats des Kindes gewährt, Art. 3 BayFamGG. Es beginnt damit nicht ab der Geburt des Kindes.
4.) Das Bayerische Familiengeld beschreibt seinen Zweck in Art. 1 BayFamGG. Mit dem Bayerischen Familiengeld erhalten Eltern eine vom gewählten Lebensmodell der Familie unabhängige, gesonderte Anerkennung ihrer Erziehungsleistung. Eltern erhalten zugleich den nötigen Gestaltungsspielraum, frühe Erziehung und Bildung der Kinder einschließlich gesundheitsförderlicher Maßnahmen in der jeweils von ihnen gewählten Form zu ermöglichen, zu fördern und insbesondere auch entsprechend qualitativ zu gestalten. Das Bayerische Familiengeld dient damit nicht der Existenzsicherung. Es soll auf existenzsichernde Sozialleistungen nicht angerechnet werden.
Während das Bayerische Familiengeld damit eine Anerkennung unabhängig vom gewählten Lebensmodell für die Erziehungsleistung darstellt und explizit nicht der Existenzsicherung dient, ist Sinn und Zweck des pauschalen österreichischen Kinderbetreuungsgeldes die finanzielle Absicherung nach der Geburt eines Kindes ab Geburt bei Unterbrechung der Erwerbstätigkeit. Der Oberste Gerichtshof der Republik Österreich hat in seinen Entscheidungen vom 26.05.2020 (Az. 10 Ob S 19/20x und 10 Ob S 1/20z) nachvollziehbar abgeleitet, dass auch dem pauschalen österreichischen Kinderbetreuungsgeld, wie es von der Klägerin bezogen wurde, existenzsichernder Charakter zukommt, insbesondere soweit es auch auf Sozialhilfeleistungen angerechnet wird und in seiner (teilweise) einkommensersetzenden Funktion Eltern ermöglichen soll, sich unter Verzicht auf eine (Voll)-Erwerbstätigkeit der Betreuung ihres Kleinkindes zu widmen.
Bayerisches Familiengeld stellt eine zusätzliche Anerkennungsleistung des Freistaats Bayern für Familien dar, die regelmäßig im Anschluss an das Elterngeld ab dem 13. Lebensmonat bezogen wird und damit gerade nicht für die Zeit unmittelbar nach der Geburt und im ersten Lebensjahr, in der verstärkt ein Einkommensausfall aufgrund von Kinderbetreuung rund um die Uhr vorhanden ist. Es dient gerade nicht dazu, als Einkommensersatz zu fungieren und die elterliche Betreuung der Kinder zu fördern. Die Eltern sollen durch die Geldleistung alleine in ihrer Erziehungsaufgabe unterstützt werden (LSG Bayern, a.a.O.).
Aus Sicht des Gerichts ist das Bayerische Familiengeld im Verhältnis zum pauschalem österreichischen Kinderbetreuungsgeld wegen fehlender Vergleichbarkeit (in Hinsicht aller Kriterien) damit nicht von der Antikumulierungsregelung des Art. 68 VO (EG) Nr. 883/2004 betroffen. Ein anderes Ergebnis würde im Verhältnis zum österreichischen Kinderbetreuungsgeld als Einkommensersatz auch eine Schlechterstellung von Geringverdienern und Teilzeitarbeitenden (in Österreich) ergeben, die (regelmäßig) das pauschale österreichische Kinderbetreuungsgeld beziehen.
Das Bayerische Familiengeld steht damit der Klägerin zur Überzeugung des Gerichts ab dem 22.09.2022 bis zum 31.04.2023 zu. Europarechtliche Regelungen stehen dem nicht entgegen.
Der Klage war damit stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.