1. Bei Berufskrankheiten ohne Einwirkungsdosis – wie bei der Berufskrankheit nach Nr. 4302 der Anlage 1 zur BKV – steht der Annahme eines Ursachenzusammenhangs im Sinne der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie entgegen, wenn im Rahmen der Prüfung der arbeitsmedizinischen Voraussetzungen feststeht, dass die Krankheit nicht auf die beruflich bedingte Einwirkung zurückzuführen ist (Anschluss an BSG, Urteil vom 27.09.2023 – B 2 U 8/21 R, juris Rn. 17).
2. Für die Feststellung fehlender Ursächlichkeit ist entscheidend, dass wegen der Art oder der Lokalisation der Erkrankung, wegen des zeitlichen Ablaufs der Erkrankung (Expositionszeit, Latenzzeit und Interimszeit) oder aufgrund sonstiger Umstände im konkreten Einzelfall ein ursächlicher Zusammenhang trotz der beruflichen Einwirkung nicht wahrscheinlich ist (Anschluss an BSG, Urteil vom 27.09.2023 – B 2 U 8/21 R, juris Rn. 42).
3. Der Gesichtspunkt der Expositionsdosis nach Dauer und Intensität hat dabei außer Betracht zu bleiben, weil insoweit die Prüfung des Ursachenzusammenhangs im Sinne der arbeitsmedizinischen Voraussetzungen losgelöst von einer Expositionsdosis zu erfolgen und sich auf das Schadensbild im Übrigen zu beziehen hat.
Landessozialgericht Baden-Württemberg
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 17.01.2022 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung einer Atemwegserkrankung als Berufskrankheit nach Nr. 4301 und/oder Nr. 4302 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV), die Anerkennung des Ereignisses vom 12.04.2018 als Arbeitsunfall sowie die Bewilligung einer Verletztenrente streitig.
Der 1985 geborene Kläger war für die Firma E1 GmbH & Co KG (im Folgenden Fa. E1) seit Oktober 2010 im Rahmen einer Arbeitnehmerüberlassung und sodann seit dem 01.06.2011 als Produktionshelfer und Anlagenführer in der Galvanik tätig. Die Fa. E1 verwendet zur Galvanisierung in Durchlaufanlagen u. a. das von ihr selbst entwickelte Produkt „P1“. Am 17.04.2018 zeigte die Fa. E1 bei der Beklagten an, dass der Kläger am 12.04.2018 einen Unfall erlitten habe. Es sei dabei zu einer Verletzung der Atemwege mit Atemproblemen und Übelkeit gekommen.
Ausweislich seiner schriftlichen Schilderung des Unfallgeschehens gegenüber der Beklagten ließ der Kläger am 12.04.2018 gegen 18.00 Uhr die Flüssigkeit „P1“ aus dem ca. 1,50 m x 1,50 m großen Galvanisierungsbecken ab, um die sich darin befindlichen Anoden zu wechseln. Nach der Auswechslung seien Schwindelgefühle aufgetreten und ihm sei schwarz vor Augen geworden. Er habe sich sofort neben die Anlage auf den Boden gelegt und seinen Schichtführer in Kenntnis gesetzt. Er habe weitere Personen oder einen Arzt nicht aufgesucht und sei, nachdem sich sein Unwohlsein nach ca. drei Stunden wieder gebessert habe, nach Hause gefahren. Am Folgetag habe er seine Hausärztin aufgesucht, die „etwas an der Lunge“ gefunden habe. Seiner Schilderung fügte der Kläger den Arztbrief des H1 vom 16.04.2018 bei, nach dem der Kläger unter einer Bronchitis, einem teilkontrollierten mittelschweren Asthma bronchiale und Atemnot nach Inhalation von Galvaniksäure leide.
Im September 2018 teilte die AOK B1 der Beklagten nach § 20c Abs. 1 SGB V mit, sie nehme an, der Kläger sei an einer Berufskrankheit erkrankt, und meldete einen Erstattungsanspruch an. Der Anzeige war u. a. ein nicht datiertes Attest des H1 beigefügt, nach dem der Kläger immer bei Kontakt mit den Galvanik-Dämpfen einen Asthmaanfall erleide. Um weitere gesundheitliche Schäden zu vermeiden, dürfe der Kläger nicht mehr in diesem Bereich arbeiten. Er empfehle eine Einbeziehung des Betriebsarztes.
Die Beklagte holte bei der AOK B1 die für den Kläger geführte Vorerkrankungsbescheinigung vom 27.09.2018 ein. Darin sind bis Januar 2018 – neben rezidivierende depressive Episode, Panikstörung, Schwindel und Taumel, gastrointestinaler Infekt und Epilepsie – rezidivierende Infekte der oberen Atemwege, Otitis und Sinusitis maxillaris aufgeführt und wird im April 2018 erstmals ein Asthma bronchiale erwähnt.
Auf telefonische Anforderung der Beklagten übersandte die Fa. E1 im Oktober 2018 ein Datenblatt des Gemisches „P1 21016“ vom 29.08.2016 und im November 2018 die Sicherheitsdatenblätter gemäß 1907/2006/EG, Art. 31 der Komponenten, die in „P1“ enthalten sind.
Im Folgenden wurde der Kläger durch die Beklagte zu einer Atemwegssprechstunde eingeladen. Zur Vorbereitung der Untersuchung übersandte der Kläger u. a. Arztbriefe des H1 vom 09.05.2018 und vom 26.10.2018 sowie den Entlassungsbericht der Rehabilitationsklinik N1 über die in der Zeit vom 03.10.2018 bis zum 24.10.2018 durchgeführte Maßnahme. Nach dem Entlassungsbericht sei eine Tätigkeit in der Galvanisierung für die Erkrankung des Klägers nicht wünschenswert und eine innerbetriebliche Umschulung erforderlich. H1 reichte sodann u. a. seine Arztbriefe vom 17.11.2017, 18.07.2018 und 25.10.2018 ein. In dem Bericht vom 17.11.2017 äußerte H1 den Verdacht auf das Vorliegen eines teilkontrollierten Asthma bronchiale und empfahl, das fortgesetzte Inhalationsrauchen dringend zu beenden.
Nach Untersuchung des Klägers in der Atemwegssprechstunde im Krankenhaus vom Roten Kreuz C1 am 09.11.2018 diagnostizierten H2 und Z1 bei dem Kläger das Vorliegen eines allergischen durch Infekt verschlechterten unkontrollierten Asthma bronchiale, einer allergischen Diathese und einer geringen chronischen Sinusitis ethmoidalis. Das Asthma bronchiale habe sehr wahrscheinlich bereits vor der beruflichen Tätigkeit bestanden. Dafür spreche die positive Familienanamnese und die Allergisierung gegen perenniale Antigene. Die allergische Diathese sei durch das erhöhte Immunglobolin E gut belegt. Ein erstmaliges Auftreten des Asthma bronchiale nach dem Ereignis am 12.04.2018 sei damit unwahrscheinlich. Die Schilderung des Ereignisses spreche nicht für eine RADS (Reactive Airways Dysfunction Syndrome). Diese Erkrankung werde nach Exposition von sehr hohen Dosen Irritanzien als Ursache von atemwegsbedingten Erkrankungen beschrieben. Schwieriger zu beurteilen sei die Frage, ob das Asthma bronchiale durch die berufliche Tätigkeit verschlimmert werde. Auch hier sei anhand der Angaben des Klägers der Arbeitsplatzbezug nicht eindeutig zu erheben. Er beschreibe zwar, dass die Beschwerden erst nach dem Wechsel zu einer neuen Galvanisierflüssigkeit begonnen hätten, doch typische Beschwerden eines arbeitsplatzbezogenen Asthma bronchiale, einschließlich einer Besserung der Beschwerden an Wochenenden und im Urlaub, hätten sich nicht eindeutig eruieren lassen. Zum Zeitpunkt der Untersuchung habe ein unkontrolliertes Asthma bronchiale vorgelegen, das durch das Pausieren der Medikation vor dem Untersuchungstermin sowie einen grippalen Infekt zu erklären sei. Nach der Rehabilitationsmaßnahme im Klinikum N1 habe eine normale Lungenfunktion vorgelegen. Um mit hoher Wahrscheinlichkeit zu klären, ob ein durch den Arbeitsplatz verschlimmertes Asthma bronchiale vorliege, das zum Aufgeben der beruflichen Tätigkeit zwinge, wären serielle Peak flow-Messungen am Arbeitsplatz und zu Hause in einem Zeitraum von ca. vier Wochen notwendig.
Im Anschluss an Gespräche zwischen der Beklagten, dem Präventionsdienst der Beklagten und dem Kläger über eine Weiterbeschäftigung des Klägers bei der Fa. E1 teilte der Kläger am 01.02.2019 der Beklagten telefonisch mit, dass er die ihm angebotene Stelle im Lager der Fa. E1 nicht angenommen und stattdessen gekündigt habe. Der Lohn, welchen er als Lagerist bekommen hätte, sei viel zu gering gewesen. Ab dem 16.02.2019 sei er nun über eine Leiharbeitsfirma bei der Firma D1 AG befristet für zehn Monate tätig. Er werde Schweißroboter betreuen. Die Beklagte teilte mit, dass nun ein Berufskrankheitenfeststellungsverfahren durchgeführt werde. Durch den Präventionsdienst würde die tatsächliche Exposition an seinem alten Arbeitsplatz ermittelt werden. Danach könne der berufliche Zusammenhang beurteilt werden.
Der Präventionsdienst der Beklagten stellte in seiner Stellungnahme vom 07.03.2019, die u.a. ein Foto einer Bandgalvanikanlage enthält, im Folgenden fest, dass nach den vorliegenden Sicherheitsdatenblättern und Produktdaten das Bad „P1“ Methansulfonsäure, die mit „H335 – Kann die Atemwege reizen“ gekennzeichnet sei, enthalte. Eine Anfrage beim messtechnischen Dienst habe ergeben, dass es für Methansulfonsäure kein Messverfahren gebe und diese somit in der Luft nicht gemessen werden könne. Allerdings sei darauf zu verweisen, dass bei früheren Luftmessungen (2005 und 2009) alle übrigen gemessenen Werte deutlich unter den jeweiligen Grenzwerten gelegen hätten. Inwieweit die gesundheitlichen Probleme des Klägers durch ein mögliches einmaliges Einatmen einer größeren Konzentration Methansulfonsäure beim Ablassen des Bades am 12.04.2018 verursacht worden sei, könne durch den Präventionsdienst nicht beantwortet werden.
Nach erfolgter Akteneinsicht erklärte der Bevollmächtigte des Klägers, es sei unzutreffend, dass eine familiäre Exposition hinsichtlich des Asthma bronchiale vorliege. Die Sozialanamnese habe vielmehr ergeben, dass der Halbbruder des Klägers an Asthma leide, dieser habe aber einen anderen Vater. Die Mutter des Klägers leide nicht an Asthma. Zudem habe der Kläger im Jahr 2014 einen Arbeitsunfall (Säureunfall) im gleichen Mitgliedsbetrieb erlitten. Seither sei das Sehvermögen auf dem linken Auge des Klägers unfallbedingt reduziert. Es sei damals zu einer operationsbedürftigen Netzhautablösung gekommen. Diese Informationen müssten im weiteren Verfahren eine Rolle spielen. Zudem handele es sich bei dem in der Akte enthaltenen Bild nicht um die Anlage, an der der Kläger gearbeitet habe. An seiner Anlage seien keine Fenster hinten angebracht gewesen. Der Kläger gehe daher davon aus, dass die in den Jahren 2005 und 2009 festgestellten Werte unzutreffend seien. Der Kläger habe zudem bei der Untersuchung durch Z1 mehrfach vorgetragen, dass man sich im Rahmen des Verfahrens die richtige Anlage anschauen müsse, da der Fehler an den anderen Anlagen nicht bestanden habe. Die Anlage, an der er gearbeitet habe, habe immer sehr stark „gestunken“.
Der Präventionsdienst der Beklagten führte daraufhin in seiner Stellungnahme vom 13.05.2019 aus, die in der Stellungnahme vom 07.03.2019 erwähnten Messberichte würden sich auf die Luftqualität der gesamten Halle und nicht auf eine bestimmte Anlage beziehen. Der Inhaltsstoff des „P1“-Bades, der nach dem Sicherheitsdatenblatt mit „kann die Atemwege reizen“ gekennzeichnet sei, nämlich Methansulfonsäure, könne durch den messtechnischen Dienst nicht gemessen werden. Es müsse davon ausgegangen werden, dass der Kläger beim Anodenwechsel über dem Badbehältnis Luft mit einer heute nicht mehr nachvollziehbaren Konzentration von Methansulfonsäure und weitere bekannte Inhaltsstoffe des „P1“-Bades eingeatmet habe.
Die Beklagte holte eine beratungsärztliche Stellungnahme des W1 ein. Dieser gelangte am 21.05.2019 zu der Einschätzung, es habe am 12.04.2018 keine ungewöhnlich hohe Exposition gegenüber Säuredämpfen vorgelegen, sondern es habe sich um eine übliche Situation bei Wartungsarbeiten gehandelt. Somit sei das Ereignis vom 12.04.2018 nicht als Arbeitsunfall zu betrachten. Aufgrund der Vorbefunde von November 2017 und der Kenntnis der guten Arbeitsbedingungen im Normalbetrieb, der Sensibilisierung gegenüber ubiquitären Allergenen und der Rauchgewohnheit des Klägers sowie fehlenden arbeitsplatzbezogenen Beschwerden sehe er, W1, nicht die Voraussetzungen einer Berufskrankheit nach Nr. 4302 der Anlage 1 zur BKV als gegeben an. Die Aufgabe der Tätigkeit sehe er aber als wesentlich an, um eine berufsbedingte wesentliche Verschlechterung zu vermeiden.
Mit Bescheid vom 16.07.2019 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 4301 und/oder Nr. 4302 der Anlage 1 zur BKV sowie die Anerkennung des angeschuldigten Ereignisses vom 12.04.2018 als Arbeitsunfall ab. Ansprüche auf Rente oder sonstige Leistungen würden nicht bestehen. Dies gelte auch für Leistungen oder sonstige Maßnahmen, die geeignet seien, dem Entstehen einer Berufskrankheit entgegenzuwirken.
Nach dem Ergebnis der Ermittlungen sei die bei dem Kläger festgestellte Atemwegserkrankung nicht ursächlich auf seine berufliche Tätigkeit zurückzuführen. Die Ermittlungen ihres Präventionsdienstes hätten ergeben, dass unter Berücksichtigung von in der Vergangenheit erfolgten Luftmessungen in den Jahren 2005 und 2009 in der Werkhalle keine derart hohe Schadstoffbelastung gegenüber chemisch-irritativ (reizend) oder toxisch (giftig) wirkenden Stoffen im Sinne der Berufskrankheit nach Nr. 4302 der Anlage 1 zur BKV vorgelegen habe. Hierbei habe es sich um Messungen der Luftqualität in der gesamten Werkhalle gehandelt. Allenfalls bei dem Anodenwechsel des Prozessbads durch das Ablassen des Stoffes „P1“ habe nicht ausgeschlossen werden können, dass zumindest zeitweilig eine erhöhte Atemwegsbelastung vorgelegen habe. Allerdings sei eine ungewöhnlich hohe Exposition nicht anzunehmen, zumal es sich um eine übliche häufig wiederkehrende Wartungsarbeit gehandelt habe und entsprechende Beschwerden bei diesem Arbeitsgang schon viel früher bzw. auch gehäuft hätten auftreten müssen. Eine adäquate Exposition gegenüber einem Allergen im Sinne der Berufskrankheit nach Nr. 4301 der Anlage 1 zur BKV habe sich nicht ergeben. Somit seien bereits die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Entstehung einer Berufskrankheit oder richtunggebenden Verschlimmerung einer vorbestehenden Erkrankung nicht gegeben.
Darüber hinaus habe eine eindeutige Arbeitsplatzbezogenheit der Atemwegsbeschwerden unter Berücksichtigung der medizinischen Befunde und Vorerkrankungen nicht nachgewiesen werden können. Aus dem Vorerkrankungsverzeichnis gehe hervor, dass bereits seit 2008 und somit auch schon vor Aufnahme der Tätigkeit bei der Fa. E1 immer wieder Arbeitsunfähigkeitszeiten aufgrund von Atemwegsinfekten aufgetreten seien. Zudem würden auch die festgestellten Allergien auf eine Vielzahl von Umweltallergenen und ein Nikotinkonsum bis Anfang April 2018 für eine berufsunabhängig erworbene Atemwegserkrankung sprechen. Bei einem Vergleich der von H1 erhobenen Lungenfunktionswerte vom 17.11.2017 und vom 16.04.2018, also kurz nach dem angeschuldigten Ereignis am 12.04.2018, sei festzustellen, dass bei beiden Untersuchungen eine leichtgradig ausgeprägte Obstruktion vorgelegen habe. Somit sei durch das Ereignis am 12.04.2018 und die gesamten beruflichen Tätigkeiten in diesem Zeitraum keine messbare wesentliche Verschlimmerung der Atemwegsbeschwerden eingetreten. Auch sei nach der beinahe durchgängigen Aufgabe der Tätigkeit seit 12.04.2018 keine andauernde Besserung der Atemwegsbeschwerden dokumentiert worden. Aufgrund dieses Erkrankungsverlaufs könne ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Atemwegserkrankung und der beruflichen Tätigkeit als Maschinenführer in der Bandgalvanik sicher ausgeschlossen werden. Aufgrund der gleichen Erwägungen könne auch nicht ein durch das Ereignis am 12.04.2018 verursachter Gesundheitsschaden nachgewiesen werden. Außerdem würde die Atemwegsbelastung am 12.04.2018 beim Wechsel der Anoden keine ungewöhnlich hohe Exposition darstellen, da es sich um eine übliche häufig wiederkehrende Wartungsarbeit gehandelt habe. Eine Anerkennung des Ereignisses vom 12.04.2018 als Arbeitsunfall komme deshalb ebenfalls nicht in Betracht.
Der hiergegen am 23.07.2019 eingelegte Widerspruch wurde mit dem Widerspruchsbescheid vom 29.10.2019 zurückgewiesen. Nach dem Ergebnis der durchgeführten Ermittlungen fehle bereits das arbeitstechnische Tatbestandsmerkmal im Sinne der beiden Berufskrankheiten nach den Nrn. 4301 und 4302 der Anlage 1 zur BKV. Eine Einwirkung durch allergisierende Stoffe habe nicht vorgelegen und die seitens ihres Präventionsdienstes durchgeführten Messungen hätten ergeben, dass für alle gemessenen Inhaltsstoffe der verschiedenen Galvanikbäder in der Atemluft die Grenzwerte (in der gesamten Werkhalle) weit unterschritten seien. Darüber hinaus sei auch ein rechtlich wesentlicher Zusammenhang zwischen den von dem Kläger angeschuldigten beruflichen Einwirkungen und dem Erkrankungsbild aufgrund des zeitlichen Verlaufs der Atemwegserkrankung nicht hinreichend wahrscheinlich. Trotz Arbeitskarenz würden Atemwegsbeschwerden geklagt und es liege kein arbeitsplatzkongruenter Erkrankungsverlauf vor. Des Weiteren handele es sich bei dem Ereignis vom 12.04.2018 auch nicht um einen Arbeitsunfall, denn es fehle bereits an dem Nachweis einer ungewöhnlich hohen Exposition gegenüber schädigenden Dämpfen am 12.04.2018. Es habe vielmehr eine übliche Situation bei Wartungsarbeiten vorgelegen. Darüber hinaus sei kein durch das angeschuldigte Ereignis verursachter Gesundheits(erst)schaden nachweisbar. Die Durchsicht der Befunde, insbesondere der Vergleich der Lungenfunktionsbefunde vom 17.11.2017 mit denen vom 16.04.2018, ergebe keine wesentlich ausgeprägtere Obstruktion. Nicht Gegenstand des Verfahrens seien die Arbeitsunfälle, bei denen es zu Augenverletzungen gekommen sei.
Hiergegen hat der Kläger am 13.11.2019 Klage beim Sozialgericht (SG) Karlsruhe erhoben und begehrt, die Beklagte zu verurteilen, ein allergisches unkontrolliertes Asthma bronchiale, eine allergische Diathese und eine chronische Sinusitis u. a. als Berufskrankheit nach Nr. 4301 oder nach Nr. 4302 der Anlage 1 zur BKV sowie das Ereignis vom 12.04.2018 als Arbeitsunfall anzuerkennen und ihm eine Unfallrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um mindestens 30 v. H. zu gewähren. Der Kläger hat u. a. die von der Klinik N1 unter dem 19.10.2018 erstellte Checkliste bei Arbeitsunfähigkeit im Zeitpunkt der Entlassung und die ärztliche Bescheinigung der K1 vom 20.05.2020 vorgelegt. Er hat zur Begründung seiner Klage ausgeführt, ausweislich eines ärztlichen Attestes des H1 leide er, der Kläger, unter einem teilkontrollierten Asthma bronchiale. In dem Attest werde ausgeführt, dass er bei Kontakt mit den Galvanik-Dämpfen einen Asthmaanfall erleide. Diese Diagnose ergebe sich auch aus dem ärztlichen Bericht des Krankenhauses vom Roten Kreuz C1 vom 14.11.2018. Bei der abgebildeten Anlage handele es sich nicht um die in Streit stehende Galvanik-Anlage, die zu seinem Arbeitsunfall geführt habe. Bei seiner Anlage seien keine Fenster an der Anlage montiert gewesen. Am letzten Arbeitstag bei der Fa. E1 sei der Geruch der Galvanikanlage, die er, der Kläger, immer bedient habe, extrem stark gewesen. Nach dem Arbeitsunfall sei kein Gestank mehr vorhanden gewesen. Er gehe daher auch davon aus, dass die von der Beklagten festgestellten Werte ohnehin unzutreffend seien. Dies alles habe er auch bei dem Arzt bei der Untersuchung im Krankenhaus vom Roten Kreuz C1 vorgetragen. Er habe mehrfach betont, dass nicht die richtige Anlage von dem Vertreter der Beklagten angeschaut worden sei. Denn der Fehler, der hier in Rede stehe, habe nur hier vorgelegen und nicht bei den anderen Galvanik-Bädern der Fa. E1. Zudem habe er, der Kläger, Informationen darüber, dass dem Konstrukteur und Aufbauer dieser streitgegenständlichen Anlage kurz nach deren Einführung und auch den hier jetzt in Rede stehenden Problemen mit der Atemluft der Mitarbeiter gekündigt worden sei und das Galvanikbad jetzt von einer anderen Firma betreut werde. Hinzu komme, dass die Beklagte auch den Vortrag nicht ernst genommen habe, dass es falsch sei, dass die Sozialanamnese ergeben habe, dass eine Vorbelastung vorliege. Es sei nämlich so, dass lediglich sein Halbbruder an Asthma leide. Dieser habe aber einen anderen Vater. Seine Mutter leide nicht an Asthma und auch nicht an sonstigen Allergien. Unter Hinweis auf die ärztliche Bescheinigung der K1 sei festzustellen, dass die stattgehabten Atemnotzustände in den Jahren 2005 bis 2012 durch Panikattacken bedingt gewesen seien und in keinster Weise etwas mit dem Asthma bronchiale zu tun gehabt hätten. Schließlich weise auch die Feststellung der Deutschen Rentenversicherung B1 in ihrer Stellungnahme vom 19.10.2018 darauf hin, dass eine Berufskrankheit vorliege, da eine Arbeitsfähigkeit auch durch stufenweise Wiedereingliederung nicht wiederhergestellt werden könne. Durch das Gericht sei ein arbeits- und umweltmedizinisches Gutachten einzuholen.
Das Sach- und Streitverhältnis ist am 13.10.2021 erörtert worden. Nachdem das SG Karlsruhe im Folgenden keine weiteren Ermittlungen durchgeführt hat, ist die Klage mit Gerichtsbescheid vom 17.01.2022, dem Klägervertreter zugestellt am 18.01.2022, abgewiesen worden. Der Kläger habe zwar als Mitarbeiter der Fa. E1 eine versicherte Tätigkeit im Zuständigkeitsbereich der Beklagten verrichtet. Der von ihm geltend gemachte Anspruch auf Anerkennung von Berufskrankheiten nach den Nrn. 4301 und 4302 der Anlage 1 zur BKV scheitere jedoch bereits am fehlenden Nachweis von geeigneten Einwirkungen während dieser Beschäftigung. Da eine solche Einwirkung nicht festgestellt werden könne, komme auch die Anerkennung des Ereignisses vom 12.04.2018 als Arbeitsunfall nicht in Betracht. Ergänzend sei im Hinblick auf das Vorbringen des Klägers darauf hinzuweisen, dass die vom Präventionsdienst der Beklagten durchgeführten Ermittlungen eine entsprechende schädigende Einwirkung nicht bestätigt hätten. Bei sämtlichen in der Vergangenheit vorgenommenen Messungen hätten die Messwerte weit unterhalb der Grenzwerte gelegen. Diese Sachlage bestätige die Schlussfolgerungen der Beklagten, auch wenn die in dem vom Kläger verwendeten Produkt „P1“ enthaltene Methansulfonsäure grundsätzlich die Atemwege reizen könne und eine Messmethode für diese Säure nach den Feststellungen des Präventionsdienstes nicht zur Verfügung stehe. Dass der damit fehlende Nachweis einer schädigenden Einwirkung durch von Amts wegen durchzuführende Ermittlungen nachträglich erbracht werden könnte, sei nicht erkennbar. Dies gelte umso mehr, als der Kläger selbst vorgetragen habe, dass der starke Geruch, der im Jahr 2018 noch vorhanden gewesen sei, im Jahr 2019 nicht mehr habe festgestellt werden können. Nachdem damit weder die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer Berufskrankheit, noch ein von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII hätten festgestellt werden können, stehe dem Kläger auch kein Anspruch auf Verletztenrente aus Mitteln der gesetzlichen Unfallversicherung zu.
Der Kläger hat am 08.02.2022 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg gegen den Gerichtsbescheid des SG Karlsruhe vom 17.01.2022 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat der Kläger im Wesentlichen vorgetragen, das SG Karlsruhe sei zu Unrecht vom Nichtvorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen ausgegangen. Bereits im Erörterungstermin vom 13.10.2021 sei fälschlicherweise darauf hingewiesen worden, er habe ja selbst vorgetragen, dass sich die Verhältnisse in seinem früheren Betrieb 2019 nicht mehr so dargestellt hätten, wie zu der Zeit, als er dort noch gearbeitet habe. Dies habe er, der Kläger, vorgetragen, um darzustellen, dass die Arbeitgeberfirma hier die tatsächlichen Verhältnisse habe vertuschen wollen. Dies sei auch schon im Verwaltungsverfahren bzw. Widerspruchsverfahren vorgetragen worden, nämlich, dass die Anlage, die letztendlich von der Beklagten begutachtet worden sei, nicht die Anlage darstelle, an der er den Arbeitsunfall erlitten habe. Aus seiner Sicht habe sich der Sachverhalt so dargestellt, dass die Firma genau gewusst habe, im rechtswidrigen Bereich gearbeitet zu haben, und diese Anlage dann schnellstmöglich habe ersetzen wollen. Zu Unrecht werde im angefochtenen Gerichtsbescheid des SG Karlsruhe nicht ausgeführt, dass sich aus der Arbeitsplatzbeschreibung ergebe, „Atemschutzmasken sind in der Fa. nicht vorhanden bzw. werden nicht angeboten, vorrätig sind nur einfache Staubmasken, die erst auf Verlangen ausgehändigt werden. Zudem werden Handschuhe, Schutzbrille und Ohrenschutz gestellt.“ Ein sogenannter Sicherheitsbeauftragter existiere formal. Dieser laufe auch hin und wieder durch die Anlage. Eine Lüftungsanlage sei vorhanden. Es erfolge eine jährliche Sicherheitsschulung. Allein die Tatsache, dass Atemschutzmasken, die für die Arbeit in einer Galvanik vorgeschrieben seien, zum Zeitpunkt des Arbeitsunfalls nicht in der Firma vorhanden gewesen und nicht angeboten worden seien, zeige seine besondere Exposition gegenüber giftigen Stoffen zum Zeitpunkt des Arbeitsunfalles auf. Die Arbeitgeberfirma habe gegen die DGUV-Regel 109 - 602 (Stand 2017) verstoßen. Dort würden auf S. 8 die vorgeschriebenen persönlichen Schutzausrüstungen und auf S. 7 die entsprechenden gefährlichen Arbeiten näher beschrieben. Das SG Karlsruhe habe zudem das Verhalten der Arbeitgeberfirma nicht im Sachverhalt aufgenommen und entsprechend nicht gewürdigt. Die Personalchefin habe zusammen mit dem Produktionsleiter mit ihm, dem Kläger, ein Gespräch geführt. Dabei sei nach den Ursachen seiner Erkrankung gefragt worden und es sei ihm dringlich angeraten worden, wieder gesund bzw. arbeitsfähig zu werden oder zu kündigen. Auch dieser (Nötigungs-)Aspekt müsse bei der Frage der Feststellung der arbeitstechnischen Voraussetzungen berücksichtigt werden, auch und gerade dann, wenn die
konkrete Anlage nach Eintritt des Arbeitsunfalles ausgetauscht worden sei. Hinzu komme, dass der Stoff „P1“ kein fertig gekauftes Produkt, sondern eine durch die Arbeitgeberfirma selbst hergestellte Mischung darstelle. Hierbei handele es sich um eine intern verwendete Zusammensetzung, so dass die Sicherheitsdatenblätter keine Geltung hätten und für das vorliegende Produkt „P1“ gar kein Sicherheitsdatenblatt vorhanden gewesen sei. Dies stelle einen weiteren allgemeinen Verstoß gegen Arbeitsplatzschutzvorschriften dar und sei ebenfalls vom SG Karlsruhe nicht gesehen worden. Daher sei auch unter keiner tatsächlichen und/oder rechtlichen Betrachtungsweise die zusammenfassende Feststellung des W1 in seinem Arztbrief an die Beklagte vom 21.05.2019 zutreffend. Sowohl durch die Beklagte als auch das SG Karlsruhe hätte ein Zusammenhangsgutachten eingeholt werden müssen. Die jetzt vorliegenden Beschwerden rührten allein von der Berufskrankheit her. Die Unfallfolgen seien mit einer MdE um mindestens 30 v. H. anzusetzen.
Zunächst hat der Senat H2 schriftlich als sachverständigen Zeugen vernommen. Dieser hat unter dem 02.11.2022 ausgesagt, durch Peak-Flow-Messungen über einen Zeitraum von ca. vier Wochen seien zum aktuellen Zeitpunkt keine Erkenntnisse zu erwarten, die zur Klärung des Vorliegens arbeitsbedingter Einwirkungen im Jahr 2018 mit der Folge einer Verschlimmerung des Asthma bronchiale beitragen könnten. Messungen von Arbeitsplatzeinwirkungen im Jahr 2022 ließen keine eindeutigen Rückschlüsse auf Arbeitsplatzeinwirkungen im Jahr 2018 zu. Unstrittig liege bei dem Kläger ein Asthma bronchiale vor. Bei Patienten mit Asthma bronchiale könne es bei der Exposition zu unspezifischen inhalativen Reizen (Einatmen von kalter trockener Luft, Einatmen von staubhaltiger Luft) und zu asthmatypischen Symptomen wie Husten und Atemnot kommen. Die kalte trockene Luft oder die staubhaltige Luft am Arbeitsplatz seien aber nicht die Ursache des Asthma bronchiale des Klägers. Es gebe zweifelsfrei auch Patienten mit allergischem Asthma bronchiale, bei denen arbeitsplatzspezifische Allergene (wie z.B. Isocyanate) kausal für das Asthma bronchiale seien. Viel häufiger komme es bei Asthmatikern aber durch unspezifische Einwirkungen am Arbeitsplatz zur Zunahme von Asthma-Symptomen (Husten und/oder Atemnot). Deshalb sei es Aufgabe des Betriebsarztes, bei bekanntem Asthma bronchiale dafür Sorge zu tragen, dass unspezifische Risiken für eine Verschlechterung des Asthmas am Arbeitsplatz des Arbeitnehmers so gering wie möglich gehalten würden.
Der Senat hat sodann L1 (D2 GmbH) zum gerichtlichen Sachverständigen ernannt. In seinem arbeitstechnischen Gutachten vom 07.09.2023 ist dieser zu dem Ergebnis gelangt, dass der Kläger während der von ihm ausgeübten beruflichen Tätigkeiten keiner Einwirkung allergisierender Stoffe nach Nr. 4301 der Anlage 1 zur BKV ausgesetzt gewesen sei. Stoffe, die Sensibilisierungen der Atmungsorgane hervorrufen könnten, würden mit dem Gefahrenhinweis H334 „Kann bei Einatmen Allergie, asthmaartige Symptome oder Atembeschwerden verursachen“ gekennzeichnet. Von den Stoffen, die in den Komponenten des Produkts „P1“ enthalten seien, sei keiner mit dem Gefahrenhinweis H334 eingestuft und gekennzeichnet, so dass der Kläger nicht gegenüber atemwegssensibilisierenden Stoffen exponiert gewesen sei. Auch die arbeitstechnischen Voraussetzungen der Berufskrankheit nach Nr. 4302 der Anlage 1 zur BKV seien nicht erfüllt. Trotz des fehlenden messtechnischen Nachweises sei zwar mit der Beklagten davon auszugehen, dass der Kläger einer geringfügigen Konzentration der chemisch-irritativ auf die Atemwege wirkenden Stoffe Methansulfonsäure und Silbermethansulfonat, die mit dem Gefahrenhinweis H335 „Kann die Atemwege reizen" gekennzeichnet seien, ausgesetzt gewesen sei. Es sei aber von einer geringen Einwirkung auszugehen. Methansulfonsäure und Silbermethansulfonat seien zum einen aufgrund der großen Verdünnung in dem Produkt „P1“ nur in geringem Umfang enthalten und zum anderen seien die Stoffe Methansulfonsäure und Silbermethansulfonat kaum flüchtig, was ebenfalls dagegenspreche, dass diese Stoffe in relevantem Maße in die Atemluft gelangt sein könnten.
Der Senat hat N2 zum gerichtlichen Sachverständigen ernannt. In seinem Gutachten nach Aktenlage vom 01.10.2024 ist N2 zu dem Ergebnis gelangt, dass u.a. folgende Gesundheitsstörungen vorlägen: Asthma bronchiale; beherrschter Nikotinabusus, J17.2; chronische Sinusitis, J32.9; polyvalente Sensibilisierung gegen saisonale und perenniale Allergene; Zervikoneuralgie, M54.2; rezidivierende depressive Episoden, F.33.9; Verletzungen der Hornhaut und konjunktivale Reizungen (Arbeitsunfall) T26.6; unspezifischer Schwindel und Taumel, R.42. Keine der festgestellten Erkrankungen der Atemwege sei wesentlich durch die schädigenden Einwirkungen bei der Erwerbstätigkeit des Klägers in der Galvanik verursacht worden. Anhand der derzeitigen Datenlage könne eine rechtlich wesentliche Verschlimmerung einer vorbestehenden Atemwegserkrankung nicht bestätigt werden. Beim Kläger liege keine durch allergisierende Stoffe verursachte Atemwegserkrankung im Sinne der Berufskrankheit nach Nr. 4301 der Anlage 1 zur BKV vor. Beim Kläger habe eine niedrige Exposition gegenüber Methansulfonsäure von 2010 bis 2018 bestanden. Die Expositionsdauer sei für die Entwicklung einer Berufskrankheit nach Nr. 4302 der Anlage 1 zur BKV als grenzwertig anzusehen. Die Exposition könne unter Berücksichtigung der vorliegenden Messberichte von 2005 und 2009, laut denen die Ergebnisse der Gefahrstoffmessungen an den Galvanisierungsbädern deutlich unterhalb der Grenzwerte gelegen hätten, abgeschätzt werden. Es sei somit allenfalls von einer sehr niedrigen Exposition gegenüber Methansulfonsäure auszugehen, die nicht geeignet gewesen sei, eine Berufskrankheit nach Nr. 4302 der Anlage 1 zur BKV hervorzurufen. Bezüglich des Arbeitsunfalls vom 12.04.2018 könne die Exposition nicht im Sinne eines RADS gewertet werden. Diese sei auch nicht geeignet gewesen, eine richtungsgebende Verschlimmerung bzw. eine dauerhafte Verschlechterung eines eventuell vorbestehenden Asthma bronchiale hervorzurufen. Die vom Kläger vorgebrachten Gesundheitsstörungen seien nicht mit der Exposition in Einklang zu bringen. Die Beschwerdesymptomatik sei im Sinne einer Gelegenheitsverursachung zu werten. Konkurrenzursachen seien die polyvalente Sensibilisierung, die Nikotinabhängigkeit, die chronische Sinusitis und die rezidivierenden Infekte.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 17.01.2022 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 16.07.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.10.2019 zu verurteilen, ein allergisches unkontrolliertes Asthma bronchiale, eine allergische Diathese und eine chronische Sinusitis als Berufskrankheiten nach Nr. 4301 und/oder Nr. 4302 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung anzuerkennen sowie das Ereignis vom 13.04.2018 als Arbeitsunfall anzuerkennen und ihm eine Rente in gesetzlicher Höhe nach einer MdE um mindestens 30 v. H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Zur Begründung bezieht sie sich auf die Ausführungen in dem angefochtenen Gerichtsbescheid des SG Karlsruhe. Aus dem klägerischen Vorbringen im Berufungsverfahren hätten sich keine neuen Erkenntnisse ergeben.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
I. Der Senat hat aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden. Die nach den §§ 143 und 144 SGG statthafte sowie nach § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist auch im Übrigen zulässig. Die Berufung ist jedoch nicht begründet.
II. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der Gerichtsbescheid des SG Karlsruhe vom 17.01.2022 sowie der Bescheid der Beklagten vom 16.07.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.10.2019 und die Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung eines unkontrollierten Asthma bronchiale, einer allergischen Diathese und einer chronischen Sinusitis als Berufskrankheit nach Nr. 4301 und/oder Nr. 4302 der Anlage 1 zur BKV sowie die Verpflichtung der Beklagten, das Ereignis vom 12.04.2018 als Arbeitsunfall anzuerkennen, und die Verurteilung der Beklagten, dem Kläger eine Rente nach einer MdE um 30 v. H. zu bewilligen. Bei dem im Antrag des Klägers angegebenen Datum des „13.04.2018“ handelt es sich ersichtlich um einen unbeachtlichen Schreibfehler (§ 123 SGG).
Diese prozessualen Ziele verfolgt der Kläger mit der kombinierten Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 54 Abs. 4 SGG und § 56 SGG; zum Wahlrecht eines Unfallversicherten, den Anspruch auf Anerkennung von Gesundheitsstörungen als Folge eines Arbeitsunfalls im Wege einer kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage oder einer Kombination aus Anfechtungs- und Feststellungsklage zu verfolgen, vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 05.07.2011 – B 2 U 17/10 R, juris Rn. 12).
Die angefochtenen Entscheidungen sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, bei dem Kläger das Vorliegen einer Berufskrankheit nach Nr. 4301 und/oder Nr. 4302 der Anlage 1 zur BKV sowie das Ereignis vom 12.04.2018 als Arbeitsunfall anzuerkennen und dem Kläger eine Rente zu bewilligen.
III. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 4301 oder Nr. 4302 der Anlage 1 zur BKV.
Rechtsgrundlage für die Feststellung einer Berufskrankheit ist § 9 Abs. 1 SGB VII in der ab dem 01.01.2021 geltenden Fassung (vgl. Art. 7 Nr. 3 und Art. 28 Abs. 6 des Siebten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze [7. SGB-IV-ÄndG] vom 12.06.2020 [BGBl I, S. 1248]) (n.F.). Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII n.F. sind Berufskrankheiten Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Nach § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII n.F. wird die Bundesregierung ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann dabei bestimmen, dass die Krankheiten nur dann Berufskrankheiten sind, wenn sie durch Tätigkeiten in bestimmten Gefährdungsbereichen verursacht worden sind. Die weitere in § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII in der bis zum 31.12.2020 geltenden Fassung (a.F.) normierte Einschränkung, dass auch bestimmt werden kann, dass Krankheiten nur dann Berufskrankheiten sind, wenn sie zur Unterlassung aller Tätigkeiten geführt haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können, ist ab dem 01.01.2021 entfallen. Zugleich hat der Verordnungsgeber zum 01.01.2021 den Unterlassungszwang aus allen Berufskrankheiten-Tatbeständen gestrichen. Nach der ebenfalls zum 01.01.2021 in Kraft getretenen neuen gesetzlichen Rückwirkungsregelung in § 9 Abs. 2a Nr. 1 SGB VII n.F. sind Krankheiten in den Fällen des § 9 Abs. 1 SGB VII n.F., die bei Versicherten vor der Bezeichnung als Berufskrankheiten bereits entstanden waren, rückwirkend frühestens zu dem Zeitpunkt als Berufskrankheit anzuerkennen, in dem die Bezeichnung in Kraft getreten ist. Es handelt sich um eine zukunftsgerichtete tatbestandliche Rückanknüpfung beziehungsweise „unechte“ Rückwirkung, wonach die mit dem Wegfall des Unterlassungszwangs verbundenen Anerkennungserleichterungen für bereits vor dem 01.01.2021 Erkrankte gelten (vgl. Römer/Keller, Neues vom Gesetzgeber im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung, SGb 2020, 651, 655).
Der Tatbestand der Berufskrankheit nach Nr. 4301 der Anlage 1 zur BKV umfasst die durch allergisierende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen (einschließlich Rhinopathie) und der Tatbestand der Berufskrankheit nach Nr. 4302 der Anlage 1 zur BKV die durch chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen.
Für die Feststellung einer Listen-Berufskrankheit ist erforderlich, dass die Verrichtung einer grundsätzlich versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder ähnlichem auf den Körper geführt hat (Einwirkungskausalität) und diese Einwirkungen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Dabei müssen die versicherte Tätigkeit, die Verrichtung, die Einwirkungen und die Krankheit im Sinne des Vollbeweises – also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit – vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt indes die hinreichende Wahrscheinlichkeit, allerdings nicht die bloße Möglichkeit (BSG, Urteil vom 04.07.2013 – B 2 U 11/12 R, juris Rn. 12 m.w.N.). Während die sogenannten arbeitstechnischen Voraussetzungen einer Berufskrankheit zum einen das Vorhandensein der tatbestandlich vorausgesetzten Einwirkungen und zum anderen die Kausalität zwischen diesen Einwirkungen und einer Erkrankung beinhalten, betreffen die arbeitsmedizinischen Voraussetzungen ebenfalls zwei Aspekte der Anerkennungsvoraussetzungen, nämlich zum einen das Vorliegen der tatbestandlich vorausgesetzten Krankheit und zum anderen das Vorliegen eines Schadensbildes, welches mit der rechtlich-wesentlichen Verursachung dieser Krankheit durch die beruflichen Einwirkungen zumindest im Einklang steht (BSG, Urteil vom 06.09.2018 – B 2 U 13/17, juris Rn. 19.).
Die Voraussetzungen für die Feststellung einer Berufskrankheit nach Nr. 4301 oder Nr. 4302 der Anlage 1 zur BKV liegen im Falle des Klägers nicht vor. Es fehlt bezüglich der Berufskrankheit nach Nr. 4301 der Anlage 1 zur BKV an den arbeitstechnischen Voraussetzungen und bezüglich der Berufskrankheit nach Nr. 4302 der Anlage 1 zur BKV an den arbeitsmedizinischen Voraussetzungen.
1. Der Kläger gehört zwar zu dem versicherten Personenkreis. Er ist seit Oktober 2010 bzw. seit dem 01.06.2011 versicherungspflichtig für die Fa. E1 als Anlagenbediener in der Galvanik tätig gewesen und ist damit Versicherter im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII.
2. Der Kläger ist zur Überzeugung des Senats keinen allergisierenden Stoffen (Nr. 4301 der Anlage 1 zur BKV) bei seiner Tätigkeit für die Fa. E1 ausgesetzt gewesen, da das Produkt „P1“ solche Stoffe nicht enthält.
Der Senat stützt seine Einschätzung auf die Ergebnisse des gerichtlichen Sachverständigen L1 in seinem arbeitstechnischen Gutachten vom 07.09.2023, das der Senat im Wege des Sachverständigenbeweises nach § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 402 ff. ZPO verwertet hat. Der Sachverständige hat für den Senat nachvollziehbar anhand des von der Fa. E1 der Beklagten vorgelegten Datenblattes des Produktes „P1“ die einzelnen Komponenten des Gemisches zutreffend erfasst und seiner Einschätzung zugrunde gelegt. Wenn klägerseits vorgetragen worden ist, es existiere kein Datenblatt des Produktes „P1“, da es sich um ein selbst von der Fa. E1 entwickeltes Gemisch handele, so ist dies unzutreffend.
Das Produkt „P1“ bzw. das „P1“-Bad besteht demnach aus den folgenden Einzelkomponenten: 11,5% S1, 1,0% S2, 0,5% S3, 18,0% S4, 4,0% S5 und 16,5% Z2. Diese Komponenten ergeben zusammen im Produkt einen Anteil von 51,5%. Die verbleibenden 48,5% des Elektrolytbades sind W1. S1 enthält 50% bis 70% Methansulfonsäure und 30% bis 50% W2. S2 enthält 25% bis 50% Silbermethansulfonat, 5% bis 7% Methansulfonsäure und W2. S3 enthält 50% bis 70% P2. S4 enthält 50% bis 70% M1. S5 enthält 5% bis 15% B3 und bis 3% D3. Z2 enthält 50% bis 70% Z3, bis 5% Methansulfonsäure und W2.
Des Weiteren hat sich der Sachverständige L1 in nicht zu beanstandender Weise für die Einstufung der Gefährdung und Wirkung der genannten Inhaltsstoffe des Produktes „P1“ auf die CLP-Verordnung gestützt. Die Einstufung von Stoffen, von denen eine Gefahr für Beschäftigte ausgeht, sowie von Produkten, welche diese gefährlichen Stoffe enthalten, richtet sich nach der zum 20.01.2009 in Kraft getretenen CLP-Verordnung der EU, veröffentlicht im Amtsblatt der Europäischen Union vom 31.12.2008. CLP steht für classification, labelling and packaqing. Basis der CLP-Verordnung wiederum ist das GHS-System der UN. Im Jahr 2003 wurde das Globally Harmonized System (GHS) of Classification and Labellinq of Chemicals veröffentlicht. GHS-System und CLP-Verordnung werden laufend den wissenschaftlichen Erkenntnissen entsprechend angepasst.
Stoffe, die Sensibilisierungen der Atmungsorgane hervorrufen könnten, sind nach der CLP-Verordnung mit dem Gefahrenhinweis H334 „Kann bei Einatmen Allergie, asthmaartige Symptome oder Atembeschwerden verursachen“ gekennzeichnet. Von den Stoffen, die in den Komponenten des Produkts „P1“ enthalten sind, ist aber, wie der Sachverständige zutreffend ausführt, keiner mit dem Gefahrenhinweis H334 eingestuft und gekennzeichnet. Eine zur Annahme der arbeitstechnischen Voraussetzungen der Berufskrankheit nach Nr. 4301 der Anlage 1 zur BKV erforderliche Einwirkung durch allergisierende Stoffe ist damit nicht im erforderlichen Vollbeweis nachgewiesen.
3. Die Voraussetzungen für die Anerkennung der Berufskrankheit nach Nr. 4302 der Anlage 1 zur BKV sind bei dem Kläger ebenfalls nicht erfüllt. Der Kläger war bei seinen Verrichtungen im Rahmen seiner versicherten Tätigkeit als Anlagenbediener in der Galvanik zwar chemisch-irritativ wirkenden Stoffen ausgesetzt, zudem leidet er an einer Atemwegserkrankung im Sinne der Berufskrankheit nach Nr. 4302 der Anlage 1 zur BKV. Diese Einwirkungen haben aber die Krankheit – losgelöst von einer Expositionsdosis – nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit wesentlich verursacht. Mithin sind bezüglich der Berufskrankheit nach Nr. 4302 der Anlage 1 zur BKV zwar die erforderlichen arbeitstechnischen Voraussetzungen erfüllt, es ermangelt jedoch an den arbeitsmedizinischen Voraussetzungen.
a) Die arbeitstechnischen Voraussetzungen sind bezüglich der Berufskrankheit nach Nr. 4302 der Anlage 1 zur BKV erfüllt.
aa) Der Kläger ist bei seiner Tätigkeit nach der insoweit nachvollziehbaren Beurteilung des gerichtlichen Sachverständigen L1 den Stoffen Methansulfonsäure und Silbermethansulfonat ausgesetzt gewesen, die chemisch-irritativ auf die Atmungsorgane wirken können. Chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Arbeitsstoffe kommen an zahlreichen Arbeitsplätzen als Inhalationsnoxen in Form von Gasen, Dämpfen, Stäuben oder Rauchen vor (vgl. Merkblatt zur BK Nr. 4302, Bekanntmachung des BMA vom 10.07.1979 im Bundesarbeitsblatt 7/8/1979, S. 74). Stoffe, die obstruktive Atemwegserkrankungen auslösen können, sind nach der CLP-Verordnung mit dem Gefahrenhinweis H335 „Kann die Atemwege reizen“ zu kennzeichnen. Von den Stoffen, welche im Produkt „P1“ enthalten sind, wirken ausschließlich Methansulfonsäure und Silbermethansulfonat, das Silbersalz der Methansulfonsäure, chemisch-irritativ auf die Atemwege. Methansulfonsäure und Silbermethansulfonat sind in Bezug auf ihre spezifische Zielorgantoxizität (einmalige Exposition) als „Atemwegsreizung, Kategorie 3“ eingestuft und nach der CLP-Verordnung mit dem Gefahrenhinweis H335 „Kann die Atemwege reizen“ gekennzeichnet.
bb) Mit der vorliegend tatsächlich festgestellten versicherungsbedingten Einwirkung durch Methansulfonsäure und Silbermethansulfonat ist vom Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen auszugehen.
Denn der Senat hat nach dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand keine Anhaltspunkte für die Bestimmung einer Mindestbelastungsdosis für die Berufskrankheit nach Nr. 4302 der Anlage 1 zur BKV.
Wenn aber eine Mindestexpositionsdosis weder normativ vorgegeben noch anhand des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes bestimmbar ist, und andere nach aktuellem medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisstand in Betracht kommende Ursachen für die Erkrankung des Versicherten positiv ausgeschlossen sind, ist mit dem Vorhandensein der in der Berufskrankheit genannten Listenstoffe am Arbeitsplatz vom Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen auszugehen (vgl. BSG, Urteil vom 27.09.2023 – B 2 U 8/21 R, juris Rn. 32). Dabei ist zu berücksichtigen, dass allein „gute Gründe“ für eine andere wie für die berufliche Verursachung eine überragende Bedeutung der unversicherten außerbetrieblichen Ursache nicht begründen können, da etwaig „gute Gründe“ für die Annahme einer unversicherten Alternativursache insoweit bei der Kausalitätsbeurteilung als bloße Behauptung die überwiegend wahrscheinliche Ursächlichkeit der tatsächlich erfolgten beruflichen Einwirkung nicht zulässig ausschließen können (vgl. BSG, Urteil vom 27.09.2023 – B 2 U 8/21 R, juris Rn. 37).
Eine im Rahmen der Prüfung der arbeitstechnischen Voraussetzungen solche positive Feststellung einer konkreten außerberuflichen Ursache von überragender Bedeutung vermag der Senat auch unter Würdigung der beim Kläger bestehenden Sensibilisierung gegenüber ubiquitären Allergenen und Rauchgewohnheit nicht zu treffen, folglich sind die arbeitstechnischen Voraussetzungen erfüllt.
b) Ferner lässt sich beim Kläger eine Atemwegserkrankung im Sinne der Berufskrankheit nach Nr. 4302 der Anlage 1 zur BKV feststellen. Denn der Kläger leidet zur Überzeugung des Senats u. a. an einem Asthma bronchiale und einer chronischen Sinusitis. Das Vorliegen der vorgenannten Erkrankungen ergibt sich aus dem Sachverständigengutachten des N2 sowie aus den von H2 und Z1 in der Atemsprechstunde am 09.11.2018 erhobenen Befunden. Dabei stellt jedenfalls das Asthma bronchiale eine obstruktive Atemwegserkrankung im Sinne der Berufskrankheit nach Nr. 4302 der Anlage 1 zur BKV dar (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 03.05.2023 – L 3 U 24/14, juris Rn. 80; Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 10. Auflage, Nr. 17.13, S. 1191 sowie Nr. 17.13.2 S. 1200). Die bei dem Kläger ebenfalls vorliegende Sinusitis ist als fakultativ obligatorisches Vorstadium einer Obstruktion der tiefen Atemwege mit umfasst (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 10. Auflage, Nr. 17.13.4, S. 1205). Bei der allergischen Diathese handelt es sich bereits nicht um eine obstruktive Erkrankung der Atemwege, sondern diese beschreibt lediglich die Neigung zu Allergien.
c) Die arbeitsmedizinischen Voraussetzungen sind jedoch nicht erfüllt. Denn die versicherungsbedingte Einwirkung durch Methansulfonsäure und Silbermethansulfonat haben das Asthma bronchiale und die Sinusitis – losgelöst von einer Expositionsdosis – nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit wesentlich verursacht.
aa) Der Annahme eines Ursachenzusammenhangs im Sinne der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie steht entgegen, wenn im Rahmen der Prüfung der arbeitsmedizinischen Voraussetzungen feststeht, dass die Krankheit nicht auf die beruflich bedingte Einwirkung zurückzuführen ist. Andernfalls ist die Berufskrankheit anzuerkennen, wenn die Einwirkung auch rechtlich wesentlich war (BSG, Urteil vom 27.09.2023 – B 2 U 8/21 R, juris Rn. 17).
Lässt bei einer Berufskrankheit ohne normativ vorgegebene oder nach dem wissenschaftlichen Erkenntnisstand bestimmbare Mindestdosis die Einwirkungsintensität keine negativen Rückschlüsse auf den Ursachenzusammenhang im Sinne der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie zu, so steht der Annahme eines solchen Ursachenzusammenhangs gleichwohl die positive Feststellung entgegen, dass die Krankheit nicht auf die beruflich bedingte Einwirkung zurückzuführen ist (BSG, Urteil vom 27.09.2023 – B 2 U 8/21 R, juris Rn. 40). Um bei Berufskrankheiten, für die keine Einwirkungsdosis vorgegeben ist, einen Ursachenzusammenhang auszuschließen, muss also positiv festgestellt werden, dass die Krankheit nicht auf die beruflich bedingte Einwirkung zurückzuführen ist (BSG, Urteil vom 27.09.2023 – B 2 U 8/21 R, juris Rn. 41).
Für die positive Feststellung, dass eine Krankheit nicht auf die beruflich bedingte Einwirkung zurückzuführen ist, genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht jedoch die bloße Möglichkeit. Sie erfordert eine Prüfung des Ursachenzusammenhangs im Sinne der arbeitsmedizinischen Voraussetzungen und hat zwei Aspekte der Anerkennungsvoraussetzungen: Zum einen das Vorliegen der tatbestandlich vorausgesetzten Krankheit, zum anderen ein Schadensbild, welches – losgelöst von einer Expositionsdosis – mit der rechtlich-wesentlichen Verursachung dieser Krankheit durch die beruflichen Einwirkungen zumindest in Einklang steht (BSG, Urteil vom 27.09.2023 – B 2 U 8/21 R –, juris Rn. 42). Für die Feststellung fehlender Ursächlichkeit ist entscheidend, dass wegen der Art oder der Lokalisation der Erkrankung, wegen des zeitlichen Ablaufs der Erkrankung (Expositionszeit, Latenzzeit und Interimszeit) oder aufgrund sonstiger Umstände im konkreten Einzelfall ein ursächlicher Zusammenhang trotz der beruflichen Einwirkung nicht wahrscheinlich ist (BSG, Urteil vom 27.09.2023 – B 2 U 8/21 R, juris Rn. 42). Ist ein solches „versicherungsfremdes“ Schadensbild nicht feststellbar, ist davon auszugehen, dass die Krankheit auf die beruflich bedingte Einwirkung zurückzuführen ist (BSG, Urteil vom 27.09.2023 – B 2 U 8/21 R, juris Rn. 42).
Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, dass bei Berufskrankheiten, für die sich – wie vorliegend bei der Berufskrankheit nach Nr. 4302 der Anlage 1 zur BKV – eine Mindestbelastungsdosis nach dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand nicht bestimmen lässt, der Ursachenzusammenhang nicht deshalb verneint werden kann, weil die Einwirkungsdosis in Qualität oder Quantität nicht ausreichend gewesen sein solle (vgl. auch Freudenberg, B+P 2024, 564ff. 565).
bb) Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze lässt sich positiv feststellen, dass die Atemwegserkrankung des Klägers nicht auf die beruflich bedingten Einwirkungen zurückzuführen ist. Denn wegen des versicherungsfremden Schadensbildes lässt sich im konkreten Einzelfall des Klägers ein ursächlicher Zusammenhang trotz der beruflichen Einwirkung nicht wahrscheinlich machen.
(1) Zunächst hat der Sachverständige N2 dargelegt, der Kläger sei während seiner Tätigkeit längerfristig gegenüber chemisch-irritativ bzw. toxisch wirkenden Substanzen exponiert gewesen, die grundsätzlich bei entsprechend lange einwirkender Dauer auch in niedrigen Konzentrationen eine Atemwegserkrankung auslösen können. Soweit er im Weiteren ausgeführt hat, die Expositionsdauer sei für die Entwicklung einer Berufskrankheit nach Nr. 4302 der Anlage 1 zur BKV, wobei die Exposition unter Berücksichtigung der vorliegenden Messberichte aus 2005 und 2009, laut denen die Ergebnisse der Gefahrstoffmessungen an den Galvanisierungsbädern deutlich unterhalb der Grenzwerte lagen, abgeschätzt werden könne, als grenzwertig anzusehen und es sei somit allenfalls von einer sehr niedrigen Exposition gegenüber Methansulfonsäure auszugehen, die nicht geeignet gewesen sei, eine Berufskrankheit nach Nr. 4302 der Anlage 1 zur BKV hervorzurufen, hat dieser Gesichtspunkt der Expositionsdosis nach Dauer und Intensität außer Betracht zu bleiben, weil vorliegend die Prüfung des Ursachenzusammenhangs im Sinne der arbeitsmedizinischen Voraussetzungen – wie oben dargelegt – losgelöst von einer Expositionsdosis stattzufinden und sich auf das Schadensbild im Übrigen zu beziehen hat.
(2) Gleichwohl ist der Sachverständige N2 zur Überzeugung des Senats mit der Verneinung eines wesentlich ursächlichen Zusammenhanges zwischen versicherungsbedingter Einwirkung durch Methansulfonsäure und Silbermethansulfonat und den Erkrankungen Asthma bronchiale und Sinusitis zu einem zutreffenden Ergebnis gelangt. Das Ergebnis ist für den Senat vor dem Hintergrund schlüssig, dass N2 darauf hingewiesen hat, dass auch nach Aufgabe der beruflichen Tätigkeit keine Besserung der Beschwerden eingetreten und auch keine Reduktion der antiobstruktiven Medikamente möglich gewesen ist. Der Senat kann dies nachvollziehen, denn der Kläger hat im Rahmen der Anamnese im Zuge des stationären Aufenthaltes vom 03.10.2018 bis 24.10.2018 in der Klinik N1 angegeben, das Asthma bronchiale sei im Verlauf konstant, und auch im Rahmen der BG-Sprechstunde vom 09.11.2018 anamnestisch von fortwährenden Beschwerden berichtet. Insoweit haben auch H2 und Z1 in ihrem Befundbericht vom 14.11.2018 zu Recht darauf hingewiesen, dass sich typische Beschwerden eines arbeitsplatzbezogenen Asthmas bronchiale, einschließlich einer Besserung der Beschwerden an Wochenenden und im Urlaub, nicht eindeutig haben eruieren lassen, obwohl auch nach langer Abwesenheit vom Arbeitsplatz eine deutliche Besserung vorhanden sein müsste. Gleichermaßen sieht auch W1 in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme – welche der Senat als qualifiziertes Parteivorbringen bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt (vgl. BSG, Beschluss vom 06.10.2020 – B 2 U 94/20 B, juris Rn. 11) – folgerichtig bei Sensibilisierung gegenüber ubiquitären Allergenen und Rauchgewohnheit sowie fehlenden arbeitsplatzbezogenen Beschwerden die Voraussetzungen für die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 4302 der Anlage 1 zur BKV als nicht gegeben an und geht zutreffend davon aus, dass sich beim Kläger eine Atemwegsempfindlichkeit herausgearbeitet hat, wobei von einer berufsunabhängigen Ursache auszugehen ist. Er hat nachvollziehbar darauf verwiesen, dass der Kläger bei der Untersuchung am 17.11.2017 durch H1 arbeitsplatzbezogene Beschwerden nicht angegeben hat und der Kläger bereits im Jahr 2005 eine Lungenentzündung gehabt hat. Den Ausführungen von H2 und Z1 sowie W1 folgt der Sachverständige N2 im Wesentlichen auch uneingeschränkt.
Mithin ist der Senat von einem versicherungsfremden Schadensbild, aufgrund dessen im konkreten Einzelfall ein ursächlicher Zusammenhang trotz der beruflichen Einwirkung nicht wahrscheinlich ist, überzeugt. Maßgeblich für diese Beurteilung des Senats ist insbesondere der Umstand, auf den auch N2 hingewiesen hat, dass auch nach Aufgabe der beruflichen Tätigkeit keine Besserung der Beschwerden eingetreten und auch keine Reduktion der antiobstruktiven Medikamente möglich gewesen ist, mithin das Schadensbild einer arbeitsplatzbezogenen obstruktiven Atemwegserkrankung nicht gegeben ist.
(3) Die Feststellung einer Berufskrankheit nach Nr. 4302 der Anlage 1 zur BKV scheidet auch nach § 9 Abs. 3 SGB VII aus.
Erkranken Versicherte, die infolge der besonderen Bedingungen ihrer versicherten Tätigkeit in erhöhtem Maße der Gefahr der Erkrankung an einer in der BKV genannten Berufskrankheit ausgesetzt waren, an einer solchen Krankheit und können Anhaltspunkte für eine Verursachung außerhalb der versicherten Tätigkeit nicht festgestellt werden, wird nach § 9 Abs. 3 SGB VII vermutet, dass diese infolge der versicherten Tätigkeit verursacht worden ist.
Es handelt sich hierbei um eine Beweisregelungsvorschrift, die in Anlehnung an die Grundsätze über den Anscheinsbeweis einer Beweiserleichterung bei der Feststellung des Ursachenzusammenhangs im Einzelfall dienen soll. Die Vorschrift verpflichtet die Unfallversicherungsträger zu prüfen, inwieweit aufgrund gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnisse bei definierten Einwirkungen einerseits und bestimmten Krankheitsbildern andererseits typischerweise von der Wahrscheinlichkeit des Ursachenzusammenhangs zwischen Einwirkung und Erkrankung auszugehen ist. Dieser Anscheinsbeweis beziehungsweise diese Beweiserleichterung greift dann nicht, wenn konkrete Anhaltspunkte für eine Verursachung außerhalb der versicherten Tätigkeit festzustellen sind, das heißt ernsthaft möglich sind. Insoweit ist eine Wahrscheinlichkeit nicht erforderlich. Bloße Hinweise oder entfernte Vermutungen reichen dagegen nicht aus. Anhaltspunkte für eine Verursachung außerhalb der versicherten Tätigkeit können die Umstände des Einzelfalls sein, zum Beispiel ein untypischer Erkrankungsverlauf, insbesondere eine ungewöhnlich lange oder kurze Latenzzeit zwischen dem Einwirkungsbeginn und dem Auftreten der Erkrankung oder ein ungewöhnlich langes zeitliches Intervall zwischen der Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit und dem Auftreten der Erkrankung, Vorerkrankungen oder Krankheitsanlagen, aus welchen sich konkrete Anhaltspunkte für ein schicksalhaftes Erkrankungsgeschehen ergeben, oder außerberufliche Einwirkungen, welche ebenfalls als Ursache der Krankheit in Frage kommen (BSG, Urteil vom 30.01.2007 – B 2 U 15/05 R, juris Rn. 26; Bayerisches LSG, Urteil vom 17.03.2011 – L 17 U 109/07, juris Rn. 41; Hessisches LSG, Urteil vom 31.08.2010 – L 3 U 162/05, juris Rn. 63; Brandenburg in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 3. Auflage, § 9 [Stand: 19.01.2022] Rn. 166; Brandenburg in Becker/Franke/Molkentin/Hedermann, SGB VII, 6. Auflage 2024, § 9 Rn. 39; Ricke in Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, 118. Ergänzungslieferung März 2022, § 9 Rn. 29; Römer in Hauck/Noftz SGB VII, 1. Ergänzungslieferung 2025, § 9 Rn. 166; Schmitt in Schmitt, SGB VII, 4. Auflage 2009, § 9 Rn. 31; Wietfeld in BeckOK Sozialrecht, Rolfs/Giesen/Meßling/Udsching, 75. Edition, Stand: 01.12.2024, § 9 Rn. 74).
Der Anscheinsbeweis beziehungsweise die Beweiserleichterung des § 9 Abs. 3 SGB VII kommt vorliegend nicht zum Tragen, denn es sind hier mit der Sensibilisierung gegenüber ubiquitären Allergenen und der Rauchgewohnheit Anhaltspunkte für eine Verursachung der Atemwegserkrankung des Klägers außerhalb der versicherten Tätigkeit festzustellen.
IV. Der Kläger hat zudem am 12.04.2018 keinen unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stehenden Arbeitsunfall erlitten.
Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind gem. § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Die Anerkennung eines Arbeitsunfalls setzt voraus, dass die Verrichtung zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer oder sachlicher Zusammenhang), sie zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis – dem Unfallereignis – geführt und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht hat (Unfallkausalität und haftungsbegründende Kausalität) (vgl. etwa BSG, Urteil vom 07.05.2019 – B 2 U 31/17 R, juris Rn. 10 m.w.N.).
Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor, weil es an der haftungsbegründenden Kausalität fehlt.
1. Der Senat legt seiner Bewertung folgenden Sachverhalt zu Grunde: Ausweislich seiner schriftlichen Schilderung des Unfallgeschehenes gegenüber der Beklagten sowie ausweislich der Unfallanzeige ließ der Kläger am 12.04.2018 gegen 18.00 Uhr die Flüssigkeit „P1“ aus dem ca. 1,50 m x 1,50 m großen Galvanisierungsbecken ab, um die sich darin befindlichen Anoden zu wechseln. Dabei inhalierte er Methansulfonsäure und weitere bekannte Inhaltsstoffe des „P1“-Bades in heute nicht mehr nachvollziehbarer Konzentration. Er bekam Atemprobleme verbunden mit Übelkeit und Schwindel. Der Kläger wurde am Folgetag arbeitsunfähig geschrieben. Er klagte über Hustenanfälle.
2. Wie bereits oben dargelegt, gehört der Kläger zwar zu dem versicherten Personenkreis, da er versicherungspflichtig für die Fa. E1 als Anlagenbediener in der Galvanik tätig gewesen und damit Versicherter im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII gewesen ist.
3. Der Kläger hat auch am 12.04.2018 eine Einwirkung von außen erlitten. Ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis liegt mit dem Inhalieren des Produkts „P1“ vor. Für das von außen auf den Körper einwirkende, zeitlich begrenzte Ereignis ist kein besonderes, ungewöhnliches Geschehen erforderlich. Alltägliche Vorgänge wie Stolpern genügen. Das Kriterium dient der Abgrenzung zu Gesundheitsschäden aufgrund von inneren Ursachen, wie Herzinfarkt, Kreislaufkollaps usw., wenn diese während der versicherten Tätigkeit auftreten, sowie zu vorsätzlichen Selbstschädigungen (BSG, Urteil vom 12.04.2005 – B 2 U 27/04 R, juris Rn. 12). Die Anerkennung eines Unfalls scheitert vorliegend nicht daran, dass der Kläger bewusst geatmet hat. Zwar ist die Unfreiwilligkeit der Einwirkung bei demjenigen, den das Geschehen betrifft, dem Begriff des Unfalls immanent, weil ein geplantes, willentliches Herbeiführen einer Einwirkung dem Begriff des Unfalls widerspricht. Hiervon zu unterscheiden sind jedoch die Fälle eines gewollten Handelns mit einer ungewollten Einwirkung, in denen eine äußere Einwirkung vorliegt (BSG, Urteil vom 12.04.2005 – B 2 U 27/04 R, juris Rn. 12). Vorliegend wollte der Kläger zwar einatmen, er wollte aber nicht mit der Atmung die im Produkt „P1“ enthaltenen Komponenten inhalieren und so auf seinen Organismus einwirken lassen. Damit liegt ein gewolltes Handeln mit einer ungewollten Einwirkung vor, weshalb nach den dargestellten Grundsätzen eine äußere Einwirkung zu bejahen ist.
4. Das Ablassen der Flüssigkeit „P1“ aus dem Galvanisierungsbecken, um darin befindliche Anoden zu wechseln, steht auch in einem sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit des Klägers.
5. Die Einwirkung von außen (Inhalation von Methansulfonsäure und Silbermethansulfonat) hat sich auch infolge der versicherten Tätigkeit (Ablassen des P1 aus dem Galvanisierungsbecken) ereignet. Diese stellt das zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis – das Unfallereignis – dar (Unfallkausalität; vgl. zu dieser Begrifflichkeit BSG, Urteil vom 07.05.2019 – B 2 U 31/17 R, juris Rn. 10 m.w.N.).
6. Die Einwirkung hat jedoch nicht in rechtlich wesentlicher Weise zu den eingetretenen Gesundheitsschäden geführt (haftungsbegründende Kausalität).
a) Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit, aber nicht die bloße Möglichkeit (BSG, Urteil vom 06.05.2021 – B 2 U 15/19 R, juris Rn. 13). Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht; allein die Möglichkeit eines Ursachenzusammenhangs genügt dagegen nicht (BSG, Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R, juris Rn. 20). Die Theorie der wesentlichen Bedingung beruht auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie als Ausgangsbasis. Nach dieser ist jedes Ereignis Ursache eines Erfolges, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio-sine-qua-non). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und den anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen (BSG, Urteil vom 09.05.2006 – B 2 U 1/05 R, juris Rn. 13).
Für die wertende Entscheidung über die Wesentlichkeit einer Ursache hat die Rechtsprechung folgende Grundsätze herausgearbeitet: Es kann mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen geben. Sozialrechtlich ist allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende Ursache es war, ist unerheblich. „Wesentlich“ ist nicht gleichzusetzen mit „gleichwertig“ oder „annähernd gleichwertig“. Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere(n) Ursache(n) keine überragende Bedeutung hat (haben). Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur die erstgenannte(n) Ursache(n) „wesentlich“ und damit Ursache(n) im Sinne des Sozialrechts. Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber (im zweiten Prüfungsschritt) nicht als „wesentlich“ anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als „Gelegenheitsursache“ oder Auslöser bezeichnet werden. Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die „Auslösung“ akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte. Bei der Abwägung kann der Schwere des Unfallereignisses Bedeutung zukommen. (BSG, Urteil vom 09.05.2006 – B 2 U 1/05 R, juris Rn. 15 m.w.N.).
b) Im vorliegenden Fall war die Einwirkung (Inhalation von Methansulfonsäure und Silbermethansulfonat) nicht wesentlich kausal, für die anschließend aufgetretenen Gesundheitsschäden (Hustenreiz und Atembeschwerden, damit im Zusammenhang stehend Übelkeit und Schwindel). Diese Feststellung stützt der Senat insbesondere auf das schlüssige und nachvollziehbare Sachverständigengutachten von N2. Der Sachverständige N2 hat nachvollziehbar ausgeführt, es könne durchaus nachvollzogen werden, dass eine höhere akute Exposition gegenüber Methansulfonsäure am 12.04.2018 geeignet gewesen wäre, bei vorgeschädigten Atemwegen Beschwerden hervorzurufen, jedoch könne nicht von einer richtunggebenden Verschlechterung ausgegangen werden, sondern es handele sich um eine unspezifische Reaktion bei vorgeschädigten Atemwegen, was sich aus den Lungenfunktionsdaten ableiten lasse. Mithin ist das Inhalieren von Methansulfonsäure und Silbermethansulfonat nur Auslöser, nicht aber wesentliche Ursache der vom Kläger beklagten Gesundheitsschäden (Hustenreiz und Atembeschwerden, damit im Zusammenhang stehend Übelkeit und Schwindel) im Sinne der Wesentlichkeitstheorie, weil für deren Eintritt der vorbestehenden Schadensanlage (polyvalente Sensibilisierung, vorbestehende chronisch-obstruktive Atemwegserkrankung) und dem vorbestehenden Nikotinkonsum überragende Bedeutung zukommt. Auch insoweit stützt sich der Senat auf das überzeugende Sachverständigengutachten von N2.
Beim Kläger liegt nachgewiesen eine polyvalente Sensibilisierung vor. So wurde in der Haut-Prick-Testung im Rahmen der BG-Sprechstunde vom 09.11.2018 eine Sensibilisierung gegen frühblühende Bäume, Gräser, Kräuter, Hausstaubmilbe und Tierhaare dokumentiert. Weiterhin ist ein Nikotinkonsum durch den Kläger gegeben, der erst 03/2018 aufgegeben wurde. Der kumulative Nikotinkonsum wurde im Rehabilitationsbericht vom 20.10.2018 aus der Klinik N1 bezüglich des stationären Aufenthaltes vom 03.10.2018 bis 24.10.2018 mit 10 pack years angegeben. Den gleichen Wert hat auch H1 in seinem Befundbericht vom 17.11.2017 angenommen. Eine chronisch-obstruktive Atemwegserkrankung wurde 07/2017 durch B2, E2, festgestellt, dies ergibt sich aus dem Vorerkrankungsverzeichnis der AOK B1 vom 27.09.2018. Ferner hat bereits H1 in seinem Befundbericht vom 17.11.2017 den Verdacht auf ein teilkontrolliertes Asthma bronchiale geäußert.
Vor dem Hintergrund ist die Einschätzung des Sachverständigen N2, dass die vorgebrachte Beschwerdesymptomatik als Gelegenheitsverursachung bei vorbestehender erhöhter Atemwegsempfindlichkeit auf der Grundlage einer polyvalenten Sensibilisierung gegen saisonale und perenniale Allergene bei gehäuften Infekten und Hinweisen auf eine chronische Sinusitis zu verstehen ist, für den Senat schlüssig. Dies vor allem vor dem Hintergrund, dass der Sachverständige L1 in seinem Sachverständigengutachten vom 12.04.2018 dargelegt hat, dass der Kläger nur einer geringfügigen Konzentration des chemisch-irritativ auf die Atemwege wirkenden Stoffes Methansulfonsäure ausgesetzt gewesen ist und die Einwirkung auf Grund der niedrigen Konzentration der Methansulfonsäure im Elektrolytbad sowie deren geringen Flüchtigkeit als geringfügig anzusehen ist.
N2 hat auch überzeugend dargelegt, dass die Exposition nicht im Sinne eines RADS gewertet werden kann und auch nicht geeignet gewesen ist, eine richtungsgebende Verschlimmerung bzw. eine dauerhafte Verschlechterung eines eventuell vorbestehenden Asthma bronchiale hervorzurufen. Gleichermaßen haben auch H2 und Z1 zutreffend ausgeführt, dass die Schilderung des Ereignisses nicht für ein RADS spricht, weil diese Erkrankung nach Exposition von sehr hohen Dosen Irritanzien als Ursache von atemwegsbedingten Erkrankungen beschrieben wird. Auch dies ist vor dem Hintergrund der Ausführung des Sachverständigen L1 in seinem Sachverständigengutachten vom 12.04.2018, dass die Einwirkung auf Grund der niedrigen Konzentration der Methansulfonsäure im Elektrolytbad sowie deren geringen Flüchtigkeit als geringfügig anzusehen ist, für den Senat sehr gut nachvollziehbar.
V. Der Kläger hat schließlich mangels Vorliegens eines Versicherungsfalls keinen Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente.
Nach § 56 Abs. 1 SGB VII erhalten Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, eine Rente. Nach § 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII richtet sich die MdE nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens. Versicherungsfälle sind nach § 7 Abs. 1 SGB VII Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten.
Das Ereignis vom 12.04.2018 stellt keinen Arbeitsunfall dar. Auch liegen die Voraussetzungen der Berufskrankheiten nach Nr. 4301 oder Nr. 4302 der Anlage 1 zur BKV nicht vor.
VI. Der Senat war nicht veranlasst, dem noch mit Schriftsatz vom 19.04.2022 gestellten Beweisantrag des Klägers auf Befragung der K1 als sachverständige Zeugin, den er angesichts dessen, dass er anschließend vorbehaltlos das Einverständnis zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil nach § 124 Abs. 2 SGG erklärt hat, nicht mehr aufrechterhalten hat (BSG, Beschluss vom 01.09.1999 – B 9 V 42/99 B, juris Rn. 5), zu folgen. Denn eine Befragung dieser Ärztin wird vor dem Hintergrund des überzeugenden Gutachtens des N2 nicht für erforderlich erachtet. Darauf, dass die stattgehabten Atemnotstände in den Jahren 2005 bis 2012 – wie der Kläger meint – bedingt durch die stattgehabten Panikattacken in keinster Weise etwas mit einem Asthma bronchiale zu tun haben, kam es vorliegend nicht an.
VII. Soweit der Kläger vorgetragen hat, ihm sei seitens der Fa. E1 dringlich angeraten worden, wieder gesund bzw. arbeitsfähig zu werden oder zu kündigen, so ist dies, entgegen der Annahme des Klägers, weder für die Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen der geltend gemachten Berufskrankheiten noch eines Arbeitsunfalls von Belang. Desgleichen ist es unerheblich, ob die Fa. E1 gegen DGUV-Vorschriften verstoßen haben sollte. Aus einem etwaigen Verstoß ließe sich nicht das Vorliegen einer Berufskrankheit oder eines Arbeitsunfalls ableiten. Soweit sich der Kläger wiederholt dahingehend eingelassen hat, die Grenzwertmessungen seien an einer anderen Anlage erfolgt, als an der, an der sich das von ihm als Arbeitsunfall angeschuldigte Ereignis ereignet habe, geht dieser Vortrag ins Leere, denn aus der ergänzenden Stellungnahme des Präventionsdienstes der Beklagten vom 13.05.2019 zur Stellungnahme Arbeitsplatzexposition vom 07.03.2019 geht hervor dass sich die in der Stellungnahme vom 07.03.2019 erwähnten Messberichte auf die Luftqualität in der gesamten Halle und nicht auf eine bestimmte Anlage beziehen.
Die Berufung des Klägers ist nach alledem zurückzuweisen.
VIII. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
IX. Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG gegeben ist.