I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Kassel vom 27. Dezember 2022 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander auch für das Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über den Anspruch der Klägerin auf Kurzarbeitergeld für den Abrechnungsmonat Dezember 2020, insbesondere ist der Zugang der Anzeige des Arbeitsausfalls für Dezember 2020 bei der Beklagten streitig.
Die Klägerin betreibt einen Fachhandel für Elektronik. Bereits am 25. März 2020 zeigte sie den Arbeitsausfall für den Zeitraum vom 17. März 2020 bis 31. Dezember 2020 bei der Beklagten an. Mit Anerkennungsbescheid vom 9. April 2020 stellte die Beklagte einen erheblichen Arbeitsausfall sowie das Vorliegen der betrieblichen Voraussetzungen für die Gewährung von Kurzarbeitergeld fest (§ 99 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) i. V. m. §§ 95, 96 und 97 SGB III). Das Kurzarbeitergeld werde deshalb den vom Entgeltausfall betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern des Betriebes der Klägerin, sofern diese die persönlichen Anspruchsvoraussetzungen erfüllen (§ 98 SGB III), ab 1. März 2020 für die Zeit des Vorliegens aller Anspruchsvoraussetzungen, längstens jedoch bis 31. Dezember 2020 bewilligt. Der Bescheid enthielt den Hinweis, dass wenn seit dem letzten Monat, für den Kurzarbeitergeld gewährt wurde, drei Monate verstrichen seien, Kurzarbeitergeld nur nach erneuter Erstattung einer Anzeige über Arbeitsausfall gewährt werden könne (§ 104 Abs. 3 SGB III). Das Kurzarbeitergeld sei jeweils für den Anspruchszeitraum (Kalendermonat) zu beantragen.
Im Zeitraum vom 1. März 2020 bis 30. Juni 2020 bezog die Klägerin Kurzarbeitergeld.
Am 27. Januar 2021 ging laut beigezogener Verwaltungsakte der Beklagten der Antrag der Klägerin auf die Gewährung von Kurzarbeitergeld für 18 Beschäftigte für den Monat Dezember 2020 ein. Mit Schreiben vom gleichen Datum bat die Beklagte um Vorlage von u.a. der Anzeige über den Arbeitsausfall für den Zeitraum ab 1. Januar 2021.
Mit Bescheid vom 28. Januar 2021 hob die Beklagte die Gewährung von Kurzarbeitergeld mit Bescheid vom 9. April 2020 mit Wirkung ab 1. Juli 2020 wegen einer dreimonatigen Unterbrechung der Kurzarbeit auf.
Mit streitgegenständlichen Bescheid vom 28. Januar 2021 lehnte die Beklagte die Gewährung von Kurzarbeitergeld für Dezember 2020 ab. Für die Erstattung von Kurzarbeitergeld sei erforderlich, dass der Arbeitsausfall schriftlich angezeigt werde. Eine rechtswirksam erstattete Anzeige für den Monat Dezember 2020 liege nicht vor.
Mit Email vom gleichen Datum teilte die Zeugin und Mitarbeiterin der von der Klägerin beauftragten E. Steuerberatungsgesellschaft mbH & Co KG, Frau H., der Beklagten mit, die Anzeige bereits am 21. Dezember 2020 postalisch an die Beklagte übersandt zu haben und fügte diese der Email als Anhang bei. Die Anzeige datierte auf den 15. Dezember 2020 und trug eine erneute Unterschrift unter dem handschriftlich vermerkten Datum „28. Januar 2021“. Zudem wurde handschriftlich „wurde bereits am 21.12.2020 versendet!“ eingefügt. Mit der Anzeige wurde der Arbeitsausfall im Zeitraum vom 1. Dezember 2020 bis 31. Dezember 2021 angezeigt. Ebenfalls am 28. Januar 2021 ging bei der Beklagten eine auf den 15. Dezember 2020 datierte Betriebsvereinbarung zur Kurzarbeit ein.
Mit weiterem streitgegenständlichen Bescheid vom 29. Januar 2021 stellte die Beklagte das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen im Zeitraum vom 1. Januar 2021 bis längstens 31. Dezember 2021 fest. Gemäß § 99 Abs. 2 SGB III könne Kurzarbeitergeld ab dem Monat geleistet werden, in dem die Anzeige bei der zuständigen Agentur für Arbeit eingegangen sei. Da die Anzeige der Klägerin verspätet – erst mit Email vom 28. Januar 2021 – eingegangen sei, sei eine Bewilligung erst ab dem Monat Januar 2021 möglich.
Mit Email vom 2. Februar 2021 legte die E. Steuerberatungsgesellschaft mbH & Co.KG Widerspruch gegen den Bescheid vom 29. Januar 2021 ein. Mit Bescheid vom 3. Februar 2021 wies die Beklagte die E. Steuerberatungsgesellschaft mbH & Co.KG als Verfahrensbevollmächtigte zurück.
Mit Widerspruchsbescheid vom gleichen Datum (3. Februar 2021), adressiert an die Klägerin, wies die Beklagte den Widerspruch vom 2. Februar 2021 gegen die Bescheide vom 28. Januar und 29. Januar 2021 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass der Klägerin auf ihre Anzeige über den Arbeitsausfall nach § 99 SGB III Kurzarbeitergeld mit Bescheid vom 9. April 2020 für den Zeitraum März bis Dezember 2020 zuerkannt worden sei. Dieses sei zuletzt bis Juni 2020 erstattet worden. Mit dem bisherigen Zuerkennungsbescheid sei die Klägerin darauf hingewiesen worden, dass Kurzarbeitergeld nur nach erneuter Erstattung einer Anzeige über Arbeitsausfall gewährt werden könne, wenn seit dem letzten Monat, für den Kurzarbeitergeld gewährt wurde, drei Monate verstrichen seien. Kurzarbeitergeld habe die Klägerin für die Monate März bis Juni 2020 bezogen. Danach sei eine Unterbrechung des Bezuges von mehr als drei Monaten eingetreten. Der Antrag auf Erstattung von Kurzarbeitergeld für Dezember 2020 sei am 27. Januar 2021 bei der Beklagten eingegangen. Dieser sei als erneute Anzeige über den Arbeitsausfall gewertet worden. Kurzarbeitergeld könne daher erst ab dem Monat Januar 2021 gewährt werden. Für Dezember 2020 scheide ein Anspruch mangels rechtswirksamer Anzeige aus. Soweit vorgetragen werde, mit Datum vom 15. Dezember 2020 sei die Anzeige über Arbeitsausfall ab Dezember 2020 erstellt und am 21. Dezember 2020 postalisch an das Arbeitsamt Kassel versendet worden, sei festzustellen, dass der Eingang einer solchen Anzeige nicht zu verzeichnen sei. Die Klägerin trage das Risiko der Postbeförderung. Würden Schriftstücke nicht oder verspätet zugestellt, gehe dies zu ihren Lasten. Die gesetzlichen Bestimmungen würden eine Härtefallregelung nicht vorsehen. Einer nicht rechtzeitig eingegangenen Anzeige könne daher außerhalb der Regelung des § 99 Abs. 2 SGB III auch bei Vorliegen eines entschuldbaren Grundes nicht durch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand oder den sog. sozialrechtlichen Herstellungsanspruch abgeholfen werden (BSG, Urteil vom 14. Februar 1989 – 7 RAr 18/87). Auf die Gründe, warum die Anzeige nicht rechtzeitig bei der Beklagten erstattet worden sei, komme es daher nicht an.
Am 1. März 2021 ging der Widerspruch der Prozessbevollmächtigten der Klägerin gegen die Bescheide vom 28. Januar 2021 und 29. Januar 2021 bei der Beklagten ein. Mit Schreiben vom gleichen Datum wurde der Widerspruchsbescheid vom 3. Februar 2021 an die Prozessbevollmächtigten übersandt.
Gegen die Bescheide vom 28. Januar 2021 und 29. Januar 2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Februar 2021 hat die Klägerin am 3. März 2021 Klage beim Sozialgericht Kassel (Sozialgericht) erhoben.
Die Klägerin legte das Postausgangsbuch der E. Steuerberatungsgesellschaft mbH & Co. KG datiert auf 10. Februar 2021 vor, in dem unter dem 21. Dezember 2020 der entsprechende Versand eines Antrags an die Arbeitsagentur vermerkt war. Sie behauptete, dass die Beklagte nicht die zwingend erforderlichen Vorkehrungen getroffen habe, um den erheblichen Anfall von pandemiebedingten Anträgen postalisch empfangen zu können. Per Email sei sie nicht erreichbar gewesen. Das organisatorische Verschulden der Beklagten könne der Klägerin nicht angelastet werden. Es sei davon auszugehen, dass die Beklagte auch den Postverkehr nicht mehr bewerkstelligen konnte, mit der Folge, dass die Anzeige bei der Beklagten angekommen, aber dort untergegangen sei. Eine solche einmalige Situation könne nicht zu Lasten der Klägerin gehen. Die Emails an die Beklagte gingen im Regelfall bei dem Operativen Service (OS) der Beklagten ein, würden gesichtet und der Akte zugeordnet. Hier gäbe es fehlerhafte Zuordnungen, wenn die Kundennummer falsch "geroutet", d.h. fehlerhaft eingegeben werde. Ginge die Anzeige per Post bei der Beklagten ein, erhalte das Originaldokument einen Stempel von den Mitarbeitern der Beklagten. Der gestempelte Posteingang werde dann von einem Kurierdienst abgeholt und in das Scanzentrum der Deutschen Post gefahren. Das Scanzentrum der Deutschen Post sei vertraglich verpflichtet, die Originaldokumente innerhalb von drei Tagen in die elektronische Akte einzuscannen. Werde die Kundennummer nicht richtig übertragen, werde das Dokument einer falschen Email-Adresse zugeordnet. Dabei sei die Fehlerquote erheblich. Das Original werde nach sieben Tagen vernichtet. Eine solche Verfahrensweise verstoße gegen das Rechtsstaatsprinzip und stelle zudem eine pflichtwidrige Handlung des Leistungsträgers dar. Die Vorgehensweise werde seit mehreren Jahren wie dargestellt praktiziert. Entscheidend sei, dass die rechtzeitige Anzeige Tatbestandsvoraussetzung für den Anspruch der Unternehmen auf Kurzarbeitergeld sei. Würden die materiell-rechtlichen Anforderungen derart hoch gesetzt, müsse sichergestellt werden, dass die Behörde bzw. der Staat mit der eingegangenen Post pflichtgemäß umgehe. Ein pflichtgemäßer Umgang wäre das Führen eines Posteingangsbuches, um den Posteingang lückenlos zu dokumentieren. Vorliegend werde kein Posteingangsbuch geführt, darüber hinaus würden die Dokumente später vernichtet. In dem Zwischenzeitraum verlasse die Eingangspost über einen Kurierdienst den Machtbereich der Behörde und gelange zum Scanzentrum der Post. Dort werde die Post von behördenfremden Personen bearbeitet und eingescannt. Ein pflichtwidriges Verhalten der Beklagten läge zweifach vor. Die Beklagte habe nicht darauf geachtet, dass beim Einscannen Fehler ausgeschlossen würden. Ein Vernichten der Originaleingangspost dürfe nur dann erfolgen, wenn durch bestimmte Verfahrensregelungen sichergestellt sei, dass alle Kundennummern ordnungsgemäß erfasst seien. Eine zweite Pflichtwidrigkeit liege darin, dass die Beklagte in Kenntnis der eingetretenen Fehler keine ausreichenden Reaktionen habe folgen lassen, um die Fehler zukünftig zu vermeiden. Der Bürger/Unternehmer könne vom Staat erwarten, dass er mit seiner Eingangspost – wenn es auf die rechtzeitige Anzeige ankomme –pflichtgemäß umgehe. Die zuvor geschilderte Verfahrensweise stelle keinen pflichtgemäßen Umgang dar. Die gesetzliche Lage – materielle Anspruchsvoraussetzung/keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand – sei nur interessengerecht, wenn die Behörde mit der eingegangenen Post sachgerecht umgehe. Bei der zuvor dargestellten Vorgehensweise mit dem Umgang der Eingangspost im Scanzentrum der Deutschen Post sei aufgrund der Fehleranfälligkeit nicht von dem gebotenen sachgerechten Umgang auszugehen. Die Klägerin verwies auf den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 16. März 1988 zum Az. 1 B 153/87 und auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes vom 6. Juni 1983 zum Az. 2 BvR 244/83.
Die Beklagte trat dem entgegen und war der Auffassung, dass der Eintrag in ein Postausgangsbuch keinen Nachweis des Zugangs eines Schreibens bei der Beklagten darstelle. Dieser Nachweis sei jedoch von der Klägerin zu erbringen. Im Übrigen nahm sie auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid Bezug.
Das Sozialgericht hat die Klage – nach entsprechender Anhörung der Beteiligten – mit Gerichtsbescheid vom 27. Dezember 2022 abgewiesen. Zur Begründung führte es aus, dass das Gericht den Rechtsstreit nach § 105 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden könnte, da die Streitsache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher und rechtlicher Art aufweise und der Sachverhalt geklärt sei; die Beteiligten seien angehört worden. Die zulässige Klage sei unbegründet. Der Bescheid vom 28. Januar 2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Februar 2021 sei rechtmäßig. Die Klägerin werde hierdurch nicht in ihren Rechten verletzt. Die Beklagte habe es zu Recht abgelehnt, der Klägerin Kurzarbeitergeld für den Monat Dezember 2020 in gesetzlichem Umfang zu gewähren.
Ein Anspruch auf Kurzarbeitergeld für den Monat Dezember 2020 bestehe nicht. Nach § 99 Abs. 2 SGB III, der auf den vorliegenden Sachverhalt nach § 104 Abs. 3 SGB III erneut anzuwenden sei, werde Kurzarbeitergeld frühestens von dem Kalendermonat an geleistet, in dem die Anzeige über den Arbeitsausfall beim Arbeitsamt eingegangen sei. Vorliegend sei ein Eingang des Antrags im Januar 2021 und nicht im Dezember 2020 nachgewiesen, da der Antrag erst am 28. Januar 2021 zur Akte gelangt sei.
Das Vorbringen der Klägerin sei nicht geeignet, eine Überzeugung in einen früheren Zugang des Antrags, nämlich im Dezember 2020, zu bilden. Aus dem Vorbringen lasse sich zweifelsfrei gerade nicht begründen, dass die Anzeige über den Arbeitsausfall für den Monat Dezember 2020 bereits in diesem Monat in den Machtbereich der Beklagten gelangt sei. Das Vorbringen der Klägerin sei hierzu nicht geeignet; hieraus ergebe sich allenfalls eine Bearbeitung, die im Eintrag des Postausgangsbuches ihren Niederschlag gefunden habe und nichts dazu ergebe, dass ein Antrag in den Machtbereich der Beklagten gelangt sein könnte.
Es sei zur Überzeugung des Gerichts grundsätzlich nichts dagegen einzuwenden, wenn die Beklagte zum ersetzenden Scannen einen externen Dienstleister beauftrage und zu diesem Zweck die ersetzend zu scannenden Dokumente den Machtbereich der Beklagten verließen. Nach Information des Gerichts halte die Beklagte hinsichtlich des gesamten Scanprozesses sowie der vorbereitenden Handlungen und Nacharbeiten die Technische Richtlinie 03138 Ersetzendes Scannen des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnologie vom 23. April 2020 ein und stelle, auch unter Wahrung erhöhten Schutzbedarfes sicher, das im gesamten Verfahrensablauf gewährleistet sei, dass Dokumente nicht verlustig gingen und der Inhalt der Verwaltungsakten, auch im Sinne der Ausführungen der Klägerin, vollständig sei. Die pauschalierenden Mutmaßungen des Prozessbevollmächtigten der Klägerin würden hieran nichts ändern.
Gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 4 SGB III, der vom Wortlaut im Wesentlichen § 64 AFG entspreche, gehöre zu den Voraussetzungen für die Gewährung von Kurzarbeitergeld, dass der Arbeitsausfall dem Arbeitsamt angezeigt werde. Die Anzeige, die – was hier geschehen sei – schriftlich bei dem Arbeitsamt zu erstatten sei, in dessen Bezirk der Betrieb liege, sei materiell-rechtliche Anspruchsvoraussetzung (BT-Dr V/2291, S. 71 zu § 59 I Nr. 4; BSG, SozR 4100 § 66 Nr. 1). Aus diesem Grunde müsse sie an dem Tage vorliegen, von dem an Kurzarbeitergeld gewährt werden solle. Demgemäß bestimme § 99 Abs. 2 SGB III, was nach der amtlichen Begründung lediglich zur Klarstellung festgeschrieben worden sei (BT-Dr V/2291, Seite 72 zu § 61 AFG), dass Kurzarbeitergeld in dem Betrieb frühestens von dem Tage an gewährt werde, an dem die Anzeige über den Arbeitsausfall beim Arbeitsamt eingegangen sei (Satz 1). Lediglich dann, wenn der Arbeitsausfall auf einem unabwendbaren Ereignis beruhe, werde Kurzarbeitergeld frühestens vom ersten Tage dieses Ereignisses an gewährt, wenn die Anzeige unverzüglich erstattet worden sei (Satz 2). Die Anzeige über den Arbeitsausfall in dem Betrieb der Klägerin sei erst am 28. Januar 2021 eingegangen. Demzufolge könne der Klägerin für Dezember 2020 ein Anspruch auf Kurzarbeitergeld nach den §§ 95 ff. SGB III nicht zuerkannt werden.
Ein für die Klägerin günstigeres Ergebnis lasse sich nicht aus dem Rechtsinstitut der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 27 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X)) herleiten, wonach jemandem, der ohne Verschulden verhindert gewesen sei, eine gesetzliche Frist einzuhalten, auf Antrag Wedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist (Abs. 1 Satz 1). Mit dieser Rechtsfigur seien – ähnlich wie in § 67 SGG für den Prozess – in erster Linie fristgebundene Verfahrenshandlungen angesprochen. Die Anzeige über Arbeitsausfall sei weder fristgebunden noch beinhalte sie eine Verfahrenshandlung; sie stelle, wie aufgezeigt, vielmehr eine materiell-rechtliche Anspruchsvoraussetzung dar. Selbst wenn man in ihr eine Verfahrenshandlung mit Fristcharakter erblicken wollte, käme eine Wedereinsetzung in den vorigen Stand nicht in Betracht; denn diese sei, wie aus § 27 Abs. 5 SGB X hervorginge, nicht zulässig, wenn sich aus einer Rechtsvorschrift ergebe, dass sie ausgeschlossen sei. Der Anzeige über Arbeitsausfall komme nach Sinn und Zweck Ausschlusscharakter zu. Das folge insbesondere aus § 99 Abs. 2 Satz 2 SGB III, wonach eine „rückwirkende" Gewährung von Kurzarbeitergeld allein für den Fall eines unabwendbaren Ereignisses vorgesehen sei. Dieser Sondervorschrift hätte es nicht bedurft, wenn auch eine Wedereinsetzung in den vorigen Stand hätte möglich sein sollen.
Der sogenannte sozialrechtliche Herstellungsanspruch vermöge zu keinem anderen Ergebnis zu führen. Er sei auf die Vornahme einer Amtshandlung zur Herstellung desjenigen Zustandes gerichtet, der bestehen würde, wenn der Leistungsträger die ihm aus dem Sozialrechtsverhältnis erwachsenden Nebenpflichten ordnungsgemäß wahrgenommen hätte. Im vorliegenden Fall könne dahinstehen, ob für das Unterbleiben der Anzeige über Arbeitsausfall vor dem 28. Januar 2021 ein rechtswidriges Verhalten der Beklagten verantwortlich sei; denn für einen Herstellungsanspruch sei hier schon deswegen kein Raum, weil sich das Fehlen der Anzeige über Arbeitsausfall weder ersetzen noch fingieren ließe.
Zwar könnten im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs gewisse Leistungsvoraussetzungen – wie etwa verspätete Antragstellung, verspätete Beitragsentrichtung oder verspätete Vorlage von Unterlagen – als erfüllt angesehen werden, wenn die Verspätung auf einem pflichtwidrigen Verhalten des Leistungsträgers beruhe. Etwas anderes gelte jedoch für einen rechtserheblichen Tatbestand, den herzustellen nicht in der Verfügungsmacht des Leistungsträgers stehe; denn der Leistungsträger dürfe nicht zu einem Handeln verpflichtet werden, das gesetzwidrig sei (vgl. hierzu etwa BSGE 44, 114 (121) = SozR 2200 § 886 Nr. 1; BSGE 49, 76 (80) = SozR 2200 § 1418 Nr. 6; BSGE 50, 25 (29) = SozR 2200 § 172 Nr. 14; BSGE 51, 89 (92) = SozR 2200 § 381 Nr. 44; BSGE 58, 104 (109) = NZA 1986, 38 = SozR 4100 § 103 Nr. 36; BSGE 60, 43 (48) = NZA 1986, 691 = SozR 4100 § 105 Nr. 2; BSG, NZA 1989, 571). Demgemäß könne im Wege des Herstellungsanspruchs weder eine in die Lohnsteuerkarte eingetragene Lohnsteuerklasse durch eine günstigere Steuerklasse (BSG, Dienstblatt der Bundesanstalt für Arbeit Rechtsprechung – DBIBA R - § 113 AFG Nr. 2689a) noch ein tatsächlich erzieltes niedriges Arbeitsentgelt durch ein höheres ersetzt werden (BSG – DBIBA R – § 137 AFG Nr. 2781a). Ebenso wenig ließen sich für den Winterbau unzureichend getroffene Schutzvorkehrungen als ausreichend behandeln (BSG – DBIBA R – § 78 AFG Nr. 2782a). Das gleiche gelte für fehlende Arbeitslosmeldung (BSGE 60, 43 = SozR 4100 § 105 Nr. 2; BAG, NZA 1989, 571), fehlende Anwartschaftszeit (BSG, SozR 4100 § 102 Nr. 6), fehlende Verfügbarkeit (BSGE 58, 104 (109) = NZA 1986, 38 = SozR 41,00 § 103 Nr. 36) sowie fehlende Eingliederungschancen (BSG, SozR 4100 § 56 Nr. 18).
Nichts Anderes treffe auf das Fehlen der Anzeige über Arbeitsausfall zu. Nach ihrem Sinn und Zweck solle das Arbeitsamt in die Lage versetzt werden, zu prüfen, ob alle Voraussetzungen für die Leistungsgewährung in dem Betrieb verwirklicht seien. Dazu gehöre sowohl die Prüfung der Ausgestaltung der Kurzarbeit als auch die Prüfung, ob die Bezieher von Kurzarbeitergeld an arbeitsfreien Tagen in andere zumutbare Arbeit (Zweitarbeitsverhältnis) vermittelt werden könnten. Dies verbiete selbst bei unverschuldeter Verzögerung der Anzeige eine Vorverlegung des Beginns der Kurzarbeitergeldgewährung. Damit lasse sich eine nicht rechtzeitig erstattete Anzeige über Arbeitsausfall über den Herstellungsanspruch nicht vordatieren (BSG, Urteil vom 14. Februar 1989, 7 RAr 18/87; a.A. Bieback in Gagel, SGB ll/SGB III Kommentar, Stand: Juni 2021, § 99 SGB III, Rz. 25ff). Nach alledem sei die Klage abzuweisen.
Gegen den der Klägerin am 6. Januar 2023 zugestellten Gerichtsbescheid hat sie am 26. Januar 2023 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht eingelegt.
Sie wiederholt im Wesentlichen das Vorbringen aus dem erstinstanzlichen Verfahren und trägt ergänzend vor, dass die Beklagte durch die Vernichtung der Anzeige und das fehlende Posteingangsbuch den möglichen Nachweis des Zugangs vereitelt habe. Werde die Kundennummer beim Einscannen innerhalb von drei Tagen nicht richtig übertragen, werde das Dokument einer falschen Email-Adresse zugeordnet und gehe verloren. Durch die Sondersituation –deutschlandweite Schließung des Einzelhandels – habe sich die Situation verschärft. Der Beklagten sei auch bekannt gewesen, dass sie den Email-Verkehr abgeschaltet habe, sodass die Anzeigen nur noch per Post übermittelt werden könnten. Vor diesem Hintergrund hätte keine Vernichtung der Anzeigen erfolgen dürfen oder es hätte durch ein Posteingangsbuch sichergestellt werden müssen, dass die eingehenden Anzeigen ordnungsgemäß erfasst würden. Zudem sei unklar, woher das Sozialgericht die Informationen habe, dass die Beklagte im gesamten Scanprozesses sowie der vorbereitenden Handlungen und Nacharbeiten die Technische Richtlinie 03138 Ersetzendes Scannen des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnologie vom 23. April 2020 einhalte und sicherstelle, auch unter Wahrung eines erhöhten Schutzbedarfs, dass im gesamten Verfahrensablauf gewährleistet sei, dass Dokumente nicht verlustig gingen und der Inhalt der Verwaltungsakten – im Sinne der Ausführung der Klägerin – vollständig sei. Die Einhaltung der Richtlinie sowie die Sicherstellung der Vollständigkeit der Verwaltungsakte durch die Beklagte bestreit die Klägerin. Vielmehr liege keine ordnungsgemäße Aktenführung vor.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Kassel vom 27. Dezember 2022 und den Bescheid der Beklagten vom 28. Januar 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Februar 2021 (Ablehnung der Gewährung von Kurzarbeitergeld für Dezember 2020) aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 29. Januar 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Februar 2021 zu verurteilen, auch für die Zeit vom 1. bis 31. Dezember 2020 festzustellen, dass ein erheblicher Arbeitsausfall vorliegt und die betrieblichen Voraussetzungen für die Gewährung von Kurzarbeitergeld erfüllt sind, und die Beklagte zu verurteilen, Kurzarbeitergeld für den Abrechnungsmonat Dezember 2020 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf die Ausführungen des Sozialgerichts im Gerichtsbescheid und trägt ergänzend vor, dass die Darstellung des Scanprozesses der Beklagten durch die Klägerin unzutreffend sei. Die Beklagte sei zu jeder Zeit, auch im Dezember 2020, per Email erreichbar gewesen, sodass die Anzeige des Arbeitsausfalls auch per Email möglich gewesen wäre. Ebenso falsch sei die Behauptung, dass die Beklagte durch die Vernichtung der Anzeigen den möglichen Nachweis des Zugangs vereitelt habe. Es ist schon falsch, dass eingehende Post nach sieben Tagen vernichtet werde. Nach der Digitalisierung werde das Schriftgut sechs Wochen aufbewahrt. Die Aufbewahrungsfrist beginne mit dem Scandatum der Dokumente. Vernichtet würden also nur die Dokumente, die gescannt wurden und das erst nach sechs Wochen. Die Digitalisierung des Schriftgutes erfolge durch die Deutsche Post AG mittels einer zertifizierten, mandantenfähigen und skalierbaren Scanlösung unter Beachtung der einschlägigen Datenschutzregelungen. Der gesamte Digitalisierungsprozess von der Abholung des Schriftgutes bis zur Vernichtung werde in einem elektronischen Prozessverfolgungssystem des Scandienstleisters protokolliert. Nach den allgemeinen Regeln zur objektiven Beweislast gelte der Grundsatz, dass jeder im Rahmen des anzuwendenden materiellen Rechts die Beweislast für die Tatsachen trage, die den von ihm geltend gemachten Anspruch begründen. Für einen Zugang der Anzeige über Arbeitsausfall bei der Beklagten noch im Dezember 2020 trage die Klägerin die objektive Beweislast. Somit habe die Nichterweislichkeit eines Zugangs im Dezember 2020 zur Folge, dass der geltend gemachte Anspruch auf Kurzarbeitergeld für den Monat Dezember 2020 nicht bestehe. Das Übermittlungsrisiko und damit auch das Risiko des Verlustes auf dem Postweg trage die Klägerin.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin H. in der mündlichen Verhandlung vom 30. August 2024. Hinsichtlich des Inhalts der Zeugenaussage wird auf den Inhalt des Sitzungsprotokolls vom 30. August 2024 bzw. auf die Aufnahme auf dem Tonbandgerät Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vortrags der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten ergänzend Bezug genommen, die jeweils Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die gemäß §§ 105 Abs. 2, 143 und 144 SGG statthafte Berufung ist zulässig; sie ist insbesondere form- und fristgerecht von der Klägerin gemäß §§ 105 Abs. 2, 151 SGG eingelegt worden. Sie bedurfte insbesondere nicht der Zulassung gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG, da der Wert des Beschwerdegegenstandes den maßgeblichen Betrag von 750,00 € deutlich überstieg.
Streitgegenständlich ist neben dem Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Kassel der Bescheid der Beklagten vom 28. Januar 2021, mit dem die Bewilligung von Kurzarbeitergeld, das die Klägerin im Wege der Prozessstandschaft für ihre Arbeitnehmer geltend gemacht, für den Monat Dezember 2020 abgelehnt wurde sowie der Anerkennungsbescheid vom 29. Januar 2021, mit dem die Beklagte auf die am 28. Januar 2021 eingegangene Anzeige einen erheblichen Arbeitsausfall sowie das Vorliegen der betrieblichen Voraussetzungen für die Gewährung von Kurzarbeitergeld ab 1. Januar 2021 feststellte. Ihr prozessuales Ziel verfolgt die Klägerin zulässigerweise im Wege der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 und Abs. 4 SGG).
Die Berufung ist unbegründet. Die streitgegenständlichen Bescheide der Beklagten vom 28. Januar 2021 und vom 29. Januar 2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Februar 2021 sind nicht zu beanstanden. Der Klägerin steht kein Anspruch auf die Gewährung von Kurzarbeitergeld für den Monat Dezember 2020 zu, weil der Arbeitsausfall nicht rechtzeitig angezeigt worden ist.
Rechtsgrundlage für den Anspruch auf Kurzarbeitergeld sind die §§ 95 ff. SGB III, § 109 Abs. 5 SGB III i.V.m. § 1 ff. Kurzarbeitergeldverordnung (KugV). Gemäß § 95 Satz 1 SGB III haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Anspruch auf Kurzarbeitergeld, wenn ein erheblicher Arbeitsausfall mit Entgeltausfall vorliegt, die betrieblichen und persönlichen Voraussetzungen erfüllt sind und der Arbeitsausfall der Agentur für Arbeit angezeigt worden ist. Nach § 99 SGB III ist der Arbeitsausfall bei der Agentur für Arbeit, in deren Bezirk der Betrieb seinen Sitz hat, schriftlich oder elektronisch anzuzeigen. Mit der Anzeige ist glaubhaft zu machen, dass ein erheblicher Arbeitsausfall besteht und die betrieblichen Voraussetzungen für das Kurzarbeitergeld erfüllt sind. Kurzarbeitergeld wird frühestens von dem Kalendermonat an geleistet, in dem die Anzeige über den Arbeitsausfall bei der Agentur für Arbeit eingegangen ist. Beruht der Arbeitsausfall auf einem unabwendbaren Ereignis, gilt die Anzeige für den entsprechenden Kalendermonat als erstattet, wenn sie unverzüglich erstattet worden ist (§ 99 Abs. 2 SGB III). Die Anzeige ist eine empfangsbedürftige öffentlich-rechtliche Willenserklärung, die auf die Setzung einer Rechtsfolge gerichtet ist, die gemäß § 130 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) mit dem Zugang bei der zuständigen Agentur für Arbeit wirksam wird (vgl. Brand/Kühl, 9. Aufl. 2021, SGB III § 99 Rn. 6; Petzold in: Hauck/Noftz, SGB, 10/2020, § 99 SGB III, Rn. 6; Müller-Grune in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB III, 2. Aufl. 2019, Stand 2. Februar 2021, § 99 Rn. 18).
Vorliegend fehlt es für den Monat Dezember 2020 an einer rechtzeitigen Anzeige des Arbeitsausfalls bei der Beklagten. Gemäß § 99 Abs. 2 Satz 1 SGB III wird Kurzarbeitergeld frühestens von dem Kalendermonat an geleistet, in dem die Anzeige über den Arbeitsausfall bei der Agentur für Arbeit eingegangen ist. Der Anzeige kommt eine materiell-rechtliche Funktion zu (vgl. hierzu etwa Müller-Grune in: aao § 99 Rn. 13 m.w.N.). Die Klägerin hat vorliegend den Arbeitsausfall für den Monat Dezember 2020 erst am 28. Januar 2021 – wenn man eine solche dem Antrag auf Kurzarbeitergeld vom 27 Januar 2021 entnehmen wollen würde, frühestens am 27. Januar 2021 – angezeigt. Ein früherer Zugang konnte nicht zur Überzeugung des Senats festgestellt werden. Es wäre Aufgabe der Klägerin gewesen, einen konkreten Vorgang darzulegen und zu beweisen, dass der Antrag fristgerecht bei der Beklagten eingegangen ist. Das ist ihr vorliegend nicht gelungen. Soweit sich die Klägerin auf das Postausgangsbuch der E. Steuerberatungsgesellschaft mbH & Co. KG beruft, auf dem der Versand der Anzeige am 21. Dezember 2020 dokumentiert ist, mag dieses ein Indiz für den Versand der Anzeige darstellen, nicht jedoch für deren tatsächlichen Zugang bei der Beklagten. Die Klägerin kann sich nicht für den Zugang auf einen Anscheinsbeweis berufen, weil allein der Nachweis der Absendung hierfür nicht ausreicht (Bundesgerichtshof, Urteil vom 18. Januar 1978 - IX ZR 204/75 - juris Rdnr. 32; Oberlandesgericht München, Urteil vom 11. August 2003 - 29 W 1912/03 -, juris Rdnr. 20). Nach den allgemeinen Regeln zur objektiven Beweislast gilt der Grundsatz, dass jeder im Rahmen des anzuwendenden materiellen Rechts die Beweislast für die Tatsachen trägt, die den von ihm geltend gemachten Anspruch begründen (vgl. B. Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, 14. Aufl. 2023, SGG § 103 Rn. 19a). Für einen Zugang der Anzeige bei der Beklagten vor dem 1. Januar 2021 trägt mithin die Klägerin die objektive Beweislast. Nach diesen Maßgaben hat die Klägerin folglich nicht bewiesen, dass ihre Anzeige im Dezember 2020 im Sinne der §§ 95 Abs. 1 Nr. 4, 99 SGB III bei der Beklagten eingegangen ist. Den Zugang der Anzeige bei der Beklagten konnte auch die vom Senat befragte Zeugin H. nicht bestätigen. Vielmehr führte sie widerspruchsfrei und überzeugend aus, dass sie die Tagespost am 21. Dezember 2020 zur Postfiliale gebracht und nicht etwa bei der Beklagten eingeworfen hat. Der Versand der Anzeigen erfolgte auch nicht durch Einschreiben, sondern mittels einfachen Briefs. Somit hat die Nichterweislichkeit eines Zugangs vor dem 1. Januar 2021 zur Folge, dass der geltend gemachte Anspruch auf Kurzarbeitergeld für den Monat Dezember 2020 nicht besteht.
Auch § 99 Abs. 2 Satz 2 SGB III greift vorliegend nicht zugunsten der Klägerin ein. Zwar gilt, wenn der Arbeitsausfall auf einem unabwendbaren Ereignis beruht – wovon man hier wohl ausgehen kann (so Brand/Kühl, 9. Aufl. 2021, SGB III, § 96 Rn. 22 i.V.m. § 99 Rn. 14) –, die Anzeige für den entsprechenden Kalendermonat als erstattet, wenn sie unverzüglich erstattet worden ist. Nach ihrem Sinn und Zweck ist die Regelung des § 99 Abs. 2 Satz 2 SGB III, die als Ausnahmeregelung eng auszulegen ist, jedoch Fällen vorbehalten, in denen es dem Arbeitgeber oder einer Betriebsvertretung bei durch ein unabwendbares Ereignis begründetem Arbeitsausfall nicht möglich gewesen ist, bis zum Ende des Monats, in dem der Arbeitsausfall eingetreten ist, diesen ordnungsgemäß anzuzeigen, etwa weil der Betrieb durch das unabwendbare Ereignis stark beeinträchtigt worden ist und/oder das Ereignis am oder kurz vor dem letzten Tag des Monats eingetreten ist (Petzold in: Hauck/Noftz, SGB, 10/20, § 99 SGB III, Rn. 16; Brand/Kühl, 9. Aufl. 2021, SGB III § 99 Rn. 14). Das trifft auf den vorliegenden Fall nicht zu. Weder hat die Corona-Pandemie selbst noch haben die im Zuge dessen seitens der Landesregierung für Dezember 2020 (erneut) verfügten Einschränkungen die Klägerin daran gehindert, die Anzeige über Arbeitsausfall der zuständigen Agentur für Arbeit zeitnah zukommen zu lassen. Das zeigt der Umstand, dass sie nach eigenen Angaben eine vollständig ausgefüllte Anzeige über Arbeitsausfall bereits am 15. Dezember 2020 unterzeichnet hatte, welche jedoch der Beklagten erst am 28. Januar 2021 und somit nicht „unverzüglich“ i. S. d. § 121 BGB zugegangen ist.
Eine Fortgeltung der früheren Anzeige des Arbeitsausfalls vom 25. März 2020 scheidet ebenfalls aus, weil seit dem letzten Kalendermonat mit Bezug von Kurzarbeitergeld bereits drei Monate vergangen sind. Mit Bescheid vom 28. Januar 2021 hob die Beklagte die Gewährung von Kurzarbeitergeld mit Bescheid vom 9. April 2020 mit Wirkung ab 1. Juli 2020 wegen einer dreimonatigen Unterbrechung der Kurzarbeit auf. Dies entspricht der Regelung des § 104 Abs. 3 SGB III, wonach eine neue Bezugsdauer beginnt, wenn seit dem letzten Kalendermonat, für den Kurzarbeitergeld gezahlt worden ist, drei Monate vergangen sind und die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Kurzarbeitergeld erneut vorliegen. Die Anzeige des Arbeitsausfalls, der eine materiell-rechtliche Funktion zukommt, verliert damit ihre Wirkung, und es muss eine neue Anzeige erfolgen (vgl. Kühl in: Brand, SGB III, 9. Auflage, § 99 Rn. 11; Petzold in: Hauck/Noftz, SGB, 10/20, § 99 SGB III, Rn. 14). Das Kurzarbeitergeld wurde letztmals für den Monat Juni 2020 gezahlt. Da bis zum Monat Dezember 2020, für den hier erneut Kurzarbeitergeld begehrt wird, mehr als drei Monate vergangen sind, beginnt eine neue Bezugsdauer. In der Folge war auch eine erneute Anzeige des Arbeitsausfalls gemäß § 99 SGB III erforderlich; die ursprüngliche Anzeige vom 25. März 2020 hatte ihre Wirkung verloren.
Dem Mangel der rechtzeitigen Anzeige eines Arbeitsausfalls als Voraussetzung für den Anspruch auf Kurzarbeitergeld für den Monat Dezember 2020 kann weder durch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (in direkter oder analoger Anwendung) noch über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch abgeholfen werden.
Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. In § 95 Satz 1 Nr. 4 i. V. m. § 99 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 2 Satz 1 SGB III wird aber weder eine Frist festgesetzt, noch handelt es sich bei der Anzeige über Arbeitsausfall um eine Verfahrenshandlung, auf die § 27 SGB X in erster Linie Anwendung findet. Statuiert wird vielmehr eine materiell-rechtliche Voraussetzung für einen Anspruch auf Kurzarbeitergeld, wobei in § 99 Abs. 2 SGB III die Rechtsfolge für den Zeitpunkt der Anzeige festlegt wird (vgl. BSG, Urteil vom 14. Februar 1989 – 7 Rar 18/87, a.a.O.; Müller-Grune in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB III, 2. Aufl. 2019, Stand 2. Februar 2021, § 99 Rn. 40; Petzold in: Hauck/Noftz, SGB, 10/20, § 99 SGB III, Rn. 15, Brand/Kühl, 9. Aufl. 2021, SGB III § 99 Rn. 6).
Im Einzelfall kann die Berufung auf den Fristablauf durch die Beklagte rechtsmissbräuchlich sein, wenn zum Beispiel die Einhaltung der Ausschlussfrist für die Verwaltung von geringerer Bedeutung ist und ganz erhebliche langfristig wirkende Interessen des Antragstellers auf dem Spiel stehen (so Andrea Bindig, in: Hauck/Noftz, SGB III, Stand Dezember 2019, § 325 Rdnr. 15 unter Verweis auf BSG vom 21. Februar 1991 - 7 RAr 74/89 - SozR 3-4100 § 81 Nr. 1). Derartige Umstände liegen zur Überzeugung des Senats vorliegend nicht vor. Zu berücksichtigen ist dabei der Umstand, dass die Klägerin, die bereits in der Vergangenheit Kurzarbeitergeld bezogen hat, sich bei der Beklagten weder nach dem Zugang der abgesandten Anzeige noch nach dem Stand der Bearbeitung erkundigte. Hier wäre es der Klägerin ohne weiteres – und auch im Hinblick auf die Weihnachts- und Jahreswechselfeiertage – zumutbar gewesen, sich bei der Beklagten nach dem Zugang und/oder dem Bearbeitungsstand der neu eingereichten Anzeige zu erkundigen. Hieran war die Klägerin auch nicht durch die Corona-Pandemie gehindert. Weder hat die Corona-Pandemie selbst noch haben die im Zuge dessen seitens der Landesregierung in diesem Zusammenhang verfügten Einschränkungen die Klägerin daran gehindert, die Anzeige über Arbeitsausfall der zuständigen Agentur für Arbeit bis spätestens zum 31. Dezember 2020 zukommen zu lassen. Vielmehr hat die Klägerin die ihr zur Verfügung gestandenen Möglichkeiten, den Zugang der Anzeige des Arbeitsausfalls bei der Beklagten sicherzustellen, nicht ausgeschöpft. Insoweit trifft die Behauptung der Klägerin, die Beklagte sei zu diesem Zeitpunkt nicht per Email erreichbar gewesen, nicht zu. Dem widersprach zum einen bereits die Beklagte. Zum anderen führte die Zeugin aus, davon ausgegangen zu sein, dass die Anzeigen nicht per Email an die Beklagte übersandt werden sollten, ohne jedoch für diese Annahme eine valide Grundlage benennen zu können. Andere Übermittlungswege, die einen Nachweis des Zugangs ermöglichen würden, wie Einwurfeinschreiben, Email oder auch die telefonische Nachfrage bei der Beklagten bzgl. des Zugangs der Anzeige hat die Klägerin nicht genutzt. Weitere Umstände, die nach den auch im öffentlichen Recht zu berücksichtigenden Grundsätzen von Treu und Glauben, eine Nichtbeachtung der Versäumung der Frist bzw. eine Nachsichtgewährung rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich.
Die Klägerin kann schließlich auch nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so gestellt werden, als habe sie den Arbeitsausfall bereits im Dezember 2020 angezeigt. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch hat zur Voraussetzung, dass der Sozialleistungsträger eine ihm aufgrund Gesetzes oder eines Sozialrechtsverhältnisses obliegende Pflicht, insbesondere zur Beratung und Auskunft (§§ 14, 15 SGB I), verletzt hat und dadurch dem Betroffenen einen rechtlichen Nachteil zufügt. Ferner ist erforderlich, dass zwischen der Pflichtverletzung des Sozialleistungsträgers und dem Nachteil des Betroffenen ein ursächlicher Zusammenhang besteht. Schließlich muss der durch das pflichtwidrige Verwaltungshandeln eingetretene Nachteil durch eine zulässige Amtshandlung beseitigt werden können (BSG, Urteil vom 18. Januar 2011 – B 4 AS 99/10 R, juris Rn. 24). Der Herstellungsanspruch kann einen Versicherungsträger somit nur zu einem Tun oder Unterlassen verpflichten, das rechtlich zulässig ist. Voraussetzung ist also – abgesehen vom Erfordernis der Pflichtverletzung im Sinne einer fehlenden oder unvollständigen bzw. unrichtigen Beratung –, dass der dem Versicherten entstandene Nachteil mit verwaltungskonformen Mitteln im Rahmen der gesetzlichen Regelung, also durch eine vom Gesetz vorgesehene zulässige und rechtmäßige Amtshandlung, ausgeglichen werden kann. Umgekehrt bedeutet dies, dass in Fällen, in denen der durch pflichtwidriges Verwaltungshandeln eingetretene Nachteil nicht durch eine zulässige Amtshandlung beseitigt werden kann, für die Anwendung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs kein Raum bleibt. Mit Hilfe des Herstellungsanspruchs lässt sich der durch ein Fehlverhalten des Leistungsträgers bewirkte Nachteil nur dann ausgleichen, wenn die Korrektur beziehungsweise Ersetzung der fehlenden Anspruchsvoraussetzung mit dem jeweiligen Gesetzeszweck in Einklang steht. Letzteres ist hier nicht der Fall. Das Vorliegen einer Anzeige bei der zuständigen Agentur für Arbeit bereits im Dezember 2020 lässt sich durch einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch nicht fingieren. Das Vorliegen der Anzeige bei der Beklagten kann als fehlende materielle Anspruchsvoraussetzung nicht „hergestellt“ werden. Nach ihrem Sinn und Zweck soll die Arbeitsagentur mit der Anzeige über Arbeitsausfall in die Lage versetzt werden zu prüfen, ob alle Voraussetzungen für die Leistungsgewährung in dem jeweiligen Betrieb verwirklicht sind, was nach § 98 Abs. 4 SGB III die Prüfung von Vermittlungsmöglichkeiten umfasst, wobei die betroffenen Arbeitnehmer zur ordnungsgemäßen Mitwirkung verpflichtet sind. Dies aber kann nicht rückwirkend erfolgen (vgl. BSG, Urteil vom 14. Februar 1989 – 7 Rar 18/87, a.a.O. Rn. 28 f.; Müller-Grune in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB III, 2. Aufl. 2019, Stand 2. Februar 2021, § 99 Rn. 41; Brand/Kühl, 9. Aufl. 2021, SGB III § 99 Rn. 7).
Nur ergänzend wird darauf hingewiesen, dass vorliegend auch ein Beratungsfehler oder ein sonstiges Verschulden der Beklagten nicht ersichtlich ist. Bereits der Bescheid vom 9. April 2020 enthielt einen ausdrücklichen Hinweis auf die Regelung des § 104 Abs. 3 SGB III, so dass der Senat vor diesem Hintergrund kein widersprüchliches Verhalten der Beklagten und auch keinen Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben erkennen kann. Auch das Merkblatt 8a der Beklagten zum Kurzarbeitergeld enthielt entsprechende Hinweise zur Rechtslage. Im Formular zur Anzeige des Arbeitsausfalls vom 25. März 2020 hat die Klägerin unterschriftlich bestätigt, von dessen Inhalt Kenntnis genommen zu haben. Die Beklagte hat somit gerade nicht durch Verletzung einer ihr obliegenden Beratungs- oder Betreuungspflicht die Versäumung der Anzeigefrist verursacht. Es ist zudem nicht ihre Aufgabe, nach einem Anerkennungsbescheid vor dem denkbaren Ablauf einer Antragsfrist bzw. nach einem länger als dreimonatigen Nichtbezug von Kurzarbeitergeld Betriebe an rechtzeitige Anträge bzw. Anzeigen zu erinnern. Eine konkrete Hinweispflicht der Beklagten im vorliegenden Fall auf die fehlende Anzeige ab Dezember 2020 bestand somit nicht.
Die Klägerin hat nach alledem keinen Anspruch auf Kurzarbeitergeld für den Monat Dezember 2020.
Die Berufung der Klägerin war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG; § 197a SGG gelangt nicht zur Anwendung. Soweit die Klägerin für ihre Arbeitnehmer Ansprüche auf Kurzarbeitergeld geltend macht, gehört sie zu dem durch § 183 SGG privilegierten Personenkreis, für den Gerichtskostenfreiheit besteht, weil sie im Wege der Verfahrens- und Prozessstandschaft Leistungen geltend macht, die als Leistungen der aktiven Arbeitsförderung materiell den Arbeitnehmern als Leistungsempfängern zustehen (vgl. BSG, Urteil vom 21. Juli 2009 - B 7 AL 3/08 R - juris Rdnr. 22).
Gesetzliche Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.