L 3 AL 1441/24

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3.
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 6 AL 1427/23
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AL 1441/24
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze

Voraussetzung für die Mitnahme eines in Deutschland erworbenen Anspruchs auf Arbeitslosengeld während der Arbeitsuche in einem anderen Mitgliedstaat ist unter anderem ein noch bestehender Anspruch auf Arbeitslosengeld nach den deutschen Rechtsvorschriften einschließlich der Verfügbarkeit im Sinne des § 138 Abs. 5 Nr. 2 SGB III.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 21.03.2024 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.



Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist im Wesentlichen streitig, ob die Klägerin einen Anspruch auf die Gewährung von Arbeitslosengeld über den 12.01.2023 hinaus hat.

Die 1986 geborene Klägerin war in Deutschland bis zum 31.01.2022 versicherungspflichtig beschäftigt, meldete sich am 31.01.2022 bei der Beklagten arbeitslos und beantragte am 02.02.2022 bei der Beklagten Arbeitslosengeld mit Wirkung zum 01.02.2022, woraufhin die Beklagte zunächst mit Bescheid vom 21.02.2022 Arbeitslosengeld ab dem 01.02.2022 für 360 Tage und sodann, nachdem eine Arbeitsaufnahme der Klägerin zum 01.09.2022 mitgeteilt worden war, mit den Aufhebungs- und Änderungsbescheiden vom 25.08.2022, vom 10.02.2023, vom 15.02.2023 und vom 24.02.2023 bis zum 31.08.2022, mithin für 210 Tage, bewilligte.

Die Klägerin war in Norwegen vom 01.09.2022 bis zum 07.12.2022 beschäftigt, meldete sich in Deutschland am 09.12.2022 bei der Beklagten arbeitslos, beantragte am 09.12.2022 bei der Beklagten Arbeitslosengeld mit Wirkung zum 08.12.2022 und reiste, nachdem die Beklagte die von ihr angegebene Ortsabwesenheit vom 12.12.2022 bis zum 31.12.2022 genehmigt hatte, am 11.12.2022 zurück nach Norwegen. Die Klägerin hielt sich, nachdem die Beklagte die von der Klägerin angegebene Ortsabwesenheit bis zum 12.01.2023 genehmigt hatte, weiterhin in Norwegen auf.

Die Klägerin bat in ihrer E-Mail vom 02.01.2023 um Aufklärung, wie eine Übertragung des Anspruchs deutschen Arbeitslosengeldes in das Ausland möglich sei, bat in ihrer E-Mail vom 10.01.2023 dringend um Rücksprache zu den Fragen „zu PDU1 und PDU2“ und wo sie das Arbeitslosengeld beanspruchen könne, und teilte dabei mit, im Moment laufe alles auf eine Ortsabwesenheit hinaus. Im Rahmen des am 10.01.2023 geführten Telefonats teilte die Klägerin zunächst mit, sie überlege, „eventuell mit PDU2“ nach Norwegen auszureisen. Nachdem eine Mitarbeiterin der Beklagten ihr das Verfahren genau erklärt hatte, führte die Klägerin aus, sie überlege sich, auf die Antragstellung vom 09.12.2022 zu verzichten und sich dann erst im Februar 2023 arbeitslos zu melden, woraufhin die Mitarbeiterin der Beklagten die Klägerin darüber informierte, dass die Klägerin, da sie aktuell arbeitslos gemeldet sei und sich bis zum 12.01.2023 in Ortsabwesenheit befinde, auf jeden Fall bis spätestens zum 13.01.2023 melden und ihre Entscheidung mitteilen solle. In dem über dieses Telefonat erstellten Aktenvermerk ist ferner ausgeführt, auf Wunsch der Klägerin werde der mit Wirkung zum 09.12.2022 gestellte Antrag auf Arbeitslosengeld, bis sich die Klägerin melde, nicht bearbeitet. Die Klägerin führte sodann in ihrer E-Mail vom 16.01.2023 aus, sie sehe sich, da sie nicht nach Deutschland zurückkehren wolle, aktuell gezwungen, „wahrscheinlich“ den Antrag auf Arbeitslosengeld zurückzuziehen. Für eine finale Entscheidung benötige sie jedoch die Information, ob mit einem neuen Antrag auf Arbeitslosengeld zum Februar 2023 wiederum ein einmonatiger Aufenthalt in Deutschland verbunden sei.

Die Klägerin beantragte mit ihren E-Mails vom 19.01.2023, weil sie dauerhaft nicht nach Deutschland zurückkehren wolle, die „Übersendung und Ausstellung des PDU2 Formulars“ zur Übertragung ihres Anspruchs auf Arbeitslosengeld in das Ausland innerhalb der nächsten 48 Stunden, da sie sich in Norwegen innerhalb von 7 Tagen „nach PDU2-Antrag“ melden müsse. Die Klägerin führte in ihrer E-Mail vom 27.01.2023 aus, obwohl die Beklagte wisse, dass sie Interesse an der Übertragung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld in das Ausland habe, habe sie keine detaillierten Informationen noch das „PDU2-Fomular“ bekommen, bat die Beklagte in ihren E-Mails vom 30.01.2023 sowie vom 31.01.2023 jetzt um schriftliche Mitteilung, ob diese den Antrag auf Basis ihrer Anmeldung im Dezember 2022 noch bearbeite, und bat in ihrer E-Mail vom 02.02.2023 die Beklagte um telefonische Vorab-/Rückmeldung innerhalb der nächsten 48 Stunden, ob/wann sie „das PDU2 ausstellen“ werde. Im Telefonat vom 03.02.2023 teilte die Klägerin erneut mit, sie warte noch auf die Bewilligung von Arbeitslosengeld und auf das „Dokument PDU2“. In ihrer E-Mail vom 10.02.2023 wies die Klägerin die Beklagte erneut darauf hin, dass sie das Arbeitslosengeld in das Ausland übertragen wolle.

Die Beklagte bewilligte der Klägerin sodann mit Bescheid vom 10.02.2023 in der Gestalt der Änderungsbescheide vom 15.02.2023 und vom 24.02.2023 Arbeitslosengeld vom 09.12.2022 bis zum 12.01.2023, mithin für weitere 35 Tage, so dass ein Restanspruch von 115 Tage verblieb. Als Grund für die befristete Bewilligung gab die Beklagte an, die Verfügbarkeit sei weggefallen.

Die Beklagte übermittelte ferner mit Schreiben vom 13.02.2023 das Antragsformular für die Ausstellung der Bescheinigung Portable Document (PD) U2 (Mitnahme/Export deutsches Arbeitslosengeld) und empfahl der Klägerin im Telefonat vom 15.02.2023, sich umgehend persönlich in der norwegischen Arbeitsverwaltung zu melden, woraufhin die Klägerin in ihrer E-Mail vom 19.02.2023 mitteilte, die Meldung als „Jobseeker“ sei erst nach „Genehmigung des PDU2“ innerhalb der mit der Genehmigung entstehenden Fristen sinnvoll, und mit E-Mail vom 22.02.2023 mitteilte, sie habe das „PDU2“ noch nicht geschickt, da sie aktuell am Klären sei, inwiefern die Sechs-Monats-Regelung für sie relevant werden könnte. Sodann führte die Klägerin im Telefonat vom 02.03.2023 aus, die Arbeitsverwaltung in Norwegen habe ihr mitgeteilt, sie könne sich erst offiziell melden, wenn sie den „Antrag auf PDU2“ vorlegen könne.

Die Klägerin beantragte am 27.04.2023 die Überprüfung des Bewilligungsbescheides vom 10.02.2023, soweit die Bewilligung von Arbeitslosengeld nicht über den 12.01.2023 hinaus erfolgt sei.

Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 09.05.2023 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.06.2023 ab. Die Überprüfung habe ergeben, dass weder von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen noch das Recht falsch angewandt worden sei.

Hiergegen legte die Klägerin am 01.06.2023 Widerspruch ein. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 07.06.2023 zurück. Die Klägerin habe nichts vorgebracht, was für die Unrichtigkeit der Entscheidung sprechen könnte. Es ergäben sich auch keine neuen Erkenntnisse, die dafürsprächen, dass die Entscheidung falsch sei.

Gegen den Bescheid vom 09.05.2023 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.06.2023 hat die Klägerin am 06.07.2023 Klage zum Sozialgericht (SG) Ulm erhoben.

Die Beklagte ist der Klage entgegegetreten und hat zur Begründung ausgeführt, dass allerhöchstens ein Anspruch auf Arbeitslosengeld bis zum 12.01.2023 bestehe, da die Klägerin spätestens ab dem 13.01.2023 der Arbeitsvermittlung nicht mehr zur Verfügung gestanden habe. Zur Prüfung, ob die Voraussetzungen für eine Mitnahme des Leistungsanspruchs in einen anderen Mitgliedstaat vorlägen, sei die Rückgabe des der Klägerin bereits übermittelten Antragsformulars PD U2 erforderlich.

Die Beteiligten sind im weiteren Verlauf des Gerichtsverfahrens bei ihren gegensätzlichen Standpunkten geblieben.

Die Klägerin hat mit ihren E-Mails vom 07.12.2023 und vom 11.12.2023 das von ihr am 07.12.2023 ausgefüllte Antragsformular auf Ausstellung der Bescheinigung PD U2 übermittelt und darin die Weiterzahlung ihres deutschen Leistungsanspruchs gemäß Art. 64 VO (EG) Nr. 883/2004 für die Arbeitsuche in Norwegen für die Dauer von drei Monaten beantragt und als beabsichtigten Ausreisetag den 11.12.2023 angegeben. Die Beklagte hat diesen Antrag mit Bescheid vom 09.01.2024 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.01.2024 abgelehnt. Das die hiergegen erhobene Klage abweisende Urteil des SG Ulm vom 21.03.2024 ist Gegenstand des unter dem Aktenzeichen L 3 AL 1440/24 anhängigen Berufungsverfahrens, in dem der Senat mit Beschluss vom heutigen Tage ebenfalls entschieden hat.

Das SG Ulm hat aufgrund mündlicher Verhandlung, in der die Klägerin beantragt hat, die Beklagte zu verurteilen, unter Aufhebung ihres Bescheides vom 09.05.2023 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.06.2023 ihren Bescheid vom 10.02.2023 abzuändern und ihr Arbeitslosengeld auch für die Zeit über den 12.01.2023 hinaus zu gewähren, mit Urteil vom 21.03.2024 diese Klage mit Urteil vom 21.03.2024 abgewiesen.

Der Bescheid vom 10.02.2023 sei hinsichtlich seines Verfügungssatzes, über den „120.03.2023“ hinaus kein Arbeitslosengeld zu gewähren, nicht rechtswidrig. Zwar habe die Klägerin noch einen Restanspruch auf Arbeitslosengeld infolge der Arbeitslosigkeit nach Ende der Beschäftigung gehabt. Jedoch seien die Voraussetzungen für die Gewährung von Arbeitslosengeld über den 12.01.2023 hinaus nicht erfüllt gewesen. Denn die Klägerin sei nicht arbeitslos gewesen, weil sie infolge ihres ständigen Aufenthalts in Norwegen den Vermittlungsbemühungen der Beklagten nicht zur Verfügung gestanden habe und stehe und insbesondere keine genehmigte Ortsabwesenheit mehr vorgelegen habe.

Darüber hinaus ergebe sich auch aus Art. 64 VO (EG) Nr. 883/2004 kein Anspruch auf Arbeitslosengeld für den streitgegenständlichen Zeitraum. Vorliegend scheitere eine Mitnahme des Restanspruchs auf Arbeitslosengeld schon daran, dass sich die Klägerin – was sie selbst bestätigt habe – nicht (innerhalb von sieben Tagen) nach ihrer Ausreise nach Norwegen dort als Arbeitsuchende gemeldet habe. So habe diese zwar bei der norwegischen Arbeitsagentur angerufen, diese habe ihr allerdings die – angesichts von Art. 55 Abs. 2 Satz 2 VO (EG) Nr. 987/2009 falsche – Auskunft erteilt, sie könne sich gar nicht arbeitsuchend melden, solange ihr nicht die Bescheinigung PD U2 vorliege.

Die Arbeitslosmeldung könne auch nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ersetzt werden. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch habe zur Voraussetzung, dass der Sozialleistungsträger eine ihm aufgrund des Gesetzes oder eines Sozialrechtsverhältnisses obliegende Pflicht, insbesondere zur Beratung und Auskunft, verletzt habe. Ferner sei erforderlich, dass zwischen der Pflichtverletzung des Sozialleistungsträgers und dem Nachteil des Betroffenen ein ursächlicher Zusammenhang bestehe. Schließlich müsse der durch das pflichtwidrige Verwaltungshandeln eingetretene Nachteil durch eine zulässige Amtshandlung beseitigt werden können. Die Korrektur durch den Herstellungsanspruch dürfe dem jeweiligen Gesetzeszweck nicht widersprechen. Zwar sei fraglich, ob die Beklagte ihrer Pflicht zur Beratung und Auskunft nachgekommen sei, nachdem die Klägerin der Beklagten am 10.01.2023 mitgeteilt habe, dass sie (endgültig) nach Norwegen ausreisen wolle, also insbesondere darüber informiert habe, dass sich die Klägerin in diesem Fall innerhalb von sieben Tagen nach Ausreise arbeitsuchend in Norwegen melden müsse, um ihren Anspruch auf Arbeitslosengeld aus Deutschland mitnehmen zu können. Mit Hilfe des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches ließen sich aber nur bestimmte sozialrechtliche Voraussetzungen, zum Beispiel verspätete Anträge, als erfüllt ansehen, wenn sie wegen einer Pflichtverletzung des Versicherungsträgers bislang fehlten. Die Arbeitsuchendmeldung sei jedoch eine Erklärung, die herzustellen nicht in die Verfügungsmacht der Beklagten falle, sondern von einem tatsächlichen Verhalten des Arbeitslosen abhänge. Da es sich auch bei der Arbeitsuchendmeldung bei den norwegischen Behörden um eine solche Tatsachenerklärung handele, scheitere ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch.

Hiergegen hat die Klägerin am 10.05.2024 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt und diese ergänzend begründet. Die Klägerin hat insbesondere Folgendes zur Begründung ausgeführt: „Verfügbarkeit innerhalb der 4-Wochen von 09. Dezember 2022 bis Januar 2023 war gegeben. Nichtverfügbarkeit wurde ausschließlich durch die Arbeitsagenturen verursacht [...] weil entgegen der Rechte des Suchenden sich zur Verfügung zu stellen – und auch von deutschen Anwälten bereits ausgehebelte (weil rein arbeitsagenturinternes Problem) Abschaltung des Arbeitssuchendenprofils. Rechtliche Notwendigkeit für Ortsverfügbarkeit in einem Land wurde bisher nicht begründet und laut EU-/EWG- ist das Verständnis, das bereits innerhalb der 4Wochenfrist Freizügigkeit zwischen beiden Suchländern erfolgen kann, solange Bewerbungen für das Land des Anspruchs erfolgen (Vorzug). Nur im Falle von tatsächlichen Jobangeboten innerhalb der 4-Wochenfrist hätte Deutschland den Vorzug bekommen müssen (laut deutscher Gesetze) vor Norwegen – was nicht eintrat. Dahingehend scheint Miß- und Mangelberatung aufgrund fehlenden Knowhows durch die Arbeitsagenturen ursächlich des ganzen Themas.“

Die Klägerin beantragt,

„1) Abänderung / Aufhebung des Urteils vom 21.03.2024 Der Richter hat fälschlicherweise angenommen, man kann in Norwegen auch ohne PDU2 als Jobseeker registrieren. Dies ist nicht korrekt und wird auch auf deren Webseite bzw. denen anderer Sozialeinrichtungen in Europa so angegeben. Mit dem durch die Agentur U1 angeratenen Wohnsitz war ausschließlich Meldung mit PDU2-Urkunde möglich.
2) Direktauszahlung des verbleibenden ALG-Anspruches auf Basis der Meldung am 09.12.2022 wegen Verweigerung der PDU2 Urkunde vom Januar 2023 an fortwahrend und sogar nochmals nach der vom Richter innerhalb von S AL 1427/23 bereits richterlich angewiesenen PDU2-Urkunde im Dezember 2023 und damit u.a. Einschränkung der Persönlichkeitsrechte ohne triftigen rechtlichen Grund, Mobbing durch die Arbeitsagenturen, aber auch augenscheinlich Bruch des Hinweisgeberschutzes im Zusammenhang mit den Infos zur Anzeige der P1 AG.
3) Auszahlung der zugehörigen Krankenkassengebühren.
4) Entschuldigung für die konkrete Fehlberatung / die einseitige Beratung / die Mangelberatung der Arbeitsagenturen 2022 in Bezug auf Auslandsjobsuche.
Weiter: Rechtliche Begründung, warum man bei der Rechtsbehelfsstelle der Agentur U1 der Meinung ist, dass keine Fehlberatung durch die Agenturen U1 im Dezember 2023 und Fehlzuleitung der Entscheidung zur Nichtauslandsexpertin G1 im Januar 2023 stattgefunden hat.
5) Prüfung auf Regressansprüche wg. Falschberatung / Nichtwahrnehmung der Beratungspflicht; der unrechtmäßigen, zwanghaften Rückführung auf den deutschen Arbeitsmarkt weit über die gesetzlichen Notwendigkeit / die Verfügungsfristen von 4 Wochen hinaus. Sowie die Zerstörung von Zukunftsperspektiven und sozialer Absicherung am gewählten und gewünschten Lebens- und Arbeitsort Norwegen.
6) Da die Abmeldung vom Arbeitsmeldesystem u.a. Hauptgrund für die Nichteinhaltung der ALG-Anforderungen nach SGB bzw. EU/WG ist, auf welcher Basis dieses erfolgte –
in dem Sinne Erklärung die nach EU /EWG ermöglichte Suche in beiden Ländern nicht gewährleistet wurde.
7) Rechtlich belastbare Begründung, warum man im November 2023 und aktuell auf Arbeitssuchendmeldung in Deutschland besteht und im Januar 2023 über die 4 Wochenfrist hinaus auf Verfügbarkeit für Deutschland gedrängt hat, obwohl aktuell bspw. gar kein ALG-Anspruch in Deutschland vorhanden sein sollte und warum man im Januar 2023 auf Meldung in Norwegen und PDU2 beharrte obwohl dort gar kein Anspruch vorhanden war und die Meldung ohne PDU2 den Verlust bedeutete.
In dem Sinne, weitere gesetzliche Begründungen der gemachten Entscheidungen – siehe weitere Punkte:
8) Überprüfung der Sinnhaftigkeit – oder ob bspw. Formfehler – der Weiterleitung meiner PDU2-Antragsanfrage bei der Agentur U1 zur Entscheidung bei der Agentur A1 im Januar 2024 und rechtliche Begründung für diese, da bei der Agentur A1 nie Meldung bestand, bis Januar 2023 die Agentur H1 zuständig war, die Übergabe nach A1 nicht informiert wurde und gleichzeitig keine erneute Meldung im Sozialsystems Deutschland stattfand.
9) Rechtliche Begründung, warum die reine Abschaltung des Arbeitsagenturprofils durch den internen Prozess der Arbeitsagenturen bei Ortsabwesenheit Dezember 2022 – Januar 2023, dem Arbeitssuchenden anzulasten, ist.
10) Rechtliche Begründung, wo in der europäischen und deutschen Sozialgesetzgebung der Zwang auf direkte Ortverfügbarkeit angegeben ist, auch speziell im Hinblick auf die Suche in zwei Ländern nach EU-/EWG-Recht, Freizügigkeit, Persönlichkeitsrechten wie freie Lebensortswahl und freie Berufswahl und der Tatsache von zwei aktiven Lebensorten bei Antrag / Entscheidung
Im Hinblick auf die Geschehnisse nach 6. Januar 2023, bitte ich um rechtliche Begründung wie der nach Persönlichkeitsrechten gewählte Lebensort Norwegen nach SGB III §140 (4) mit dem Beharren auf der Vorrangsverfügbarkeit für Deutschland über die 4 Wochen hinaus zu vereinbaren ist.
11) Rechtliche Begründung, warum im Januar (zu frühe) Abmeldung vom System der Arbeitsagentur Deutschland stattfand, ohne Beachtung bspw. der 6 Wochen Ortsabwesenheitsregelung bzw. im Hinblick auf die tatsächliche Gesetzgebung zur Ortsverfügbarkeit.
12) Prüfung auf Regressansprüche wg. Falschberatung / Nichtwahrnehmung der Beratungspflicht; der unrechtmäßigen, zwanghaften Rückführung auf den deutschen Arbeitsmarkt weit über die gesetzlichen Notwendigkeit / die Verfügungsfristen von 4 Wochen hinaus. Sowie die Zerstörung von Zukunftsperspektiven und sozialer Absicherung am gewählten und gewünschten Lebens- und Arbeitsort Norwegen – speziell in Zeiten der Krise.
13) Konkrete Begründungen, warum die Arbeitsagenturen der Region H1, A1 und U1 der Meinung sind, Persönlichkeitsrechte wie die freie Lebensortswahl einschränken zu dürfen und was genau man sich von dem Zwang sich jetzt in Deutschland arbeitssuchend zu melden erhofft (das man bspw. für die PH AG nur die Sätze „Ich verstehe nichts. Ich habe euch gesagt, die (Foliodress gown) Produkte sind nicht compliant und das muss entsprechend den Regularien bearbeitet werden. Weitere Arbeit / Lösung für das Sortiment oder innerhalb der Firma muss jeder andere leisten können, sonst muss aufgelassen werden, denn jede h mit euch / innerhalb PHs ist ein h Lebenszeitverschwendung, die niemand brauch oder möchte, der euch richtig kennen gelernt hat und schon gar nicht langfristig." erwarten kann, selbst wenn man mich kurzfristig mit irgendwelchen absurden Mitteln da rein zwingen könnte, ist sicherlich klar. Ich würde den ehemaligen Kollegen nichts anderes sagen, außer genau dies – jeden Tag, solange bis sie mich rauswerfen und kein anderes Wort weiter, weil jeder weitere Satz Zeitverschwendung und überflüssig ist im Kontext der Vergangenheit).
Im SGB gibt es Paragrafen zur Ablehnung von Arbeit bei Rechtswidrigkeit.“

Die Beklagte beantragt,

            die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Berufungsbegründung enthalte keine Ausführungen, die nicht schon im Urteil des SG Ulm Berücksichtigung gefunden hätten. Im Übrigen dürfte noch ein Restanspruch auf Arbeitslosengeld für 115 Tage bestehen, nachdem mit Bescheid vom 10.02.2023 ab dem 09.12.2022 eine Anspruchsdauer von 150 Tagen bewilligt worden sei und mit dem Bezug vom 09.12.2022 bis zum 12.01.2023 bislang 35 Tage „verbraucht“ worden seien.

Das Gericht hat am 14.10.2024 einen Erörterungstermin, zu dem sich die Klägerin – wohl aus technischen Gründen – nicht per Videokonferenz hat zuschalten können, durchgeführt.

Das Gericht hat mit den den Beteiligten zugestellten Schreiben vom 07.01.2025 mitgeteilt, es sei beabsichtigt, die Berufung durch Beschluss zurückzuweisen. Denn das Landessozialgericht könne, außer in den Fällen, in denen das Sozialgericht durch Gerichtsbescheid entschieden habe, die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halte. Dies sei vorliegend der Fall. Den Beteiligten ist die Gelegenheit gegeben worden, sich hierzu bis zum 05.02.2025 zu äußern.

Entscheidungsgründe

1. Der Senat kann auf Grund dessen, dass das SG Ulm nicht durch Gerichtsbescheid entschieden hat und er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält sowie die Beteiligten hierzu vorher gehört hat, gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss entscheiden.

2. Die gemäß §§ 143 und 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG form- und fristgerechte sowie auch im Übrigen zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet.

3. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist nach sinngemäßer Auslegung des Begehrens der Klägerin die Aufhebung des Urteils des SG Ulm vom 21.03.2024 (Antrag Nr. 1 im Berufungsverfahren), die Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 09.05.2023 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.06.2023, die Verpflichtung der Beklagten, den Bescheid vom 10.02.2023 abzuändern, und die Verurteilung der Beklagten, ihr Arbeitslosengeld auch über den 12.01.2023 hinaus zu gewähren (Antrag in der mündlichen Verhandlung vor dem SG Ulm und Anträge Nr. 2 und 3 im Berufungsverfahren). Dieses Ziel verfolgt die Klägerin mit der kombinierten Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG (siehe dazu im Folgenden in den Nrn. 4 und 5).

Des Weiteren macht die Klägerin eine Prüfung von Regressansprüchen wegen Falsch-/Nichtberatung, unrechtmäßiger, zwanghafter Rückführung auf den deutschen Arbeitsmarkt und der Zerstörung von Zukunftsperspektiven und sozialer Absicherung in Norwegen (Anträge Nrn. 5 und 12 im Berufungsverfahren) geltend (siehe dazu im Folgenden in Nr. 6).

Ferner verlangt die Klägerin eine Entschuldigung der Beklagten für die aus ihrer Sicht im Jahr 2022 erfolgte einseitige beziehungsweise Fehl-/Mangelberatung in Bezug auf die Arbeitsplatzsuche im Ausland (Antrag Nr. 4 Teil 1 im Berufungsverfahren), eine Begründung dafür, warum es sich bei der im Dezember 2023 erfolgten Beratung um keine Fehlberatung gehandelt haben soll und dass im Januar 2023 eine Zuleitung zur Entscheidung an die Nichtauslandsexpertin G1 stattgefunden hat (Antrag Nr. 4 Teil 2 im Berufungsverfahren), eine Begründung dafür, warum die Beklagte im November 2023 und aktuell auf eine Arbeitsuchendmeldung in Deutschland besteht und warum die Beklagte im Januar 2023 auf eine Arbeitsuchendmeldung in Norwegen und die Bescheinigung PD U2 beharrt hat (Antrag Nr. 7 im Berufungsverfahren), eine Überprüfung der Sinnhaftigkeit der Weiterleitung ihrer Anfrage auf Erteilung der Bescheinigung PD U2 im Januar 2024 (Antrag Nr. 8 im Berufungsverfahren), eine Begründung dafür, warum die reine Abschaltung des Arbeitsagenturprofils durch die Beklagte während ihrer Ortsabwesenheit von Dezember 2022 bis Januar 2023 ihr anzulasten sein soll (Anträge Nrn. 9 und 11 im Berufungsverfahren), eine Begründung dafür, wo in der europäischen und deutschen Sozialgesetzgebung der Zwang auf eine direkte Ortsverfügbarkeit angegeben sein soll (Antrag Nr. 10 Teil 1 im Berufungsverfahren), eine Begründung dafür, wie das Beharren auf der Verfügbarkeit für Deutschland über vier Wochen hinaus mit der von ihr für Norwegen getroffenen Wahl des Lebensortes zu vereinbaren ist (Antrag Nr. 10 Teil 2 im Berufungsverfahren), eine Begründung dafür, warum die Beklagte der Meinung ist, Persönlichkeitsrechte wie die freie Lebensortswahl einschränken zu dürfen und was genau man sich von dem Zwang, sich jetzt in Deutschland arbeitsuchend zu melden, erhofft (Antrag Nr. 13 im Berufungsverfahren). Diese Ziele verfolgt die Klägerin mit der isolierten Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG (siehe dazu im Folgenden in Nr. 7).

Sofern die Klägerin (unter dem Antrag Nr. 6 im Berufungsverfahren) ferner ausgeführt hat, dass die Abmeldung vom Arbeitsmeldesystem der Hauptgrund für die Nichteinhaltung der Anforderungen für die Gewährung von Arbeitslosengeld gewesen sei, handelt es sich nicht um ein Begehren, über das das Gericht aus ihrer Sicht zu entscheiden habe, sondern lediglich um eine Begründung, warum die Entscheidungen der Beklagten aus Sicht der Klägerin rechtswidrig sein sollen.

4. Die von der Klägerin erhobene Klage auf die Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 09.05.2023 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.06.2023, die Verpflichtung der Beklagten, den Bescheid vom 10.02.2023 abzuändern, und die Verurteilung der Beklagten, ihr Arbeitslosengeld auch über den 12.01.2023 hinaus zu gewähren, ist unbegründet und daher die hierauf gerichtete Berufung ebenfalls unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rücknahme des Bescheides vom 10.02.2023 und auch nicht auf die Gewährung von Arbeitslosengeld über den 12.01.2023 hinaus.

4.1 Rechtsgrundlage für die begehrte Rücknahme des die Gewährung von Arbeitslosengeld insoweit ablehnenden Bescheides vom 10.02.2023 ist § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X, wonach, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen ist.

Vorliegend hat aber die Beklagte bei Erlass des Bescheides vom 10.02.2023 weder das Recht unrichtig angewandt, noch ist sie von einem Sachverhalt ausgegangen, der sich als unrichtig erweist. Die Beklagte hat daher nicht Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht. Denn sie hat mit diesem Bescheid zu Recht Arbeitslosengeld nur vom 09.12.2022 bis zum 12.01.2023 und nicht darüber hinaus bewilligt.

4.2 Rechtsgrundlage für die begehrte Bewilligung von Arbeitslosengeld ist § 3 Abs. 2 Nr. 4 und § 19 Abs. 1 Nr. 4 in Verbindung mit § 30 Abs. 1 und 2 SGB I in Verbindung mit § 137 Abs. 1 und § 138 SGB III in Verbindung mit der Erreichbarkeitsanordnung (EAO).

Wer am Arbeitsleben teilnimmt oder teilnehmen will, hat nach § 3 Abs. 2 Nr. 4 SGB I ein Recht auf wirtschaftliche Sicherung bei Arbeitslosigkeit und bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers. Nach § 19 Abs. 1 Nr. 4 SGB I kann nach dem Recht der Arbeitsförderung unter anderem Arbeitslosengeld in Anspruch genommen werden. Die Vorschriften des SGB gelten nach § 30 Abs. 1 SGB I für alle Personen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in seinem Geltungsbereich haben. Nach § 30 Abs. 2 SGB I bleiben Regelungen des über- und zwischenstaatlichen Rechts unberührt. Nach § 30 Abs. 3 Satz 1 SGB I hat einen Wohnsitz jemand dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Nach § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I hat den gewöhnlichen Aufenthalt jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt.

Nach § 137 Abs. 1 SGB III hat Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit, wer 1. arbeitslos ist, 2. sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und 3. die Anwartschaftszeit erfüllt hat.

Nach § 138 Abs. 1 Nr. 3 SGB III ist arbeitslos, wer Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer ist und den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung steht. Nach § 138 Abs. 5 Nr. 2 SGB III steht den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung, wer Vorschlägen der Agentur für Arbeit zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten kann. Nach § 164 Nr. 2 SGB III wird die Bundesagentur ermächtigt, durch Anordnung Näheres zu den Pflichten von Arbeitslosen, Vorschlägen der Agentur für Arbeit zur beruflichen Eingliederung Folge leisten zu können (§ 138 Abs. 5 Nr. 2 SGB III), zu bestimmen. In Ausübung dieser Anordnungsermächtigung hat die Beklagte in § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EAO geregelt, dass Vorschlägen der Agentur für Arbeit zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten kann, wer in der Lage ist, die Agentur für Arbeit unverzüglich aufzusuchen. Nach § 2 Satz 1 Nr. 3 Satz 2 EAO gehören zum Nahbereich alle Orte in der Umgebung einer Agentur für Arbeit, von denen aus der Leistungsberechtigte erforderlichenfalls in der Lage wäre, die Agentur für Arbeit täglich ohne unzumutbaren Aufwand zu erreichen. Erfüllt der Arbeitslose nicht die Voraussetzungen des § 2 Nrn. 1 bis 3 EAO, steht dies nach § 3 Abs. 1 Satz 1 EAO der Verfügbarkeit bis zu drei Wochen im Kalenderjahr nicht entgegen, wenn die Agentur für Arbeit vorher ihre Zustimmung erteilt hat. Nach § 3 Abs. 3 EAO kann in Fällen außergewöhnlicher Härten, die aufgrund unvorhersehbarer und für den Arbeitslosen unvermeidbarer Ereignisse entstehen, die Drei-Wochenfrist nach § 3 Abs. 1 und 2 EAO von der Agentur für Arbeit tageweise, höchstens um drei Tage, verlängert werden.
 
4.3 Aus § 3 Abs. 2 Nr. 4, § 19 Abs. 1 Nr. 4 in Verbindung mit § 30 Abs. 1 SGB I ergibt sich zunächst, dass Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit lediglich Personen haben, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich des SGB, das heißt in der Bundesrepublik Deutschland haben (Bayerisches LSG, Urteil vom 26.10.2021 – L 10 AL 101/20, juris Rn. 18).

Die Klägerin lebt aber bereits seit dem 11.12.2022 in Norwegen. Mangels eines Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthaltes in der Bundesrepublik Deutschland über die von der Beklagten bis zum 12.01.2023 genehmigte Ortsabwesenheit hinaus sind die Anspruchsvoraussetzungen für einen Anspruch nach dem SGB III daher nicht gegeben.

Zwar ist § 30 Abs. 1 SGB I im Lichte des Art. 3 Abs. 1 GG verfassungskonform dahingehend auszulegen ist, dass dem Anspruch eines zuvor in Deutschland beitragspflichtigen Grenzgängers auf Arbeitslosengeld der Auslandswohnsitz jedenfalls dann nicht entgegensteht, wenn die übrigen Leistungsvoraussetzungen erfüllt sind (Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 30.12.1999 – 1 BvR 809/95, juris). Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Denn die Klägerin erfüllt nicht alle sonstigen Voraussetzungen eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld nach dem SGB III.

4.4 Denn die Klägerin hat über die von der Beklagten bis zum 12.01.2023 genehmigte Ortsabwesenheit hinaus den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit nicht zur Verfügung gestanden und ist deswegen nicht mehr arbeitslos gewesen.

Dem Grundsatz nach erfüllt die Pflicht zur Erreichbarkeit nur, wer in der Lage ist, unverzüglich Mitteilungen der Agentur für Arbeit persönlich zur Kenntnis zu nehmen, diese aufzusuchen, mit einem möglichen Arbeitgeber oder Träger einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme in Verbindung zu treten und bei Bedarf persönlich mit diesem zusammenzutreffen und eine vorgeschlagene Arbeit anzunehmen oder an einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme teilzunehmen. Die beschäftigungslose Person hat deshalb sicherzustellen, dass die Agentur für Arbeit sie persönlich an jedem Werktag an ihrem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt unter der von ihr benannten Anschrift (Wohnung) durch Briefpost erreichen kann. Die Erreichbarkeit per Mobiltelefon genügt den Anforderungen an die Erreichbarkeit nicht; insbesondere dann nicht, wenn der oder die Beschäftigungslose seinen Aufenthalt nicht mitgeteilt hat und dieser außerhalb der Wohnanschrift im Ausland liegt (BSG, Urteil vom 13.07.2006 – B 7a AL 16/05 R, juris Rn. 9; Öndül in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB III, 3. Auflage, § 138 SGB III [Stand: 09.09.2024], Rn. 142, 149).

Um die berufliche Eingliederung der Klägerin in den deutschen Arbeitsmarkt zu gewährleisten, ist also nicht nur vorauszusetzen, dass sie ohne (wesentliche) Zeitverzögerung auf Arbeitsplatzangebote unverzüglich reagieren und Vorstellungsgespräche wahrnehmen kann, sondern es ist von ihr auch zu fordern, dass sie an Maßnahmen des Trägers der Arbeitslosenversicherung teilnimmt, um ihre Integrationschancen in den (deutschen) Arbeitsmarkt zu erhöhen. Der Arbeitnehmer muss hierfür im Nahbereich einer deutschen Agentur für Arbeit erreichbar sein. In Anlehnung an die Vorschrift des § 140 Abs. 4 SGB III kann der Nahbereich im Sinne des § 2 Satz 1 Nr. 3 Satz 2 EAO mit einer Entfernung von 75 Minuten für die einfache Strecke vom Wohnsitz oder vorübergehenden Aufenthaltsort bis zur nächstgelegenen Agentur für Arbeit bestimmt werden, wobei auf die dem Arbeitnehmer zur Verfügung stehenden Verkehrsmittel und den etwaigen Verkehrsfluss abzustellen ist (Bayerisches LSG, Urteil vom 26.10.2021 – L 10 AL 101/20, juris Rn. 22).

Nach den Feststellungen des Senats reiste die Klägerin, die schon zuvor vom 01.09.2022 bis zum 07.12.2022 in Norwegen beschäftigt gewesen war und sich am 09.12.2022 bei der Beklagten arbeitslos gemeldet hatte, nachdem die Beklagte die von ihr angegebene Ortsabwesenheit vom 12.12.2022 bis zum 31.12.2022 genehmigt hatte, am 11.12.2022 zurück nach Norwegen. Denn die Klägerin hat in ihrer E-Mail vom 27.02.2023 wörtlich ausgeführt: „Es standen mir damals 21 Tage Ortsabwesenheit zur Verfügung, die mit meinem Rückflug am Abend des 11. Dezember begonnen haben und genau am 31. Dezember endeten.“ Ferner ist der von der Lufthansa ausgestellte Reiseverlauf aktenkundig, wonach für den 11.12.2022 der Flug LHxxx von B1 nach F1 und der Flug LHxxx von F1 nach O1 gebucht worden sind. Dass die Klägerin seither nicht mehr aus Norwegen nach Deutschland zurückgekehrt ist, ergibt sich aus ihren weiteren Angaben gegenüber der Beklagten. So hat die Klägerin im Telefonat vom 10.01.2023 mitgeteilt, immer noch ortsabwesend zu sein, in ihrer E-Mail vom 16.01.2023 ausgeführt, aktuell habe sie das Problem, dass sie in O1 ihr Appartement räumen müsse, und sie sei sicher, dass eine „Zwangsrückkehr“ nach Deutschland ihrem Lebenslauf einen fatalen Knick geben würde, in ihren E-Mails vom 19.01.2023 ausgeführt, eine Rückführung in den deutschen Arbeitsmarkt sei für sie langfristig nicht mehr vorstellbar, sie bitte um die Ausstellung des „PDU2 Formulars“ und sie müsse sich hier in Norwegen innerhalb von 7 Tagen „nach PDU2-Antrag“ melden, in ihrer E-Mail vom 02.02.2023 ausgeführt, sie wolle die nächsten Jahre vorrangig im Ausland arbeiten und werde nicht zurück nach H1 ziehen, im Telefonat vom 03.02.2023 mitgeteilt, sie befinde sich immer noch in Norwegen und in ihrer E-Mail vom 10.02.2023 ausgeführt, die Region H1 und Umgebung werde in keinem Fall ihr zukünftiger Lebensort sein.

Da sich die Klägerin in Norwegen aufgehalten hat, ist es offensichtlich, dass sie nicht in der Lage gewesen ist, von dort die nächstliegende deutsche Agentur für Arbeit in weniger als 75 Minuten zu erreichen. So beträgt die Fahrzeit mit dem Auto von O1 allein schon zur deutschen Grenze laut Google Maps rund 8:30 Stunden. Auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln kann die nächstgelegene Agentur für Arbeit offenkundig nicht in 75 Minuten erreicht werden. Eine Ausnahme vom Erfordernis des Aufenthaltes im zeit- und ortsnahen Bereich nach § 3 Abs. 1 und 2 EAO hat über den 12.01.2023 hinaus nicht vorgelegen. Denn die Beklagte hat der Ortsabwesenheit nur bis zum 12.01.2023 zugestimmt. Die Klägerin hat mithin von Norwegen aus den Vorschlägen der Agentur für Arbeit zur beruflichen Eingliederung nicht zeit- und ortsnah Folge leisten können.

4.5 Ein Anspruch der Klägerin auf das Behalten des gegen die Beklagte erworbenen Anspruchs auf Arbeitslosengeld während einer etwaigen Arbeitsuche in Norwegen ergibt sich auch nicht aus abweichenden Regelungen des über- oder zwischenstaatlichen Rechts im Sinne des § 30 Abs. 2 SGB I. Die zu berücksichtigenden europarechtlichen Vorgaben begründen einen solchen nicht. Maßgebliches europäisches Koordinierungsrecht ist die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (VO (EG) Nr. 883/2004. Rechtsgrundlage für das Behalten eines in einem Mitgliedsstaat erworbenen Anspruchs auf Arbeitslosengeld während der Arbeitsuche in einem anderen Mitgliedstaat ist Art. 64 Abs. 1 VO (EG) Nr. 883/2004 in Verbindung mit Art. 55 Abs. 1 VO (EG) Nr. 987/2009.

4.5.1 Nach Art. 64 Abs. 1 VO (EG) Nr. 883/2004 behält eine vollarbeitslose Person, die die Voraussetzungen für einen Leistungsanspruch nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats erfüllt und sich zur Arbeitsuche in einen anderen Mitgliedstaat begibt, den Anspruch auf Geldleistungen bei Arbeitslosigkeit unter folgenden Bedingungen und innerhalb der folgenden Grenzen: a) vor der Abreise muss der Arbeitslose während mindestens vier Wochen nach Beginn der Arbeitslosigkeit bei der Arbeitsverwaltung des zuständigen Mitgliedstaats als Arbeitsuchender gemeldet gewesen sein und zur Verfügung gestanden haben. Die zuständige Arbeitsverwaltung oder der zuständige Träger kann jedoch die Abreise vor Ablauf dieser Frist genehmigen; b) der Arbeitslose muss sich bei der Arbeitsverwaltung des Mitgliedstaats, in den er sich begibt, als Arbeitsuchender melden, sich dem dortigen Kontrollverfahren unterwerfen und die Voraussetzungen der Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats erfüllen. Diese Bedingung gilt für den Zeitraum vor der Meldung als erfüllt, wenn sich die betreffende Person innerhalb von sieben Tagen ab dem Zeitpunkt meldet, ab dem sie der Arbeitsverwaltung des Mitgliedstaats, den sie verlassen hat, nicht mehr zur Verfügung gestanden hat. In Ausnahmefällen kann diese Frist von der zuständigen Arbeitsverwaltung oder dem zuständigen Träger verlängert werden; c) der Leistungsanspruch wird während drei Monaten von dem Zeitpunkt an aufrechterhalten, ab dem der Arbeitslose der Arbeitsverwaltung des Mitgliedstaats, den er verlassen hat, nicht mehr zur Verfügung gestanden hat, vorausgesetzt die Gesamtdauer der Leistungsgewährung überschreitet nicht den Gesamtzeitraum, für den nach den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats ein Leistungsanspruch besteht; der Zeitraum von drei Monaten kann von der zuständigen Arbeitsverwaltung oder dem zuständigen Träger auf höchstens sechs Monate verlängert werden; d) die Leistungen werden vom zuständigen Träger nach den für ihn geltenden Rechtsvorschriften und für seine Rechnung gewährt.

4.5.2 Nach Art. 55 Abs. 1 VO (EG) Nr. 987/2009 besteht der Anspruch nach Art. 64 VO (EG) Nr. 883/2004 nur, wenn der Arbeitslose, der sich in einen anderen Mitgliedstaat begibt, vor seiner Abreise den zuständigen Träger informiert und bei diesem eine Bescheinigung beantragt, dass er unter den Bedingungen des Art. 64 Abs. 1 b VO (EG) Nr. 883/2004 weiterhin Anspruch auf Leistungen hat. Nach Art. 55 Abs. 2 VO (EG) Nr. 987/2009 informiert dieser Träger ihn über die ihm obliegenden Pflichten und übermittelt ihm das genannte Dokument, aus dem sich insbesondere Folgendes ergibt: a) der Tag, von dem an der Arbeitslose der Arbeitsverwaltung des zuständigen Staates nicht mehr zur Verfügung stand; b) die Frist, die nach Art. 64 Abs. 1 b VO (EG) Nr. 883/2004 für die Eintragung als Arbeitsuchender in dem Mitgliedstaat, in den der Arbeitslose sich begeben hat, eingeräumt wird; c) die Höchstdauer für die Aufrechterhaltung des Leistungsanspruchs nach Art. 64 Abs. 1 c VO (EG) Nr. 883/2004; d) die Umstände, die sich auf den Leistungsanspruch auswirken können.

4.5.3 Damit ist Voraussetzung für das Behalten eines in einem Mitgliedsstaat erworbenen Anspruchs auf Arbeitslosengeld während der Arbeitsuche in einem anderen Mitgliedstaat 
gemäß Art. 64 Abs. 1 VO (EG) Nr. 883/2004, dass die Person (hier die Klägerin)
vollarbeitslos ist,
die Voraussetzungen für einen Leistungsanspruch (hier auf Arbeitslosengeld) nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats (hier Deutschland) erfüllt und
sich zur Arbeitsuche in einen anderen Mitgliedstaat (hier nach Norwegen) begibt,
gemäß Art. 64 Abs. 1 a VO (EG) Nr. 883/2004, dass der Arbeitslose (hier die Klägerin) vor der Abreise (hier nach Norwegen) während mindestens vier Wochen nach Beginn der Arbeitslosigkeit (hier in Deutschland) bei der Arbeitsverwaltung des zuständigen Mitgliedstaats (hier bei der Beklagten) als Arbeitsuchender gemeldet gewesen ist und zur Verfügung gestanden hat, wobei jedoch die zuständige Arbeitsverwaltung oder der zuständige Träger (hier die Beklagte) die Abreise vor Ablauf dieser Frist genehmigen kann,
gemäß Art. 64 Abs. 1 b VO (EG) Nr. 883/2004 der Arbeitslose sich innerhalb von sieben Tagen ab dem Zeitpunkt, ab dem er der Arbeitsverwaltung des Mitgliedstaats, den er verlassen hat (hier in Deutschland), nicht mehr zur Verfügung gestanden hat (hier ab dem 13.01.2023) bei der Arbeitsverwaltung des Mitgliedstaats, in den er sich begibt (hier in Norwegen), als Arbeitsuchender meldet, sich dem dortigen Kontrollverfahren unterwirft und die Voraussetzungen der Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats erfüllt, wobei in Ausnahmefällen diese Frist von der zuständigen Arbeitsverwaltung oder dem zuständigen Träger verlängert werden kann,
gemäß Art. 55 Abs. 1 VO (EG) Nr. 987/2009, dass der Arbeitslose (hier die Klägerin), der sich in einen anderen Mitgliedstaat (hier nach Norwegen) begibt, vor seiner Abreise den zuständigen Träger (hier die Beklagte) informiert und bei diesem (hier bei der Beklagten) eine Bescheinigung beantragt, dass er unter den Bedingungen des Art. 64 Abs. 1 b VO (EG) Nr. 883/2004 weiterhin Anspruch auf Leistungen (hier Anspruch auf Arbeitslosengeld) hat und
gemäß Art. 55 Abs. 2 VO (EG) Nr. 987/2009 dieser Träger (hier die Beklagte) ihn über die ihm obliegenden Pflichten informiert und ihm die Bescheinigung PD U2 übermittelt.

4.5.4 Zwar hat die Klägerin, nachdem ihr von der Beklagten mit Bescheid vom 10.02.2023 Arbeitslosengeld für die Zeit vom 09.12.2022 bis zum 12.01.2023 bewilligt worden ist, die vierwöchige Wartezeit am 05.01.2023 erfüllt.

Allerdings hat sie nach Ablauf der bis zum 12.01.2023 genehmigten Ortsabwesenheit dem deutschen Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung gestanden und ist mithin nicht verfügbar im Sinne der oben dargelegten Vorschriften gewesen, mithin keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld mehr gehabt, für das sie ins Ausland mitnahmeberechtigt gewesen wäre. Voraussetzung für die Mitnahme eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld ist aber ein Anspruch hierauf nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats (Bayerisches LSG, Urteil vom 28.08.2009 – L 10 AL 201/08, juris Rn. 27; Fuchs in Fuchs/Janda, Europäisches Sozialrecht, Nomos-Kommentar, 8. Auflage, VO 883/04 Art. 64 Rn. 6; Kador in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB I, 4. Auflage, Art. 64 VO 883/2004 [Stand: 12.12.2024] Rn. 19; Otting in Hauck/Noftz, EU-Sozialrecht, 6. Ergänzungslieferung, VO 883/04 K Art. 64 Rn. 10). Denn nur ein bestehender Anspruch kann im Sinne des Art. 64 Abs. 1 VO (EG) Nr. 883/2004 behalten werden. Da die Person einen Anspruch auf Arbeitslosengeld im zuständigen Mitgliedstaat haben muss, sind für den Mitnahmeanspruch eines deutschen Anspruchs auf Arbeitslosengeld alle innerdeutschen Anspruchsvoraussetzungen nach den §§ 136 ff. SGB III notwendig, also auch Arbeitslosigkeit im Sinne des § 138 SGB III und damit insbesondere Verfügbarkeit im Sinne des § 138 Abs. 5 Nr. 2 SGB III (Otting in Hauck/Noftz, EU-Sozialrecht, 6. Ergänzungslieferung, VO 883/04 K Art. 64 Rn. 13), Arbeitslosmeldung im Sinne des § 141 SGB III (Kador in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB I, 4. Auflage, Art. 64 VO 883/2004 [Stand: 12.12.2024] Rn. 19; Otting in Hauck/Noftz, EU-Sozialrecht, 6. Ergänzungslieferung, VO 883/04 K Art. 64 Rn. 13, 14) und Anwartschaftszeit im Sinne des § 142 SGB III.

Die Beklagte hat der Klägerin auch nicht die nach Art. 55 Abs. 2 VO (EG) Nr. 987/2009 für eine Mitnahme des Anspruchs auf Arbeitslosengeld nach Norwegen erforderliche Bescheinigung PD U2 ausgestellt. Die Ausstellung der Bescheinigung PD U2 ist aber für die Mitnahme des Anspruchs auf Arbeitslosengeld konstitutiv. Kann der EU-Bürger die Bescheinigung PD U2 nicht vorlegen beziehungsweise lässt sich der EU-Bürger dahingehend ein, dass ihm eine solche schon nicht ausgehändigt worden ist, scheidet der Mitnahmeanspruch aus (Kador in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB I, 4. Auflage, Art. 64 VO 883/2004 [Stand: 12.12.2024] Rn. 21; vergleiche dazu auch Bayerisches LSG, Urteil vom 26.10.2021 – L 10 AL 101/20, juris Rn. 29).

Die Klägerin hat gegen die Beklagte auch keinen Anspruch auf Ausstellung der Bescheinigung PD U2. Den hierauf gestellten Antrag der Klägerin hat die Beklagte zu Recht mit Bescheid vom 09.01.2024 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.01.2024 abgelehnt. Denn die Klägerin hat in der Zeit, in der ihr das von der Beklagten mit Bescheid vom 10.02.2023 bewilligte Arbeitslosengeld vom 09.12.2022 bis zum 12.01.2023 zugestanden hat, nach Ablauf der bis zum 05.01.2023 angedauerten vierwöchigen Verfügbarkeit bei der Beklagten unter Angabe eines in diesen Zeitraum (also vom 06.01.2023 bis zum 12.01.2023) fallenden definitiven Ausreisetages nach Norwegen nicht die Ausstellung einer Bescheinigung PD U2 beantragt. Vielmehr hat sie einen solchen Antrag erstmals mit ihren E-Mails vom 19.01.2023 und sodann wieder mit dem mit ihren E-Mails vom 07.12.2023 und vom 11.12.2023 vorgelegten und unter dem 07.12.2023 ausgefüllten Antragsformular mit einem darin auf den 11.12.2023 datierten Ausreistag gestellt. Der Senat verweist insoweit auf seine Ausführungen in dem unter dem Aktenzeichen L 3 AL 1440/24 ergangenen Beschluss vom heutigen Tage.

Im Übrigen hat sich die Klägerin auch nicht innerhalb von sieben Tagen ab dem Zeitpunkt, ab dem sie der Beklagten nicht mehr zur Verfügung gestanden hat (hier ab dem 13.01.2023), bei der norwegischen Arbeitsverwaltung als Arbeitsuchende gemeldet, sich auch nicht dem dortigen Kontrollverfahren unterworfen und ferner nicht die Voraussetzungen der norwegischen Rechtsvorschriften erfüllt.

5. Ein Anspruch auf Arbeitslosengeld über den 12.01.2023 hinaus ergibt sich auch nicht nach den Grundsätzen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs.

Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch setzt tatbestandlich voraus, dass der Sozialleistungsträger auf Grund Gesetzes oder bestehenden Sozialrechtsverhältnisses eine dem Betroffenen gegenüber obliegende Pflicht, insbesondere zur Auskunft und Beratung, verletzt und dadurch dem Betroffenen einen rechtlichen Nachteil zufügt. Auf seiner Rechtsfolgenseite ist der Herstellungsanspruch auf Vornahme einer Amtshandlung zur Herbeiführung derjenigen Rechtsfolge gerichtet, die eingetreten wäre, wenn der Versicherungsträger die ihm gegenüber dem Versicherten obliegenden Pflichten rechtmäßig erfüllt hätte. Der Herstellungsanspruch kann einen Versicherungsträger somit nur zu einem Tun oder Unterlassen verpflichten, das rechtlich zulässig ist. Voraussetzung ist also – abgesehen vom Erfordernis der Pflichtverletzung im Sinne einer fehlenden oder unvollständigen beziehungsweise unrichtigen Beratung –, dass der dem Versicherten entstandene Nachteil mit verwaltungskonformen Mitteln im Rahmen der gesetzlichen Regelung, also durch eine vom Gesetz vorgesehene zulässige und rechtmäßige Amtshandlung, ausgeglichen werden kann. Dies bedeutet umgekehrt in Fällen, in denen der durch pflichtwidriges Verwaltungshandeln eingetretene Nachteil nicht durch eine zulässige Amtshandlung beseitigt werden kann, für die Anwendung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs kein Raum bleibt (BSG, Urteil vom 11.03.2004 – B 13 RJ 16/03 R, juris Rn. 24). Hintergrund dieser Differenzierung zwischen „ersetzbaren“ und „nicht ersetzbaren“ Voraussetzungen ist das in Art. 20 Abs. 3 GG verankerte Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung. Dieses lässt es nicht zu, dass die Verwaltung gesetzeswidrig handelt, selbst wenn sie zuvor eine falsche Auskunft oder Beratung erteilt hat. Demgemäß lässt sich mit Hilfe des Herstellungsanspruchs der durch ein Fehlverhalten des Leistungsträgers bewirkte Nachteil nur dann ausgleichen, wenn die Korrektur beziehungsweise Ersetzung der fehlenden Anspruchsvoraussetzung mit dem jeweiligen Gesetzeszweck in Einklang steht (BSG, Urteil vom 11.03.2004 – B 13 RJ 16/03 R, juris Rn. 25; BSG, Urteil vom 12.10.1979 – 12 RK 47/77, juris; BSG, Urteil vom 22.02.1980 – 12 RK 34/79, juris; BSG, Urteil vom 17.12.1980 – 12 RK 34/80, juris; BSG, Urteil vom 23.09.1981 – 11 RA 78/80, juris; BSG, Urteil vom 24.03.1983 – 1 RJ 92/81, juris; BSG, Urteil vom 15.05.1985 – 7 RAr 103/83, juris; BSG, Urteil vom 25.10.1985 – 12 RK 42/85, juris; BSG, Urteil vom 19.03.1986 – 7 RAr 48/84, juris; BSG, Urteil vom 29.09.1987 – 7 RAr 23/86, juris; BSG, Urteil vom 24.03.1988 – 5/5b RJ 84/86, juris; BSG, Urteil vom 25.10.1989 – 7 RAr 150/88, juris; BSG, Urteil vom 12.06.1992 – 11 RAr 65/91, juris; BSG, Urteil vom 23.07.1992 – 7 RAr 38/91, juris; BSG, Urteil vom 30.03.1995 – 7 RAr 22/94, juris; BSG, Urteil vom 17.07.1997 – 7 RAr 106/96, juris; BSG, Urteil vom 19.03.1986 – 7 RAr 48/84, juris Rn. 25; BSG, Urteil vom 11.01.1989 – 7 RAr 14/88, juris Rn. 37; BSG, Urteil vom 08.07.1993 – 7 RAr 80/92, juris Rn. 28; BSG, Urteil vom 11.03.2004 – B 13 RJ 16/03 R, juris Rn. 26; BSG, Beschluss vom 15.10.2012 – B 11 AL 75/12 B, juris Rn. 4).

Vorliegend lässt sich schon keine Pflichtverletzung der Beklagten feststellen. Den über die mit der Klägerin geführten Telefonaten erstellten Aktenvermerken sowie dem gesamten Akteninhalt lässt sich nicht entnehmen, dass die Beklagte die Klägerin über die Voraussetzungen für die Ausstellung einer Bescheinigung PD U2 falsch oder unvollständig beraten hätte. Vielmehr hat die Beklagte im Rahmen des am 10.01.2023 geführten Telefonats, in dem die Klägerin zunächst mitgeteilt hatte, sie überlege, „eventuell mit PDU2“ nach Norwegen auszureisen, der Klägerin das Verfahren genau erklärt und die Klägerin zutreffend darüber informiert, dass die Klägerin, da sie aktuell arbeitslos gemeldet sei und sich bis zum 12.01.2023 in Ortsabwesenheit befinde, auf jeden Fall bis spätestens zum 13.01.2023 melden und ihre Entscheidung mitteilen solle. Hieraus ergibt sich unmissverständlich, dass die Klägerin am Zug gewesen ist, die Beklagte zeitnah darüber zu informieren, ob sie nach Beendigung der genehmigten Ortsabwesenheit, also ab dem 13.01.2023, sich weiterhin dem deutschen Arbeitsmarkt zur Verfügung stellen und den dann deshalb noch bestehenden Anspruch auf Arbeitslosengeld nach Norwegen mitnehmen wolle.

Außerdem wird in dem Merkblatt 1 für Arbeitslose, dessen Erhalt die Klägerin in ihrem Antrag auf Arbeitslosengeld bestätigt hat, ausgeführt, dass sich weitergehende Informationen im ­Merkblatt 20 „Arbeitslosengeld und Auslandsbeschäftigung“ für den weiteren Bezug von Arbeitslosengeld bei Arbeitsuche im Ausland finden ließen.

Abgesehen davon ließe sich selbst bei Annahme einer Pflichtverletzung durch die Beklagte das fehlende Anspruchsmerkmal der Verfügbarkeit für die Arbeitsvermittlung nicht nachträglich durch eine Amtshandlung der Beklagten herstellen. Denn die Verfügbarkeit für die Arbeitsvermittlung als Voraussetzung für den Anspruch auf Arbeitslosengeld ist ein rechtserheblicher Tatbestand, den herzustellen nicht in die Verfügungsmacht der Beklagten fällt, sondern der von einer tatsächlichen Verhaltensweise des Arbeitslosen abhängt, und zwar während der gesamten Zeit, für die er Leistungen begehrt. Das Fehlen der Verfügbarkeit kann mithin nicht durch eine rechtmäßige Amtshandlung der Beklagten ersetzt werden (BSG, Urteil vom 15.05.1985 – 7 RAr 103/83, juris Rn. 29).

6. Soweit die Klägerin die „Prüfung auf Regressansprüche“ beantragt und damit sinngemäß Schadensersatzansprüche im Wege einer isolierten Leistungsklage im Sinne des § 54 Abs. 5 SGG geltend macht, ist der Senat zu einer Entscheidung über diesen geltend gemachten Anspruch mangels Rechtswegzuständigkeit nicht berufen. Der Rechtsweg zu den Sozialgerichten ist weder für Amtshaftungsansprüche nach § 839 Abs. 1 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG noch für Schadensersatzansprüche, die in engem Zusammenhang mit solchen Ansprüchen stehen, eröffnet. Die Geltendmachung solcher Ansprüche ist nach § 40 Abs. 2 Satz 1 VwGO, Art. 34 Satz 3 GG, § 839 BGB und § 17 Abs. 2 Satz 2 GVG ausdrücklich den ordentlichen Gerichten zur Entscheidung zugewiesen. Die Klägerin ist darauf zu verweisen, ihre diesbezüglichen Ansprüche dort geltend zu machen. Nachdem das GVG eine Teilverweisung nicht kennt und der übrige Teil der hier geltend gemachten Ansprüche in die Zuständigkeit der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit fällt, hat der Senat hier nur über die geltend gemachten Ansprüche außerhalb der Amtshaftung zu entscheiden (BSG, Beschluss vom 20.10.2010 – B 13 R 63/10 B, juris Rn. 23 f. und 28 f.; BSG, Beschluss vom 21.07.2016 – B 3 SF 1/16 R, juris Rn. 9).

7. Soweit die Klägerin
eine Entschuldigung der Beklagten für die aus ihrer Sicht im Jahr 2022 erfolgte einseitige beziehungsweise Fehl-/Mangelberatung in Bezug auf die Arbeitsplatzsuche im Ausland,
eine Begründung dafür, warum es sich bei der im Dezember 2023 erfolgten Beratung um keine Fehlberatung gehandelt haben soll und dass im Januar 2023 eine Zuleitung zur Entscheidung an die Nichtauslandsexpertin G1 stattgefunden hat,
eine Begründung dafür, warum die Beklagte im November 2023 und aktuell auf eine Arbeitsuchendmeldung in Deutschland besteht und warum die Beklagte im Januar 2023 auf eine Arbeitsuchendmeldung in Norwegen und die Bescheinigung PD U2 beharrt hat,
eine Überprüfung der Sinnhaftigkeit der Weiterleitung ihrer Anfrage auf Erteilung der Bescheinigung PD U2 im Januar 2024,
eine Begründung dafür, warum die reine Abschaltung des Arbeitsagenturprofils durch die Beklagte während ihrer Ortsabwesenheit von Dezember 2022 bis Januar 2023 ihr anzulasten sein soll,
eine Begründung dafür, wo in der europäischen und deutschen Sozialgesetzgebung der Zwang auf eine direkte Ortsverfügbarkeit angegeben sein soll,
eine Begründung dafür, wie das Beharren auf der Verfügbarkeit für Deutschland über vier Wochen hinaus mit der von ihr für Norwegen getroffenen Wahl des Lebensortes zu vereinbaren ist und
eine Begründung dafür, warum die Beklagte der Meinung ist, Persönlichkeitsrechte wie die freie Lebensortswahl einschränken zu dürfen und was genau man sich von dem Zwang, sich jetzt in Deutschland arbeitsuchend zu melden erhofft,
geltend macht, fehlt es an der Klagebefugnis.

In entsprechender Anwendung des § 54 Abs. 1 Satz 2 SGG, wonach, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, die Klage zulässig ist, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein, ist eine Leistungsklage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch die ihm verweigerte Leistung beschwert zu sein (BSG, Urteil vom 22.04.2015 – B 3 KR 2/14 R, juris Rn. 10; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Auflage 2023, § 54 Rn. 41a). Die notwendige Klagebefugnis erfordert die generelle Möglichkeit der Verletzung eigener Rechte des Klägers (BSG, Urteil vom 12.03.2013 – B 1 A 2/12 R, juris Rn. 16). An der Klagebefugnis fehlt es, wenn dem Kläger das geltend gemachte Recht unter keinem Gesichtspunkt zustehen kann (BSG, Urteil vom 21.03.2018 – B 6 KA 46/16 R, juris Rn. 11).

Vorliegend ist es offensichtlich ausgeschlossen, dass der Klägerin ein gerichtlich einklagbarer Anspruch auf die begehrte Entschuldigung und die begehrten Begründungen zustehen kann. Einen Anspruch auf Entschuldigung sieht das Gesetz nicht vor. Ein gesonderter Anspruch auf die von der Klägerin geforderten Begründungen erübrigt sich. Denn zum einen ist ein Verwaltungsakt grundsätzlich gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 SGB X mit einer Begründung zu versehen und sind gemäß § 35 Abs. 1 Satz 2 SGB X in der Begründung die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben. Zum anderen ist gemäß § 85 Abs. 3 Satz 1 SGG der Widerspruchsbescheid zu begründen und enthält gemäß § 136 Abs. 1 Nr. 6 SGG das vom Gericht zu erlassende Urteil die Entscheidungsgründe. Einer gesonderten Klage auf Begründung bedarf es mithin nicht, zumal die erforderliche Begründung in den von der Klägerin angegriffenen Bescheiden erfolgt sind.

Nach alledem war die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

8. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

9. Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG gegeben ist.

 

Rechtskraft
Aus
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