S 3 AL 148/22

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Kassel (HES)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 3 AL 148/22
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AL 11/23
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 11 AL 37/24 B
Datum
Kategorie
Gerichtsbescheid


Die Klage wird abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.


Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Konkursausfallgeld für den Monat Dezember 2020.

Nach dem Akteninhalt, so wie er sich aus der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakte ergibt, beantragte die Klägerin am 18. Januar 2021 Konkursausfallgeld für den Monat Dezember 2020. Mit Schreiben vom 28. Januar 2021 forderte die Beklagte eine Anzeige über den Arbeitsausfall für den Zeitraum ab Januar 2021 vorzulegen, da der Arbeitsausfall für mehr als drei Monate unterbrochen gewesen war und somit eine neue Anzeige über den Arbeitsausfall benötigt werde.

Durch Bescheid vom 28. Januar 2021 lehnte die Beklagte den Antrag für den Abrechnungsmonat Dezember 2020 mit der Begründung ab, für die Erstattung von Kurzarbeitergeld sei es unter anderem erforderlich, dass der Arbeitsausfall bei der Agentur für Arbeit, in deren Bezirk der Betrieb liegt, schriftlich anzuzeigen sei. Eine rechtswirksam erstattete Anzeige für den Monat Dezember 2020 liege nicht vor, so dass eine Erstattung von Kurzarbeitergeld nicht erfolgen könne.

Mit Mail vom 28. Januar 2021 legte die Klägerin eine Anzeige für den Arbeitsausfall für den Monat Dezember 2020 bis voraussichtlich Dezember 2021 vor, die auf den 15. Dezember 2020 datiert ist und die bereits am 21. Dezember 2020 postalisch an die Agentur für Arbeit in Kassel übersandt worden sein soll.

Durch Bescheid vom 29. Januar 2021 erkannte die Beklagte einen erheblichen Arbeitsausfall für die Zeit ab Januar 2021 an.

Durch Widerspruchsbescheid vom 3. Februar 2021 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und führte folgendes zur Begründung aus: 

„Der Widerspruch ist zulässig, in der Sache aber unbegründet.
§ 95 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) bestimmt, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Anspruch auf Kurzarbeitergeld haben, wenn 1. ein erheblicher Arbeitsausfall mit Entgeltausfall vorliegt, 2. die betrieblichen Voraussetzungen erfüllt sind, 3. die persönlichen Voraussetzungen erfüllt sind und 4. der Arbeitsausfall der Agentur für Arbeit angezeigt worden ist.
Der Arbeitsausfall ist bei der Agentur für Arbeit, in deren Bezirk der Betrieb seinen Sitz hat, schriftlich oder elektronisch anzuzeigen (§ 99 Absatz 1 Satz 1 SGB III). Kurzarbeitergeld wird frühestens von dem Kalendermonat an geleistet, in dem die Anzeige über den Arbeitsausfall bei der Agentur für Arbeit eingegangen ist (§ 99 Absatz 2 Satz 1 SGB IN).
Kurzarbeitergeld wird für den Arbeitsausfall nach § 104. Abs. 1 SGB III in Verbindung mit der Zweiten Kurzarbeitergeldbezugsdauerverordnung für eine Dauer von längstens 24 Monaten gewährt. Sind seit dem letzten Kalendermonat, für den Kurzarbeitergeld gezahlt worden ist, drei Monate vergangen und liegen die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Kurzarbeitergeld erneut vor, beginnt eine neue Bezugsdauer (§ 104 Abs. 3 SGB III).
Dem Widerspruchsführer war auf seine Anzeige über den Arbeitsausfall nach § 99 SGB III Kurzarbeitergeld mit Bescheid vom 09. April 2020 für den Zeitraum März bis Dezember 2020 zuerkannt worden. Dieses war zuletzt bis Juni 2020 erstattet worden.
Mit dem bisherigen Zuerkennungsbescheid wurde der Widerspruchsführer darauf hingewiesen, dass Kurzarbeitergeld nur nach erneuter Erstattung einer Anzeige über Arbeitsausfall gewährt werden kann, wenn seit dem letzten Monat, für den Kurzarbeitergeld gewährt wurde, drei Monate, verstrichen sind.
Kurzarbeitergeld hat der Widerspruchsführer für die Monate März bis Juni 2020 bezogen. Danach ist eine Unterbrechung des Bezuges von mehr als 3 Monaten eingetreten.
Der Antrag auf Erstattung von Kurzarbeitergeld für Dezember 2020 ist am 27. Januar 2021 bei der Agentur für Arbeit eingegangen. Dieser wurde als erneute Anzeige über den Arbeitsausfall gewertet. Kurzarbeitergeld kann daher erst ab dem Monat Januar 2021 gewährt werden. Für Dezember .2020 scheidet ein Anspruch mangels rechtswirksamer Anzeige aus.
Soweit vorgetragen wurde, mit Datum vom 15. Dezember 2020 sei die Anzeige über Arbeitsausfall ab Dezember 2020 erstellt und am 21. Dezember 2020 postalisch an das Arbeitsamt Kassel gesendet worden, ist festzustellen, dass der Eingang einer solchen Anzeige nicht zu verzeichnen ist. Der Widerspruchsführer trägt auch das Risiko der Postbeförderung. Werden Schriftstücke nicht oder verspätet zugestellt, geht dies zu seinen Lasten.
Die gesetzlichen Bestimmungen sehen eine Härtefallregelung nicht vor. Einer nicht rechtzeitig eingegangenen Anzeige kann daher außerhalb der Regelung des § 99 Absatz 2 SGB III auch bei Vorliegen eines entschuldbaren Grundes nicht durch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand oder den sog. sozialrechtlichen Herstellungsanspruch abgeholfen werden (BSG -14. Februar 1989 - 7 RAr 18/87). Auf die Gründe, warum die Anzeige nicht rechtzeitig bei der Agentur für Arbeit erstattet worden ist, kommt es daher nicht an.
Die Zuerkennung von Kurzarbeitergeld erst ab Januar 2021 war nach alledem sachlich und rechtlich nicht zu beanstanden.“

Hiergegen richtet sich die am 3. März 2021 zum Sozialgericht Kassel erhobene Klage. Die von ihr beauftragte Steuerberatungsgesellschaft habe die Anzeige über den Arbeitsausfall am 15. Dezember 2020 erstellt und am 21. Dezember 2020 postalisch an das Arbeitsamt Kassel gesendet. Die Versendung sei durch Frau H. erfolgt. Diese habe den Brief per Post eingeworfen. Der Postausgang sei im Postausgangsbuch vom 21. Dezember 2020 ordnungsgemäß verzeichnet worden. Es sei zwingend davon auszugehen, dass die Beklagte nicht die ordnungsgemäßen Voraussetzungen getroffen habe, um den erheblichen Anfall von Anträgen postalischer Art zu empfangen und zu bearbeiten. Dies könne nicht zulasten von ihr gehen. Ein pflichtwidriges Verhalten der Beklagten liege zweifach vor. Die Beklagte habe nicht darauf geachtet, dass beim Einscannen Fehler ausgeschlossen werden können. Ein Vernichten der Originaleingangspost dürfe nur dann erfolgen, wenn durch bestimmte Verfahrensregelungen sichergestellt ist, dass alle Kundennummern ordnungsgemäß erfasst sind. Eine zweite Pflichtwidrigkeit liege darin, dass die Beklagte in Kenntnis der eingetretenen Fehler keine ausreichenden Reaktionen hat folgen lassen, um die Fehler zukünftig zu vermeiden. Der Bürger/Unternehmer könne von dem Staat erwarten, dass er mit seiner Eingangspost - wenn es auf die rechtzeitige Anzeige ankommt - pflichtgemäß umgeht. Die zuvor geschilderte Verfahrensweise stelle keinen pflichtgemäßen Umgang dar. Die gesetzliche Lage - materielle Anspruchsvoraussetzung/keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand - sei nur interessengerecht, wenn die Behörde mit der eingegangenen Post sachgerecht umgeht. Bei der zuvor dargestellten Vorgehensweise mit dem Umgang der Eingangspost im Scanzentrum der Deutschen Post ist aufgrund der Fehleranfälligkeit nicht von dem gebotenen sachgerechten Umgang auszugehen.

Die Klägerin beantragt (sinngemäß),
den Bescheid vom 28. Januar 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03. Februar 2021 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, das Vorliegen erheblichen Arbeitsausfalls auch für den Monat Dezember 2020 und die betrieblichen Voraussetzungen anzuerkennen sowie KuG für den Monat Dezember 2020 in gesetzlichem Umfang zu gewähren.

Die Beklagte beantragt (sinngemäß),
die Klage abzuweisen.

Die Beklagte beruft sich zur Begründung des Antrags auf die während des Verwaltungs- und Widerspruchsverfahrens gemachten Ausführungen. Ergänzend trägt sie vor, alleine der Eintrag in ein Postausgangsbuch stelle keinen Nachweis des Zugangs eines Schreibens bei der Beklagten da. Dieser Nachweis sei von der Klägerin jedoch zu erbringen.

Das Gericht hat den Sachverhalt am 25. Oktober 2021 mit den Beteiligten erörtert. Übereinstimmend haben die Beteiligten das Ruhen des Verfahrens beantragt, so dass das Gericht durch Beschluss vom 26. Oktober 2021 das Ruhen des Verfahrens angeordnet hat. Mit Schriftsatz vom 27. Juni 2022 hat die Klägerin das Verfahren wieder aufgerufen; dieses wird unter dem Aktenzeichen S 3 AL 148/22 weitergeführt.

Mit Schreiben vom 6. Oktober 2022 wurden die Beteiligten darüber in Kenntnis gesetzt, dass die Absicht bestehe, den vorliegenden Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, da die Streitsache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher und rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist.

Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte; weiterhin wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte zum Aktenzeichen S 3 AL 39/21 und des Inhaltes der Verwaltungsakte der Beklagten, der Gegenstand der Entscheidung gewesen ist.


Entscheidungsgründe

Das Gericht konnte den vorliegenden Rechtsstreit nach § 105 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, da die Streitsache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher und rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist; die Beteiligten wurden gehört. 

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Bescheid vom 28. Januar 2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Februar 2021 ist rechtmäßig. Die Klägerin wird hierdurch nicht in ihren Rechten verletzt. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, der Klägerin Kurzarbeitergeld (KuG) für den Monat Dezember 2020 in gesetzlichem Umfang zu gewähren.

Ein Anspruch auf KuG für den Monat Dezember 2020 besteht nicht.

Nach § 99 Abs. 2 Sozialgesetzbuch 3. Buch (SGB III), der auf den vorliegenden Sachverhalt nach § 104 Abs. 3 SGB III erneut anzuwenden ist, wird Kurzarbeitergeld frühestens von dem Kalendermonat an geleistet, in dem die Anzeige über den Arbeitsausfall beim Arbeitsamt eingegangen ist.

Vorliegend ist ein Eingang des Antrags im Januar 2021 und nicht im Dezember 2020 nachgewiesen, da der Antrag erst am 28. Januar 2021 zur Akte gelangt ist.

Das Vorbringen der Klägerin ist nicht geeignet, eine Überzeugung in einen früheren Zugang des Antrags, nämlich im Dezember 2020, zu bilden. Aus dem Vorbringen lässt sich zweifelsfrei gerade nicht begründen, dass die Anzeige über den Arbeitsausfall für den Monat Dezember 2020 bereits in diesem Monat in den Machtbereich der Beklagten gelangt ist. Das Vorbringen der Klägerin ist hierzu nicht geeignet; hieraus ergibt sich allenfalls eine Bearbeitung, die im Eintrag des Postausgangsbuches ihren Niederschlag gefunden hat und nichts dazu ergibt, dass ein Antrag in den Machtbereich der Beklagten gelangt sein könnte.

Es ist zur Überzeugung des Gerichts grundsätzlich nichts dagegen einzuwenden, wenn die Beklagte zum ersetzenden Scannen einen externen Dienstleister beauftragt und zu diesem Zweck die ersetzend zu scannenden Dokumente den Machtbereich der Beklagten verlassen. Nach Information des Gerichts hält die Beklagte hinsichtlich des gesamten Scanprozesses sowie der vorbereitenden Handlungen und Nacharbeiten die Technische Richtlinie 03138 Ersetzendes Scannen des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnologie vom 23. April 2020 ein und stellt, auch unter Wahrung erhöhten Schutzbedarfes, sicher, das im gesamten Verfahrensablauf gewährleistet ist, dass Dokumente nicht verlustig gehen und der Inhalt der Verwaltungsakten, auch im Sinne der Ausführungen der Klägerin, vollständig ist. Die pauschalierenden Mutmaßungen des Prozessbevollmächtigten der Klägerin ändern hieran nichts. 

Gem. § 95 I Nr. 4 SGB III, der vom Wortlaut im Wesentlichen § 64 AFG entspricht, gehört zu den Voraussetzungen für die Gewährung von Kurzarbeitergeld, dass der Arbeitsausfall dem Arbeitsamt angezeigt wird. Die Anzeige, die - was hier geschehen ist - schriftlich bei dem Arbeitsamt zu erstatten ist, in dessen Bezirk der Betrieb liegt ist materiell-rechtliche Anspruchsvoraussetzung (BT-Dr V/2291, S. 71 zu § 59 I Nr. 4; BSG; SozR 4100 § 66 Nr. 1). Aus diesem Grunde muss sie an dem Tage vorliegen, von dem an Kurzarbeitergeld gewährt werden soll. Demgemäß bestimmt § 99 Abs. 2 SGB III, was nach der amtlichen Begründung lediglich zur Klarstellung festgeschrieben worden ist (BT-Dr V/2291, S. 72 zu § 61 AFG), dass Kurzarbeitergeld in dem Betrieb frühestens von dem Tage an gewährt wird, an dem die Anzeige über den Arbeitsausfall beim Arbeitsamt eingegangen ist (Satz 1). Lediglich dann, wenn der Arbeitsausfall auf einem unabwendbaren Ereignis beruht, wird Kurzarbeitergeld frühestens vom ersten Tage dieses Ereignisses an gewährt, wenn die Anzeige unverzüglich erstattet worden ist (Satz 2). Die Anzeige über den Arbeitsausfall in dem Betrieb ist erst am 28. Januar 2021 eingegangen. Demzufolge kann dem Kläger für Dezember 2020 ein Anspruch auf Kurzarbeitergeld nach den §§ 95ff SGB III nicht zuerkannt werden.

Ein der Klägerin günstigeres Ergebnis lässt sich, nicht aus dem Rechtsinstitut der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 27 SGB X) herleiten, wonach jemandem, der ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist (Abs. 1 Satz 1). Mit dieser Rechtsfigur sind - ähnlich wie in § 67 SGG für den Prozess - in erster Linie fristgebundene Verfahrenshandlungen angesprochen. Die Anzeige über Arbeitsausfall ist weder fristgebunden noch beinhaltet sie eine Verfahrenshandlung; sie stellt, sie aufgezeigt, vielmehr eine materiellrechtliche Anspruchsvoraussetzung dar. Selbst wenn man in ihr eine Verfahrenshandlung mit Fristcharakter erblicken wollte, käme eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht in Betracht; denn diese ist, wie aus § 27 Abs. 5 SGB X hervorgeht, nicht zulässig, wenn sich aus einer Rechtsvorschrift ergibt, dass sie ausgeschlossen ist. Der Anzeige über Arbeitsausfall kommt nach Sinn und Zweck Ausschlusscharakter zu. Das folgt insbesondere aus § 99 Abs. 2 S. 2 SGB III, wonach eine "rückwirkende" Gewährung von Kurzarbeitergeld allein für den Fall eines unabwendbaren Ereignisses vorgesehen ist. Dieser Sondervorschrift hätte es nicht bedurft, wenn auch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hätte möglich sein sollen.

Der sogenannte sozialrechtliche Herstellungsanspruch vermag zu keinem anderen Ergebnis zu führen. Er ist auf die Vornahme einer Amtshandlung zur Herstellung desjenigen Zustandes gerichtet, der bestehen würde, wenn der Leistungsträger die ihm aus dem Sozialrechtsverhältnis erwachsenden Nebenpflichten ordnungsgemäß wahrgenommen hätte. Im vorliegenden Fall kann dahinstehen, ob für das Unterbleiben der Anzeige über Arbeitsausfall vor dem 28. Januar 2021 ein rechtswidriges Verhalten der Beklagten verantwortlich ist; denn für einen Herstellungsanspruch ist hier schon deswegen kein Raum, weil sich das Fehlen der Anzeige über Arbeitsausfall weder ersetzen noch fingieren lässt.

Zwar können im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs gewisse Leistungsvoraussetzungen - wie etwa verspätete Antragstellung, verspätete Beitragsentrichtung oder verspätete Vorlage von Unterlagen - als erfüllt angesehen werden, wenn die Verspätung auf einem pflichtwidrigen Verhalten des Leistungsträgers beruht. Etwas anderes gilt jedoch für einen rechtserheblichen Tatbestand, den herzustellen nicht in der Verfügungsmacht des Leistungsträgers steht; denn der Leistungsträger darf nicht zu einem Handeln verpflichtet werden, das gesetzwidrig ist (vgl. hierzu etwa BSGE 44, 114 (121) = SozR 2200 § 886 Nr. 1; BSGE 49, 76 (80) = SozR 2200 § 1418 Nr. 6; BSGE 50, 25 (29) = SozR 2200 § 172 Nr. 14; BSGE 51, 89 (92) = SozR 2200 § 381 Nr. 44; BSGE 58, 104 (109) = NZA 1986, 38 = SozR 4100 § 103 Nr. 36; BSGE 60, 43 (48) = NZA 1986, 691 = SozR 4100 § 105 Nr. 2; BSG, NZA 1989, 571). Demgemäß kann im Wege des Herstellungsanspruchs weder eine in die Lohnsteuerkarte eingetragene Lohnsteuerklasse durch eine günstigere Steuerklasse (BSG, Dienstblatt der Bundesanstalt für Arbeit Rechtsprechung - DBlBA R - § 113 AFG Nr. 2689a) noch ein tatsächlich erzieltes niedriges Arbeitsentgelt durch ein höheres ersetzt werden (BSG, DBlBA R § 137 AFG Nr. 2781a). Ebensowenig lassen sich für den Winterbau unzureichend getroffene Schutzvorkehrungen als ausreichend behandeln (BSG, DBlBA R § 78 AFG Nr. 2782a). Das gleiche gilt für fehlende Arbeitslosmeldung (BSGE 60, 43 = SozR 4100 § 105 Nr. 2; BAG, NZA 1989, 571, fehlende Anwartschaftszeit (BSG, SozR 4100 § 102 Nr. 6), fehlende Verfügbarkeit (BSGE 58, 104 (109) = NZA 1986, 38 = SozR 4100 § 103 Nr. 36) sowie fehlende Eingliederungschancen (BSG, SozR 4100 § 56 Nr. 18).

Nichts Anderes trifft auf das Fehlen der Anzeige über Arbeitsausfall zu. Nach ihrem Sinn und Zweck soll das Arbeitsamt in die Lage versetzt werden, zu prüfen, ob alle Voraussetzungen für die Leistungsgewährung in dem Betrieb verwirklicht sind. Dazu gehört sowohl die Prüfung der Ausgestaltung der Kurzarbeit als auch die Prüfung, ob die Bezieher von Kurzarbeitergeld an arbeitsfreien Tagen in andere zumutbare Arbeit (Zweitarbeitsverhältnis) vermittelt werden können. Dies verbietet selbst bei unverschuldeter Verzögerung der Anzeige eine Vorverlegung des Beginns der Kurzarbeitergeld-Gewährung. Damit lässt sich eine nicht rechtzeitig erstattete Anzeige über Arbeitsausfall über den Herstellungsanspruch nicht vordatieren (BSG v. 14.02.1989, 7 RAr 18/87; aA Bieback in Gagel, SGB II/SGB III Kommentar, Stand: Juni 2021, § 99 SGB III, Rz. 25ff).

Nach alledem war die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.

Die Zulässigkeit der Berufung folgt aus § 143 SGG.
 

Rechtskraft
Aus
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